Wir reden hier von akuten Problemen, nicht über eine Grundsatzdiskussion, nicht über eine Diskussion, die wir erst lange und ausführlich im Ausschuss führen müssen, sondern von der Notwendigkeit von Sofortmaßnahmen, die offensichtlich nicht von allen als notwendig erachtet werden. Wir reden davon, dass jetzt gehandelt werden muss und nicht in irgendwelchen Diskussionen zwischen dem Bezirk und der Senatsverwaltung. Nein, wir haben hier einen Antrag vorliegen, die Probleme müssen wir hier diskutieren. Wir müssen sie auch im Ausschuss und möglichst schnell diskutieren, Frau Radziwill.
Der Antrag der Linken geht das Problem an. Ganz kurz – es ist schon genannt worden –: Mehr Personal für die Problemämter, besonders Charlottenburg-Wilmersdorf ist da hervorgehoben worden. Dazu haben wir noch die Frage: Wie viel darf es denn sein an Personal? Wir haben ausgerechnet, vier bis fünf Stellen brauchte man schon. Es wäre schön, wenn es im Antrag stehen würde. Aber wir können ja noch darüber reden, das geht auch relativ schnell. Der Erhalt der Sprechstunden ist ganz wichtig. Da sehen wir ein Problem in der Priorität. Was ist wichtiger bei der engen Personalsituation: das Abarbeiten oder das Beraten? Darüber müssen wir auch noch reden. Was wird priorisiert? Da widerspricht sich der Antrag ein bisschen in sich selbst. Ganz wichtig – darüber habe ich hier noch nichts gehört, im Gegenteil, ich habe die Frage gehört, zum Beispiel von Frau Kittler –: Was waren eigentlich wirklich die Gründe dafür, dass sich besonders in Charlottenburg-Wilmersdorf die Problemfälle gehäuft haben und die Bearbeitungszeit so viel länger geworden ist? Das ist etwas, das nicht nur wir, sondern vor allem auch der Senat herausfinden sollte – zusammen mit den Bezirken.
Was glauben Sie, wie viel Druck Auszubildende und Studierende in dieser Stadt noch aushalten können? Wie
viel Druck – sozialen, finanziellen, Leistungsdruck – wir noch aufbauen lassen können? Wir haben zu wenig Wohnheimplätze für die Studierenden. Studierende müssen arbeiten gehen, um sich teure Wohnungen leisten zu können, oder weit fahren. Wir haben einen massiven Leistungsdruck durch den doppelten Abiturjahrgang, den Wegfall der Wehrpflicht, Berlin als Studentenstadt, das kennen wir alles, die niedrigen NCs, die wir haben, was einen zusätzlichen Druck auf das Ausbildungsplatzangebot bedeutet. Und wir haben das Problem, dass tatsächlich auch mit diesem BAföG-Antragstau plötzlich Studierende abspringen, Studierende ihr Studium nicht antreten können, weil sie aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen oder aufgrund finanziellen Bedarfs die Leistungen nicht mehr erbringen können, die notwendig sind, um ihr Studium fortzuführen. Das führt zu folgendem Problem: Die Probleme, die hier im Antrag genannt werden, kosten uns mehr, als die Lösung uns kostete.
Das ist vielen nicht klar. Wir haben gehört – Frau Schillhaneck hat es angesprochen von Frau Mai-Hartung –, wir haben einen enormen Mehrbedarf an psychologischer Beratung in den Studentenwerken. Woher kommt das? Womit verstärken wir diese Probleme? – Zum Beispiel dadurch, dass BAföG nicht gezahlt wird, die Menschen nicht wissen, wo sie bleiben sollen. Also suchen sie sich Beratung. – Ich beeile mich.
Studienabbrecher oder Schulabbrecher – das wurde auch schon gesagt – kosten Geld. Die kosten Geld, weil sie das bisher gezahlte BAföG nicht zurückzahlen können und möglicherweise in den Sozialsystemen landen. Der Personalabbau in den Bezirken – er ist hier im Antrag explizit angesprochen – kostet Geld.
