Protokoll der Sitzung vom 13.06.2013

[Heiterkeit und Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Herr Oberg! Ich sehe Sie häufig mit Ihrem Kind hier im Abgeordnetenhaus. Ich hoffe, dass das zu Hause nicht so etwas zu hören bekommt, dass dort eine etwas deutlichere Sprache stattfindet. Hej, mach mal, geht natürlich auch.

Um auf das Thema zurückzukommen, auf dieses Gesetz: Wofür ist es da? – Interessant war es ja, von einem Sprecher der Polizei zu erfahren, dass die Hubschrauberpiloten eine HD-Kamera haben. Sie selbst sehen das Bild in HD. Es kommt aber bei der Polizei in SD an, und das bedeutet: Die Hubschrauberpiloten wissen gar nicht, wie weit sie herunter oder hoch dürfen, weil es bei ihnen

anders aussieht als beim Polizeipräsidenten, und die Polizei erkennt am Ende auf den Bildern gar nichts. Wir können uns im Rahmen der Beratungen über den Innenhaushalt auch darüber unterhalten, was wir tatsächlich an Verbesserungen machen können, damit die Berliner Polizei in der Lage ist, solche Lagen zu bewältigen. Aber diese Übersichtsaufnahmen – und da sind wir und der Landesverband Berlin der SPD; leider nicht die Fraktion der SPD Berlin, uns einig – sind dafür nicht geeignet, und da muss man – um eine schöne CDU-Argumentation zu benutzen – doch einmal ohne Tabus und ergebnisoffen darüber diskutieren können, dass ein solches Gesetz vier Wochen, nachdem es eingeführt worden ist, auch wieder abgeschafft wird.

[Beifall bei den PIRATEN]

Wir können uns vielleicht auch darauf verständigen, dass wir es zum 1. Mai beschließen und danach wieder wegmachen. Wir sind da verhandlungsbereit.

Dieses Gesetz braucht eigentlich keiner. Da sind wir uns einig. Wir als Oppositionsfraktion sind ja auch ein bisschen klamm. Wenn wir es jetzt noch durchbekämen, dieses Gesetz wieder wegzumachen, müssten wir nicht vor dem Verfassungsgericht dagegen klagen, und dann freut sich der Rechnungshof, dass da Geld gespart worden ist. Es wäre auch einmal eine interessante Kategorie, dass doofe Gesetze, die die Koalition beschließt und die Opposition wieder wegklagen muss, den Haushalt in einem Maße belasten, wo ich sage: Das verstehen die Leute da draußen nicht. Sie erwarten vernünftige Politik, und das ist dieses Gesetz nicht. – Ich bedanke mich ganz herzlich für die Aufmerksamkeit und wünsche noch einen schönen Tag!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Lauer! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Dr. Juhnke das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag der Opposition hat zwei Aspekte: Der erste ist politisch-taktisch, um die SPD zu prüfen und herauszufordern – aber vielleicht ist sie ja auch durch den Parteitag herausgefordert. Ich werde mich dazu gar nicht äußern. Nur ein Satz: In der Frage ist es klar, dass wir eine Regelung im Koalitionsvertrag haben, der auch von einem SPD-Parteitag abgesegnet wurde. Deshalb ist es nicht richtig, wenn Sie sagen, die Basis hätte da gar kein Mitspracherecht gehabt. Deswegen müssen Sie einmal Ihre Argumente prüfen. – Das soll es von meiner Seite zu dieser Frage gewesen sein.

