Protokoll der Sitzung vom 21.03.2013

Vielen Dank!

Wir kommen jetzt zu Frage Nr. 2 des Kollegen Wansner von der CDU-Fraktion zu

Sind Ehrenamtliche in religiösen Einrichtungen der Bezirksmedaille von Friedrichshain-Kreuzberg nicht mehr würdig?

[Dirk Behrendt (GRÜNE): Themen, die die Stadt bewegen!]

Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident! – Ich frage den Senat:

1. Ist dem Senat bekannt, dass durch den Beschluss der BVV Friedrichshain-Kreuzberg Drucksache DS/0554/IV „Geschäftsordnung für die Auslobung und Verleihung der Bezirksmedaille von Friedrichshain-Kreuzberg in der IV. Wahlperiode“ am 27. Februar 2013 der „Gesellschaftsbereich Religion“ von der Auslobung ausgenommen wurde und somit Ehrenamtliche in religiösen Einrichtungen von der Verleihung der Bezirksmedaille ausgeschlossen werden sollen?

2. Wie bewertet der Senat das Signal, das von dieser Entscheidung ausgeht, und die dadurch zu erwartenden Auswirkungen auf die Bereitschaft, sich in Berlin oder in Friedrichshain-Kreuzberg ehrenamtlich zu engagieren?

Für die Beantwortung erhält Herr Staatssekretär Schmitz das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Wansner! Uns ist nicht bekannt, aus welchen Gründen aus dem ursprünglichen Entwurf dieser Geschäftsordnung für die Auslobung und Verleihung der Bezirksmedaille von Friedrichshain-Kreuzberg der Gesellschaftsbereich Religion ausgenommen worden ist, allerdings: Nach Auffassung des Senats lässt sich trotz dieser Maßnahme aus dem Text nicht ableiten, dass eine herausragende ehrenamtliche Leistung für das Gemeinwohl durch ein Mitglied z. B. einer der beiden großen Kirchen oder weiterer Religionsgemeinschaften im Bezirk von der Anerkennung durch die Verleihung der Bezirksmedaille ausdrücklich ausgeschlossen werden soll.

Sie wissen, dass der Senat gerade der Anerkennungskultur ein hohes Gut beimisst. Die Leistung der Ehrenamtlichen aus Kirchen und Religionsgemeinschaften, in der Diakonie und der Caritas, von muslimischen und jüdischen Gemeinschaften für die Stadt Berlin ist ein hohes Gut, für das der Berliner Senat ausdrücklich dankbar ist.

(Staatssekretär André Schmitz)

Diese Beiträge sind auch substanziell: Allein im Bereich der Evangelischen Landeskirche in Berlin engagieren sich 44 000 Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserer Stadt ehrenamtlich. Allein diese Zahl beweist schon, welch hohes Gut dieses ehrenamtliche Engagement für unsere Stadt darstellt. Aus diesem Grund bemüht sich der Senat auch seit vielen Jahren, bürgerschaftliches Engagement in allen gesellschaftlichen Bereichen in unserer Stadt zu fördern und anzuerkennen. Aus diesem Grund, das wissen Sie vielleicht, gibt es verschiedene Formen der Auszeichnungen – eine Ehrenamtskarte, den Freiwilligenpass –, um gerade dieses Engagement zu würdigen.

Ich denke, uns allen, die in diesem Gemeinwesen tätig sind, ist es ein Anliegen, auch gerade und besonders die großen Leistungen der in den religiösen Einrichtungen Tätigen für unsere Gesellschaft zu würdigen. Und ich bin auch sicher, dass der angesprochene Bezirk dieses weiß.

Vielen Dank! – Herr Kollege Wansner! Wünschen Sie eine Nachfrage? – Dann bekommen Sie das Wort.

Ja! – Aber noch mal, Herr Staatssekretär: Können Sie die Enttäuschung der vielen Menschen, gerade in Friedrichshain-Kreuzberg, die in religiösen Einrichtungen eine enorme ehrenamtliche Tätigkeit durchführen, für die wir ihnen eigentlich dankbar sein müssen, verstehen, dass ein Bezirk oder ein Teil des Bezirksamts ihr Engagement nicht so anerkennt und möglicherweise sie dann diese Tätigkeit eben nicht mehr mit der gleichen Begeisterung weiterhin durchführen werden?

Herr Staatssekretär Schmitz!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Herr Wansner! Ich bin der festen Überzeugung, dass die demokratischen Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung dieses genauso sehen werden wie wir beide und dass auch weiterhin natürlich die in den Religionsgemeinschaften ehrenamtlich Tätigen mit der Verdienstmedaille des Bezirks ausgezeichnet werden können. Eine andere Vorgehensweise kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Unabhängig davon wissen wir beide natürlich aber auch, dass die Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, dies in erster Linie nicht wegen der Medaille tun, sondern weil sie für die Sache brennen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Da, denke ich, sollten sie auch unsere Unterstützung von allen Seiten bekommen.

Für die zweite Nachfrage hat Frau Kollegin BurkertEulitz das Wort. – Bitte schön!

