Nicole Ludwig
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Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Melzer! Wir wollten ja heute in der aktuellen Stunde über Infrastruktur sprechen; das wollten Sie nicht. Wir wissen, warum: Das liegt nicht nur am BER, da gibt es noch eine ganze Menge anderer Projekte, die brachliegen. Das ist viel zu negativ für Sie belegt – ganz klar, dass Sie hier nicht wirklich ausführlich darüber sprechen möchten.
Also sprechen wir heute über die Wirtschaft. Obwohl, wenn man mal genau nachdenkt: Die Wirtschaft ist ja diejenige, die immer nach Infrastruktur ruft, die Infrastruktur braucht. Das kriegen Sie nicht hin, und für die
(Heiko Melzer)
Infrastruktur trägt die Politik eigentlich die Verantwortung.
Verantwortung ist hier im Senat auch wieder ein ziemlich schwieriges Wort, ähnlich wie Infrastruktur. Denn wer hat eigentlich die Verantwortung für die wichtigsten Wirtschaftsthemen der Stadt? Ob Digitalisierung, Smart City, Industrie 4.0 oder die Gewerbeflächen – die Wirtschaftssenatorin hat ihre baldige Verantwortungslosigkeit bereits angekündigt, und der Regierende proklamiert zwar viel Verantwortung für sich, kommt aber über öffentlichkeitswirksame Ankündigungen zur Sanierung des ICC oder den Aufbau eines Digital City Lab oder – wie eben auch gehört – das freie WLAN seit vielen Jahren nicht hinaus.
Es ist fahrlässig, wie Sie, unsere Regierung, sich die Verantwortung für die Wirtschaft in der Stadt hin- und herschieben und dabei selbst viel zu wenig umsetzen.
Aber, alles egal! Die Wirtschaft Berlins entwickelt sich besser denn je. Die Zahlen haben Sie ja jetzt eben schon reichlich genannt, Herr Melzer, und sicher werden wir heute im Laufe der Behandlung noch viele hören: mehr Arbeitsplätze, Startup-Metropole, Touristenmagnet und ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum. Längst strömen nicht mehr nur Kreative in die Stadt, sondern auch Leute mit Geld. Vielerorts ist eine wahre Goldgräberstimmung ausgebrochen, und das spüren gerade die Leute, die noch andere Zeiten hier erlebt haben, ziemlich deutlich – und das nicht nur im positiven Sinne.
Das sind vor allem diejenigen, die nach dem Mauerfall vor 25, 20 oder 15 Jahren hierher in diese Stadt kamen, die mitgeholfen haben, aus zwei Städten eine zu machen, die aus Brachen und Ruinen am ehemaligen Grenzstreifen eine pulsierende Clubszene gezaubert haben, die graue Hinterhöfe mit Werkstätten zum Leben erweckt haben und die hier in Berlin die Chance ergriffen haben, Neues zu schaffen, die ihre eigenen innovativen Ideen einfach umgesetzt haben. Diesen Leuten, diesen vielen Tausend kreativen Köpfen Berlins verdanken wir, dass die Stadt dort steht, wo sie heute steht.
Doch ungenutzte Brachen in der Innenstadt, verwaiste Hinterhöfe, echte Freiräume sind rar geworden oder eben teuer. Geld zerstört Kreativität – das ist keine neue Erkenntnis, und so müssen wir jetzt höllisch aufpassen, dass wir nicht das, was unsere Stadt ausmacht und was maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufschwung beigetragen hat, verlieren. Dringender denn je gilt es, die Alleinstellungsmerkmale Berlins zu erhalten: die Freiheiten und Freiräume, die das spezifische Flair unserer Stadt ausmachen.
Wirtschaftspolitik ist eben auch Stadtentwicklungspolitik, und dass Sie, Herr Müller, als bis vor Kurzem ja noch verantwortlicher Senator für Stadtentwicklung nun vor drei Tagen ein Kataster für Gewerbeflächen ankündigen, ist vielleicht sinnvoll, greift aber zu kurz und kommt viele, viele Jahre zu spät.
