Protokoll der Sitzung vom 17.01.2013

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Torsten Schneider (SPD): Aber Sie, oder was?]

Nein, die Bevölkerung und nicht Sie! Den Haushaltsabschluss haben wir in der Tat, Herr Schneider, der hohen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zu verdanken, denn davon hängen unsere Steuereinnahmen in erster Linie ab, nicht davon, welche Koalition in Berlin seit ganz Kurzem am Ruder ist.

[Torsten Schneider (SPD): Und wenn es mehr kostet, sind wir schuld!]

Es ist so, dass die deutsche Wirtschaft für uns alle etwas überraschend widerstandsfähig gewesen ist

[Torsten Schneider (SPD): Für dich überraschend!]

und nach der Weltwirtschaftskrise unerwartet rasch auf den langfristigen Wachstumspfad zurückgefunden hat.

Zweitens zeigt nicht ein halbes Jahr Haushaltsplan 2012, sondern der Sparkurs der gesamten letzten zehn Jahre jetzt endlich Wirkung. Dazu haben Sie allenfalls in Gestalt einer Haushaltssperre im ersten Halbjahr 2012 beigetragen. Zu mehr bestand ja keine Gelegenheit. Selbst den Haushaltsentwurf haben Sie fertig von der Vorgängerregierung vorgefunden.

[Martina Michels (LINKE): Ach, kuck!]

Die Berliner Erfahrung lehrt allen Unkenrufen zum Trotz: Sparen lohnt sich, wenn man den einmal eingeschlagenen Weg lang genug durchhält. – Daran haben alle Fraktionen hier im Haus ihren Anteil. Die Regierungsmehrheit in den zehn Jahren war die längste Zeit rot-rot. Gleichzeitig haben wir Grüne in der Opposition den Sanierungsprozess in all den Jahren konstruktiv begleitet

[Christian Goiny (CDU): Torpediert!]

und allen Versuchen widerstanden, die damit verbundenen Härten populistisch auszubeuten Ein Blick in das europäische Ausland zeigt, dass das keineswegs selbstverständlich ist. Es war sogar so, dass wir Grüne seit Mitte der Neunzigerjahre bei der Haushaltssanierung eine treibende Kraft gewesen sind und uns an den wesentlichen Grundsatzentscheidungen aktiv beteiligt haben. Das war gut so, und das wird auch so bleiben.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Drittens können wir alle miteinander ruhig zugeben: Den Durchbruch haben am Ende die Maßnahmen zur kom

munalen Entlastung gebracht, die dem Bund von den Ländern und Kommunen abgetrotzt wurden. Insgesamt stiegen die sogenannten sonstigen Einnahmen in den letzten beiden Jahren um 850 Millionen Euro. Der Beitrag des Senats hat leider darin bestanden, dass er bis über die Grenze des von der Verfassung Erlaubten versucht hat, diese neuen Einnahmen zu unterschlagen. Erst unter dem Druck einer Verfassungsklage der Oppositionsfraktionen haben Sie sich bequemt, wenigstens eine Teilkorrektur der Ansätze vorzunehmen.

Ehrlich ist Ihr Haushaltsplan deswegen immer noch nicht. Der Haushaltsabschluss 2013, Herr Goiny, wird es an den Tag bringen. Statt der im Haushaltsplan enthaltenen Neuverschuldung von knapp 500 Millionen Euro erwarte ich einen ausgeglichenen Haushalt. Nur weitere Zahlungen für den Bankenskandal und das milliardenschwere Flughafendesaster können uns da einen Strich durch die Rechnung machen.

Berlin steht vor einer neuen Phase der Haushaltskonsolidierung, in der es wieder Gestaltungsspielräume gibt, und das ist gut so, denn Gestaltungsspielräume wiedergewinnen, das war ja der Sinn der ganzen Sparerei. Wir Grüne haben in der Tat vor, diese Spielräume im Sinne der Menschen in der Stadt zu nutzen.

Zuallererst sind die Notstandsmaßnahmen der vergangenen Jahre zurückzunehmen, die nur vorübergehend berechtigt waren. Die in der Not abgesenkten Gehälter der Beschäftigten im öffentlichen Dienst müssen wieder an das in Deutschland übliche Niveau herangeführt werden.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wir alle müssen unser Versprechen von 2012 halten. Es war ein Versprechen von uns allen, dass es sich bei der Lohnabsenkung um eine vorübergehende Maßnahme handelt, die Zug um Zug zurückgenommen wird, und zwar für die tariflich Beschäftigten des Landes, für die Beamten und für die Beschäftigten der Zuwendungsempfänger Berlins.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wenn Sie das nicht wollen, meine Damen und Herren von SPD und CDU, und lieber auf Kosten derer, die für uns arbeiten, die Tilgungsüberschüsse erhöhen, dann müssen Sie das auch so sagen. Ich sage Ihnen dann aber auch: Das wäre wortbrüchig, das wäre unsozial, und das machen wir deswegen nicht mit.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wir müssen zweitens wieder stärker in den Erhalt der städtischen Infrastruktur investieren. Der Senat muss aufhören, Straßen, Gehwege, Gebäude auf Verschleiß zu fahren und die erforderlichen Unterhaltsmittel als Sparbüchse zu missbrauchen.

