Protokoll der Sitzung vom 31.01.2013

Insgesamt gibt es eine größere öffentliche Wachsamkeit. Das ist auch wichtig, zumal vor dem Hintergrund, dass wir leider steigende Fallzahlen haben und sich das auch nicht so schnell ändern wird, betrachten wir die Armutsentwicklung in dieser Stadt. Hilfeauslösende, konfliktträchtige Familienkonstellationen meist infolge prekärer Lebensbedingungen sind in Berlin überrepräsentiert. Dieses qualitative und quantitative Mehr an Aufgaben muss bewältigt werden, und zwar von konkreten Menschen. Einige Fehlerquellen sind bereits gesichtet – auch dank des sehr guten Berichtes des Jugendamtes Pankow, der nach der Analyse des Falles Zoe veröffentlicht wurde. Wir sprachen vor ungefähr einem Jahr hier in diesem Hause darüber.

Also: Es gibt Mängel in der Ausbildung des pädagogischen Personals. Es gibt einen hohen Bedarf an Fortbildung insbesondere zur Diagnostik und Gefährdungseinschätzung, an Zeit zu kollegialem Austausch und zur Reflexion und an fachübergreifenden Kompetenzen. Personalmangel und Bürokratie führen zu Zeitdruck. Zeitdruck kann zu Fehleinschätzungen führen. Die Schnittstellen zwischen den Ressorts Gesundheit, Jugend, Wohnen und Arbeit müssen mehr in den Fokus. Auch das Hilfesystem selbst muss sich bewegen. Wir müssen uns fragen: Wie wirken die Hilfearbeiten? Sind sie immer passend eingesetzt?

Absolut unstrittig ist: Die präventive Arbeit – also die, bevor etwas passiert – ist die wirksamste. Prävention muss also verstärkt werden, ist aber teurer, weil personal- und zeitaufwendiger. Wie soll das also alles gehen unter der Prämisse von Sparzwang und des von der Koalition verordneten Personalabbaus in den Bezirken, der die Mangelsituation – das wissen wir alle – noch verschärft hat? Die Fachkräfte in den Jugendämtern – das muss uns immer gegenwärtig sein – haben das staatliche Wächteramt inne. Sie sind am Ende diejenigen, die diese große Verantwortung mit hoher Professionalität stellvertretend für uns alle tragen. Der politische Auftrag ist, für die Sicherung und Qualifizierung dieser Professionalität zu sorgen, um auch das Netzwerk Kinderschutz nicht wieder versanden zu lassen. Darum wollen wir heute diskutieren. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Möller! – Zur Beantwortung seitens des Senats erteile ich jetzt das Wort Frau Senatorin Scheeres. – Bitte schön!

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wieder mal ohne die CDU-Fraktion, die nie da ist!]

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fälle von Kindeswohlgefährdung des letztes Wochenendes zeigen eindeutig, wie wesentlich es ist, ein engmaschiges Präventionsnetz in Berlin zu haben, damit wir frühzeitig Kinderschutzfällen entgegentreten können. Der Schutz von Kindern ist dem Senat und auch mir ein ganz wichtiges Anliegen. Wir haben in der letzten Legislaturperiode einen Schwerpunkt auf das Thema Kinderschutz gelegt und auch in dieser Legislaturperiode den Kinderschutz weiter ausgebaut.

Mit dem in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebrachten Kinderschutz sind umfangreiche integrierte Maßnahmen auf den Weg gebracht worden. Hier ist der Senat auch nicht einfach hergegangen und hat allein ein Kinderschutzkonzept entwickelt. Vielmehr haben wir das in einem ganz intensiven Prozess mit den unterschiedlichen Akteuren mit Justiz, Polizei, Kinderärzten, Frauenärzten, Jugendhilfeträgern, Jugendämtern und Bezirken, die dieses Netzwerk Kinderschutz diskutiert und konzipiert haben, auf den Weg gebracht. Es ist wichtig, dass alle Akteure, die in diesem Bereich auf dem Weg sind, eben das Netzwerk Kinderschutz tragen und gemeinsam weiterentwickeln.

