Ich eröffne die erste Lesung. Für die Beratung steht den Fraktionen wieder eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antragstellende Fraktion der Grünen. Die Kollegin Schmidberger hat das Wort – bitte schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Mieterinnen und Mieter! Seit über einem Jahr kündigt der Senat immer wieder ein Gesetz gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum an. Bis heute ist aber nichts dabei herausgekommen. Deshalb bringen wir nun einen eigenen Vorschlag für ein solches Gesetz ein.
Ich finde auch, da kann man applaudieren. – Der Baustadtrat von Pankow, Jens-Holger Kirchner, hat uns vorgemacht, wie man dem Wildwuchs an Ferienwohnungen und der Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum entgegenwirken kann. Dazu braucht es jetzt noch eine klare landesrechtliche Regelung. Während Sie hier wertvolle Zeit verschenken, wird immer mehr Wohnraum vernichtet. Es sprießen immer mehr Ferienwohnungen aus dem Boden, und das angesichts der teils dramatischen Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt. Das Abgeordnetenhaus hatte bereits im Mai 2011, das ist fast zwei Jahre her, einen Antrag beschlossen, in dem der Senat beauftragt wurde, sich dieses Problems anzunehmen. Es ist fünf nach zwölf, und der Senat ist seinem Auftrag bisher immer noch nicht nachgekommen. Denn Ihre Koalition ist auch in dieser Frage gespalten. Das Tragische daran ist: Das geht alles auf Kosten der Mieterinnen und Mieter. Das ist alles andere als eine verantwortungsvolle, mieterfreundliche Politik.
Unser grüner Vorschlag will heute schnell Abhilfe schaffen und unterscheidet sich vor allem in zwei Punkten von den bisher bekannten Ansichten von Rot-Schwarz dazu. Wir haben ja nur den Referentenentwurf vom Juni 2012 bekommen; deshalb kann ich mich heute auch nur auf diesen berufen. Unsere grünen Vorschläge sind also:
Erstens wollen wir das Gesetz für ganz Berlin erlassen und es nicht nur auf die Innenstadtbezirke beschränken. Zweitens braucht es eine rückwirkende Regelung, die die Zweckentfremdung von Wohnraum der letzten Jahre einbezieht. Das Gesetz kommt sonst für die Innenstadtbezirke zu spät. Die Wohnungen, die dem Wohnungsmarkt geklaut wurden, müssen diesem endlich wieder zugeführt werden.
Warum fordern wir das Gesetz für ganz Berlin, wo doch angeblich nur die Lage in der Innenstadt stark angespannt ist? – Weil wir schon im Jahr 2011 insgesamt für Berlin nur noch eine Leerstandsquote von 2,21 Prozent hatten. Das ist ein Ergebnis eines Gutachtens, das von Ihnen, dem Senat in Auftrag gegeben wurde. Auch der gestern veröffentlichte Wohnkostenatlas der GSW bestätigt wieder einmal, dass wir rapide Mietstiegerungen in ganz Berlin haben. Wenn wir uns mit dem Gesetz nur auf die innerstädtischen Bezirke beschränken würden, wie es der Senat bisher will, setzt man eine Welle der Zweckentfremdungen von Wohnraum in den angrenzenden Gebieten in Gang. Das kann man sich in der Praxis in Hamburg ansehen. Schauen Sie sich Lichtenberg und Neukölln an! Auch dort ist bezahlbarer Wohnraum rar geworden. Und dort, wo es – noch – keine Zweckentfremdung gibt, wie in Marzahn-Hellersdorf, wird es erst einmal keinen Handlungsbedarf geben. Daher braucht es ein konsequentes Eingreifen und keine Flickschusterei, wie sie der Senat angeblich bisher plant.
Um das Ziel dieses Gesetzes überhaupt erreichen zu können, müssen wir auch an die bereits bestehenden Ferienwohnungen heran, denn sonst würde das Gesetz absolut ins Leere laufen, und das kann es doch nicht sein.
Wir wollen den bis zu 18 000 Ferienwohnungen keinen Blankoscheck ausstellen, sondern sie eindämmen. Falls uns heute der Senat einmal positiv überraschen will, dann sind wir umso froher und uns sicher, dass wir eine gemeinsame Lösung finden.
Die Bezirksämter werden in einigen Fällen keine absolute Rechtssicherheit haben. Da wird es auf den individuellen Fall ankommen. Das ist ein Stück juristisches Neuland, aber wir wollen, dass die Bezirksämter einen Ermessensspielraum bekommen. Sie können vor Ort besser entscheiden, ob eine Zweckentfremdung genehmigt werden sollte oder nicht. Das ist auch verhältnismäßig. Vor allem verpflichtet uns der Artikel 28 Abs. 1 unserer Verfassung dazu, bezahlbaren Wohnraum gerade für Einkommensschwache zu erhalten und zu schaffen.
