Joachim Esser
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe eigentlich schon meine Abschiedsrede gehalten. Aber nun kam noch das SODA in erster Lesung auf den Tisch, und da musste ich noch mal ran. Entsprechend kurz fällt es jetzt aber auch aus.
Wir haben als Fraktion vor sieben Jahren, Datum 17. Juni 2009, hier in das Parlament einen Antrag eingebracht, in dem stand:
Es ist ein Vorratsvermögen für Immobilien zu bilden, das für zukünftige fachliche Nutzungen zur Verfügung steht und es dem Land und den Bezirken erlaubt, sich flexibel an wechselnde Bedarfe anzupassen. Dieses Vermögen soll von der BIM befristet verwaltet werden, solange es für die fachliche Nutzung nicht benötigt wird.
Dazu stand in der Begründung:
Für Bündnis 90/Die Grünen ist es eine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge, auf Veränderungen in der Stadt, die neuen Flächenbedarf nach sich ziehen, vorbereitet zu sein.
Das ist sieben Jahre her, und jetzt ist das SODA da. Darüber freue ich mich und stelle fest: Die Mühlen mahlen doch arg langsam. Aber sie mahlen. In den sieben Jahren
ist aber möglicherweise eben einiges an Verkäufen zu viel passiert. Wenn ich auf das letzte halbe Jahr gucke, haben wir bereits für Verwaltungszwecke drei, darunter ziemlich teure, Fremdanmietungen machen müssen. Und ich hoffe nicht, dass man das hochrechnen muss in die Zukunft, wenn die Verwaltung mit der Bevölkerung in der Stadt wieder wächst. Das macht mir, ehrlich gesagt, dann ein wenig Sorge. Und deswegen, Herr Dietmann, ist es auch nicht ganz egal, dass die Mühlen zwei, drei Jahre zu lange gemahlen haben.
Zu dem Gesetz selbst will ich abschließend nur zwei Dinge sagen. Ich glaube, das Abgeordnetenhaus wird sich in der nächsten Legislaturperiode erstens, falls dann dieses SODA mal vollständig bestückt ist, genau angucken müssen, was da alles gelandet ist. Denn das ist auch ein Stück weit eine Müllhalde. Und es wird nicht billig werden, es zu bewirtschaften, instand zu halten, für die Zukunft investiv nutzbar zu machen. Ich rate jedem, das noch mal genau zu sortieren.
Der zweite Punkt dabei ist: Wenn ich in das Gesetz gucke, spielt das Parlament eigentlich gar keine Rolle. Da müsste man dann schon noch mal überlegen, ob Finanzen alles ganz alleine macht, was in und mit den Immobilien des SODA passiert, oder ob wir dieses Gesetz mit Blick auf die zweite Lesung an dieser Stelle noch mal ändern, dass es eben auch parlamentarische Beteiligung bei der Bewirtschaftung gibt.
Ansonsten: Nach sieben Jahren ist das da. Ich darf Ihnen auch noch sagen, das war der zweite Grund zur Freude. Man kriegt das ja immer nicht so mit bei diesen Vermögensgeschäften, die wir machen. Da habe ich gestern schon zweimal im Vermögensausschuss und im Hauptausschuss ausgerufen: Dass ich das noch erleben darf! Wir haben den Steglitzer Kreisel heute verkauft!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich 1970 als junger Student aus meiner Geburtsstadt Köln nach Berlin kam, tobte hier die Debatte um den seit Jahren versprochenen U-Bahnanschluss für das Märkische Viertel.
Von daher ist es nicht ohne Komik, wenn uns heute – 46 Jahre später – ein Antrag vorliegt, die U-Bahnanbindung des Märkischen Viertels samt Kosten und Wirkung zu prüfen.
Aber gut! Es sind ja noch fünf andere Vorschläge drin, damit jede Himmelsrichtung in der Stadt etwas zu diskutieren hat. Was Sie da entwerfen, ist ein Jahrhundertplan, der die Phantasie anregt, auch meine als regelmäßiger UBahnfahrer, und von dem das eine oder andere mittelfristig interessant werden könnte. Da diskutieren wir gerne mit. Aber es macht wenig Sinn, Herr Dietmann, da war ja so ein Zungenschlag drin, die Dinge gegeneinander in Stellung zu bringen, U-Bahn, Straßenbahn, Radverkehr, wir brauchen wahrscheinlich bei allen diesen Verkehrsträgern Verbesserungen.
Eines möchten wir ganz sicher nicht – dass über die Zukunftsmusik dieses Antrags die praktische Anforderung vergessen wird, die neu entstehenden zwölf Großsiedlungen verlässlich an das Verkehrsnetz anzuschließen. Die schnelle und kostengünstige Lösung dafür ist dann wohl doch die Straßenbahn. Die ist vielleicht nicht so sexy wie die U-Bahn, aber dafür enorm praktisch. Das ist eine Eigenschaft, die im wirklichen Leben nicht zu verachten ist. Das ist für mich die Lehre aus 50 Jahren Diskussion über U-Bahn ins Märkische Viertel. Ich nehme den letzten Satz des Antrags, Herr Kreins, mal als Hinweis, dass das zumindest ein Teil der Antragsteller ähnlich sieht.
Insofern bin ich mir sicher, dass wir am Ende auf einen Nenner kommen, denn ich habe in 17 Jahren Abgeordnetenhaus zwei Dinge gelernt – erstens: Die Vorstellung, hier säßen lauter Leute, die sich die Taschen vollstopfen und lügen, wenn sie den Mund aufmachen, ist leider verbreitet, aber grundfalsch.
Ich habe Sie als Menschen mit überdurchschnittlich viel Gemeinsinn kennengelernt, die sich alle auf ihre individuelle Weise, manchmal auch kontrovers, darum bemühen, an der zentralen Stelle des Parlaments das Zusammenleben von 3,4 Millionen Berlinern zu ermöglichen.
Das Zweite, das mir deutlich wurde: Jede und jeder von Ihnen steht hier nicht nur für sich selbst, sondern repräsentiert mehrere Tausend Menschen, die – das darf man mit Grund vermuten – zumindest so ähnlich denken und fühlen wie Sie. Ich habe also gelernt: Wenn ich eine Kontroverse mit Ihnen habe, habe ich zugleich eine Kontroverse mit Tausenden meiner Mitmenschen. Ich habe daraus den Schluss gezogen, dass jede politische Entscheidung die Tatsache berücksichtigen muss: Die anderen sind auch noch da, sie müssen sich darin zumindest insoweit wiederfinden, dass sie damit leben können. Ansonsten hat eine solche politische Entscheidung auch keinen Bestand.
Wir sind eben alle Berliner, Berliner in aller Buntheit und Vielfalt, aber eben auch mit allen Gegensätzen. Ohne die Gegensätze und Konflikte wäre es mit der Vielfalt nicht weit her, das ist logisch. Wenn es vielfältig ist, ist es auch unterschiedlich und oft auch gegensätzlich.
Ich wünsche mir deshalb bei der Abgeordnetenhauswahl im September vor allem eine hohe Wahlbeteiligung, damit jenen, die dem anmaßenden Missverständnis unterliegen, sie seien das Volk, von der Vielfalt der Berliner unübersehbar gezeigt wird: Nein, ihr seid nicht das Volk! Das Volk, das sind wir alle.
Ich sehe, es sind noch 60 Sekunden Redezeit, und es wollen auch noch andere etwas sagen. Deswegen lassen Sie mich zumindest eines zum Schluss noch sagen: Der Namenspatron unserer Grünen-Stiftung, Heinrich Böll – wir hatten es gestern auch im Hauptausschuss – hat einmal gesagt: Wir Kölner sind die Neapolitaner Deutschlands. – Das haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, in meinem Fall oft, selbst für meinen Geschmack zu oft, zu spüren bekommen.
(Michael Dietmann)
Ich möchte mich bei allen entschuldigen, denen die Brocken um die Ohren geflogen sind, wenn der Vesuv mal wieder explodierte. Ich hoffe inständig, dass Sie in der Rückschau vielleicht sagen: Der ging uns oft auf die Nerven und hatte zu viel Narrenfreiheit, – aber dass niemand unter Ihnen ist, dem ich bleibende Verletzungen zugefügt habe – das kommt in der Politik ja auch mal vor. Ich hoffe, dies ist nicht der Fall gewesen. Im dem Sinne, liebe Kolleginnen und Kollegen möchte ich mich bei Ihnen für die Jahre der Zusammenarbeit und den Streit bedanken und wünsche Ihnen allen – unseren natürlich am allermeisten – viel Erfolg bei der nächsten Wahl, an der ich nicht mehr teilnehmen werde.
Als Kandidat. Als Wähler natürlich.
Bevor ich das vergesse: Ganz zum Schluss gilt mein Dank vor allen Dingen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hauses, die uns immer gut unterstützt und immer wunderbar auf uns aufgepasst haben und zu denen zum Teil deswegen durchaus auch innige Verhältnisse entstanden sind. Ich konnte mich über die Bediensteten hier wirklich überhaupt nicht beklagen. – Das sehen andere vielleicht manchmal anders. Aber das ist mir nach all den Jahren vielleicht fast das wichtigste Anliegen. – Damit gehe ich jetzt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich wollte ich mir heute einen gemütlichen Abend machen, aber meine Kollegin Clara Herrmann hat leider derart hohes Fieber, dass sie ihre Rede nicht halten kann und ich einspringen muss. Dabei werde ich mich, Frau Präsidentin, am Rande der parlamentarischen Vorschriften bewegen, indem ich mich weitestgehend an ihr Manuskript halte.
Frau Herrmann und ich möchten uns zunächst
dem Dank an die mit uns beratenden Kolleginnen und Kollegen, aber auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Abgeordnetenhauses anschließen und insbesondere dem Hauptausschussbüro für die intensive Arbeit danken. Vielen Dank an alle auch von unserer Fraktion!