Schwerpunkt des Netzwerks Kinderschutz ist es eben, einerseits präventiv zu arbeiten, Beratung durchzuführen, Früherkennung, aber auch das Thema Krisenintervention und rechtzeitige Hilfe zu gewähren. Es wurde schon in der Begründung angesprochen, dass der damalige Koalitionspartner auch einen Schwerpunkt auf dieses Thema gesetzt hat. Ich kann nur sagen, dass ich mit meiner damaligen Kollegin Margit Barth eng an einem Strang gezogen habe, weil uns dieses Thema sehr wichtig war und ist. Deswegen freue ich mich sehr, dass Sie diese Große Anfrage auf den Weg gebracht haben, um noch einmal deutlich machen zu können, was in den letzten Jahren vorbildlich in Berlin getan wurde. Andere Bundesländer nehmen das in Berlin Entwickelte als Beispiel an und entwickeln ähnliche Netzwerke und Kinderschutzgesetze.

Ziel war und ist es, Gewaltanwendung oder Verwahrlosung frühzeitig entgegenzuwirken. Ich sage es ganz klar: Eltern haben Pflichten und Rechte. Eltern haben einfach auch die Pflicht, ihren Kindern eine Umgebung zu schaffen, dass sie gut aufwachsen, dass sie behütet aufwachsen können und ohne Gewalt aufwachsen können. Hier haben wir als Gesellschaft und als Politik eine Verantwortung, Rahmenbedingungen zu schaffen und auch das Netzwerk Kinderschutz weiter zu entwickeln und weiter auf den Weg zu bringen.

Wir sind Vorreiter – ich habe es angesprochen. In den letzten Jahren haben wir viele Dinge auf den Weg gebracht. Ich möchte einige Punkte ansprechen. Es ist in Berlin so, dass jeder Bezirk einen Kinderschutzkoordina

tor oder eine Kinderschutzkoordinatorin im Bereich der Jugendhilfe oder im Gesundheitsbereich hat. Es gilt das Vier-Augen-Prinzip, weil es wichtig ist, dass eben zwei Personen genau darauf schauen und sich abstimmen, ob sie genau das gleiche gesehen und die gleiche Einschätzung in diesem Zusammenhang haben.

Die Jugendämter und die Kinder- und Jugendgesundheitsdienste haben Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen. Seit 2008 gibt es Ausführungsvorschriften und ganz klare Ausführungsvorschriften, wie zu agieren ist. Das ist bundesweit einzigartig. Das gibt es in anderen Bundesländern nicht so in dieser Form. Der Krisendienst Kinderschutz ist von Montags bis Freitags von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr erreichbar. Im Kinderschutz ist es aber auch so geregelt, dass wir die Hotline Kinderschutz eingeführt haben. Das ist uns sehr wichtig. Man kann rund um die Uhr anrufen. Uns ist die Sensibilität sehr wichtig, dass auch Bürgerinnen und Bürger anonym anrufen können. Wir wissen, dass es ein ganz sensibles Thema ist, wenn man eine Vermutung im Wohnumfeld hat und dann anruft, um einen möglichen Kinderschutz zu melden, weil einfach die Sorge besteht, Menschen auch falsch zu beschuldigen. Deswegen gibt es die Einrichtung der Hotline Kinderschutz, die sehr gut angenommen wird.

In der letzten Legislaturperiode haben wir das verbindliche Einladungswesen als einen Baustein eingerichtet. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass es große Kritik auch von den Grünen gab, wir würden zu viel Kontrolle installieren. Ich kann nur sagen, dass es richtig gewesen ist, es so getan zu haben. Es ist ein Baustein im Netzwerk Kinderschutz gewesen. Es geht einerseits darum, Kinderschutzfälle zu entdecken. Es geht aber im Rahmen des verbindlichen Einladungswesens auch darum zu schauen, ob Kinder Entwicklungsdefizite haben und ob Kinder in bestimmten Bereichen unterstützt werden müssen. Wir können eine positive Bilanz formulieren, was die Arbeit der zentralen Stelle, die wir an der Charité eingerichtet haben, angeht. Die Teilnahmequoten bei den Vorsorgeuntersuchungen sind gestiegen. Ich finde, dass es ein sehr positives Ergebnis ist, dass die Familien diese Angebote annehmen. Wir stellen eben fest, dass die Kinderärzte auch viel stärker präventiv beraten und Familien darüber auch Unterstützungsangebote annehmen.