(Christopher Lauer)

Zum Inhaltlichen: Da gibt es nichts Neues. Wir haben hier diese Frage sehr ausführlich und lange diskutiert, und wenn es überhaupt Neuigkeiten zu diesem Thema gibt, dann ist es die, dass sich dieses Gesetz beim Einsatz am 1. Mai bewährt hat und sich die Befürchtungen, die manche geäußert haben, als Panikmache erwiesen haben. Die Übersichtsaufnahmen haben weder zu einer Eskalation geführt – wir alle erinnern uns: Wir hatten eine weitgehend friedliche Revolutionäre-1.-Mai-Demo im Vergleich zu den Vorjahren, und sie ist erstmalig auch bis zum Endpunkt durchgeführt worden. Ich glaube, das spricht nicht für eine eskalierende Wirkung –, noch fühlten sich die Teilnehmer abgeschreckt. Auch das war ja immer wieder in der Diskussion. Die Anzahl der Teilnehmer war außerordentlich hoch, so dass sich auch dieses Argument nicht als besonders stichhaltig erwiesen hat.

Wir haben auch einen sehr maßvollen Einsatz dieser Übersichtsaufnahmen erlebt. Es gab eine relativ klare Trennung: Die Übersichtsaufnahmen wurden aus der Luft durch den Hubschrauber ausgeführt, und zwar nicht permanent, sondern wirklich nur dann, wenn es die Einsatzlage erfordert hat. Davon konnten wir uns ein Bild machen, als wir im Lagezentrum der Polizei waren und keine Bilder gezeigt werden konnten, weil es zu diesem Zeitpunkt gar keine Übersichtsaufnahmen gab. Wenn es Aufnahmen nach § 12a Versammlungsgesetz gab, dann wurde sie durch den Kamerawagen gemacht. Es gab dort also eine klare Trennung.

Ich möchte aber noch ein Wort zu der aus meiner Sicht sehr impertinenten Überschrift des Antrags verlieren: Es kann keine Rede davon sein, dass das Versammlungsrecht abgeschafft worden wäre. Es ist völlig lächerlich und auch vermessen, wenn jetzt die Rede davon ist, wir müssten das Versammlungsrecht wiederherstellen. Wer solche Formulierungen wählt, hat keine Ahnung davon, was es heißt, kein Versammlungsrecht zu besitzen. Dabei würde schon der regelmäßige Blick in die Tagesschau reichen, um zu ermessen, was das bedeutet. Bei Herrn Taş hat es nicht genutzt. Er sieht die Tagesschau, hat aber nichts daraus gelernt.

[Beifall bei der CDU – Zuruf von Hakan Taş (LINKE)]

Wenn Sie sich draußen in der Lobby die Ausstellung über den 17. Juni 1953 oder über DDR-Geschichte allgemein angucken oder gestern die Veranstaltung hier im Saal erlebt haben – wo, wie ich sagen muss, nur ein mäßiger Zuspruch durch die Kollegenschaft war – vielleicht liegt es auch daran, dass man solche Überschriften wählt. Wer aus der Geschichte einige Lehren zieht und dennoch an der Behauptung festhält, mit dieser Maßnahme hätten wir das Versammlungsrecht abgeschafft, der ist entweder dumm oder dreist, wahrscheinlich sogar beides. Das ist etwas, gegen das ich mich wehren muss.

Was passiert ist, ist in der Tat eine Einschränkung des Versammlungsrechts. Darüber haben wir gesprochen.

Das ist aber auch in einem Verfassungsstaat möglich, nach den Maßgaben der Verfassung denkbar und verfassungsrechtlich zulässig. Wir haben das maßvoll getan. Das ist hier sehr sorgfältig diskutiert und abgewogen und verantwortungsvoll umgesetzt worden. Davon konnte sich jeder, der wirklich daran interessiert war – und das war nach der Verabschiedung des Gesetzes übrigens kaum noch jemand, auch von der Presse nicht –, überzeugen. Ich sehe weder eine Notwendigkeit noch einen Spielraum, das Gesetz, das wir gerade beschlossen haben, wieder zu kassieren, weil es sich bewährt hat. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke, Herr Dr. Juhnke! Für die Grünen-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Lux das Wort. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Juhnke! Wir haben aus der Geschichte gelernt, und das heißt, wir wehren den Anfängen. Wir wehren uns dagegen, dass das Recht, sich friedlich zu versammeln, ausgehöhlt wird. Und wir haben auch sehr genau zugehört, als Ihr Kollege Wansner, aber auch der Kollege Dregger Hasstiraden gegen die Flüchtlinge auf dem Oranienplatz losgelassen haben. Man kann sich schon vorstellen, dass es durchaus ähnlich aussehen könnte wie in Istanbul, wenn die tatsächlich das Sagen hätten und alle Mittel zur Verfügung hätten, die sie dazu zur Verfügung haben wollen.