Dieser Haushalt ist der letzte der rot-schwarzen Koalition in Berlin. SPD und CDU sind tief zerstritten und haben sich – wir durften das erleben – ihren Koalitionsfrieden teuer erkauft. Wünsche wurden einfach addiert, weil SPD und CDU keine gemeinsamen Projekte haben. Reformen gibt es schon seit Längerem nicht mehr. Und die Tilgungsüberschüsse von derzeit 944 Millionen Euro werden bis auf 80 Millionen Euro abgeräumt. Das kann man kein zweites Mal machen.
Schon der Entwurf des Senats war atemberaubend, aber die Parlamentsberatung war auch nicht besser. Passend zu Weihnachten wurde im Hauptausschuss die rot-schwarze Wunschliste einfach weiter abgearbeitet. So bekam Sturkopf Saleh
das hat die Kollegin so aufgeschrieben, dass ich das jetzt auch einmal sagen muss, und das macht mir auch Spaß – für das eigene Ego nach verlorener SPDMitgliederbefragung über Nacht die Kitabeitragsfreiheit und die CDU im Gegenzug ein schwarzes Sicherheitspaket mit Schleife, wobei auch nach der Rede von Herrn Graf heute Morgen immer noch keiner so genau weiß, was in dem Paket eigentlich drin ist.
Und wenn die Chefs so vorangehen, dann machen die Fraktionsmitglieder genauso weiter. Vom Kinderbauernhof
über das Hundeauslaufgebiet oder die Bibliothek und das Schwimmbad, am Ende war für fast jeden Wahlkreis auch noch etwas dabei. So war das mit den wiedererlangten haushaltspolitischen Spielräumen eigentlich nicht gedacht. So werden die Früchte einer jahrzehntelangen Sparpolitik, die uns allen wehgetan hat, verschleudert, statt mit Verstand geerntet und mit Genuss verzehrt.
Nachdem alle gesagt haben, wofür sie prima Geld ausgegeben haben und wofür man noch mehr ausgeben sollte, reden wir mal darüber, was wir Grüne nicht wollen. Auf die Kitagebührenfreiheit wird zunächst aus unserer Sicht verzichtet. Qualität geht vor. Das macht 54 Millionen Euro im Doppelhaushalt und mittelfristig 80 Millionen Euro pro Jahr, die für pädagogische Verbesserungen zur Verfügung stehen. Das alte Sanierungsprogramm Berlins bei den Verwaltungskosten wird, wenn es nach uns geht, in inflationsfreien Zeiten nicht komplett aufgegeben, sondern beibehalten. Das Versagen der Deutschen Bahn beim S-Bahnbetrieb wird nicht auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler abgewälzt. Entsprechend werden der Titel und auch die VEs abgesenkt. Wir finden die Vorbereitungskosten der Volksbühnenintendanz übertrieben hoch und kürzen den Titel. Der IGA ist der Kostendeckel weggeflogen. Wir gucken nicht einfach zu und setzen den Deckel wieder drauf.
Wir lassen auch keine Veranschlagung von Baumaßnahmen ohne Bauplanungsunterlagen mehr zu.
Der Personalaufbau beim Verfassungsschutz entfällt. Diese Behörde braucht eine Reform an Haupt und Gliedern und nicht mehr Leute.
Wir halten am Shared-Service-Ansatz bei IT-Dienstleistungen auch gegenüber der Justiz fest und halbieren deshalb den Stellenaufbau. Wir wollen nicht, dass die Mittel aus der City-Tax von Senatoren als freie Verfügungsmittel nach Gutsherrenart verteilt werden, und binden sie an feste Zwecke.
Haben Sie nicht! – Und wie immer in Wahljahren möchten wir nicht, dass die Mittel für das BerlinMarketing als Wahlkampfhilfe für Rot-Schwarz missbraucht werden und senken entsprechend ab – 4 Millionen Euro für die SPD beim Regierenden Bürgermeister, 4 Millionen Euro für die CDU bei der Wirtschaftssenatorin. Das macht summa summarum 147 Millionen Euro an politischen Sparmaßnahmen, wo
(Bruni Wildenhein-Lauterbach)
wir denken, dass sich Besseres damit anfangen lässt, denn wir haben eine andere Vision für Berlin.
Wir wollen stärker und ökologisch nachhaltig investieren. Wir wollen, dass Krankenhäuser, Schulen, kaputte Radwege und Gebäude saniert werden.
Wir wollen, dass unsere Stadt wieder besser funktioniert.
Wer dann da sagt: Wir auch, der könnte mit uns vielleicht die 150 Millionen Euro streichen und für diese Zwecke einsetzen, aber genau das hat Rot und Schwarz nicht getan.
Das war jetzt spontan und nicht Frau Herrmann. – Die Großstadt von morgen braucht kreative und innovative Lösungen, um auch als Metropole lebenswert und klimaverträglich zu bleiben. Dafür investieren wir insgesamt 200 Millionen Euro in unserem Änderungsantrag. Wir wollen Armut bekämpfen und den sozialen Zusammenhalt der Stadt bewahren. Wir wollen, dass Berlin für alle Menschen eine lebenswerte Stadt ist, auch und gerade für Familien mit Kindern. Deshalb investieren wir 165 Millionen Euro mehr als SPD und CDU in die Gesundheitsversorgung, die Bekämpfung von Wohnungslosigkeit, in die Kitas, in die Schulen und in die kulturelle Bildung. Mit diesem in sich ausgeglichenen Haushalt hat sich unsere Fraktion festgelegt, wie es sich für Haushaltsberatungen gehört.
Anders leider die Kolleginnen und Kollegen von der Linken. Die legen uns hier eine Blättersammlung von 20 Anträgen mit rund 290 Millionen Euro Mehrausgaben im Jahr 2017 auf den Tisch. Da sind Sachen dabei, die finden wir nicht so gut. Da sind Sachen dabei, die wir gut finden. Da sind Sachen dabei, die wir sehr gut finden. Da sind Sachen dabei, die wir so gut finden, dass sie auch in unserem eigenen Antrag stehen. Aber wissen Sie, was? Die Haushaltsberatungen, in denen wir das alles besprochen und im Einzelnen abgestimmt haben, sind vorbei, und wir fangen die heute Abend um 23 Uhr nicht wieder von vorne an. Deshalb werden wir uns zu allen Ihren Mehrausgaben enthalten, egal, ob wir sie gut oder schlecht finden oder sogar im eigenen Antrag haben. Wir nehmen so etwas wirklich nicht ernst.
Und dann stelle ich mir auch die Frage, wo Ihre von Ihrem Fraktionsvorsitzenden heute Morgen beanspruchte finanzpolitische Seriosität nach nur vier Jahren Opposition geblieben ist, denn ich kann für fast 300 Millionen Euro Ausgaben beim besten Willen nur 160 Millionen Euro Gegenfinanzierung in Ihren Anträgen finden. Auch deshalb werden wir Ihrem Zettelkasten nicht zustimmen.
Sie werden das wahrscheinlich auch nicht tun.
Berlin hat in den vergangenen Jahren genügend Haushaltsüberschüsse aufgebaut, um die Kosten für die Hauptaufgabe in den nächsten zwei Jahren für die Unterbringung und Integration der Geflüchteten ohne Ihre Steuererhöhungen, ohne Leistungskürzungen und ohne neue Schulden zu bewältigen. Wir tragen das Konzept mit, jährlich mindestens 600 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt für Unterbringung, Lebensunterhalt, Bildung und Integration der Neuankömmlinge zur Verfügung zu stellen. Wir tun das, obwohl die Haushaltsberatungen deutlich gezeigt haben, dass der Senat bei der Versorgung der Geflohenen zu Recht in der Kritik steht. Wir sagen Ihnen aber auch, wir alle werden daran gemessen werden, wie die gesellschaftliche, schulische und berufliche Integration der Geflüchteten und der Kinder erfolgt. Deshalb ist der vielleicht wichtigste Antrag in unserem Paket, die Mittel für die gesellschaftliche, schulische und berufliche Integration der Geflüchteten um 50 Millionen Euro zu erhöhen. Es ist erstaunlich, dass das im Zettelkasten der Linken fehlt.
Es ist mir eine besondere Freude, Ihnen abschließend die Konklusion zur Kenntnis zu bringen, die meine Kollegin Clara Herrmann aus der Haushaltsberatung gezogen hat. Eine nachhaltige Haushaltspolitik und entschlossene Aufarbeitung des Sanierungsstaus, eine zukunftsweisende Umweltpolitik und moderne ökologische Infrastruktur wird es mit Rot-Schwarz nicht geben. Die Koalition der Infrastrukturpolitik ist an der selbstgewählten Aufgabe gescheitert. Aber gut, schreibt sie, mit Ihnen wird es nächstes Jahr sowieso vorbei sein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist jetzt eine merkwürdige Debatte, worüber wir hier diskutieren. Die zweite Lesung des Haushalts steht uns noch bevor. Ich will deswegen versuchen, zu diesem Antrag zurückzukehren und würde Ihnen in einer Sache, Kollege Schneider, recht geben. Der unmittelbare praktische Nutzen des Antrags ist angesichts der zumindest kurzfristig sehr entspannten Haushaltssituation in Berlin gering.
Der Haushaltsentwurf des Senats ist derart aufgeblasen, dass sich auch ohne Überleitung von Überschüssen von diesem Jahr ins nächste, genug Positionen finden, die wir zugunsten von Investitionen umschichten können und in unserem Antrag auch werden. Das heißt, wir brauchen das Geld, von dem hier bei Frau Schmidt die Rede war, in diesem Jahr eigentlich gar nicht und können dennoch eine vernünftige Politik machen.
Unsere Fraktion wird dennoch für den Antrag stimmen, weil man den Grundgedanken, Herr Schneider, nicht oft genug betonen kann: Unterlassene Instandhaltung ist eine
besonders teure Form der Verschuldung. Jedes Schlagloch ist auch ein Haushaltsloch und jedes kaputte Schuldach ist zugleich ein Haushaltsdefizit, das geschlossen werden muss.
