Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

[Beifall bei der CDU und der SPD – Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

Das sage ich Ihnen gleich! – Der Senator hat einen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Koalitionsfraktionen haben ihn beraten und an der einen oder anderen Stelle eine kleine Änderung eingebaut. Das werde ich Ihnen gleich erläutern.

[Udo Wolf (LINKE): Was ist denn mit dem Gesetzent- wurf? Haben Sie den eingebracht?]

Der Anpassungsbedarf – und das ist hier sehr wichtig; insofern sind wir hier gar nicht so weit auseinander, wie Sie hier konstruieren – geht dahin, dass wir wollen, dass wir ein rechtssicheres und gut durchsetzbares Zweckentfremdungsverbotsgesetz für Berlin bekommen. Das ist unsere Zielsetzung. Das Gesetz muss verlässlich und nachhaltig sein, und wir müssen es in allen Bezirken vernünftig und gleichmäßig anwenden können. Das ist die Richtung, in die wir arbeiten.

Wir haben als Fraktion folgende Punkte zusätzlich noch in die Diskussion gebracht und sind hier mit unserem Koalitionspartner in konstruktiver Beratung und auf einem guten Weg: Was ist uns wichtig ist, ist erstens, dass soziale Einrichtungen des Landes wie Kitas, Tagesmütter oder andere Einrichtungen, die in diesen Bereich fallen und für das Land Berlin von Interesse sind, im Rahmen einer Genehmigungspflicht für die Bezirksämter liegen.

Zweitens wollen wir, dass auch Existenzgründer und solche, die sich von zu Hause aus selbständig machen, auch Arztpraxen, im Rahmen einer Ausnahmeklausel vernünftigerweise vom Zweckentfremdungsverbotsgesetz ausgenommen werden, damit wir die medizinische und soziale Versorgung in den Stadtteilen sicherstellen können.

[Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

All das würde bei einem allgemeinen Verbot immer unter das allgemeine Verbot fallen. Wir wollen und können aber in den Bezirken nicht die soziale Infrastruktur aus den einzelnen Wohngebieten herausdrängen. Insofern ist für uns wichtig, dass soziale Einrichtungen, Existenzgründer, Kitas, Arztpraxen oder Physiotherapiepraxen so gestellt werden, dass sie in ihren teilweise auch Wohnungen bleiben können. Das ist für uns wichtig.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Der aktuelle Gesetzentwurf ermöglicht das nicht rechtssicher, und der Entwurf von den Grünen schon gar nicht. Darüber hinaus wollen wir, dass auch energetische Sanierung betrieben und realisierbar umgesetzt werden kann. Dafür ist das Zeitfenster von sechs Monaten aller Erfahrung nach zu kurz. Deshalb müssen wir es verlängern, um

hier sicherzustellen, dass Wohnungen realistisch saniert werden können. Dies ist noch in der Diskussion; ich denke aber, wir werden uns dort auf eine vernünftige und angemessene Frist einigen.

Des Weiteren haben wir das Thema Bestandsschutz. Berlin hat dort leider Erfahrungen auf rechtlichem Weg sammeln müssen. Für uns ist dennoch wichtig, irgendwie an die 12 000 Ferienwohnungen heranzukommen. Wir wollen auch diese wieder dem Wohnungsmarkt zuführen. Deswegen haben wir zum Beispiel im Moment den Gedanken, eine Meldepflicht einzuführen, den Bestandsschutz auf einen gewissen Zeitraum zu begrenzen und am Ende wieder diese 12 000 Ferienwohnungen dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen. Das ist nachhaltig, aber das funktioniert eben nicht, wie es die Grünen vorschlagen – und das ist der erste Sargnagel dieses Gesetzes –, mit einem direkten Eigentumseingriff, mit einem Rückgriff. Das wird nicht funktionieren; da würde das Gesetz einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Der zweite Sargnagel des Gesetzes, wie es die Grünen vorgeschlagen haben, ist in der Tat, das Thema auf ganz Berlin ausschließlich anzuwenden. Wir werden – und das hat die Vergangenheit leider gezeigt – es selbst in der jetzigen Situation nicht realisieren können, in ganz Berlin einen Wohnungsmangel nachzuweisen. Damit fällt das Gesetz schon wieder in sich zusammen. Berlin hat das schon versucht. Die Anforderungen sind klar definiert, und Sie werden keine Chance haben, das bei der aktuellen Situation durchzusetzen. Das hat gestern selbst der Report gezeigt: über 66 000 angebotene Wohnungen. Wenn allein das die Messlatte ist, hätten Sie in Berlin keine angespannte Situation. Insofern wäre auch das falsch, und Sie würden mit dem Gesetz nicht das erreichen, was Sie wollen.

