Die besondere Qualität und Anziehungskraft des Berliner Einzelhandels liegt ganz woanders. Es ist die einmalige Vielfalt der kleinen und großen Geschäftsstraßen, die Berlin bietet: Ku’damm und Friedrichstraße, Rosenthaler Platz und Kastanienallee, Wrangelkiez und Klausenerplatz. Die meisten, ob groß oder klein, bieten eine bunte Palette an lokalem Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistungen und Kultur. Diese Vielfalt gilt es zu fördern. Dazu bringen wir heute ein Gesetz zur Schaffung von Partnerschaften in Geschäftsstraßen ein.
Drei typische Schwierigkeiten haben die bestehenden Geschäftsstraßen-Inis: mangelnde Verbindlichkeit, keine oder schlechte finanzielle Planbarkeit – die reicht gerade mal bis zum nächsten Straßenfest – und das wohl bekannte Trittbrettfahrertum. Wir wollen mit unserem Gesetzentwurf Geschäftsstraßen ein Instrument in die Hand geben, das für mehr Chancengleichheit sorgt und das ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den per se besser organisierten Centern deutlich steigern wird.
Dieses Gesetz – ich möchte betonen, auch und ganz besonders in Richtung der Berliner IHK, dass es sich hierbei um ein Kann-Gesetz handelt; es muss keiner nutzen, sie können es nutzen. Hier wird ein Instrument in die Hand gegeben. – bietet Engagierten die Möglichkeit, ihr partnerschaftliches Handeln endlich auf eine breitere Basis zu stellen. Nach der Einrichtung eines sogenannten Innovationsbereichs kann eine Planung über die nächste Weihnachtsbeleuchtung hinaus geschehen, und alle, die von den Maßnahmen profitieren, sollen sich jetzt auch finanziell beteiligen. Das sage ich auch mit Bezug auf die internationalen Ketten bzw. international agierende Finanzinvestoren, denen Teile der Grundstücke gehören. Sie beteiligen sich in der Regel nicht an den lokalen Aktivitäten. Sie profitieren am meisten vom Tourismus, vom boomenden Handel in Berlin, aber geben nichts zurück. Es sind stets die lokalen, meist kleineren Betriebe, die die größte Last übernehmen – finanziell und personell. Das wollen wir mit unserem Gesetz ändern.
Diese Idee zur Einrichtung von Innovationsbereichen, sogenannten BID – Business Improvement Districts – ist ja nicht neu. Ursprünglich in den USA erfunden, gibt es jetzt in sechs weiteren Bundesländern Deutschlands ein solches Gesetz. Auch in Berlin wurde bereits 2005 ein Gesetzentwurf diskutiert, den damals die CDU als Oppositionsfraktion hier einbrachte. Gescheitert ist dieser an der damaligen rot-roten Landesregierung.
Man könnte sagen, wenn es das jetzt schon überall gibt, dann übernehmt doch einfach erprobte Gesetze aus Hamburg oder Bremen. Aber wir denken, Berlin ist nicht Hamburg, und Berlin ist auch nicht Bremen. Berlin verfügt nur an wenigen Stellen über reine Einzelhandelsstraßen. Da gibt es doch höchstens Tauentzien und Friedrichstraße, die als reine Einkaufsstraßen dienen, aber in den
meisten Fällen sprechen wir von Mischgebieten mit einem hohen Wohnanteil. Daher wollen wir keine Maßnahmen fördern, die an den Bürgern vorbeigehen. Das ist für uns nicht einfach nur eine lästige Pflichtaufgabe. Es ist hingegen Notwendigkeit und auch Bereicherung, von vornherein die Anwohnerinnen und Anwohner angemessen in die Planung einzubinden.
Sie werden in unserem Entwurf auch einen Passus finden, der die Zweckbindung eines Teils der zu verplanenden Gelder beinhaltet – ebenfalls ein Novum. 20 Prozent der Gelder sollen für Klima- und Umweltschutzmaßnahmen verwendet werden – ein Anteil, der aus unserer Sicht und auch aus Sicht vieler Geschäftsleute, mit denen wir gesprochen haben, durchaus machbar ist. Und nicht nur leidenschaftslos machbar: Es ist notwendig, Klima- und Umweltschutz in einer breiten Gesellschaft zu verankern. Nur so können wichtige Klimaschutzziele erreicht werden, und nur so können wir Berlin zur Hauptstadt der Green Economy machen.