Man muss deswegen also auf die Gesamtentwicklung von Liquidität, Schulden und Vermögen gucken und nicht nur auf den Finanzierungssaldo des Kernhaushalts schauen, wenn man ein zutreffendes Bild der realen Finanzlage gewinnen will. Es gibt da – wir haben hier oft darüber gesprochen – Tausend und eine Möglichkeit, den Landeshaushalt auf Kosten des Landesvermögens vordergründig zu entlasten. Unterlassene Instandhaltung, wie gesagt, aber auch Privatisierungen und Kapitalentnahmen bei den Landesunternehmen, wie Sie es offensichtlich bei der BSR wieder vorhaben, gehören dazu. Kaum eine dieser Operationen wurde in den letzten 25 Jahren unter den wechselnden Regierungen von CDU, SPD, aber auch von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linken, unterlassen. Seit der Wiedervereinigung wurden nicht nur 60 Milliarden Euro Kreditmarktschulden im Kernhaushalt angehäuft, es wurde auch ein Sanierungsstau von round about 12 Milliarden Euro zugelassen, und obendrein wurde Vermögen im Wert von mehr als 16 Milliarden Euro versilbert und für laufende Zwecke verbraucht. Dabei entfielen, nur um Ihre Erinnerung aufzufrischen, rund 2,5 Milliarden Euro auf den Verkauf von Immobilien, 5,3 Milliarden Euro auf den Bankverkauf und 8,5 Milliarden Euro waren Kapitalentnahmen und Privatisierungen anderer Landesunternehmen – GASAG, Bewag, BWB und GSW, um nur die allergrößten zu nennen. Die Partei der Tilgung und der Rekommunalisierung war da immer mit vorne dabei.
So hat sich insgesamt die finanzielle Situation Berlins in den letzten 20 Jahren um rund 90 Milliarden Euro verschlechtert und nicht nur um die 60 Milliarden Verschuldung im Kernhaushalt. Dabei ist die Zukunftsblindheit der unterlassenen Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen, die ungefähr 50 Milliarden Euro betragen müssten, noch gar nicht eingerechnet.
Der vorliegende Antrag legt an dieser Stelle schon den Finger in die Wunde. Deshalb unterstützen wir ihn. Wir müssen nicht nur die Schuldenbremse umsetzen, Herr Schneider, und die Verschuldung im Kernhaushalt stoppen, sondern wir müssen gleichermaßen den Verfall der öffentlichen Infrastruktur und den Ausverkauf des Landesvermögens entgegentreten. Das ist ein höchst anspruchsvoller Dreiklang in der Haushalts- und Vermögenspolitik, den wir gemeinsam zuwege bringen müssen, zumal unsere Stadt wächst und durchgreifende ökolo
(Torsten Schneider)
gische Modernisierung der Infrastruktur erforderlich wird. Da haben wir in Berlin etwas aufzuholen. Wir haben in der ersten Lesung zum Haushalt darüber gesprochen. Wir Grüne wollen in diesem Haushalt wenigstens Grundlagen legen.
Wir veranschlagen zusätzlich 100 Millionen Euro für die Sanierung des Gebäudebestandes, damit mindestens die vom Parlament und innerhalb der BIM längst beschlossenen Maßnahmen auch durchgeführt werden können. Wir wollen die Ausgaben für den Radverkehr auf 30 Millionen Euro verdoppeln.
Ich rede aber über Investitionen und nicht über Kitagebühren und sonst etwas.
Berlin hat einen großen Rückstand in der Fahrradinfrastruktur aufzuholen. Wir müssen das Radwegenetz ausbauen, und wir wollen zunächst auf zwei Radrouten schnelles und sicheres Fahren quer durch die Stadt ermöglichen. Wir wollen Fahrradparkhäuser an stark frequentierten ÖPNV-Knotenpunkten bauen und am Ostkreuz und am Hauptbahnhof damit anfangen. Radfahren muss sicherer werden. Die Radfahrer müssen runter vom Bürgersteig und für Autofahrer sichtbarer werden, und wir müssen umgehend damit beginnen, zumindest die zehn gefährlichsten Kreuzungen mit den meisten Toten umzugestalten, die der Senat selbst als solche identifiziert hat.
Sie aber lassen das alles liegen.
Dann bekommen wir 30 Millionen Euro zusätzliche Mittel für den öffentlichen Nahverkehr. Die wollen wir in ein besseres Angebot bei Bahn und Bus investieren. Was aber wollen Sie? – Sie wollen dieses Geld der S-Bahn zur Ertüchtigung ihrer veralteten Züge zuschanzen. Die Berlinerinnen und Berliner sollen also nach dem von der Deutschen Bahn verursachten S-Bahn-Chaos durch die mangelnde Wartung dieser Züge jetzt auch noch die Sache finanziell ausbaden. Ich sage Ihnen: Für die Fahrzeugschäden trägt allein die Deutsche Bahn die Verantwortung – und dabei muss es auch bleiben. Deswegen lehnen wir Grüne Ihren Vorschlag entschieden ab.
Wir sagen stattdessen: Berlin braucht mehr Stadtgrün. Wir wollen 1 000 grüne Dächer für Berlin, wir wollen mehr Straßenbäume pflanzen, wir wollen – mit Ihnen zusammen, da haben Sie sich bewegt – ein Mischwald
programm umsetzen, wir fordern grüne Innenhöfe, wir wollen 200 Trinkwasserbrunnen in der Stadt errichten.
Das ist gut für das Klima, das ist gut für Luft und Wasser, das verschönert das Stadtbild und erhöht unsere Lebensqualität insgesamt. Eine Großstadt von morgen muss klimaverträglich und ökologisch so gestaltet sein, dass sie wirklich eine lebenswerte Metropole ist.
Zum Schluss vielleicht das Wichtigste: Wir wollen 50 Millionen Euro in die Energiewende investieren. Die Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ hat dem Land Berlin empfohlen, einen entschlossenen Kurs einzuschlagen, bis 2030 ganz aus der Kohlekraft auszusteigen und bis 2050 klimaneutral zu werden. Das ist richtig. Sie hat als Mittel zu diesem Zweck vorgeschlagen, einen Titel für „Energiewende-Investitionen“ im Haushalt einzurichten. Der Umweltausschuss hat in seiner ersten Lesung diesen Vorschlag einstimmig übernommen. Aber was machen jetzt die Haushälter von SPD und CDU? – Die streichen im Hauptausschuss diesen Titel wieder heraus. Ich kann nur sagen: Das fängt ja gut an mit dem angeblich neuen Konsens in der Energiepolitik!
Wir können das Ziel der ökologischen Modernisierung nur erreichen, wenn wir die überall im Haushalt verstreuten Mittel für Elektromobilität bündeln und das Klimastadtwerk endlich in den Mittelpunkt der Berliner Energiepolitik rücken. Da hat die Linke mit der Eigenkapitalausstattung völlig recht. Dazu sollten wir die Berliner Energieagentur nach unserer Meinung vollständig in Landesbesitz überführen und zum Kern des Stadtwerks machen. Mit dann rund 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 100 dezentralen Erzeugungsanlagen wäre das Stadtwerk sofort sehr viel handlungsfähiger als heute.
Mit der nötigen Eigenkapitalausstattung könnten wir zum Beispiel die 15 Windräder bauen, deren Errichtung der Senat den Stadtgütern verwehrt hat. Wir könnten die Verwaltungsstandorte in Moabit und am Fehrbelliner Platz mit Blockheizkraftwerken ausstatten, das wäre einmal eine positive Nachricht vom LAGeSo-Campus. Wir könnten in Kooperation mit der BIM in eine intelligente Finanzierung der energetischen Gebäudesanierung einsteigen.
Ich gebe Ihnen zu – und freue mich auch darüber –: Wir haben viele kleine Erfolge im Verlauf der bisherigen Beratung erzielt, oder man könnte auch sagen, wir haben uns ein Stück gemeinsam aufeinander zubewegt. Ich
nenne einmal einen bunten Strauß an Stichworten, weil die Redezeit zu Ende ist.
Unbeschadet dieses Streits über die Kitagebühren, gibt es eine Annäherung beim Thema Kitaqualität. Ich weise aber darauf hin, dass der Trick von Ihnen ist, dass Sie, um den Betreuungsschlüssel um ein Kind zu verbessern, vier Jahre brauchen werden, während unser Vorschlag besagt, dass das in zwei Jahren zu erreichen ist.
Aus diesen zwei Jahren Streckung haben Sie die 40 Millionen Euro für die Gebührenfreiheit herausgeschnitten. Das war eine schlaue Operation. Die Zahlen sehen auf der Oberfläche ähnlich aus, genau wie Sie das, Herr Schneider, gesagt haben, aber es ist ganz Unterschiedliches im Paket drin.
Aber gut! Wir haben uns über Bürgerämter, außerschulisches Lernen, freie Schulen, Kindertheater, Mädchenfußball, Strategien gegen rechts, Kältehilfe für Wohnungslose, im investiven Bereich über Rettungsstellen, Radschnellwege, Beuth Hochschule, Tierpark, Sportanlagensanierung ein wenig aneinander angenähert. Dafür danke ich Ihnen auch. Aber von einem bin ich nach dieser Haushaltsberatung auch weiterhin überzeugt – das habe schon in der ersten Lesung gesagt: Zur Auflösung des umweltpolitischen Reformstaus in Berlin sind wir Grüne dringend nötig. Ohne uns wird das mit Sicherheit auch in Zukunft nichts.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es muss wohl – weil das hier so eine komische Wirkung hat – irgendjemand etwas sagen, der gestern dabei war, weil der Kollege Schneider jetzt sagt, die Kollegin Breitenbach hätte die Unwahrheit gesagt – vielleicht auch unabsichtlich, weil sie gestern gar nicht im Hauptausschuss war.
So, wie ich das gehört habe – Sie lassen das ja jetzt auch schon wieder protokollieren, damit man das feststellt –, denke ich, dass die Kollegin Breitenbach das Richtige zu dem Thema gesagt hat. Denn wir hatten das Ereignis, dass die CDU-Neukölln in Gestalt von Herr Freiberg – das sind die, für die Sascha Steuer schon zu viel ist – die Debatte plötzlich mit einem dritten Grund eröffnete, dass nämlich die Flüchtlinge bis zu ihrer Anerkennung doch gefälligst in einer Sammelunterkunft bleiben sollen und man deswegen gegen diesen Antrag sei. Das ist doch bemerkenswert.