Im Kern können wir dieser Fehlkonstruktion nicht zustimmen. Wir arbeiten an dem Gesetzentwurf, den wir gemeinsam in der Koalition beraten haben – mit diesen Änderungen; mit den Zielsetzungen, die soziale Infrastruktur in den Bezirken sicherzustellen, damit Tagesmütter als solche auch weiterhin tätig sein können und Arztpraxen vorhanden sind. Wir arbeiten auch daran, die Ferienwohnungen wieder zurück in den Wohnungsmarkt zu bekommen. Das rechtssicher, nachhaltig und in allen Bezirken konstruktiv und vernünftig – und nicht mit Einzelregelungen à la Kirchner! Die hätte er vor zehn Jahren schon längst durchsetzen können, und jetzt tut er es mit viel Bohei. Nein, wir machen es konsequent und vernünftig und nicht populistisch. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD – Joachim Esser (GRÜNE): Herr Kirchner ist erst seit gut einem Jahr Stadtrat!]

Vielen Dank, Herr Kollege Brauner! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Kollege Höfinghoff. – Bitte schön!

[Zurufe von den GRÜNEN – Unruhe]

Das Wort hat Kollege Höfinghoff!

Seid ihr soweit?

[Zurufe: Ja!]

Sehr schön! – Ich mache es an der Stelle relativ kurz.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Ja, ja, das war klar. – Kollege Brauner! Es ist so etwas von offensichtlich, dass wir, wenn wir ein Mietenproblem in dieser Stadt haben, das nicht nur punktuell, sondern in der ganzen Stadt haben. Wir haben es schon gleich gar nicht nur innerhalb des S-Bahnrings, sondern wir haben es in der ganzen Stadt.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Selbst wenn wir anfangen, ein paar kleine Problemchen durch das Zweckentfremdungsverbot im Innenstadtring zu lösen, verlagert sich das Problem einfach auf die Gebiete außerhalb des Rings. Es wird doch nichts anderes passieren, als dass es zu Wellenbewegungen durch diese Stadt kommt – von innen nach außen – und dass wir dann noch weniger Wohnraum und entsprechend hochpreisigeren Wohnraum bzw. vermehrt Ferienwohnungen in den Randbezirken finden. Oder genauer: nur in den Bezirken, die an die Innenstadtbezirke angrenzen. Es ist völlig illusorisch, davon auszugehen, dass die Anbieter von Ferienwohnungen bei einem Zweckentfremdungsverbot im Innenstadtbereich nicht nach außen ausweichen, um sich dann direkt von außen an den S-Bahnring anzukleben. Es wird einfach passieren.

Ich habe vorhin noch ein bisschen recherchiert. Wir haben Aussagen von SPD-Abgeordneten. Jeder, der sich irgendwann schon mal mit Mietenpolitik auseinandergesetzt hat – und das betrifft lustigerweise CDU und SPD –, hat während seiner gesamten Zeit, in der er in diesem Haus war bzw. Politik gemacht hat, immer und immer wieder ein Zweckentfremdungsverbot gefordert.

[Sven Heinemann (SPD): Deswegen machen wir es auch!]

Wirklich jeder! Diese Einschränkungen sind nicht zielführend. Wir haben es sogar 2011 im Wahlkampf gehabt. „100 Lösungen für Berlin“ – da steht es auch drin:

Die CDU strebt an, die Umwandlung von Mietwohnungen zu Ferienwohnungen einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen.

Da steht nichts davon, dass das nur im Innenstadtbereich geschehen soll. Da steht auch nichts davon, dass das auf irgendwelche besonderen Bereiche in der Stadt eingegrenzt wird. Da steht:

... die Umwandlung von Mietwohnungen zu Ferienwohnungen einer Genehmigungspflicht zu unterwerfen.

Punkt, Ende! – Dann machen Sie es doch halt!

Ich meine, jetzt ein Zweckentfremdungsverbot einzuführen, das kann dazu führen, dass wir weniger Wohnraum an Ferienwohnungsanbieter verlieren, aber es entspannt jetzt die Lage auf dem Markt überhaupt nicht. Die rückwirkende Einführung dieses Zweckentfremdungsverbotes, wie die Grünen es fordern, ist notwendig. Ansonsten gehen uns diese Ferienwohnungen, wie Sie eben schon beschrieben haben, komplett verloren – weiterhin.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Katrin Schmidberger (GRÜNE) – Martin Delius (PIRATEN): Du wolltest es kurz machen! – Heiterkeit – Udo Wolf (LINKE): Wahrheit und Klarheit!]

Ja, stimmt, ich wollte es kurz machen. – Ich habe noch zwei Minuten: Machen Sie es halt konsequent! Wir reden im Ausschuss sicherlich noch mal darüber. Wir haben jetzt einiges gehört. Die SPD könnte den meisten Dingen zustimmen. Der Senatsentwurf sieht ja auch nicht so sehr anders aus als das, was die Grünen fordern. Aber wenn wir es machen, machen wir es konsequent! Dann folgen wir dem Vorschlag der Grünen. – Danke!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Höfinghoff! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags federführend an den – kurz gesagt – Bauausschuss und mitberatend an den – kurz gesagt – Rechtsausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 8:

Netzwerk Kinderschutz sichern, weiterentwickeln und nicht durch Personalabbau und Kürzungen gefährden!