Noch einmal zur Klarstellung: Auch die Gewerbetreibenden und Freiberuflerinnen und Freiberufler werden in unserem Gesetz bedacht und vor einer Existenzgefährdung geschützt. Ebenso werden Betreuungseinrichtungen und Kitas in dem Gesetz besonders berücksichtigt. Damit ist klar: Die CDU führt hier eine Scheindebatte auf Kosten der Mieterinnen und Mieter.
Mit seiner Untätigkeit sorgt der Senat sogar dafür, dass der Druck auf die Mieterinnen und Mieter gerade noch einmal steigen wird, weil die Vermieter noch schnell Fakten schaffen wollen. Wer bislang über Ferienwohnungsvermietung nachgedacht hat, wird diesen Prozess jetzt beschleunigen.
Sie sind nicht uns Grünen verpflichtet, lieber Senat, aber den Mieterinnen und Mietern. Schluss mit der Blockade und her mit dem Gesetz! Nach dem Herbst der Entscheidungen wäre es spätestens jetzt Zeit für einen Frühling voller Taten. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Kollegin Schmidberger! – Für die Fraktion der SPD hat jetzt die Kollegin Spranger das Wort. – Bitte sehr!
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben das Thema in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit sehr eng begleitet. Fast jeder von Ihnen kennt jemanden, der in irgendeiner Form damit konfrontiert wurde, dass illegale Ferienwohnungen in Berlin existieren. Die Zahl lautet 12 000. Wir wissen nicht ganz genau, ob es nicht wesentlich mehr sind. Wir haben seit dem Neustart des Senats mit Michael Müller an der Spitze für diesen Bereich auf sehr vielen Feldern gemeinsam eine neue Mietenpolitik eingeleitet. Wir haben gesagt, dass wir genau deshalb auch ein Zweckentfremdungsverbotsgesetz und dann auch eine Verordnung erlassen müssen, um diesen illegalen Ferienwohnungen Herr zu werden. Insofern haben Sie völlig recht, Frau Schmidberger, wenn Sie fordern, den Wohnungsmarkt dadurch zu entlasten, dass die illegalen Ferienwohnungen in den Wohnungsmarkt zurückgeführt werden.
Wir haben das Beispiel Pankow. Ich habe mir das von Ihrem grünen Stadtrat gemeinsam mit dem Bezirksamt durchgelesen. Wir wissen nicht ganz genau, ob alle Maßnahmen rechtssicher sind oder ob in dem einen oder anderen Fall Rechtsstreit entstehen wird. Wir haben gesagt, dass die Bezirksämter agieren können. Deshalb wollen wir aber ein Gesetz, das sicherstellt, dass die Bezirksämter, wenn sie handeln, rechtlich abgesichert sind.
Nein, danke! – In der Koalition gibt es Kleinigkeiten, die wir noch miteinander verhandeln müssen. Sie haben große Teile in Ihrem Gesetz vorgestellt – wir werden das im Ausschuss miteinander besprechen –, die wir auch in unserem Gesetzentwurf drin haben. Auch wir sind der Meinung, dass wir eine Überprüfung des Bestands brauchen. Das ist völlig richtig. Diejenigen, die eine Ferienwohnung betreiben, müssen das noch einmal anmelden. Nur darüber bekommen wir einen tatsächlichen Überblick darüber, ob die Ferienwohnungen in bestimmten Gebieten bleiben sollen. Insofern haben wir uns die Zeit genommen, gemeinsam als Koalition ein Gesetz vorzulegen. Wir tun das heute noch nicht, was ich bedauere. Ich hätte es gerne heute schon vorgelegt.
Ich denke, bis Ende Februar, wenn wir es im Ausschuss behandeln, wird das Gesetz vorliegen. – Insofern haben wir einiges, was Sie gesagt haben, aufgegriffen. Ich glaube, wir sind uns fraktionsübergreifend einig, dass wir dieser Ferienwohnungen nur Herr werden, wenn wir das gemeinsam in einem Gesetz verabschieden. Ich würde mir wünschen, dass auch die Grünen – im Interesse ihrer Bezirksamtsmitglieder, die darüber entscheiden müssen – dem zustimmen können. – Ich bedanke mich!
Vielen Dank, Frau Kollegin Spranger! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt der Kollege Doering das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als erstes möchte ich Sie fragen, Herr Präsident, wo der Stadtentwicklungssenator ist. Den hätte ich gerne herbeizitiert.
Ich bitte, dafür zu sorgen, dass Herr Senator Müller zu uns stößt! Wir warten auf ihn, Herr Doering, damit ihm Ihre weisen Worte nicht entgehen.