Tatsache ist schon, dass sich Frau Sudhof in einer etwas anderen Variante dem insofern angeschlossen hat, dass sie zum Teil auch mit Verweis auf das, was möglicherweise an bundespolitischem Gesamtpaket kommt, das auch so sieht, dass sie zunächst mal in den Gemeinschaftsunterkünften bleiben müssen. Dann kam in dem Zusammenhang noch das Argument dazu, das wären dann vielleicht 50 000 Leute, und die könnten wir nicht alle bei der berlinovo unterbringen. Davon war überhaupt nicht die Rede, sondern aufseiten des Antrags ist nur davon die Rede, dass, wenn eine Wohnung frei wird, man diese zu der dort üblichen Miete an Flüchtlinge vergeben sollte, und dafür soll man sich einsetzen. Dann kam die Argumentation, die heute hier auch wieder im Raum war. Der Antrag rennt ja offene Türen ein.
Und dann kommt die komische Haltung: Wir lehnen aber alles immer ab, und wenn es noch so richtig ist, solange es von der Opposition kommt. – Herr Schneider! Da habe ich Ihnen gestern gesagt: Diese Haltung finde ich kindisch.
(Elke Breitenbach)
Aber dann kamen diese ganzen anderen Argumente nachgeschoben, die zu der Sache, dass der Antrag eigentlich in Ordnung ist, gar nicht passen: Das könnte man bei der berlinovo wegen der Zeichner nicht machen. – Doch, kann man, so, wie der Antrag formuliert ist, denn er fordert keine Gefälligkeiten und keine Vorzugsmieten und ist deswegen wirtschaftlich neutral. So war die Rede vorhin von Herrn Krüger. Und dann kam das Argument sehr wohl, zu sagen, ob das überhaupt so wünschenswert sei, Flüchtlinge – in den ersten Monaten jedenfalls –, die noch nicht anerkannt sind und deren Abschiebung möglicherweise bevorsteht, in Wohnungen unterzubringen. Und das war in diesem Haus etwas Neues.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist angesichts der Flüchtlingsthematik, die uns alle emotional und auch politisch stark bewegt, nicht gerade leicht, heute eine normale Haushaltsdebatte zu bestreiten. Aber es muss sein. Es muss deswegen sein, weil sich die Flüchtlingsthematik mit den damit verbundenen Mehreinnahmen, die wir erwarten, und den Mehrausgaben im Haushaltsplan im Augenblick noch gar nicht richtig abbildet. Der Haushaltsentwurf des Senats sieht noch ganz anders aus. Von 1,6 Milliarden Euro Mehrausgaben im Doppelhaushalt 2016/2017 gehen im Entwurf des Senats gerade einmal 200 Millionen Euro auf die Flüchtlingsfrage. Deshalb ist die politische Feststellung auch berechtigt: Der vorliegende Haushaltsentwurf ist der fetteste Wahlkampfhaushalt seit 20 Jahren, und zwar mit Folgen, –
mit Folgen, die nicht in der Flüchtlingsdebatte untergehen dürfen. Der strukturelle Haushaltsausgleich gerät schon jetzt aus der erreichten Balance. Die neue Finanzplanung des Senats zeigt schon jetzt, dass der Haushalt 2016/2017 einen Konsolidierungsbedarf von 350 Millionen Euro auslöst.
Und eins möchte ich auf keinen Fall: Wenn die roten Zahlen dann kommen, möchte ich nicht, dass in der Öffentlichkeit der falsche Eindruck entsteht, es seien die Flüchtlinge gewesen, die uns die Haare vom Kopf gefressen hätten.
Nein! Das Problem dieses Haushalts ist – vor allen Ausgaben für die Aufnahme der Flüchtlinge, die noch kommen werden –, dass der Senat beim Räumen der Bunker des ehemaligen Finanzsenators von einem Extrem ins andere gefallen ist. Geschuldet ist dies dem faulen Frieden zwischen zwei Koalitionspartnern, die sich fremd geblieben sind und keine gemeinsamen Projekte verfolgen. Folglich haben SPD und CDU ihre unterschiedlichen Wunschlisten einfach addiert. Im Resultat ist für jeden was dabei – auch ein neues Sofa für Frau Kolat, wie wir lesen konnten.
Dafür, dass sich darauf zur Vorbereitung der Senatssitzungen die Leute zehn Minuten treffen. – Große Koalitionen befrieden ihre Konflikte halt gerne mit Geld. Deshalb sind nach ihrer Regentschaft meistens die Kassen leergeräumt. Bürgermeister Henkel hat dieses Resultat recht launisch kommentiert: Was quietscht, läuft eben nicht wie geschmiert, sagte er. Ich würde – wenn wir schon bei bester Laune sind – eher sagen: Wenn gar keiner mehr quietscht, stimmt auch was nicht.
Dabei ließ es sich gut an: Der neue Finanzsenator, Herr Kollatz-Ahnen, verkündete als neue Ausgabenlinie rund
(Christian Goiny)
3 Prozent Ausgabensteigerung pro Jahr. Das war vernünftig und steht im Einklang mit der erwartbaren Einnahmeentwicklung. Auf den ersten Blick scheint es dabei auch fast geblieben zu sein. Auf den zweiten Blick sieht es jedoch ganz anders aus: In diesem Jahr zählt zu den Ausgaben die einmalige investive Zuführung an das SIWA in Höhe von knapp 500 Millionen Euro. Das führt logisch zu der Frage: Wo bleiben diese 500 Millionen Euro im nächsten Jahr? Und nun? – Der Finanzsenator hat sie in dauerhafte Aufgaben umgesetzt, vornehmlich in Personal- und Sachkosten. Herausgekommen ist dabei ein Anstieg der strukturellen Ausgaben von sage und schreibe 5,5 Prozent, der uns dauerhaft belasten wird. Dieser faule Wahlkampffriede löste den erwähnten Konsolidierungsbedarf von 350 Millionen Euro aus, der dann der nächsten Regierungsmehrheit, wie immer sie zusammengesetzt sein wird, auf die Füße fällt. Nachhaltige Politik sieht anders aus.
Es ist ja gut, Herr Goiny, dass Sie den von der SPD und den Linken gefassten Beschluss gekippt haben, von 105 000 Stellen auf 100 000 Stellen herunterzugehen, aber auch eine solch gute Absicht kann man versemmeln, wenn man das Kind mit dem Bade ausschüttet. Neueinstellungen mit Kosten von über 150 Millionen Euro, die uns die nächsten 40 Jahre begleiten werden, sind ja keine Kleinigkeit.
Da darf man dann schon genau hingucken. Ich nenne Ihnen gerne – Sie haben es gestern schon gehört – vier Beispiele. Um ganz klein anzufangen – nicht das Sofa, sondern Personal –: Muss die Opposition im Wahljahr dem Regierenden Bürgermeister einen weiteren Wahlkämpfer in Gestalt eines zusätzlichen Referenten seines Presse- und Informationsamts genehmigen? – Ich glaube, das müssen wir nicht. Braucht der Verfassungsschutz jetzt 45 neue Stellen – ein Aufwuchs von 25 Prozent? Der braucht doch nach all den Fehlleistungen der letzten Jahre zu allererst eine Reform an Haupt und Gliedern.
Danach kann man dann auch überlegen, welches Personal mit welcher Qualifikation er eventuell braucht. Herr Henkel aber zäumt das Pferd von hinten auf. Ich kann Ihnen versichern: Dabei machen wir nicht mit. Personaleinstellungen ersetzen keine Reformmaßnahmen, und im vorliegenden Fall können wichtige Aufgaben aus unserer Sicht besser vom LKA und vieles auch besser von zivilgesellschaftlichen Akteuren erledigt werden, die sich tagtäglich mit Rechtsextremismus und fundamentalistischem Islamismus auseinandersetzen.
Macht es Sinn, dass die zusätzlichen Polizisten mehr oder weniger gleichmäßig über alle Polizeidirektionen verteilt werden, als gäbe es keine Kriminalitätsschwerpunkte in der Stadt? – Ich denke nicht! Mit der Bürokratenlogik: Wenn der eine etwas kriegt, kriegt der andere mindestens das gleiche, sonst gibt es Ärger im Apparat. – stärken wir die Schlagkraft der Polizei nicht optimal.
Sehr hübsch fand ich auch den Kommentar von Justizsenator Heilmann zu seinem Etat, es handele sich – so sagte er – um die größte Verstärkung der Strafverfolgung seit der deutschen Einheit. Dann guckt man in den Plan und findet 39 Stellen für die Intensivierung der Strafverfolgung, aber zusätzlich 58 neue Stellen für den Aufbau der IT-Struktur an den Gerichten. Wollen wir die dezentrale IT wieder personell aufblähen, derweil doch alle Senatsbeschlüsse auf das Gegenteil – auf shared services und das ITDZ als zentralen Dienstleister des Landes – setzen?
Worauf ich hinaus will: Nachdem zu lange mit dem Rasenmäher Personal abgebaut wurde, macht es wenig Sinn, den Personalaufbau ähnlich sinnfrei zu betreiben – nach dem Motto: viel hilft viel! –, ohne dass es zu Strukturveränderungen kommt. Auf die größtmögliche Wirkung kommt es an, nicht auf das Gesetz der größten Zahl.
Bei den Investitionen haben Sie es etwas besser gemacht. Wir begrüßen, dass der Senat unserer langjährigen Forderung nachkommt, die Investitionen deutlich zu erhöhen. In der letzten Haushaltsberatung wurden wir von SDP und CDU dafür noch beschimpft.
Der gute Eindruck ist allerdings gewaltig dadurch getrübt, dass der Senat in der Begründung zum Haushaltsgesetz selbst feststellen muss:
Berlin kann parallel nicht mehr als zwei Großprojekte bewältigen. Zurzeit sind es die Staatsoper und der BER.