Wir haben ein niedrigschwelliges System in Berlin installiert, dass Familien Beratung annehmen. Das ist das Wesentliche, vorzubauen, dass weniger Kinderschutzfälle passieren und wir Familien in die Lage versetzen, ihrer Erziehungsverantwortung nachzukommen und nicht überfordert sind, wenn sie in Konfliktsituationen geraten oder anstrengende Kinder haben, damit sie wissen, wie sie in solchen Situationen mit den Kindern umgehen und wie sie sich verhalten. Das sind positive Effekte im Bereich der Prävention, die wir in den letzten Jahren erreicht haben.

(Senatorin Sandra Scheeres)

Ich habe schon darauf hingewiesen, dass das verbindliche Einladungswesen ein präventiver Baustein ist. Es funktioniert. Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass all die Dinge, die ich gerade formuliert habe, dazu geführt haben, dass wir einerseits Familien stärker unterstützt haben, dass wir aber auch Kinderschutzfälle verhindern konnten.

Leider gibt es in Berlin immer noch Fälle, wie sie beispielsweise am vergangenen Wochenende an die Öffentlichkeit gelangt sind. Es geht darum, das Netzwerk auszubauen und darum, dass wir auch viel mehr durch eine größere Sensibilität mitbekommen. Man muss aber auch ganz ehrlich sagen, dass es immer wieder Familien geben wird, die es irgendwie schaffen, sich dem System zu entziehen und auch durch das engste Netz zu schlüpfen. Es muss aber unser Anliegen sein, das Netz immer enger zu knüpfen, damit wir auch mitbekommen, wo es Probleme in den Familien gibt und wo Kinder auch Unterstützung brauchen und wo wir im Notfall auch Kinder aus den Familien herausnehmen müssen.

Es gibt nicht die eine Maßnahme. Das ist deutlich geworden. Es macht den Mix der Maßnahmen aus. Es geht um die unterschiedlichen Stellschrauben, die wir letztlich zum Schutz der Kinder bewegen müssen. Es ist eben schon das Thema der frühen Hilfen angesprochen worden. Es ist wichtig, dass wir frühzeitig mit den Familien zusammenarbeiten. Deswegen sind die frühen Hilfen für uns ein ganz wichtiger Ansatz. Wir müssen schon in der Schwangerschaft ansetzten, wenn wir mitbekommen, dass da eine Familie ist, in der es eine bestimme Konflikt- oder Krisenkonstellation gibt. Wir müssen vorbeugen und die Familie an die Hand nehmen und ihr Hilfestellung geben.

Wir haben das Modellprojekt der aufsuchenden Elternhilfe 2007 in einzelnen Bezirken installiert. Das Modellprojekt war erfolgreich. Wir haben gesagt, dass wir als Land Berlin noch mehr Mittel zur Verfügung stellen, weil wir der Auffassung sind, dass dieses Modellprojekt in ganz Berlin angeboten werden muss. Es ist in dieser Form kein Modellprojekt mehr, sondern soll in Berlin in allen Bezirken ein Angebot werden. Das Projekt ist sehr erfolgreich. Wir haben sehr gute Ergebnisse.

Auch der Bund hat sich sehr intensiv mit dem Kinderschutz auseinandergesetzt. Sie wissen, dass es eine sehr intensive Debatte über das Bundeskinderschutzgesetz gab. Im Ergebnis kann man sagen – das haben wir auch immer gesagt –, dass es nicht immer nur um Intervention, sondern auch um Prävention gehen muss. Der Bund hat gesagt, dass die frühen Hilfen auch im Rahmen des Bundeskinderschutzgesetzes wichtig sind. Der Bund hat den Ländern hier auch zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Das ist der richtige Weg, dass der Bund diese Beratung auch angenommen hat. Ich finde es sehr gut, dass wir jetzt die Möglichkeit haben, in Berlin auch die Fami

lienhebammen in den Bezirken anbieten zu können. Wir werden in Berlin eine Landeskoordinierungsstelle haben, die die Familienhebammen begleiten. Es geht natürlich auch um Beratung und Qualifizierung in diesem Bereich.