Wie heißt noch mal der Titel unseres Gesetzentwurfs? – Schaffung von Partnerschaften in Geschäftsstraßen. Dieses partnerschaftliche Handeln wünsche ich mir auch von Ihnen, mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere der Koalitionsfraktionen, bei der Behandlung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen. Ich biete Ihnen an: Nutzen Sie unsere Vorlage! Diese ist bereits mit einer breiten Basis diskutiert, mit großen wie kleinen Geschäftsstraßen-Inis, mit Eigentümervertretungen, mit Akteuren aus den Bezirken und erfahrenen BIDGründern anderer Städte. Sie schreiben es in Ihrem Koalitionsvertrag: Sie wollen ein BID-Gesetz prüfen. Dann machen Sie es! Hier liegt es! – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grünen legen hier den Entwurf für ein Gesetz vor, das den etwas sperrigen Titel „Gesetz zur Schaffung von Partnerschaften in Geschäftsstraßen durch Innovationsbereiche“ trägt und zur Sicherung bzw. Aufwertung von Geschäftsstraßen betragen soll. Wir können hier also schon mal zu Protokoll nehmen: Die Grünen haben unseren Koalitionsvertrag gründlich gelesen. Das freut uns. Den Eifer, mit dem die Grünen hier also vorpreschen und quasi im vorauseilenden Gehorsam die Umsetzung einer Koalitionsidee fordern, das verdient Respekt.
Im Unterschied zu den Grünen haben wir uns allerdings im Koalitionsvertrag zunächst auf die Prüfung eines BIDGesetzes verständigt. Bei uns heißen sie also BIDs – Business Improvement Districts –, da sie im angelsächsischen Sprachraum schon länger erfolgreich praktiziert werden. Bei den Grünen sind es Innovationsbereiche. Das ist aber letztendlich egal, wenn wir dieselbe Sache meinen. Sie wollen das Ganze aber sofort einrichten, wir zunächst prüfen.
Sie wissen ja selbst, dass das Vorhaben juristisch komplex ist. Hiermit würde schließlich in die Eigentumsrechte der Betroffenen eingegriffen, in deren negative Vereinigungsfreiheit, und nach Lesart einiger Juristen liegt auch ein Eingriff bzw. Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes vor. Ich will hier gar nicht in diese rechtliche Diskussion einsteigen. Da werden uns bei der Beratung in den Ausschüssen sicherlich die Senatsverwaltungen mit ihrem juristischen Sachverstand weiterhelfen.
Immerhin hat das OVG Hamburg in einem entsprechenden Beschluss schon einmal festgestellt, dass zumindest das Hamburger Pendant Ihres Gesetzentwurfes in Ordnung ist. Da wir aber, genauso wie Sie es auch gerade sagten, nicht einfach nur eine Abschrift des Hamburger oder Bremer Gesetzes wollen, sondern ein eigenes Berliner Gesetz, müssen wir zunächst genau prüfen. Es geht darum zu erörtern, wie wir Berliner Spezifika in ein Gesetz einbetten können und wie wir das verfassungskonform ausgestalten.
Einige Punkte in Ihrem Entwurf erscheinen mir allerdings schon nach erster Durchsicht wenig durchdacht. Sie fordern beispielsweise – und das ist gegenüber Bremen und Hamburg neu –, 20 Prozent der eingenommenen Mittel für Klima- und/oder Umweltschutzmaßnahmen zu verwenden. So schön und gut das auch ist: Wir dürfen die Praktikabilität des Ganzen nicht aus den Augen verlieren. Primäres Ziel eines BIDs muss die Maßnahme zur Verbesserung der Struktur einer Geschäftsstraße sein, die von den potenziellen Initiatoren vorangetrieben wird. Wenn wir da zuviel draufsatteln, wird das BID-Gesetz ins Leere laufen. Ein Geschäftsstraßengesetz, bei dem sich die Geschäftsleute und Immobilieneigentümer ein Engagement nicht mehr erlauben können oder wollen, wäre das Dümmste, was wir hier verabschieden könnten. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass Sie über diesen Punkt nicht all zuviel nachgedacht haben,
sondern ihn eher aus einem grünen Reflex heraus in diese Vorlage gepackt haben, um das Ganze noch ein bisschen nach Ihrer Handschrift aussehen zu lassen.