Das sind keine Zukunftsinvestitionen, sondern Ausgaben, die auf politisches Versagen zurückzuführen sind, worauf die meisten Berlinerinnen und Berliner zu Recht gerne verzichten würden. Von zukunftsweisender Investition lässt sich schon lange nicht mehr reden auf der Großbaustelle in Schönefeld. Es handelt sich inzwischen schlicht um die Vergeudung von Steuergeldern, die sich aus der leider zutreffenden Aussage unseres Regierenden Bürgermeisters herleitet: Wir müssen die Katastrophe in Ordnung bringen.
Herr Schneider! Sie haben mich gestern gefragt und dabei Ihr Lieblingswort untergebracht: Was wollen die Grünen denn strategisch? – Ich will Ihnen heute die Antwort nicht
schuldig bleiben: Wir Grüne wollen – erstens – bezahlbaren Wohnraum, – zweitens – gute Kitas und Schulen und – drittens – einen modernen Mobilitätsmix – da streiten wir ja immer –, weg von dem Ottomotor aus dem 19. Jahrhundert, und – viertens – eine ökologisch effiziente und moderne Infrastruktur.
Zu all den genannten Feldern habe ich Ihnen gestern konkrete Haushaltsänderungen aufgezählt:
vom Mietenvolksentscheid über einen besseren Betreuungsschlüssel in den Kinderkrippen, von der Sanierung unserer Krankenhäuser über deutliche Verbesserungen bei S-Bahn, BVG und Radverkehr bis hin zu einer guten Kapitalausstattung unseres Stadtwerks.
Aber Sie wollten es noch zugespitzter. Da habe ich mir gesagt: Okay, warum nicht – auch wenn das unsere Fachabgeordneten vielleicht nicht so beglückt? Ich sage Ihnen: Berlin braucht vor allem Investitionen in die ökologische Modernisierung. Mit der Energiewende und dem Internet der Dinge stecken wir – wie die ganze Welt – mitten in einer industriellen Revolution, die sich rasend schnell vollzieht und bei der die Infrastruktur- und Verkehrspolitik mithalten, ja sogar eine aktive Rolle übernehmen muss. Das lässt sich durchaus vergleichen mit der Periode der Elektrifizierung Anfang des 20. Jahrhunderts, in der Berlin bekanntlich eine herausragende und weltweit führende Rolle gespielt hat. Davon sind wir heute weit entfernt, obwohl es nicht nur umweltpolitisch, sondern auch für Wirtschaft und Arbeitsplätze von enormer Bedeutung ist, das zu ändern.
Man reibt sich als Berliner die Augen, wenn im Kapitel „Kommunales Investitionsprogramm“ plötzlich der Titel auftaucht „Energetische Sanierung eines Verwaltungsgebäudes“. Energetische Sanierung? Das Wort in einem Haushaltsplan der Berliner SPD – früher mit Linken jetzt mit der CDU? Das ist wirklich von Seltenheitswert. Und tatsächlich: Der Grund für diese Ausnahme ist, dass es für das kommunale Investitionsprogramm Bundesauflagen gibt – vom Bundestag ins Gesetz gegossen und als Verwaltungsvereinbarung von allen Ministerpräsidenten unterschrieben. Da wimmelt es von Wörtern wie Lärmbekämpfung, Barrierefreiheit, energetische Sanierung, altersgerechter Umbau. Sogar von Wärmenetzen, die aus erneuerbaren Energieträgern gespeist werden, ist wörtlich die Rede. Sich darum zu kümmern, ist deutscher Normalstandard. Überall in Deutschland sind das Selbstverständlichkeiten. Nur unsere Stadt hinkt hinterher, statt vorweg zu gehen, wie es ihrer Bedeutung angemessen wäre. Wir haben in Berlin etwas nachzuholen.
Wenn Sie mich, Herr Schneider, so fragen, was die Berliner Grünen wollen, würde ich antworten: Wir wollen wenigstens den deutschen Normalstandard erreichen in
Sachen Ökologie und nachhaltiger Stadtentwicklung und am liebsten – wie nannte es der Finanzsenator so schön – Referenzmetropole für eine nachhaltige Energieversorgung werden. Das wäre doch etwas.
Ich gehöre bekanntlich nicht zu denen, die glauben, mit den Grünen würde alles total anders und besser. Das wäre vermessen. Von einem bin ich aber nach 20 Jahren Schwarz-Rot und zehn Jahren Rot-Rot felsenfest überzeugt: Zur Auflösung des umweltpolitischen Reformstaus in Berlin sind wir Grüne dringend nötig. Ohne uns wird das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft nichts.
Im Haushalt 2016/2017 möchten wir diesen Stillstand nicht fortsetzen. In Ihrem Haushaltsplan ist im Augenblick alles überlagert, von den Verhandlungen mit Vattenfall und E.ON über die Netze. Wenn ich dieses Mehrwegsystem, das in dem entsprechenden Kapitel angelegt ist, lese, läuft es darauf hinaus, dass wir am Ende irgendetwas mit E.ON oder beiden Vertragsparteien machen wie weiland mit RWE und Veolia bei den Wasserbetrieben – ich hoffe, dann mit einem besseren Vertrag –. Es mag sein, dass auch das der Energiepolitik am Ende dienlich ist. Wir werden es sehen. Derweil steht aber die Energiewende weiter still. Sie sitzen da und warten auf ein Verhandlungsergebnis. Das kann nicht sein.
Gerade nach dem gestrigen Dissens mit Brandenburg in der Frage der Braunkohleverstromung sage ich, dass wir unbedingt das tun sollten, was im Augenblick eigenständig machbar ist, statt nur auf Verhandlungsergebnisse zu warten. Wir haben mit dem Klimastadtwerk ein Instrument, mit dem wir unabhängig von Erfolg oder Misserfolg von Netzverhandlungen tätig werden können. Es gibt keinen vernünftigen Grund, das Unternehmen haushaltspolitisch komplett zu ignorieren und in den Wasserbetrieben verhungern zu lassen.
Wir Grüne wollen im Haushalt 2016/2017 keinen Stillstand an der grünen Front. Wir schlagen Ihnen Investitionen in Windräder, in Blockheizkraftwerke und in die energetische Sanierung des öffentlichen Gebäudebestandes vor. Wir möchten Investitionen zum Erhalt des Baumbestandes in der Stadt, für grüne Dächer und Hinterhöfe. Wir wollen den Bau von Radrouten und geschützten Radstreifen und mehr Verkehrssicherheit und weniger Tote an gefährlichen Kreuzungen. Wir fragen Sie, Herr Schneider, aber auch alle anderen Fraktionen hier im Haus: Ist das mit Ihnen zu machen, oder können erst die Wählerinnen und Wähler substanzielle Änderungen herbeiführen? Wir werden es im Verlauf der Haushaltsberatungen sehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Goiny! In der Frage von Konsolidieren und Investieren sind wir alle ganz nah beieinander. Das ist richtig. Da werfe ich Ihnen auch gar nichts vor.
Was ich Ihnen aber z. B. natürlich vorwerfe, Herr Schneider, weil Sie lachen,
SPD und CDU behaupten in diesem Nachtragshaushalt allen Ernstes, dass die Einnahmen des Landeshaushalts trotz Hochkonjunktur und Beschäftigungsrekord um 168 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr sinken werden. Der Senat will uns obendrein glauben machen, dass die Zinskosten dieses Jahr 364 Millionen Euro höher ausfallen werden als 2014, und das mitten in der Nullzinsphase. Und um die Absurdität auf die Spitze zu treiben, veranschlagt er 390 Millionen Euro weniger Sachausgaben als letztes Jahr – als gäbe es keine steigenden Sozialkosten, keine Flüchtlinge in der Stadt und nicht mehr Kinder in den Kitas und Schulen. Das alles ist komplett abwegig und beweist eigentlich nur eines: SPD und CDU haben die Mehrheit hier im Haus, aber sie haben diese Mehrheit auf Dauer nicht verdient.
Unser Antrag korrigiert diese Einnahme- und Ausgabenerwartungen von SPD und CDU wenigstens einigermaßen. Aber immerhin – darüber streiten wir ja gar nicht – haben wir jetzt ein Sondervermögen, aus dem wir in den kommenden Jahren eine halbe Milliarde Euro in die Sanierung und das Wachstum unserer Stadt investieren
(Christian Goiny)
können. Das ist erst mal gut. Aber ist hier irgendjemand, der glaubt, mit der halben Milliarde SIWA ist es getan? Ich greife nur ein Beispiel heraus, das besonders gut dokumentiert ist und deshalb nicht strittig sein dürfte.
Im SIWA sind 105 Millionen Euro zur Sanierung der Krankenhäuser vorgesehen. Gut so! Aber dem steht ein Bedarf von anderthalb Milliarden allein in den staatlichen Krankenhäusern gegenüber. 600 Millionen Euro sind bei der Charité noch offen, und 900 Millionen Euro sind es bei Vivantes. So ähnlich ist es mit allem anderen auch, von der Schule bis zum Zustand unserer Straßen und U-Bahnen.
Das SIWA deckt ungefähr 5 Prozent des anerkannten Sanierungsbedarfs ab. Die übrigen 95 Prozent sind noch unerledigt. Deswegen wiederholen wir es immer wieder gern: Das Abgeordnetenhaus muss ab 2016 alles daransetzen, die regulären Investitionen im Haushalt um mindestens 200 Millionen Euro zu verstärken. Der Senatsdeckel auf den Investitionen muss weg.
Das führt mich dann zu einer Überlegung, die sich zunächst sehr buchungstechnisch anhört, aber politisch höchst bedeutsam ist. Das ist hier eine Haushaltsdebatte, die unsere Handlungsmöglichkeiten transparent machen soll. Die 500 Millionen Euro für das SIWA werden haushaltstechnisch nicht aus irgendeiner Rücklage genommen, die sich in den Vorjahren gefüllt hat. Es sieht auf den ersten Blick so aus, aber es ist nicht so. Vielmehr führen die Haushaltsvorschriften dazu, dass die halbe Milliarde für das SIWA im Nachtrag 2015 komplett aus den regulären Steuereinnahmen finanziert werden muss und auch finanziert wird.
