Protokoll der Sitzung vom 10.01.2013

[Torsten Schneider (SPD): Deutschland sucht den Superstar!]

Wenn ein gelernter Industrieelektroniker auf eine Baustelle geht und sagt, wenn ich diese Kabel so verlegt hätte, wäre ich durch meine Gesellenprüfung gefallen, dann wurde da offensichtlich Mist gebaut. Dann interpretieren Sie das doch einfach als konstruktive Kritik.

Was hier ein paar Mal über die Konsolidierung dieses Haushalts gesagt wurde, das muss Herr Nußbaum vielleicht bei anderer Gelegenheit erklären – wie ein Flughafen, der ursprünglich einmal 2,8 Milliarden Euro kosten sollte und jetzt 4,3 Milliarden Euro plus x kosten wird, zur Haushaltskonsolidierung im Land Berlin beiträgt.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Heiterkeit von Martina Michels (LINKE)]

Das müssen Sie mir noch einmal erklären, insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir im Haushalt 2012/2013, der hier beschlossen wurde, 3,5 Milliarden Euro Solidaritätsbeitrag von anderen Bundesländern in Deutschland bekommen.

Herr Wowereit! Sie haben selbst gesagt, es werde für Sie schwer sein, nicht zurückzutreten, weil Sie mehr Kritik ertragen müssten. – Sehen Sie es so: Es wird natürlich auch für dieses Parlament und die Berlinerinnen und Berliner schwer sein, das zu ertragen. Und Verantwortung übernehmen heißt, dass man im Zweifelsfall auch die Konsequenzen zieht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei allen Differenzen, die wir hier inhaltlich und persönlich haben mögen – und da spreche ich jetzt explizit die SPD und die CDU an –, unterstelle ich jetzt nach einem Jahr jedem Mitglied, auch nach dem, was ich in den Ausschüssen erlebt habe in diesem Abgeordnetenhaus, dass es in die Politik gegangen ist, weil es eben Politik machen und etwas zum Besseren verändern möchte.

[Torsten Schneider (SPD): Da haben wir ja Glück gehabt! – Zuruf von der CDU: Dafür haben Sie ein Jahr gebraucht?]

Sonst würden wir uns tatsächlich diesen Stress des Politikbetriebs nicht antun, innerparteilich würden wir uns das nicht antun. Wir würden uns das auch nicht in den Ausschüssen und in den Plenarsitzungen antun. Darüber hinaus verbindet uns, unabhängig von der Parteizugehörigkeit, dass wir als Politiker im Allgemeinen in der öffentlichen Kritik stehen, auch jetzt.

[Oh! von der SDP – Ülker Radziwill (SPD): Gerade auch die Piraten!]

Als Abgeordnete sind wir – da kann man in die Verfassung schauen – den Berlinerinnen und Berlinern verpflichtet. Als Parteimitglieder fühlen wir uns unseren Parteien verpflichtet. Die Frage, die sich jetzt hier alle Anwesenden stellen müssen, ist: Wie schwer wiegt denn diese Pflicht gegenüber der eigenen Partei im Vergleich zu der Pflicht, die wir nach der Verfassung gegenüber den Berlinerinnen und Berlinern haben?

[Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Es geht tatsächlich bei dem Misstrauensantrag gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit um nichts anderes: Sind Sie als Abgeordnete in der Lage, Ihre Verantwortung gegenüber den Berlinerinnen und Berlinern wahrzunehmen oder nicht?

[Michael Dietmann (CDU): Ja, jederzeit! Deshalb werden wir ja darüber abstimmen!]

Es geht hier nicht um die Frage, ob Sie persönlich bei der nächsten Listenaufstellung, bei der nächsten Aufstellung für ein Direktmandat berücksichtigt werden oder nicht. Es geht auch nicht um die Frage, ob Sie hier durch die Zustimmung zu diesem Misstrauensantrag möglicherweise Ihre politische Karriere innerparteilich beenden, politischen Selbstmord begehen oder nicht.