[Dr. Robbin Juhnke (CDU): Machen Sie sich nicht lächerlich!]

Sie sind die Feinde von friedlichen Versammlungen in dieser Stadt, und das müssen Sie sich auch vorhalten lassen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wir machen hier keine Lobbyarbeit für eine vernünftige Mehrheit auf dem SPD-Parteitag. Diese Menschen tun uns eher leid, weil sie sich auch schon bei der A 100 und bei einer vernünftigen Mietenpolitik nicht durchsetzen konnten und weil ihre Spitze sie immer wieder ignoriert. Das ist angewandtes Spaltungsirresein einer völlig orientierungslosen Partei, bei der man eigentlich nur voller Hochachtung sagen kann, dass da noch Menschen Mitglieder sind und sich an der Basis engagieren. Aber ich weiß nicht, wie lange man es sich gefallen lassen kann, dass die eigene Meinung dort überhaupt nicht zählt.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

(Dr. Robbin Juhnke)

Wir, die Oppositionsfraktionen, machen Lobbyarbeit für Menschen, die friedlich demonstrieren. Gerade in Berlin, der Hauptstadt der Versammlungen, sind das jährlich über 1 000, und wir wehren uns dagegen, dass friedliche Demonstrationen auch nur von Übersichtsaufnahmen beeinträchtigt werden können, denn diese Übersichtsaufnahmen – ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – schrecken Menschen davor ab, auf Demonstrationen zu gehen, denn sie wissen nicht, ob sie gerade aufgenommen werden und ob ihre Daten mit anderen Bildern ausgetauscht werden. Sie wissen es schlicht nicht.

Ich sage Ihnen auch eines: Wir als Grüne – und ich glaube, da kann ich auch für die ganze Opposition sprechen – wollen keine Hubschrauber über Demonstrationen. Wir wollen keine Übersichtskameras auf Dächern an den Seitenstrecken der Demonstration. Wir wollen auch keinen Kamerawagen, der auf friedliche Demonstrationen gerichtet ist. Wir sind prinzipiell dagegen, dass Menschen, die sich in dieser Stadt friedlich versammeln, von Ihnen bevormundet werden, nur weil Sie meinen, da könnte es irgendwelche Verkehrsbeeinträchtigungen geben.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Sie legen damit auch die Axt an rechtsstaatliche Selbstverständlichkeiten an, nämlich dass der Staat dann eingreift, wenn tatsächlich Anhaltspunkte für Gefahren bestehen – das sogenannte Gefahrenabwehrrecht. Für die vielen Juristen in der CDU-Fraktion sollte das ja nun auch ein Begriff sein. Wir wollen nicht an unbestimmte Rechtsbegriffe angeknüpft wird. Wir wollen, dass die Polizei dann, wenn es tatsächliche Gefahren gibt, die Möglichkeit hat, einzuschreiten.

Aber man sieht an den Reden hier die klare Haltung: Die CDU-Fraktion und auch die SPD – in diesem Fall mehr als ihr Bettvorleger – machen Politik, um vermeintlich bei der Polizei Punkte zu sammeln, denn dieses Gesetz dient allein dazu, dass der Polizeipräsident in seinem Showroom sehen kann, wohin sich die Menschenmassen bewegen. Eigentlich wie in einem War-Room! Er will gar nicht konkret wissen, wo eine Gefahr vor Ort ist, sondern er will das von oben lenken können. Die Personen aber, die unten friedlich demonstrieren, wissen nicht, was mit den Bildern passiert. Allein diesen Zweck erfüllt das Gesetz, und das ist die anheischende Politik von SPD und CDU.