Das bedeutet aber – und da wird es politisch interes- sant –, diese 500 Millionen Euro reguläre Einnahmen sind auch im nächsten Jahr da und stehen dann ohne SIWA zur freien Verfügung. Deshalb ist unsere Forderung, den Investitionsanteil im Haushalt zu erhöhen, auch keine Hexerei. Wir erwarten vom Senat, dass diese freien Mittel bei der Haushaltsaufstellung nicht einfach unterschlagen werden, aber auch nicht komplett in den Personal- und Sachkosten aufgehen, sondern wir erwarten, dass mindestens 200 Millionen Euro davon für Investitionen reserviert werden.
Ich gebe zu, ein solcher Kurs wird durch die Kosten erschwert, die durch das BER-Desaster auf Berlin zurollen. Der Senator hat vorhin etwas dazu gesagt. Wir haben gestern erfahren, dass die Bundesrepublik Deutschland im März bei der EU-Kommission die Genehmigung von 2,2 Milliarden Euro öffentlicher Gelder – nicht von Krediten – für die Flughafengesellschaft beantragt hat. Ohne Einverständnis des Berliner Senats und der brandenburgischen Landesregierung geht das nicht. Dass man uns diese Übereinkunft verschwiegen hat, bis heute die Un
terlagen verweigert, geschweige das Parlament vorher mal gefragt hat, das bewerte ich als einen politischen Skandal.
Wird die Beihilfegenehmigung von der EU erteilt, wird die Sache, die Sie, Herr Senator, angesprochen haben, sehr viel schwieriger. Ich stelle mir ja genau die gleiche Frage wie Sie: Muss es wirklich sein, dass wir neben der Fertigstellung auch noch den Ausbau des Flughafens auf das Versprechen hin, dass die Gewinne des BER uns das Geld ab 2020 wieder in die Landeskasse spülen, aus Steuermitteln vorfinanzieren? Das ist ja der Gegenstand des Antrags an die EU.
Es ist in der Tat eine echte Alternative zu sagen, die Flughafengesellschaft möge bitte die Erweiterung des BER selber finanzieren, und zwar Zug um Zug in dem Maße, wie der von ihr behauptete Anstieg von Passagierzahlen, Einnahmen und Gewinnen auch tatsächlich eintritt. Da bin ich ganz an Ihrer Seite. Bloß – dieser EU-Antrag entfaltet natürlich eine gewisse Bindewirkung – kriegen wir die Komplikation, dass jeder, der dann daran etwas ändern will, dem Argument ausgesetzt wird, er würde jetzt den Beihilfeantrag ins Zwielicht ziehen und infrage stellen. Wir werden das erleben. Das heißt, wenn wir diesen Weg gehen wollen, den Sie beschrieben haben und den auch ich für richtig halte, dann müssen wir uns da erst mal durchsetzen. Ansonsten müssen wir davon ausgehen, dass 800 Millionen und nicht nur 400 Millionen in den nächsten vier Jahren auf unseren Haushalt zukommen.
Ich sage mal dazu, darüber haben wir ja gesprochen, eine wachsende Stadt ist eben mehr als ein wachsender Flughafen. Die Berliner Politik hat deshalb noch andere Aufgaben. Gucken Sie sich den Wohnungsmarkt an! Da geht das Mietendrama weiter, ohne dass der Senat genügend unternimmt. Wir werden vage auf 2016 oder 2017 vertröstet. Dabei hätte der Senat im Nachtragshaushalt die Möglichkeit gehabt, schon jetzt etwas zu tun. Wir und auch die anderen Oppositionsfraktionen hatten ja deswegen beantragt, den städtischen Wohnungsbaugesellschaften 100 Millionen Euro Eigenkapital für ihre Bauvorhaben zuzuführen. Im Gegenzug erwarten wir dann von den Gesellschaften, dass sie preiswerten Wohnraum in ihren Beständen bereitstellen. Warum gehen Sie diesen Weg nicht mit, Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU? Der Weg ist machbar, und er ist vernünftig.
Zum Abschluss noch ein paar Worte zur Energie- und Umweltpolitik: Diese rangiert bei Rot-Schwarz notorisch unter ferner liefen. Auch das will mir nicht in den Kopf. Wachsende Stadt kann doch nicht heißen, dass wir immer mehr Energie verbrauchen und immer mehr Braunkohledreck in die Luft pusten. Den Energieverbrauch zu
drosseln und mehr Strom aus Wind und Sonne zu erzeugen, das gehört doch zu Berlin mit Zukunft dazu! Sie fassen Beschlüsse zur Rekommunalisierung und zur sogenannten Smart City und stellen das dann im Senat gegeneinander. Denken Sie die beiden Ansätze doch einmal zusammen, dann werden Sie sehen, dass daraus ein Schuh wird!
Strom aus Wind und Sonne, aus Kraft-Wärme-Kopplung, kombiniert mit einem intelligenten Netz, das auch dezentrale Erzeugung gut bewältigt, Elektromobilität, Ladestationen an den Laternen, Mobilitätskarten, mit denen man U-Bahn fahren, aber bei Bedarf auch ein Fahrrad oder Elektroauto mieten kann usw., das ist doch die Zukunft der Städte und die Zukunft der Arbeitsplätze. Da wollen wir vorne mit dabei sein.
Es fehlt bloß der Treiber. Die Stromkonzerne machen diese Energie- und Verkehrswende nicht von allein, denn sie kleben natürlich an ihrer alten Struktur. Es ist doch der Sinn des Stadtwerks und auch eines kommunalen Stromnetzes, genau diese Investitionen in erneuerbare Energieerzeugung und Energieeffizienz zu ermöglichen. Doch dazu fehlt dem Stadtwerk das nötige Geld. Wir wollen deshalb – auch mit unserem Antrag, der auf dem Tisch liegt – dem Stadtwerk dieses Jahr 30 Millionen Euro Eigenkapital zuführen und diesen Weg in den nächsten fünf Jahren konsequent fortsetzen.
Und ich sage noch dazu – das wird der nächste Tagesordnungspunkt sein –: Auch eine solche Politik hin zu einer kommunalen Stromversorgung, die uns in moderne und ökologische Verhältnisse führt, wird nur sinnvoll sein, wenn Sie das Vergabeverfahren beim Stromnetz nicht in der gleichen Art und Weise in die Grütze fahren, wie Sie das beim Gas gemacht haben. Diese Gefahr sehen wir ganz stark, wenn wir nicht neu aufsetzen, sondern stattdessen in Verhandlungen gehen und dann mit irgendwelchen gemischten Gesellschaften zusammen, mit Vattenfall und anderen aus der Sache, wieder rauskommen. Dann wird aus dieser schönen Vision, die ich gerade versucht habe darzustellen, leider nichts.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir hatten gestern eine überraschend heftige Debatte im Hauptausschuss. Wir haben darüber gestritten, ob das Glas nun dreiviertel voll ist oder ob dieser Nachtragshaushalt nicht vielmehr voll ist mit den Voodoo-Zahlen Ihres Vorgängers, Herr Kollatz-Ahnen.
Wir haben darüber gestritten, ob das Thema dieser Aktuellen Stunde, der Nachtragshaushalt bringe uns zusätzliche Investitionen, richtig ist, und wir haben darüber gestritten, dass dieser Nachtragshaushalt, wie ich finde, einen Tabubruch begeht, indem er der Flughafengesellschaft zusätzliches Geld für das BER-Desaster zuschanzt, ohne dass die Bedingungen für weitere Zahlungen geklärt sind.
Ich will aber versuchen, heute etwas Gift aus der Debatte zu nehmen, und mich bemühen, zu einem gemeinsamen Verständnis zu gelangen.
Vielleicht klappt’s ja nicht! – Herr Kollatz-Ahnen! Die Quelle allen Übels in der Berliner Investitionspolitik ist, dass Ihr Vorgänger bei seinem Amtsantritt den Investitionsplafonds um 250 Millionen Euro auf 1,4 Milliarden Euro gekürzt hat. Das hat uns die niedrigste Investitionsquote seit der Wiedervereinigung, jede Menge Schlaglöcher, kaputte Fenster und Dächer eingetragen. Als Haushälter und Grüner darf ich besonders darauf hinweisen, dass der Zustand unserer landeseigenen Gebäude dazu führt, dass Energieverbrauch und Energiekosten in unseren Gebäuden um 144 Prozent über dem üblichen Standard liegen, wie ein Vergleich mit den von uns angemieteten Gebäuden gezeigt hat. Das alles ist schlecht für den Haushalt, das ist schlecht für den Klimaschutz, und das alles kann so nicht bleiben.
(Senator Dr. Matthias Kollatz-Ahnen)
Deshalb müssen wir die Kürzung der Investitionen auf 1,4 Milliarden Euro rückgängig machen
und die Mittel für den Unterhalt unserer Gebäude und Verkehrswege deutlich erhöhen.
Was aber hat der Senat letzte Woche gemacht? – Er hat beschlossen, den Deckel von 1,4 Milliarden Euro beizubehalten, ja, schlimmer noch: Er hat beschlossen, die Kosten für die vermaledeite Baustelle auf dem Flughafen Schönefeld auch noch in diesen Deckel hineinzuquetschen. Das heißt, der Senat hat im Grunde genommen beschlossen, die regulären Investitionen in Berlin noch weiter zu kürzen und auf allerhöchstens 1,3 Milliarden Euro pro Jahr zu deckeln.
Deswegen ist das SIWA mitnichten zusätzliches Geld für Investitionen. Was Sie mit der linken Hand, mit dem Nachtragshaushalt 2015, für die nächsten Jahre zusätzlich über das Sondervermögen geben, haben Sie mit der rechten Hand, dem Eckwertebeschluss für den Haushalt 2017, für das Flughafendesaster wieder herausgenommen. Ich kann Sie nicht daran hindern, das Märchen von Mehrinvestitionen Ihren Anhängern zu erzählen, aber ich möchte nicht, dass Sie auch noch selbst daran glauben, denn das wäre für unsere Stadt fatal.