Ich habe es eben schon gesagt: Es gibt die unterschiedlichen Stellschrauben und Punkte, die weiterzuentwickeln uns immer wieder wichtig sind, wie beispielsweise die Hotline Kinderschutz, die sehr gut angenommen wird. Das ist ein Punkt, den wir jetzt in dieser Legislaturperiode auch weiter forciert und ausgebaut haben, weil wir gesagt haben, dass es nicht ausreichend ist, die Hotline nur in deutscher Sprache anzubieten. Wir müssen auch die unterschiedlichen Familien mit einem unterschiedlichen Migrationshintergrund ansprechen. Wir haben die Hotline jetzt im Bereich der türkischen Sprache angeboten und werden sie zukünftig auch in der arabischen und der russischen Sprache anbieten.

Es geht aber auch um niederschwellige Angebote, darum, das wir frühzeitig Familien ansprechen. Wie Sie wissen, haben wir das Landesprogramm der Familienzentren auf den Weg gebracht. Die Familienzentren sind an der Kita angedockt, weil wir in Berlin eine ganz intensive Nutzung der Kitas durch die Familien haben. Wir wollen dieses ja auch ausbauen und haben gesagt, deswegen sei es sinnvoll, die Familienzentren an die Kitas anzudocken. Hier sind die Familien, und die Erzieherinnen bekommen ganz genau mit, was in den Familien los ist und welche Problemlagen es in den Familien gibt. Die Familien können dann konkret vor Ort über die Familienzentren angesprochen werden, und sie können Unterstützungsangebote bekommen. Wir wissen alle: Es gibt Familien, die haben Probleme, und sie haben immer noch die Hemmschwelle, direkt auf das Jugendamt zu gehen und um Hilfe zu bitten, weil sie Sorge haben, dass ihnen sofort das Kind weggenommen wird. Uns geht es darum, Familien zu unterstützen und sie zu befähigen und entsprechende Angebote der Ansprache in Berlin zu installieren.

Die Kitas bauen wir aus – ich habe es eben angesprochen. Die Erzieherinnen und Erzieher in den Kitas sind ganz wichtige Personen für uns, auch im Rahmen des Kinderschutzes, weil sie engen Kontakt zu den Familien haben. Sie erleben die Kinder tagtäglich von morgens bis nachmittags, auch Säuglinge sehen sie. Sie übernehmen pflegerische Tätigkeiten und bekommen auch den Zustand der Kinder mit. Wenn ihnen irgendetwas auffällt, können sie Kontakt zum Jugendamt bzw. direkt zu der Familie aufnehmen. Hier haben wir ganz klare Verfahren erarbeitet.

Ich denke, es ist deutlich geworden: Damit ein Netzwerk wirksam ist, ist die Kooperation sehr wichtig. Kooperation ist das A und O. Land, Bezirke und freie Träger arbeiten eng zusammen. Eben wurde im Rahmen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes schon § 8a angesprochen. Es gab sehr intensive Diskussionen über diesen Paragraphen. Die

(Senatorin Sandra Scheeres)

Jugendämter treffen mit den Trägern Vereinbarungen, wie denn Kinderschutz, wie die Zusammenarbeit stattfinden muss. Es gibt klare Regelungen zu § 8a in diesem Zusammenhang. Um hier einfach nur Stichpunkte anzusprechen: Es geht um Verfahrensschritte zur Gefährdungseinschätzung; es geht um das Zusammenwirken der unterschiedlichen Akteure; es geht um die Einbeziehung der Personensorgeberechtigten und um noch weitere Punkte. – Wir haben 2007 im Zusammenhang mit § 8a des Kinder- und Jugendhilfegesetzes Empfehlungen entwickelt. Diese Empfehlungen werden auch umgesetzt. Es sind einheitliche Standards im Land Berlin.

Uns ist es auch wichtig, dass diese ganzen Dinge an die Finanzierung geknüpft werden. Das machen wir im Kitabereich auch so, dass wir Standards über die Verträge festlegen. Aber wir haben auch mit den Trägern im Zusammenhang mit den Hilfen zur Erziehung und den anderen Bereichen ganz klare Verpflichtungen und Regelungen im Rahmen der Trägerverträge.