[Zuruf von Michael Dietmann (CDU)]

Es darf hier nicht darum gehen, inwieweit diese namentliche Abstimmung jetzt am Samstag Ihre persönliche Parteikarriere beeinflusst. Es muss einmal – wenigstens ein Mal – über Parteigrenzen hinweg darum gehen, was wir als gewählte Volksvertreter tun, wie wir Politik für die Berlinerinnen und Berliner machen wollen und mit welchen Mehrheiten das geschehen soll. Wollen wir hier eine Perspektive, oder wollen wir einen echten Neustart in der Berliner Politik?

Dann müssen Sie sich überlegen: Wenn Sie jetzt am Samstag Klaus Wowereit das Vertrauen aussprechen, tragen Sie in Zukunft für all das, was Herr Wowereit ab jetzt tut – auch beim BER –, die Verantwortung.

[Torsten Schneider (SPD): Das machen wir seit Jahren schon! Vielen Dank, dass Sie uns aufklären! Die Welt braucht keinen Lauer! – Weitere Zurufe von der SPD]

Dann können Sie sich nicht mehr herausreden. Dann werden Sie sich in Zukunft auch erklären müssen, warum Sie bereit sind, für einen Menschen Verantwortung zu übernehmen, der in der Vergangenheit mehrfach verantwortungslos gehandelt hat, der noch nicht einmal bereit war – jetzt auch nicht –, sich selbst in der Öffentlichkeit einzugestehen, dass er seine Verantwortung nicht wahrgenommen hat.

Wie wollen Sie damit umgehen, dass diese Verantwortungslosigkeit genau die Projekte überschattet, auf die Sie eigentlich stolz sind? – Sie haben hier von den Wasserpreisen und den ganzen tollen Dingen, die die große Koalition getan hat, gesprochen. Im Moment ist Berlin und diese Koalition bundesweit für diesen Flughafen bekannt, der nicht fertiggestellt wird. Wie können Sie es verantworten, dass die Verantwortungslosigkeit von Herrn Wowereit hier genau die Projekte unmöglich macht, weswegen Sie eigentlich Politik gemacht haben? Hier ist doch keiner Abgeordneter oder Abgeordnete geworden, damit wir uns alle zwei Wochen über einen fehlgeplanten Flughafen unterhalten. Hier ist auch niemand Abgeordne

ter oder Abgeordnete geworden, damit wir Nachtragshaushalte bewilligen, weil andere in der Vergangenheit bei der Planung bzw. der Beaufsichtigung der Planung versagt haben. Deswegen machen wir das nicht.

Jeder Fachpolitiker hier in jeder Partei hätte doch sagen können, was man mit den 440 Millionen Euro, die wir jetzt nachgeschossen haben, in dem jeweiligen Bereich hätte bewerkstelligen können. Es bleibt ja auch nicht bei diesen 440 Millionen Euro. Es werden ja noch mehr werden. Es wurde auch schon gesagt, die 440 Millionen Euro Mehrkosten für diesen Flughafen kommen nicht aus der Steckdose, das sind Steuern, dafür müssen die Berlinerinnen und Berliner arbeiten. Diese erwarten zu Recht, dass wir mit diesem Geld ordentlich wirtschaften. Wie sollen wir denn mit diesem Geld ordentlich wirtschaften, wenn für den Regierenden Bürgermeister dieser Stadt so etwas wie parlamentarische Kontrolle ein Fremdwort ist?

[Oh! von der SPD]

Dann wurde hier auch schon von Wahlkampf gesprochen. Herr Saleh! Wollen Sie – und das ist ja das Schöne an einer solchen namentlichen Abstimmung – sich im nächsten Wahlkampf auf der Straße von den Berlinerinnen und Berlinern – die Liste ist ja dann öffentlich – aufs Brot schmieren lassen, dass Sie an diesem Zeitpunkt, wo Sie hier einen klaren Schlussstrich hätten ziehen können, „Weiter so!“ gesagt haben? Wenn Sie das möchten, ist es klar.