Das SIWA könnte ein guter Anfang sein, aber nur, wenn wir es in eine Investitionsstrategie für die nächsten 10, 15 Jahre einbetten. Wir brauchen zur Sanierung der Berliner Infrastruktur einen mindestens so langen Atem wie für die Haushaltssanierung und müssen ihr Vorrang einräumen vor allem, was täglich sonst noch an Forderungen in der Zeitung steht, auch aus unseren eigenen Reihen.
Wir Grüne wollen deswegen Ihre Kürzung der Investitionen rückgängig machen und wieder mindestens 200 Millionen Euro zusätzlich im Haushalt veranschlagen, um den Sanierungsstau schrittweise abzubauen. Und da können und wollen wir uns nicht dauerhaft auf Restposten aus verbleibenden Überschüssen verlassen.
Grundlegend ist – das wissen wir alle –, den weiteren und fortgesetzten Verfall zu stoppen und Substanz- und Werterhalt zu sichern. Da fehlen uns ungefähr 50 Millionen Euro pro Jahr, vor allem in den Bezirkshaushalten, die bekanntlich für die Schulen verantwortlich sind.
Der zweite Punkt ist, den Sanierungsstau, der in zweistelliger Milliardenhöhe aufgelaufen ist, schrittweise abzuarbeiten. Da brauchen wir einen langen Atem, das habe ich
eben schon gesagt: 10, 15 Jahre und jährlich mindestens 100 Millionen Euro, um ans Ziel zu gelangen.
Und schließlich stehen wir vor der großen Aufgabe, Erweiterungen vorzunehmen. Jährlich 30 000 bis 40 000 Neuankömmlinge bringen nicht nur mehr Geld in die Stadtkasse, sie haben auch Bedürfnisse. Eine wachsende Bevölkerung braucht zusätzliche Kitas, Schulplätze, mehr Bahnen, Busse und eine bessere Infrastruktur für den Radverkehr. Unter 100 Millionen Euro pro Jahr wird das nur schwer zu bewerkstelligen sein.
Da gibt es Schnittmengen, von daher kann sich der Finanzbedarf auch mindern, aber die Großprojekte, die alle diskutieren, sind darin noch gar nicht enthalten. Die Stichworte sind sattsam bekannt: ICC, ZLB, Flughafengebäude in Tempelhof, Flughafen Tegel, Komische Oper, Klinikum Steglitz, Rathausforum – Tierpark nicht zu vergessen. Da kommt mehr als eine Milliarde Euro zusammen. Das geht nicht alles und schon gar nicht additiv und gleichzeitig. – Deshalb, Herr Saleh, sage ich Ihnen ganz persönlich eines: Bevor Sie ein neues Kombibad im Tierpark eröffnen können,
braucht Ihre rot-schwarze Infrastrukturkoalition mal wieder einen neuen Herbst der Entscheidungen.
Eben habe ich gehört, Sie können sich dann auch noch einen neuen Bäderdirektor suchen. Das gehört dann zu den Entscheidungen dazu.
Und oben drauf kommt dann noch das Stichwort Olympia. Wenn die überall kolportierte Zahl von 2,5 Milliarden Euro – ich weiß nicht, wo sie herkommt – der reine Landesanteil sein soll, der nach allen Kosten und dem Kostenersatz durch Bund und IOC übrigbleibt, dann wäre das zu viel, so leid es mir tut. Dann wäre die Sorge vieler Berliner berechtigt, dass diese Kosten unabweisbare Bedarfe an anderen Stellen verdrängen.
Es hängt sehr viel, um nicht zu sagen, fast alles, davon ab, dass der Senat in der Lage ist – wenn wir denn überhaupt in die Verlegenheit kommen –, zusammen mit der Bundesregierung, der deutschen Wirtschaft und dem deutschen Sport ein glaubwürdiges Finanzierungskonzept zu präsentieren und die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass sich die Stadt das erträumte Sommermärchen auch leisten kann. Im Augenblick ist das nur ein Traum, um nicht zu sagen, eine Illusion. Was fehlt, sind Zahlen, Fakten und Argumente.
Davon werden auch wir als Grüne unsere Entscheidung abhängig machen.
Nun zum Thema BER! In Zukunft – da kann sich niemand mehr Illusionen machen – wird der Flughafen nicht mehr aus der Portokasse, sondern aus echtem Haushaltsgeld bezahlt. Und da müssen wir darauf achten, dass am BER die Geldverschwendung nicht weitergeht.
Ich erinnere mich noch sehr gut: Der eigentliche Grund für den Nachtragshaushalt 2015 war die Forderung der Flughafengesellschaft nach frischem Geld. Herr Wowereit und Herr Nußbaum – beide heute nicht mehr da – haben damals zugesichert, dass die Kontroversen mit dem Parlament über die Finanzierung des BER im Rahmen der Beratung eines Nachtragshaushalts geklärt werden. Und jetzt auf einmal haben wir einen Haushalt, der die Kontroversen zwischen Senatsressorts über die Verwendung von EU- und BAföG-Mitteln klärt, nicht aber die Kontroverse zwischen dem Senat und dem Parlament über den BER. Das ist verdrehte Welt.
Die Haltung der Grünen ist glasklar: Ehe wir auch nur einen einzigen Cent für die von Herrn Mehdorn geforderte zusätzliche Milliarde genehmigen, wollen wir einen begründeten Antrag der Flughafengesellschaft dazu sehen und keine Zeitungsmeldungen und vor allem alle von diesem Haus mehrfach angeforderten und uns zugesagten Unterlagen. Das ist erstens der Antrag auf Beihilfe an die EU-Kommission. Das ist zweitens der diesem Antrag beigefügte Businessplan der Flughafengesellschaft bis 2035. Das ist drittens eine geltende und verbindliche Mittelfristplanung. Und das ist viertens ein Bauablaufplan bis zur geplanten Eröffnung mit einer Prognose des Abrufs der Steuermittel. Darauf warten wir.
Was aber macht der Senat im Nachtragshaushaltsentwurf? – Er genehmigt sich einfach schon mal eine Anzahlung von 42 Millionen Euro, zwackt sie diskret vom SIWA ab und schiebt sie in die Flughafenrücklage, der wir alle miteinander ein Ende bereiten wollten. Ich dachte, ich guck nicht richtig, als ich das gesehen habe. Wenn Sie, Herr Schneider, und Sie, Herr Goiny, sich das gefallen lassen, machen Sie sich zum Bettvorleger des Senats! Und da wollen und da werden wir uns nicht danebenlegen. Das ist sicher.
Ich komme zum Schluss. Gegen Ende der gestrigen Debatte hat sich da ja eine Lösung angedeutet. Dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, lasst uns den Weg mit einer qualifizieren Sperre auf alle Haushaltsmittel für den BER
auch gehen, damit der Schlingerkurs in Schönefeld ein Ende hat und die Damen und Herren endlich gezwungen sind, für ihr Tun und Lassen vor diesem Haus Rechenschaft abzulegen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur zu zwei Punkten, weil Sie mich dazu angesprochen haben. Herr Goiny! Es kann ja sein, dass Olympia einen Mehrwert generiert, so wie die Fußball-WM 2006 auch. Darüber habe ich aber gar nicht gesprochen. Ich habe darüber gesprochen, dass Sie unter den Bedingungen der Schuldenbremse diesen Mehrwert vorfinanzieren müssen, und dass mir dazu bisher jedes realitätstaugliche Konzept fehlt. Wenn Sie auf die Frage: Wie bekomme ich die Investitionen gestemmt? – antworten: Die bringen später etwas ein –, dann bin ich genau bei der unsoliden Politik der CDU aus den Neunzigerjahren hier in Berlin.
Genau da sind Sie im großen Stil zusammen mit der SPD dieser Theorie gefolgt und andere haben das nachher auslöffeln müssen
und das Geld wieder hereinbringen durch eine harte Sparpolitik.
Insofern finde ich, haben Sie die Pointe verfehlt. Solide Haushaltspolitik bedeutet, dass Sie auch eine solide Vorfinanzierung einer Veranstaltung haben, die dann möglicherweise ein wunderbares Ereignis ist und einen Mehrwert generiert. Die haben Sie bisher nicht. Mehr habe ich dazu gar nicht gesagt. Da sind Sie in der Bringschuld.
Der zweite Punkt zum Thema BER: Darüber haben Sie jetzt gesprochen und Herr Schneider vorhin auch. Bei Ihrem Haushalt kommt doch heraus, dass 230 Millionen Euro in der Rücklage liegen und genauso unkontrolliert in den nächsten zwei Jahren abfließen werden, wie bisher schon in den letzten vier Jahren das Geld abgeflossen ist. Genau diesem Mechanismus wollten wir doch ein Ende machen. Deswegen vertröstet mich diese Aussage: Na ja, dass mit der Sperre machen wir dann aber im Jahr 2016/2017 überhaupt nicht –, denn dazwischen liegt eine Strecke von mindestens zwei Jahren, in denen das einfach alles so weitergeht wie bisher, und die am Flughafen sich rausnehmen, was sie wollen.
(Christian Goiny)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Frau Becker! Ja, in der Grundintention sind wir uns einig.
Das war in der Vergangenheit von Ihrer Seite – ich betone: von Ihrer Seite – nicht so. In den Haushaltsberatungen hatten Sie sich noch zu der Behauptung verstiegen, die Oppositionsfraktionen betrieben eine verantwortungslose Haushaltspolitik,
weil sie mehr investieren und dafür weniger tilgen wollten als der Senat. Schön, dass Sie das jetzt anders sehen und genauso sehen wie wir.
Und: Ja, Frau Becker, wir hätten Ihrem Gesetz deswegen heute gerne zugestimmt,
wäre da nicht der Satz – ich zitiere –:
Der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses entscheidet auf Vorschlag des Senats über die Mittelverwendung.
Das ist der zentrale Stein des Anstoßes.
Denn hier wird uns gesagt, über die vordringlichen Investitionen soll der Senat im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss entscheiden.