Der kostet deshalb Geld, weil die übrig gebliebenen Personalkräfte überarbeitet sind, krank werden, ihre Aufgaben nicht erfüllen können und wir dann zu solchen Anträgen und solchen Sofortmaßnahmen gezwungen sind. Das müssen Sie sich einmal überlegen.
Was kann der Senat tun? – Eines ist schon angesprochen worden. Frau Schillhaneck hat es vorweggenommen, also mir zumindest: Der Senat könnte sofort veranlassen, zwei Zahlungstermine pro Monat zu ermöglichen. Das würde den Bearbeitungsstau verringern, weil die Zahlungen früher ausgeführt werden könnten. Das wäre eine Sache!
Ja, ich bin gleich fertig. – Frau Senator Scheeres hat es schon gesagt, sie möchte Finanzspritzen für die Bezirke, Herr Nußbaum möchte das nicht. Er hält die Bezirke selbst für verantwortlich. Noch ein Satz: Die Bezirke selbst für verantwortlich zu halten, reicht nicht aus. Charlottenburg-Wilmersdorf ist so verzweifelt, dass sie auf Honorarbasis pensionierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zurückholen wollen, um das zu bearbeiten, was notwendig ist. Das kann es nicht sein. Das können wir besser machen. Ich erwarte das auch von Ihnen. – Danke schön!
Danke schön, Kollege Delius! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung an den Ausschuss für Wissenschaft und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.
Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 17/0739
Ich verlese nicht noch einmal alle Rechtsverordnungen, sondern nur noch einmal die Verordnung lfd. Nrn. 2 und 3, Verordnungsnrn. 17067 und 68. Das sind die Verordnungen über die angemessene Verzinsung des betriebsnotwendigen Kapitals der Berliner Wasserbetriebe für die Jahre 2012 und 2013. Die Fraktion Die Grünen beantragt, dass neben der Überweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Forschung und Technologie und den Hauptausschuss auch noch an den Rechtsausschuss überwiesen wird. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.
Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für digitale Verwaltung, Datenschutz und Informationsfreiheit empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Keine Zahlungen an die Flughafengesellschaft auf unklarer Grundlage! Aufsicht endlich gewährleisten!
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Es wird die Überweisung des Antrags an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.
Dringlicher Antrag der Piratenfraktion, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0757
Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Wird hierzu die Beratung gewünscht? – Das war wohl der Fall. Dann gibt es eine Redezeit von bis zu fünf Minuten. Es beginnt die Piratenfraktion mit dem Kollegen Reinhardt. – Bitte schön!
Auch BAföG ist wichtig, aber auch dieses Mal geht es wieder um dringliche Schicksale. Im Jahr 2012 hatten wir 538 Asylanträge aus Serbien und 404 Asylanträge aus Bosnien-Herzegowina nach Berlin. Diese Zahlen ließen sich fortsetzen. Viele dieser Anträge kamen von Roma und anderen schutzbedürftigen Minderheiten, die in ihren Herkunftsländern schwierigen Bedingungen ausgesetzt sind. Ihnen wird zum Teil in Ihren Herkunftsländern systematisch der Zugang zu Wohnraum, Schulbildung und Krankenversorgung oder auch die Registrierung als Arbeitssuchende verwehrt.
Diese Informationen müssen Sie nicht uns glauben. Sie finden sie unter anderem in den Lageberichten des Auswärtigen Amtes, den Entscheiderbriefen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, den Berichten des Europarats und so weiter. Einige weitere Berichte finden Sie auch noch in der Antragsbegründung. Trotzdem sind die Anerkennungsraten dieser Asylbewerber gleich null. Die Regeln zur Anerkennung des Asylrechts sind grundsätzlich und grundlegend zu überdenken, damit die Schutzbedürftigkeit Asylsuchender in Deutschland endlich anerkannt wird.