Ich höre, er ist unterwegs. Bitte haben Sie noch einen Augenblick Geduld. Das Parlament hat das Recht, dass die Senatsbank entsprechend besetzt ist. Das ist keine Frage. – Herr Müller ist jetzt da. – Herr Doering, ich erteile Ihnen das Wort. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Senator Müller! Worüber reden wir heute? Worüber hätten wir reden sollen? – Wir reden über einen Antrag der Grünen, die ein Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum vorschlagen. Worüber wir nicht reden, ist ein entsprechender Antrag der Koalition oder eine entsprechende Vorlage des Senats. Noch in der letzten Wahlperiode hat das Abgeordnetenhaus beschlossen: Der Senat möge, insbesondere hinsichtlich der Ferienwohnungen, prüfen, wie die Zweckentfremdung von Wohnraum per Gesetz oder Verordnung verboten werden könnte. Bald jährt sich dieser Beschluss zum zweiten Mal.
Wir reden heute also nicht über den Referentenentwurf mit Stand vom 2. Juni 2012, aus dem einmal ein Gesetz oder eine Verordnung werden könnte. Wir reden heute nicht darüber, weil sich die Koalition in einer weiteren zentralen Frage der Wohnungspolitik nicht einig ist.
Der Senat hat uns am 27. November 2012 mitgeteilt, dass die Anhörungsphase zum Referentenentwurf eines Zweckentfremdungsverbotsgesetzes ausgesetzt worden ist, weil der Meinungsbildungs- und Abstimmungsprozess im Senat noch nicht abgeschlossen ist. Das ist nun auch schon wieder zwei Monate her. Alles andere können Sie der Presse entnehmen.
So verstreicht also kostbare Zeit – Zeit, die wir nicht haben. Jeden Tag werden Wohnungen von neuem zweckentfremdet. In der Innenstadt kann schon nahezu jede oder jeder erzählen, wo Ferienwohnungen sind oder wo gerade wieder welche entstanden sind. Viele Mieterinnen und Mieter sind bereits von Lärm und Anonymität in ihrem Wohnhaus betroffen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf.
Deshalb ist es zu begrüßen, dass die Grünen mit ihrem Gesetzentwurf die Initiative ergriffen haben, und ich möchte einige Anmerkungen zu diesem Entwurf machen, die wir natürlich auch in den Fachausschüssen vertiefen werden. Ich möchte einmal mit § 1 anfangen. Hier wird formuliert:
… sofern die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen gefährdet ist.
Es soll also ein Zustand eintreten, bevor das Gesetz greift. Genau daran sind aber in der Vergangenheit alle Bemü
hungen für ein Zweckentfremdungsverbot von Wohnraum gescheitert. Die zuständige Fachsenatorin konnte sich nicht dazu durchringen, festzustellen, dass wir in Berlin oder in Teilen Berlins einen angespannten Wohnungsmarkt haben, und ich meine, dass der jetzt zuständige Fachsenator diese Frage auch nur sehr zögerlich angeht. Hier ergibt sich dann schon die Frage, ob es richtig ist, dass wir uns wirklich darauf verlassen wollen, dass der Senat irgendwann diese offizielle Feststellung verkündet. Oder müssen sich die Mieterinnen und Mieter diese Feststellung erst vor Gericht erstreiten?
Ein weiterer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist die rückwirkende Wirkung des Gesetzes. Zwar ist es richtig, auch bereits umgewidmete, also zweckentfremdete Wohnungen zu erfassen, doch haben wir Bedenken, ob dies rechtlich tragfähig ist. Wir können uns vorstellen, dass es eine Übergangsfrist von maximal zwei Jahren geben sollte. Alle Zweckentfremdung in der Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes wäre dann Zweckentfremdung im Sinne dieses Gesetzes. Die Nutzer oder Eigentümer müssten nach Ablauf der Frist einen Antrag auf Genehmigung der Zweckentfremdung stellen, der geprüft würde. So entstünde nach unserer Auffassung eine rechtssichere Regelung mit einer angemessenen Übergangsfrist, auf die sich Eigentümer und Nutzer einstellen können.
Ein weiterer Punkt ist der Ausgleich, mit dem der Vermieter ein Verbot der Zweckentfremdung abwenden oder umgehen kann – Stichwort hier: Ersatzwohnraum. Wir wollen nicht, dass sich der Eigentümer oder Nutzer aus dem Gesetz herausstehlen kann, indem er irgendwo Ersatzwohnraum anbietet. Was heißt in diesem Zusammenhang: Ersatzwohnraum schaffen? Ist Neubau gemeint, oder ist gemeint, dass eine freie Wohnung nur belegt wird, weil an anderer Stelle eine Ferienwohnung entsteht? – Wir wollen keine Regelung, die die Zweckentfremdung von Wohnraum nur genehmigt, weil es an anderen Orten Ersatzwohnraum gibt, denn dieser Wohnraum wird bereits nachgefragt.
Das ist also genug Stoff für die Beratung in den Fachausschüssen, die jetzt durch den Gesetzesvorschlag der Grünen möglich wird, wozu die Koalition bisher nicht in der Lage war. – Schönen Dank!
Vielen Dank auch, Herr Kollege Doering! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Brauner das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalition ist auf einem guten Weg in die richtige Richtung.