[Unruhe]

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich auch etwas zum Thema Personal sagen; das war auch ein Schwerpunkt in der Großen Anfrage. Das ist ein sehr wichtiges Thema, das wir im Blick haben. Wir haben in der letzten Sitzung des Jugendausschusses sehr intensiv darüber diskutiert. Wir hatten in diesem Zusammenhang eine Anhörung. Wir haben den Kinderschutz in Berlin weiterentwickelt. Es sind zusätzliche Aufgaben auf die Bezirke zugekommen. Das Land Berlin hat aber auch zusätzliche Stellen zur Verfügung gestellt, das muss man klar sagen.

[Unruhe]

Entschuldigung, Frau Senatorin! – Es ist wieder ein hoher Geräuschpegel im Saal. Bitte führen Sie Ihre Privatgespräche draußen!

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Bei der SPD reden sie!]

Wir haben in diesem Zusammenhang zusätzliche Stellen zur Verfügung gestellt, wie z. B. für die Kinderschutzkoordinatoren oder für das verbindliche Einladungswesen. Aber die Situation ist auch so, dass die Bezirke Einsparungen vornehmen müssen, das wissen alle. Die Bezirke arbeiten an Personalkonzepten, weil in den Bezirken Personal abgebaut wird. Das sind keine einfachen Umstrukturierungsprozesse. Die Bezirke müssen schauen, wie ihre Kernaufgaben letztendlich auch umgesetzt werden. In den letzten Wochen haben wir als Bildungs- und Jugendverwaltung die Bezirke in den Situationen, wo es im Kinderschutz schwierig war, unterstützt. In Marzahn und Friedrichshain-Kreuzberg etwa haben wir in Zusam

menarbeit mit der Finanzverwaltung Außeneinstellungen ermöglicht.

Ich möchte aber an dieser Stelle ganz klar sagen: In der letzten Legislaturperiode war die Personalausstattung in den Jugendämtern ein sehr intensives Thema im Zusammenhang mit dem Kinderschutz. Einer der ersten Anträge der Koalition forderte, sich genau mit diesem Thema auseinanderzusetzen und ein Modell zu entwickeln. Das hat die Senatsverwaltung mit den unterschiedlichen Akteuren getan. Wir haben ein Modell eines sozialräumlichen Jugendamtes entwickelt, wo es um die Festlegung der Personalausstattungen in einem Jugendamt geht. Und wir haben gerade für den Bereich des Regionalen Sozialen Dienstes ganz klar formuliert, wie viele Fälle pro Person vorhanden sein müssen. Wir sind der Auffassung, dass im Regionalen Sozialen Dienst weniger Fälle bearbeitet werden müssen, denn diese müssen qualifiziert bearbeitet werden. Das passiert auch, aber wir stellen fest, dass die Fallzahlen pro Person zu hoch sind. Im Rahmen des Modells haben wir solche Vorgaben gemacht.

Ich muss leider sagen, dass die Bezirke unserem Vorschlag nicht gefolgt sind, weil dies auch bedeutet, dass man sich auf Personalschlüssel und andere Dinge festlegt. Aber wir sind hier weiter mit den Bezirken im Gespräch. Ich hoffe, dass es hier ein Umdenken gibt.

Ich möchte an dieser Stelle noch mal betonen: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kinderschutz leisten eine sehr gute, verantwortungsvolle Arbeit. Wir sind auf diese Arbeit angewiesen. Sie haben eine große Verantwortung. Man muss sich vorstellen, dass da Entscheidungen darüber getroffen werden, dass Kinder aus Familien genommen werden. Solch eine Situation ist für jede Mitarbeiterin, für jeden Mitarbeiter schwierig. Sie machen sich sehr viele Gedanken, ob man solch eine Entscheidung trifft oder nicht. Aus diesem Grund finde ich es wichtig, dass es in diesen Bereichen eine gute Ausstattung gibt. Ich hoffe, dass wir da mit den Bezirken auf einem gemeinsamen Weg schreiten werden.