Doch wir haben hier die Pflicht, mehr zu tun. Wir müssen auch jetzt akut schauen, was wir vor Ort umsetzen können und wie wir sofort helfen können. Gerade im Winter haben wir besonders erschwerte Bedingungen. Die Verschärfung der Lebenssituation schutzbedürftiger Minderheiten umfasst unter anderem die Diskriminierung. Gerade in den Herkunftsländern Serbien, Mazedonien und Kosovo führt dies oft dazu, dass viele Betroffene in kaum beheizbaren Behelfssiedlungen leben und dass ihnen die Obdachlosigkeit droht.
Das Aufenthaltsgesetz sieht für humanitäre Bedingung in § 60a die vorübergehende Aussetzung explizit vor. Es gibt uns hier die Möglichkeit, schnell und umfassend zu reagieren. Dies ist eine Möglichkeit, um unzumutbaren Härten entgegenzutreten. Wir wollen einen sofortigen generellen Winterabschiebestopp für besonders schutzbedürftige Personen. Die Regelung soll von jetzt an bis zum 31. März 2013 gelten und dann ab dem 1. November 2013 bis zum 31. März des Folgejahres und so weiter und so fort.
Dies umfasst schutzbedürftige Minderheiten und schutzbedürftige Personen gemäß Artikel 17 der EU-Aufnahmerichtlinie. In der Vorweihnachtszeit wurden in Berlin acht serbische Flüchtlinge nach Belgrad abgeschoben. Wir haben vom Flüchtlingsrat einige weitere Informationen zu den Personen bekommen, die abgeschoben wurden, auch zu denen, denen jetzt die Abschiebung droht. Ich zitiere aus einem Informationsbrief des Flüchtlingsrats. Es geht hier um den 19jährigen Luca:
Luca ist in Berlin geboren und hier zur Schule gegangen. Als er acht Jahre alt war, musste er mit seinen Eltern nach Serbien ausreisen. Seit zwei Jahren ist er wieder hier. Als Angehöriger der Roma-Minderheit hatte er in Serbien keinen Zugang zu Schulbildung. Seine Familie lebte unter existenziell schwierigen Bedingungen. Mittlerweile ist die Familie völlig entwurzelt. Weil sie in Berlin keine Aufenthaltserlaubnis bekam, sind Lucas Eltern nach Schweden weiter geflohen. Kürzlich wurden sie von Schweden nach Berlin zurückgeschoben. Jetzt droht ihnen die Abschiebung nach Serbien. Für Luca ist nur noch ein Antrag in der Härtefallkommission anhängig. Nur deshalb darf er vorläufig bleiben.
Luca ist hier kein Einzelfall, sondern eines von vielen Schicksalen, für die wir jetzt sofort Abhilfe schaffen können. In den letzten Jahren fanden in den Wintermonaten in Berlin keine Abschiebungen statt. Die Frage lautet also, woher hier der Mentalitätswandel kommt und warum die Abschiebungen dieses Jahr wieder stattgefunden haben.
In vielen Bundesländern in Deutschland gibt es mittlerweile einen Abschiebestopp. Schleswig-Holstein, Thüringen, Rheinland-Pfalz und Bremen haben im Winter bereits einen Abschiebestopp erlassen. Berlin bildet hier eine sehr unlöbliche, traurige Ausnahme. Auch in Brandenburg wird das intensiv diskutiert. Wir haben zahlreiche öffentliche Organisationen, die uns dazu aufgefordert haben, diesen Winterabschiebestopp sofort umzusetzen. Dazu gehören unter anderem die Liga-Spitzenverbände der Wohlfahrtspflege, der Flüchtlingsrat und weitere Organisationen. Sogar Ihre eigenen Abteilungsleiter, Frau Kolat, fordern mittlerweile den Abschiebestopp. Es gibt also keine ausreichenden Gründe mehr, um weiter zu zögern. Wir können diesen Menschen sofort helfen. Lassen Sie uns damit beginnen, am besten noch heute! Deswegen bitten wir um sofortige Abstimmung.
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion der SPD erteile ich das Wort dem Kollegen Kleineidam. – Bitte sehr!