Förderung des Rad- und Fußverkehrs“ – und zwar über das öffentliche Handeln hinaus? Ich stelle mir das gerade einmal in der großen Einkaufstraße meines Wahlkreises, der Wilmersdorfer Straße, vor. In dieser Fußgängerzone haben wir genug Fahrradabstellmöglichkeiten, und das Straßenpflaster ist in hervorragendem Zustand, viele Besucherinnen und Besucher reisen ohnehin aus den nahen Wohngegenden zu Fuß oder mit dem Rad an, und etliche, die nicht aus dem nahen Umfeld kommen, nutzen die S-Bahn oder die direkt unter der Straße verlaufende U 7. Jetzt erklären Sie doch einmal den dort ansässigen Händlern, dass sie 20 Prozent ihrer gezahlten Gelder für eine bessere Fuß- oder Radverkehrsförderung ausgeben müssen. Die tippen sich doch an die Stirn – zu Recht.
Selbst wenn es nötig wäre, weshalb wollen Sie eigentlich nur den Rad- und Fußverkehr fördern und nicht den ÖPNV?
Des Weiteren stellt sich die Frage, was alles noch unter Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen fällt. Mir jedenfalls ist eine ordentliche Grenze aus dem von Ihnen vorgelegten Gesetz nicht ersichtlich. Ich bin auch der Auffassung, dass Ziele der Energieeffizienz nicht von einem BID abhängig gemacht werden dürfen, sondern eigener gesetzlicher Maßnahmen bedürfen.
Ihre hier großartig in den Zusammenhang gestellte Green Economy ist doch keine Sache, die man über so ein BID regeln kann. Da müssen wir ganz andere Maßnahmen ergreifen, und die ergreifen wir auch.
Wir von der Koalition wollen eine Stärkung der lokalen Einzelhandelsstruktur erreichen. Das wollen die Grünen möglicherweise auch. Doch der hier vorgelegte Entwurf gibt noch viele Fragen auf und bedarf weiterer Klärung. Lassen Sie uns das Thema deshalb in den Ausschüssen vertieft beraten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit!
Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke hat jetzt Frau Kollegin Matuschek das Wort. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist sicherlich richtig und löblich, die Einzelhandelsstraßen in der Berliner Mischung zu fördern und zu unterstützen – möglicherweise auch über eine gesetzliche Regelung. Ich
verweise auf die Ausführungen von Frau Ludwig. Das ist ein Kann-Gesetz, anders würde es, glaube ich, auch nicht funktionieren. Denn zu Engagement kann man niemanden per Gesetz verpflichten. Erster Punkt.
Zweiter Punkt: Herr Jahnke! Sie sind nun schon eine Weile in der Koalition mit den Schwarzen, Ihre Regierungszeit läuft schon ein paar Monate. Da ist es nur richtig, Sie auch einmal daran zu erinnern, was Sie in Ihren Koalitionsvertrag aufgenommen haben. Es ist eigentlich eine Schande für Sie, dass Sie nicht so ein Gesetz vorgelegt haben, wie Sie es angekündigt haben. Es ist richtig, wenn die Grünen nachhaken und selbst vorpreschen mit ihren Vorstellungen.
Dritter Punkt: Es ist nie verkehrt, bei den Anderen, wo es schon funktioniert und wo es klappt, nachzuschauen. Da muss man natürlich auch schauen, wie das in Berlin zu adaptieren ist. Darüber werden wir dann in den Ausschüssen reden. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Ludwig! Heute Morgen las ich als Erstes in der Zeitung, die Grünen legten als Erste ein Gesetz über Innovationsbereiche in Berlin auf den Tisch. Da dachte ich mir: Na ja, 2005 waren wir es. Bitte möge es dem Thema nicht wieder so ergehen, wie es 2005 der Fall war, als es von Rot-Rot hier abgelehnt worden ist. Ich glaube, so wird es auch nicht kommen, denn es ist Zeit ins Land gegangen, die uns die Erfolge von Innovationsbereichen, wie Sie es nennen, BIDs oder Standortgemeinschaften, wie es andernorts genannt wird, vor Augen führen und wie es letztlich im Kern alle meinen, nämlich ein Rahmen dafür, dass Gewerbetreibende und Grundeigentümer Initiative für ihr Quartier ergreifen und zur Aufwertung und Wettbewerbsfähigkeit ihrer Quartiere aktiv werden können.