Abschließend noch einmal zusammengefasst: Wir haben in diesem Bereich viel gemacht. Wir haben die frühen Hilfen ausgebaut. Wir werden zukünftig die Familienhebammen in den Bezirken haben. Die Hotline Kinderschutz wird auch weiter – mehrsprachig – ausgebaut. Wir wollen sie zukünftig auch für pädagogisches Fachpersonal anbieten. Die Aufsuchende Elternhilfe haben wir ausgebaut. Die telefonische Hotline funktioniert. Wir sind hier auf einem richtigen Weg. Wir werden den Kinderschutz ausbauen. Sehr gut und wichtig finde ich, dass in Berlin im Sinne der Kinder und der Familien alle Akteure an einem Strang ziehen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Frau Senatorin Scheeres! – Für die Besprechung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Linksfraktion, und da ist es die Kollegin Möller. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Frau Senatorin Scheeres! Ich teile ganz viel von dem, was Sie eben gesagt haben. Es ist viel passiert, es ist viel umgesetzt worden, und es wird auch weiter daran gearbeitet, aber ich bin auch ein bisschen enttäuscht, denn Sie haben auf keine unserer Fragen geantwortet.

[Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE)]

Die Fragen waren sehr konkret. Zum Teil ging es darum, wie viele Stellen im Bereich Kinderschutz in den Bezirken fehlen. Wir haben uns erhofft, dass wir eine Arbeitsgrundlage für die Zukunft und wirklich Konkretes zu hören bekommen, auch vielleicht ein bisschen mehr zu dem Konzept für die Personalentwicklung im öffentlichen Dienst, das auf Ihrer Fraktionsklausur wohl schon angedacht wurde. Ich weiß, das ist alles nicht so einfach, aber ich bin trotzdem ein bisschen enttäuscht darüber, dass wir so gar keine Informationen bekommen haben bis auf die, wo etwas positiv läuft. Das ist auch klasse, dass die Hotline, die gut genutzt wird, jetzt auch mehrsprachig ist usw.

Es ist auch so, dass wir aus dem gesellschaftlichen Raum – das haben Sie auch alles auf dem Tisch gehabt – die Brandbriefe der Vorsitzenden der Jugendhilfeausschüsse und der Arbeitsgemeinschaft der Vorsitzenden der Jugendämter hatten, die ganz klar alle angemahnt haben, dass sich die Situation in den Bezirken zuspitzt und dass genau die gute Arbeit, die Sie eben beschrieben haben, nicht mehr verantwortungsvoll erfüllt werden kann. Und darum dreht sich ja auch genau unsere Große Anfrage. Wie kriegt man das hin, dass man das bewältigt? Und wie kriegen wir das vernünftig hier in Berlin geregelt? Ich würde da gerne noch mal auf ein paar Knackpunkte eingehen. Wir haben da anscheinend auch unterschiedliche Quellen, was die Personalausstattung in den Bezirken und was die Situation vor Ort angeht.

Unser Kenntnisstand ist z. B. über die Regionalen Sozialpädagogischen Dienste, die ja die Erstanlaufstellen für die Eltern, Einrichtungen und Nachbarschaften sind, also die auch diejenigen sind, die zu entscheiden haben, ist es ein Kinderschutzfall oder nicht, die eben dieses Wächteramt innehaben, die, wenn sie einen Fehler machen, das einem Kind das Leben kosten kann, dass da die Arbeitsbedingungen zunehmend schlecht sind. Und die sind sehr viel schlechter geworden, seit das Personalabbaukonzept die Bezirke ereilt hat. Das ist so berichtet worden. Das

steht auch in den Briefen, Herr Eggert, das wissen Sie auch.

Die Situation ist eben die, dass flächendeckend von einer Überlastung der Mitarbeitenden berichtet wird, was sich, wie gesagt, verschärft hat. Das verzögert die Arbeit. Das verzögert die Hilfe für hilfebedürftige Menschen. Gleichzeitig wächst die Belastung durch hohe Fallzahlen. Nebenher gibt es keine Zeit für Fortbildung, geschweige denn für Auszeiten und dergleichen mehr.

Die Folgen sind überall zu beobachten. Das können wir hier live mitansehen in Berlin. Eine hohe Fluktuation in den Ämtern, ein hoher Krankenstand, und natürlich setzt sich der Druck, den die Kollegen auszuhalten haben, fort auf die Träger, mit denen sie zusammenarbeiten, auf die Familien, mit denen sie zusammenarbeiten, wo eigentlich ein vertrauensvolles Verhältnis hergestellt werden muss. Keiner bekommt mehr zeitnahe Termine. Schnelles Reagieren in Krisensituationen, das extrem wichtig ist, kann eigentlich nicht mehr stattfinden.