Wenn Sie das, lieber Herr Schneider, lieber Herr Goiny, nicht wollen und lieber die Tilgungsüberschüsse erhöhen, anstatt die Schlagzahl bei der Schulsanierung zu erhöhen,

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

kann ich Ihnen nur sagen: Dann kriegen Sie nicht nur Krach mit uns, Herr Schneider, sondern auch Krach mit Ihrem Nachbarn und Fraktionsvorsitzenden, falls der bei seinen Aussagen von heute bleibt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Torsten Schneider (SPD): Der bleibt immer bei seinen Aussagen!]

Drittens muss es in Berlin wieder einen sozialen Wohnungsbau geben so wie in allen anderen deutschen Städten auch. Ich erinnere mich gut an 2002, als wir den Ausstieg aus dem irrwitzigen System der Berliner Wohnungsbauförderung beschlossen haben. Da war nie die Rede davon, dass wir für alle Zeiten gar nichts tun. Da war die Rede davon, dass wir uns in Zukunft am Niveau Hamburgs orientieren, und das wären für heute 200 Millionen Euro für die soziale Wohnraumversorgung in unserer Stadt. Angesichts der Lage in der Stadt sehe ich überhaupt gar keinen Grund dafür, von dieser Aussage von vor zehn Jahren abzuweichen.

[Beifall bei den GRÜNEN– Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wenn Sie bei SPD und CDU das nicht wollen und lieber die Mieter im Stich lassen und die Tilgungsüberschüsse erhöhen, dann müssen Sie das auch so sagen. Dann müssen Sie bloß Ihren eigenen Leuten und dem Regierenden Bürgermeister noch erklären, wie das mit den „sozialen Impulsen für die Stadt“ eigentlich gemeint ist. Für uns Grüne kann ich jedenfalls verbindlich erklären: Einen solchen Kurs machen wir nicht mit. Wir lassen die Berliner Mieter nicht im Regen stehen.

[Beifall bei den GRÜNEN– Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ganz recht, Herr Goiny, am Ende summiert sich das auf Mehrausgaben von 700 bis 800 Millionen Euro, was ich hier vorgetragen habe, aber man sollte nicht vergessen hinzuzufügen: Nach menschlichem Ermessen werden wir in fünf Jahren mindestens 1,5 Milliarden Euro höhere Einnahmen als heute haben, und dazu kommen noch 500 Millionen Euro strukturelle Einsparungen an anderer Stelle, zu denen sich Berlin verpflichtet hat und die wir Grüne jedenfalls nicht infrage stellen. Da ist also noch genug Luft für böse Überraschungen, und bei Koalitionen von CDU und SPD kann man nie ganz sicher sein, welchen Milliardenschaden Sie als Nächstes produzieren,

[Beifall bei den GRÜNEN– Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

nach Haushaltsnotlage in den Neunzigerjahren, nach dem Bankenskandal 2001, nach Flughafendesaster. Nicht wir Grünen, Herr Goiny, sind das Risiko für die weitere Haushaltssanierung.

[Lachen von Torsten Schneider (SPD)]

Das größte Haushaltsrisiko hat einen Namen, ist jetzt nicht da und heißt Klaus Wowereit.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Die größte finanzpolitische Fehlentscheidung haben Sie letzte Woche getroffen, als Sie Klaus Wowereit gegen politische Vernunft und Moral im Amt gehalten haben.

[Beifall bei den GRÜNEN– Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ich zitiere die „Stuttgarter Zeitung“ für viele,

[Lars Oberg (SPD): Immer diese Schwaben!]

die dazu schrieb:

Zu Recht hat die grüne Oppositionsführerin Ramona Pop im Parlament... die Frage gestellt, ob man einem so angeschlagenen Politiker wie Wowereit noch zutrauen könne,... die Verhandlungen über den Länderfinanzausgleich für Berlin erfolgreich zu führen.

Dem ist nichts hinzuzufügen. Das sieht jeder so, der Augen hat zu sehen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Oder wie sollen wir uns das vorstellen? – Nach der Bundestagswahl läuft Klaus Wowereit, wenn es um die Finanzverfassung geht, im Kreis der Ministerpräsidenten auf und wird freundlich begrüßt: Hallo Klaus! Schön, dass du da bist! Was können wir für dich, dein Flughafenproblem und die Hauptstadt tun? –

[Heiterkeit bei den GRÜNEN]

Klar, das würde so ohnehin nicht passieren. Aber nach dem Flughafendesaster werden die Verhandlungen für uns erst recht beinhart. Da geht es nicht um 300 Millionen Euro Überschuss, nicht um Selbstbeweihräucherung und nicht um Sesselkleben.

Sie müssten bitte zum Ende kommen, Herr Kollege!

Da geht es um die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt. Und dafür ist dieser Senat inhaltlich und personell verdammt schlecht aufgestellt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]