Aber ich sage Ihnen, dass Sie damit der Berliner Polizei keinen Gefallen tun, denn diese Polizei macht Dienst am Menschen – genauso wie die Opposition. Wir vertreten die Interessen der Menschen in der Stadt, die sich friedlich versammeln. Sie bauen einen Popanz auf, um Handlungsfähigkeit zu beweisen. Das kann ich auch verstehen, denn die Kriminalität in der Stadt bekommen Ihr Innensenator und diese völlig unfähige Koalition auch so nicht

in den Griff. Da müssen Sie einen Popanz auf einer anderen Seite aufbauen, um so etwas wie Rechtsaußen-Lawand-Order-Handlungsfähigkeit zu beweisen. Nichts anderes soll das hier bezwecken. Dass die SPD das mitmacht, ist ein Trauerspiel.

Parteien haben auch die Pflicht zur politischen Meinungsbildung, und deswegen ist es auch völlig korrekt, dass Kollege Lauer das angesprochen hat, wie orientierungslos die SPD sich dort hineinbegibt. Schade, schade, kann man nur sagen, dass Sie diese Politik machen, zulasten einer weltoffenen Stadt und zulasten von Bürgerinnen und Bürgern, die sich friedlich versammeln wollen. Dass das noch die Partei ist, die für die stolze Tradition von Lassalle und Bebel, viele Versammlungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und soziale Bewegungen stehen könnte, davon haben Sie sich längst verabschiedet, liebe SPD. Die Hoffnung, dass Sie unserem Gesetz zustimmen, ist in der Tat gering.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Herr Kollege Lenz. – Bitte sehr!

[Benedikt Lux (GRÜNE): Der liberale Flügel!]

Ich wollte ja eigentlich nichts sagen.

[Alexander Spies (PIRATEN): Nur vorne stehen! – Weitere Zurufe von den PIRATEN]

Aber jetzt hat es mich dann doch gejuckt. Ich wollte der Opposition raten: Sparen Sie sich Ihre Dramatisierungen für die Stellen, an denen es geeignet ist!

Einfach zur Klarstellung: Wir sind hier wirklich am absolut unteren Ende der Eingriffsintensität. Vor fünf Jahren wäre kein Mensch auf die Idee gekommen, zu sagen, hier sei ein Eingriff in Artikel 8 gegeben. Niemand wäre darauf gekommen. Jetzt haben die Gerichte das so entschieden – durchaus aus nachvollziehbaren Gründen –,

[Beifall von Benedikt Lux (GRÜNE)]

und deswegen brauchen wir eine Rechtsgrundlage. Mehr ist das nicht. Aber es ist überhaupt nicht geeignet, hier diese Dramatik hineinzubringen.

[Beifall bei der CDU]

Ich habe mir das vor Ort angeguckt und habe gesehen, was die Polizei mit diesen Aufnahmen machen kann und warum sie die braucht. Ich habe mir das erklären lassen, und das muss man sich erklären lassen, wenn man nicht tagtäglich mit dem Einsatz von Polizeikräften befasst ist.

(Benedikt Lux)

Eine vernünftige Kräftesteuerung ist an solchen Einsatzlagen wie dem 1. Mai ohne diese Aufnahmen nicht möglich.

Eine vernünftige Kräftesteuerung ist doch auch im Sinne der Demonstranten. Das müssen Sie auch mal sehen. Es ist im Sinne der Demonstranten, dass sie geschützt werden und ordnungsgemäß und sicher demonstrieren können. Das ist auch eine Facette der Versammlungsfreiheit. Das müssen Sie alles in den Blick nehmen. Und noch mal: Schimpfen Sie an anderer Stelle, aber hier nicht! Das ist einfach sachfremd. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Herr Lux, möchten Sie replizieren? – Bitte sehr!