Herr Staatssekretär! Die von der derzeitigen Vorsteherin der Grünen und dem stellvertretenden Vorsteher der SPD in Friedrichshain-Kreuzberg eingebrachte Formulierung lautet: Geehrt wird ein gemeinwohlorientiertes und aktiv gestaltendes ehrenamtliches Engagement, das durch Einsatz und Kreativität Dinge möglich macht, die den Bürgerinnen und Bürgern des Bezirks zugute kommen und eine Bereicherung und Verbesserung für das Leben miteinander in Friedrichshain-Kreuzberg darstellen. Die da zu ehrende Personengruppe, Initiative soll sich durch ein herausragendes Engagement über einen längeren Zeitraum in Gesellschaftsbereichen wie z. B. Jugend und Familie, Kultur, Soziales, Sport, Umweltentwicklung, Innovation, Wirtschaft und friedliches Miteinander verdient gemacht haben. Glauben Sie, dass dann Menschen mit einem religiösen Hintergrund bei dieser Formulierung von Ehrungen des Bezirks ausgeschlossen sind?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Herr Staatssekretär Schmitz!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Das glaube ich eben nicht. Ich hoffe sehr, dass der Bezirk hier natürlich die, die in den Religionsgemeinschaften tätig sind, genauso mit der Verdienstmedaille des Bezirks auszeichnet. Es bleibt allerdings verwunderlich, warum in der ursprünglichen Fassung das Wort „Religion“ ausdrücklich drinstand und anschließend offensichtlich gestrichen worden ist. Das bleibt schon in der Tat nachfragenswürdig.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Wir kommen zur Mündlichen Anfrage Nr. 3 des Kollegen Thomas Birk von den Grünen zum Thema

Wird Berlin der Öffnung der Ehe für Lesben und Schwule im Bundesrat zustimmen?

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wird das Land Berlin im Bundesrat am 22. März bei der Sofortabstimmung dem Entwurf des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts zustimmen?

2. Wenn nein, wie verträgt sich das mit dem Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU, in dem es heißt: „Wir werden konsequent die rechtliche Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bi- und Intersexuellen und transsexuellen Menschen vorantreiben“?

[Canan Bayram (GRÜNE): Hintertreiben!]

Vielen Dank! – Es antwortet Frau Staatssekretärin Loth. – Bitte schön!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Birk! Gerne beantworte ich Ihre Fragen: Das Land Berlin tritt für eine Politik der konsequenten Gleichstellung von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen ein. So legen es die Richtlinien der Regierungspolitik des Senats fest. Gerade daher hat auch das Land Berlin kürzlich, nämlich am 1. März, in einer Sofortentscheidung im Bundesrat mit einem klaren Ja für den Antrag zur Gleichstellung im Einkommensteuerrecht gestimmt.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Und das ist die richtige Richtung. Das zeigen uns aktuelle Umfragen. Sie machen deutlich, dass unsere Gesellschaft für die Öffnung der Ehe reif ist. Gerade auch aus fachlicher, das heißt antidiskriminierungspolitischer Sicht, ist die Eheöffnung der nächste konsequente und auch notwendige Schritt hin zu einer völligen rechtlichen Gleichstellung. Und dafür sprechen drei Gründe.

Gerade die aktuelle Tendenz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt vermuten, dass es ein Gesetz zur Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht stoppen würde, aber sicher ist das natürlich nicht. Vieles spricht dafür. Die bisherigen Entscheidungen zur Gleichstellung von Lebenspartnerschaften und zum Transsexuellenrecht machen deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht in der Auslegung sowohl des Ehe- als auch des Familienverständnisses an den sozialen Wandel anknüpft.

Für die Öffnung der Ehe spricht aber auch, dass seit dem Inkrafttreten des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaften deutlich geworden ist, dass das Zusammenle

ben von lesbischen und schwulen Paaren sehr wohl auf Dauer angelegt ist und gegenseitige Fürsorge und Einstandspflichten begründet. Gerade diese so wichtigen, ja wichtigsten Voraussetzungen für eine Ehe sind also gegeben.

Und letztlich hat sich auch in der Gesellschaft ein grundlegender Wandel des traditionellen Ehe- und Familienverständnisses vollzogen. Das zeigen nicht nur die jüngsten Umfragen, sondern vor allem die deutliche Steigerung der sogenannten Regenbogenfamilien, also gleichgeschlechtlicher Paare mit Kindern und anderen Familienformen. In der Bevölkerung wird heute überwiegend nicht mehr zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft unterschieden. Man kann sagen, die Gesellschaft lebt bereits die Öffnung der Ehe.

Die Frage, wie sich das Land Berlin zum Bundesratsantrag der Länder Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zur Öffnung der Ehe verhalten wird, wurde im Senat sehr ernsthaft und aus unterschiedlichsten Blickwinkeln erörtert.

[Andreas Otto (GRÜNE): Immerhin!]

In einem solchen Fall sich gegenüberstehender Argumentationslinien sind aber die Regeln zwischen den Koalitionspartnern klar. Berlin wird sich bei der Abstimmung im Bundesrat enthalten.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das ist skandalös!]

Herr Kollege Birk! Haben Sie eine Nachfrage? – Bitte schön! Dann haben Sie das Wort.

Selbstverständlich! – Frau Loth! Mir kommt irgendwie das Motto des diesjährigen CSD vor Augen: Schluss mit Sonntagsreden!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Ich frage Sie vor dem Hintergrund, dass Herr Saleh hier mal behauptet hat, mit der CDU könne man so wunderbar sozialdemokratische Politik machen, die Koalition sich aber im Bundesrat beim Mindestlohn, beim Mietrecht, beim Betreuungsgeld und nun auch bei der Öffnung der Ehe enthält, ob das die sozialdemokratische Politik ist, auf die sich die Menschen und insbesondere Lesben und Schwule einstellen müssen, wenn es am 22. September nur für eine große Koalition reicht.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Peinlich ist das!]

Frau Staatssekretärin!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Birk! Ich hatte ja eben schon dargestellt, dass sich der Senat sehr wohl konsequent für die Gleichstellung einsetzt. Das steht in den Richtlinien der Regierungspolitik, wie ich das ausgeführt hatte.