Große Anfrage der Fraktion Die Linke Drucksache 17/0719

Zur Begründung der Großen Anfrage erteile ich einem Mitglied der Fraktion Die Linke das Wort mit einer Redezeit von bis zu fünf Minuten. – Wer ist das? – Frau Kollegin Möller – bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Verehrte Damen und Herren!

Das Netzwerk Kinderschutz hat sich bewährt. Es muss gesichert und weiterentwickelt werden.

So steht es im Koalitionsvertrag. Das ist eine Konsequenz aus der Arbeit der vorherigen Koalition, und natürlich teilen wir diese Auffassung ausdrücklich. Es ist unbedingt notwendig, dass diese Weiterentwicklung sachlich, fachlich und parteilich im Sinne der Kinder und Familien diskutiert wird. Darum waren sich auch bei den diversen Anhörungen im Fachausschuss alle Experten und Expertinnen einig. Eine konträre Debatte hat hier genauso wenig Sinn wie eine rein fiskalische Betrachtung. Es ist gut, dass Kinderschutz in dieser Stadt parteiübergreifend hohe Priorität hat und kein Tanzboden für politische Profilierung ist. Das ist auch im Sinne aller, die tagtäglich mit Gefährdungssituationen konfrontiert sind und mitunter weitreichende Entscheidungen treffen müssen.

Wir wollen mit dieser Großen Anfrage nach fünf Jahren Gelegenheit geben, um Bilanz zu ziehen und um zu prüfen, welcher Handlungsbedarf besteht. Wir hätten das auch gern komplett unabhängig von aktuellen Ereignissen gemacht, aber gerade in den letzten Tagen haben uns wieder Meldungen ereilt, dass Kinder aus Familien geholt wurden – aufgrund von Meldungen, die Menschen gemacht haben. Das zeigt uns einerseits, dass das Netzwerk Kinderschutz wirkt und die Menschen sensibilisiert sind und sich darum kümmern, was in den Nachbarwohnungen passiert. Es zeigt uns auf der anderen Seite auch, welch großer Handlungsbedarf besteht und dass uns dieses Thema dauerhaft und immer wieder begleitet und zukünftig vielleicht auch noch mehr. Auf jeden Fall ist es wichtig, das Netzwerk Kinderschutz besser zu machen.

[Beifall bei der LINKEN]

Der Senatsbeschluss für ein Netzwerk Kinderschutz im Jahr 2007 hatte zum Ziel, aufbauend auf bestehenden Strukturen ein Frühwarnsystem zum Erkennen risikohafter Entwicklungen zu etablieren. Die Frage ist: Wo stehen wir bei dieser Zielerreichung? – Das Berliner Kinderschutzgesetz aus dem Jahr 2009 besagt, dass zwei Jahre nach Tätigkeitsbeginn der zentralen Stelle die Senatsverwaltung für Gesundheit – Hallo, Herr Czaja! – eine Evaluation beauftragen muss. Selbige müsste demnach in diesem Jahr stattfinden. Wir werden also bald erfahren, inwieweit das Gesetz einen Beitrag zum Kinderschutz leisten konnte.

Die Etablierung des Netzwerkes ist ein Prozess. Wichtige Bausteine sind in den letzten Jahren dazugekommen: die Aufnahme der Kinderrechte in die Berliner Verfassung, Regelungen zur Förderung der Kindergesundheit durch verstärkte Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen, etliche fachübergreifende Kooperationsvereinbarungen in den Bezirken, besseres Bundesrecht, Schutzauftrag bei Kin

deswohlgefährdung, § 8a SGB VIII, und Verbesserungen auch im Bereich der Familiengerichtsverfahren.

Insgesamt gibt es eine größere öffentliche Wachsamkeit. Das ist auch wichtig, zumal vor dem Hintergrund, dass wir leider steigende Fallzahlen haben und sich das auch nicht so schnell ändern wird, betrachten wir die Armutsentwicklung in dieser Stadt. Hilfeauslösende, konfliktträchtige Familienkonstellationen meist infolge prekärer Lebensbedingungen sind in Berlin überrepräsentiert. Dieses qualitative und quantitative Mehr an Aufgaben muss bewältigt werden, und zwar von konkreten Menschen. Einige Fehlerquellen sind bereits gesichtet – auch dank des sehr guten Berichtes des Jugendamtes Pankow, der nach der Analyse des Falles Zoe veröffentlicht wurde. Wir sprachen vor ungefähr einem Jahr hier in diesem Hause darüber.