Das Parlament in seiner Gesamtheit kann keine Vorschläge über die Mittelverwendung machen. Die Entscheidung über die Mittelverwendung wird in einem einzelnen Ausschuss entschieden, und Abgeordnete, die diesem Ausschuss nicht angehören – und das sind die meisten hier –, erhalten noch nicht einmal die Information, die berühmte rote Nummer, automatisch zur Kenntnis.
Dieses demokratiefeindliche Verfahren bei der Beschlussfassung über öffentliche Gelder lehnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen entschieden ab.
Nein, ich komme ja noch zu ihm. Er duckt sich heute als Redner weg.
Denn, um konkret zu werden, Herr Schneider und werte Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU: Was heißt dieser Satz, der Hauptausschuss entscheidet, praktisch? Was heißt das praktisch im Rahmen der Arbeitsteilung im Senat und im Parlament? – Praktisch heißt das, dass die haushaltspolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen, derzeit die Herren Schneider und Goiny, und die Senatsverwaltung für Finanzen, faktisch im Augenblick repräsentiert durch Herrn Staatssekretär Feiler, untereinander ausbaldowern, wo zusätzlich investiert wird und wo nicht.
Und da können Sie dann, meine Damen und Herren von SPD und CDU, und vielleicht auch wir bilateral etwas einspeisen, aber entscheiden tut niemand etwas von Ihnen und uns. Und das nennt dann Herr Schneider einen lebendigen Haushalt! Das ist ein Haushalt, der unter Ihrer feudalen Fuchtel läuft, aber nicht unter der Regie der Demokratie.
Um es mal drastisch zu sagen: Diejenigen unter uns – ich habe die drei Namen genannt –, die das Gesetz faktisch geschrieben haben, schanzen sich in dem Gesetz die Verfügungsgewalt über dreistellige Millionenbeträge zu, und die übrigen Abgeordneten gucken in die Röhre. Genau das und nichts anderes ist die praktische Bedeutung des Satzes:
Der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses entscheidet auf Vorschlag des Senats über die Mittelverwendung
Meine Damen und Herren von SPD und CDU! Ich kann Sie nicht daran hindern, Ihrer Selbstentmachtung zuzustimmen, aber seien Sie versichert: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und die Verfassung von Berlin schützen Sie selbst vor dieser Torheit. Das Recht dieses Hauses und all seiner Mitglieder über die Verwendung aller öffentlichen Einnahmen zu bestimmen, dieses Königsrecht des Parlaments ist nach der Verfassung
unveräußerlich. Und wir werden nach der heutigen Abstimmung weiter dafür kämpfen, dass es auch in Berlin uneingeschränkt gilt.
Das hat ja inzwischen leider eine gewisse Tradition. Diese Entmachtung der Abgeordneten inklusive der eigenen aus der CDU hat Herr Goiny gestern im Hauptausschuss damit gerechtfertigt, dass es ihm eigentlich um eine Entmachtung der trägen Verwaltungspraxis gehe. Sein Vorbild für den Einsatz der Mittel aus dem Sondervermögen Wachsende Stadt sei das Konjunkturprogramm II, bei dem die diversen Aufgabenträger unmittelbar selbst investiert haben.
Aber ich kann Ihnen sagen – meine Redezeit geht zu Ende –, ich habe Ihnen den Haushaltsplan 2010 mitgebracht. In Kapitel 2920 finden sich 631 Millionen Euro auf rund 60 Titel verteilt, veranschlagt durch das Abgeordnetenhaus und alle seine Mitglieder: für Schulen, Kitas, Gebäudesanierung, Hochschulen, Bäder, Charité, Krankenhäuser, Lärmschutzmaßnahmen, Informationstechnologie und für Spezialfahrzeuge von Polizei und Feuerwehr. Das war damals alles haarklein veranschlagt. Warum soll das denn jetzt anders sein, Herr Goiny? Warum sollen die Abgeordneten entmachtet werden? Mir erschließt sich das nicht. Und wir machen das auch nicht mit.
Wir bitten Sie deswegen: Stimmen Sie mit Blick auf das Budgetrecht des Abgeordnetenhauses und jedes einzelnen seiner Mitglieder unserem Änderungsantrag zu!
Werter Herr Schneider! Also die Beispiele, die Sie bringen, haben relativ wenig damit zu tun, wie man mit Steuereinnahmen innerhalb des Haushalts umgeht.
Ich könnte das jetzt so bewerten, dass Sie die Forderung „Lotto in den Haushalt“ unterstützen. Das fände ich gut. Dann würde das mit der Freundschaft ja hinhauen, die Sie hier reklamiert haben. Der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Lottomittel komplett in den Haushalt einzustellen, um dieses Feudalsystem zu beseitigen, den gibt es nicht erst seit heute.
Den haben wir seit Jahren gestellt. Und er wurde immer von denjenigen insbesondere abgelehnt, die den Regierenden Bürgermeister stellen, der ja der oberste Verteiler dieser Lottomittel ist und sich das nicht nehmen lassen wollte.
Da sage ich Ihnen: So lange dieses System ist, werden wir in der Tat da auch Mitbestimmung suchen. Aber wenn wir das System abschaffen wollen – und da ist Frau Pop die erste, die da dabei ist,
würde ich meinen –, dann machen wir das. Ich erwarte dann von Ihnen, dass wir das im nächsten Doppelhaushalt dahin gehend klären.
Ansonsten kann und will ich nicht wirklich da reingucken, wie die internen Verhältnisse in den einzelnen Fraktionen sind. Aber Tatsache ist natürlich schon, dass faktisch Abgeordnete hier ihr verfassungsmäßig garantiertes Recht, individuelles Recht als Abgeordnete, über die Mittelverwendung von Steuer- und Gebührengeldern zu entscheiden, was man nicht veräußern kann, abgetreten haben an uns Finanzergruppe und speziell an die Personen, die ich genannt habe. Dass wir als Fraktion über diese Brücke nicht gehen werden, finde ich, ist nachvollziehbar.
Das waren jetzt Missverständnisse, Herr Präsident! – Werter Herr Goiny! Der Grund meiner Intervention ist, dass Sie sagen: Fachausschüsse entscheiden hier was. – Nein, Fachausschüsse entscheiden hier nichts. Fachausschüsse beschließen Anträge, und die kommen ins Plenum, und dann werden die vom Abgeordnetenhaus beschlossen oder abgelehnt. Warum wir hier eine Zweiklassengesellschaft haben sollen und was Sie sich da her
ausnehmen mit Ihrem Gesetz, bezogen auch noch auf Finanzmittel, erschließt sich mir nicht.
In den anderen Fragen sind wir durchaus einig. Wenn Sie das entbürokratisierte Verfahren des Konjunkturprogramms II anstreben, was sich damals bewährt hat, damit es schnell geht, sind wir an Ihrer Seite. Da werden Sie eher Probleme im Senat kriegen, weswegen ich gesagt habe, dass das höchstwahrscheinlich auch da gar nicht zu Senatsbeschlüssen in diese Richtung führen wird, sondern ebenfalls auf diesem ungeraden Wege unter den Finanzern im Senat und im Parlament ausgemacht wird.
Und was das Gesetz selber angeht, da sage ich Ihnen doch nur: Das muss auf Dauer gestellt sein. Es ist schon kein gutes Zeichen, dass Sie einen Dringlichkeitsantrag brauchen, weil Sie nämlich die Mittelzuführung noch nicht mal richtig und ordentlich geregelt haben. Und wir streiten hier jetzt nur über die Seite der Mittelverwendung. Ich habe hier auch über die ganzen anderen Ungereimtheiten nicht geredet, die hätten wir alle hingenommen. Wir haben doch im Vorfeld viel miteinander gesprochen. 80 Millionen Mindesttilgung, was doch auch nur irgendetwas ist mit dem Verfallsdatum 2020 allerhöchstens und fragwürdig. Wie war das? Multifunktionsbäder, weil das gerade bei der CDU in Mode ist, da kann man auch Bäder schreiben. So ein Gesetz soll doch auch auf Dauer gestellt werden. Es war ja auch der Rechtsausschuss, wie wir das häufig sonst machen, nicht mit der Sache befasst. Die Juristen hätten Ihnen vielleicht zu so einem Gesetz, das alles nur auf einen unmittelbaren, praktischen Tageszweck zugeschnitten hat, auch einiges gesagt und die Sache verbessert. Aber daran wollten wir es gar nicht scheitern lassen. Ich habe mich auf den einen einzigen Punkt, das ist ein prinzipieller Punkt, und nichts Kleinteiliges heute orientiert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Kollege Schneider! Über die Sturzgeburt dieses Gesetzes, dringlich und jetzt in erneuerter Fassung, reden wir heute dann lieber nicht. Wir müssen aber schon darüber reden,
(Vizepräsident Andreas Gram)
dass wir Grüne – und ich glaube auch die Piraten und die Linkspartei – mit einer gewissen Genugtuung sehen, dass SPD und CDU endlich eingesehen haben, dass die Sanierung der Infrastruktur eine höchst sinnvolle Form der Schuldentilgung und der Zukunftssicherung darstellt,
und nun wenigstens die Hälfte der Haushaltsüberschüsse in Infrastrukturinvestitionen überführen möchten.
Noch in der Haushaltsberatung konnte man den Eindruck gewinnen, die Regierungskoalition habe den Verstand an der Garderobe des Abgeordnetenhauses abgegeben,
als sie sich zu der Behauptung verstieg, die Opposition betreibe eine verantwortungslose Haushaltspolitik, weil sie mehr investieren und dafür weniger tilgen wolle als der Senat.
Aber hallo!
Schön, dass Sie das jetzt zumindest mehrheitlich anders sehen und unter – wie man mitbekommen hat – heftigen internen Kämpfen eine Kurskorrektur erreicht haben. Denn eigentlich sollte unter uns Finanzpolitikern, Herr Schneider, und auch unter Ökonomen unstrittig sein, dass Tilgung und Investitionen im Hinblick auf die Vermögenslage des Landes, also auf die Nettovermögensposition, gleichrangig sind.