[Zuruf von Sven Heinemann (SPD)]

Wenn Sie Klaus Wowereit weiter das Vertrauen aussprechen, dann gestehen Sie hier auch ein, dass Sie im Moment keine politischen Optionen abseits von SPD und CDU für möglich halten, auch wenn sie rechnerisch möglich wären.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Mit den Mehrheitsverhältnissen im Abgeordnetenhaus wäre rein rechnerisch Rot-Grün toleriert von Linke und Piraten möglich,

[Torsten Schneider (SPD): Das wird die aber freuen!]

Es wäre Rot-Grün-Linke möglich, und es wäre rechnerisch sogar ein Bündnis aus Rot-Rot-Piraten möglich.

[Torsten Schneider (SPD): Eine Minderheitsregierung der Piraten machen wir! Wir tolerieren Sie im Fasching! Wir tolerieren Sie schon ein Jahr!]

Dass es da programmatisch bei vielen Punkten eine größere Überschneidung zwischen der SPD und den eben Genannten als mit der CDU gibt, ist eigentlich auch klar. Das bedeutet, wenn Sie hier Herrn Wowereit weiter unterstützen, sagen Sie auch: Okay, Sie können sich hier keine andere Politik für Berlin vorstellen.

[Andreas Kugler (SPD): Herr Lauer! Übernehmen Sie Verantwortung für Ihre schlechte Rede!]

Mit den herrschenden Mehrheiten hier im Haus brauchten wir noch nicht einmal Neuwahlen. Es muss natürlich den Willen zum Wechsel geben, den Willen, hier ein Ende mit Schrecken herbeizuführen, statt Schrecken ohne Ende zu ertragen und für Sie Schrecken ohne Ende mitverantworten zu müssen. Gehen Sie in den nächsten 48 Stunden in sich, denken Sie darüber nach, was höher wiegt! Suchen Sie das Gespräch mit den Berlinerinnen und Berlinern! Überlegen Sie sich, warum Sie Politik machen, was es bedeutet, Volksvertreter zu sein! Treffen Sie eine Entscheidung!

Einen kleinen Moment, Herr Kollege Lauer! – Hier wird fotografiert.

[Uwe Doering (LINKE): Nicht zum ersten Mal!]

Herr Kollege Özkaraca! Wir hatten eine klare Vereinbarung. Ich rufe Sie hiermit zur Ordnung und bitte Sie, diese Fotos wieder zu löschen. – Herr Lauer! Setzen Sie fort!

Ich hätte aber gern einen Abzug! – Wie gesagt: Suchen Sie das Gespräch mit den Berlinerinnen und Berlinern! Überlegen Sie sich, warum Sie Politik machen und was es bedeutet, Volksvertreter zu sein! Treffen Sie eine Entscheidung! Treffen Sie vor allen Dingen eine Entscheidung, die Sie vor sich selbst und den Berlinerinnen und Berlinern verantworten können! – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Über den Antrag auf Entzug des Vertrauens betreffend den Regierenden Bürgermeister kann gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 Verfassung von Berlin die namentliche Abstimmung frühestens 48 Stunden nach Bekanntgabe des Misstrauensantrags im Abgeordnetenhaus erfolgen. Ich habe daher zu einer weiteren Sondersitzung am Sonnabend, dem 12. Januar 2013 um 9.15 Uhr einberufen. Die Einladung wurde Ihnen zugestellt und ist auch heute als Tischvorlage ausgelegt.

Dies war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste Sitzung findet, wie gesagt, am Sonnabend, dem 12. Januar 2013 um 9.15 Uhr statt.

Die Sitzung ist geschlossen.

[Schluss der Sitzung: 10.51 Uhr]