Ich glaube, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf eine gute Initiative angestoßen haben, dass wir aber in letzter Konsequenz doch den einen oder anderen Kritikpunkt anzubringen haben. Das wird dann in den Ausschussberatungen geschehen, aber hier sei es schon angedeutet. Herr Jahnke hat schon darauf hingewiesen, dass die Festlegung eines bestimmten Quorums von Investitionen in den Bereich Klima- und Umweltschutz wünschenswert sein mag, aber nicht dem Geist einer solchen Standortge
meinschaft entspricht. Wir wollen keine Verpflichtungen auferlegen, sondern wir wollen es als ein Instrument der Selbstverwaltung von Quartieren verstanden wissen. Wenn Sie schon davon sprechen, dass Anwohnerschaften, dass die Mitwirkenden und Betroffenen frühestmöglich und verbindlich in einen solchen Prozess einbezogen werden sollen und auch wollen, dann bedeutet dies, ihnen auch die größtmögliche Handlungsfreiheit hinsichtlich der Verwendung ihrer Mittel zu geben. Davon lebt eine solche Standortgemeinschaft. Ähnlich stellen wir sie uns auch vor.
In der Tat, der Koalitionsvertrag schreibt die Prüfung eines solchen Gesetzes vor. Angesichts dessen, was wir schon seit Jahren tun, können Sie sich vorstellen, wie aufgeschlossen wir dem gegenüberstehen, und dass wir auch nicht rat- und tatlos sind. Auch wir führen sehr intensive Gespräche mit Anliegern der Geschäftsstraßen. Dabei geht es nicht immer nur um die Friedrichstraße, den Tauentzien, unsere großen Anziehungspunkte, die man natürlich im Blick haben müssen, sondern wir reden gerade unter Stadtentwicklungsgesichtspunkten über ganz andere Bereiche der Stadt. Wir reden auch über die Altstadt Spandau, über die Turmstraße, und wir reden über Quartiere, bei denen wir aus stadtentwicklungspolitischer Sicht den gleichen Rahmen für sehr wünschenswert und sinnvoll halten, um zur Stabilisierung von Quartieren beizutragen. Auch das ein zusätzlicher Aspekt solcher BIDs, solcher Standortgemeinschaften, der hier erwähnt sein sollte. Insofern: Im Grundsatz ein sinnvolles Instrument. Wir glauben, dass es die Attraktivität von Quartieren, von Einkaufsstraßen gerade im Wettbewerb mit Shopping-Malls stärken kann. Wir haben ein geändertes Einkaufsverhalten der Bevölkerung nicht infrage zu stellen, das ist so. Aber wir können, glaube ich, im Rahmen unserer Möglichkeiten dazu beitragen, dass die Vielfalt des mittelständischen Einzelhandels in Berlin erhalten bleibt und gestärkt wird. Dazu ist das ein sinnvolles Instrument. Es ist ein Instrument der Selbstverwaltung, es ist eben nicht das Diktat des Staates, das hier zum Zuge kommt, und es ist ein Weg, den passiven Anliegern und Gewerbetreibenden in solchen Geschäftsstraßen ein Stück weit das abzuschöpfen, was ihnen als Wettbewerbsvorteil selbst zugute kommt. Das ist ein Problem, das viele Initiativen haben, dass Ihr Handeln der Gemeinschaft zugute kommt, bisher aber kein Weg zu beschreiten ist, dort auch Gemeinschaft in Verantwortung zu nehmen.
Wichtig ist uns dabei, dass es kein Ersatz sein darf für das Handeln der öffentlichen Hand. Das ist ein sehr, sehr sensibler Punkt. Die IHK betont ihn unermüdlich und sie betont ihn zu Recht. Es darf nicht sein, dass der Staat sich aus Verantwortung zurückzieht und solche Standortgemeinschaften zu dem Zweck „initiiert“ und missbraucht, um seine eigenen Investitionen, gerade Erhaltungsinvestitionen, zurückzunehmen. Da wird man sich auch unter juristischen Gesichtspunkten sehr genau anschauen müssen, wie der schmale Grat zu finden ist, auf dem es er
folgreich funktionieren kann. Die guten Beispiele dafür gibt es. Wir orientieren uns sehr stark an Hamburg. Wir sehen auch, dass man natürlich auf die Besonderheiten Berlins Rücksicht nehmen sollte. Ich bin mir aber sicher, dass wir in den Expertengesprächen, in den Anhörungen, die wir nicht zuletzt in den Ausschüssen fortsetzen werden, zu einem guten Ergebnis für Berlin kommen werden. Das ist unsere Bereitschaft, und die sei von dieser Stelle auch in Ihre Richtung zugesichert im Sinne dessen, was Sie sich hier gewünscht haben.