Denn erst vergangene Woche saßen wir mit den Wirtschaftsförderern der Bezirke zusammen. – Lichtenberg: Von den Potenzialflächen, die im Stadtentwicklungsplan Gewerbe von 2011 benannt sind, stehen heute gerade mal noch 50 Prozent zur Verfügung. – Pankow: Das noch vorhandene Gewerbe wird massiv bedrängt, und Potenzialflächen gibt es gar nicht mehr. – FriedrichshainKreuzberg hat ein Gewerbeflächenentwicklungskonzept beauftragt und verlangt eine Änderung des Planungsrechts für die Erdgeschosse, um Gewerbe sichern zu können. – Und in Treptow-Köpenick hat sich gar eine Bürgerinitiative gegründet, die den an das Gewerbe heranrückenden Luxuswohnungsbau verhindern möchte. – Und so weiter, und so fort. Da gibt es bald gar nichts mehr zu katastern, Herr Müller! Es besteht längst dringender Handlungsbedarf, wenn Sie für die 40 000 Leute, die jedes Jahr nach Berlin ziehen, nicht nur Freiraum, sondern auch Arbeitsplätze anbieten wollen.
Oder stehen Sie etwa auf dem gleichen Standpunkt wie Staatssekretär Reckers, der bei dem eben genannten Treffen vor den Vertretern der Bezirke nicht nur gesagt hat, Berlin habe gar kein Flächenproblem, sondern auch noch angeregt hat, die Unternehmen, die bei uns keinen Platz finden, könnten ja ins Umland gehen, Arbeitsplatz sei schließlich Arbeitsplatz? – Schlimm genug, solche Vorschläge aus der Wirtschaftsverwaltung zu hören, aber wenn das wirklich Konsens im Senat sein sollte – also ich hoffe nicht, dass es die Wirtschaftspolitik dieser Stadt ausmacht, die Unternehmen und die Arbeitsplätze wegzuschicken.
Ja, Konsens – was ist überhaupt noch Konsens in diesem Senat? Schauen wir auf ein anderes bedeutendes Thema, die Digitalisierung. Der einzige Konsens, auf den Sie sich hier einigen konnten, lautet bisher: Super Thema; das kann man sich prima ans Revers heften! – Und das Schöne: Man braucht nicht mal etwas dafür zu tun. Die Digitalwirtschaft brummt. Nirgends gibt es mehr Gründungen; es fließt mehr Venture-Capital nach Berlin als nach London, und ein Mekka der Digital-Games-Industrie sind wir auch. Viel besser noch: Berlin hat jetzt die einzigartige Chance, die Erfolge der Digitalwirtschaft für die Entwicklung der klassischen Wirtschaftszweige zu nutzen. Ob Anwendungen für Industrie 4.0, Digital Health, innovative Handelskonzepte, die digitale Revolution der Finanzwelt oder kluge Verkehrs- und Energiewirtschaft – die Möglichkeiten sind schier grenzenlos.
Doch ist die Digitalisierung auch über die Startup-Szene und hoch innovative Unternehmen hinaus Grundlage für die Zukunft. Viele mittelständische Firmen aus traditionellen Branchen verfügen jedoch längst nicht über genügend digitale Kompetenz, geschweige denn über Strategien für Industrie 4.0. Ihre Aufgabe ist es, niedrigschwellige Angebote zu schaffen, um auch diese vielen Tausend kleinen, mittelständischen Unternehmen aus Handwerk, Produktion und Handel, die in der Stadt etabliert sind und die bunte Mischung Berlins ausmachen, mitzunehmen und sich nicht nur mit Start-ups und Zukunftsorten zu schmücken.
Um langfristig gute Arbeitsplätze zu sichern, ist es notwendig, die ganze Wertschöpfungskette abzudecken. Digitale Ideen für Produktion und Handwerk sollen nicht nur exportiert werden, sondern müssen auch ausprobiert werden. Die Chance ist heute größer denn je, als Regierung hierfür die Weichen zu stellen. Nutzen Sie die Investitionen, über die wir gestern wieder im Hauptausschuss gesprochen haben, die die Stadt derzeit tätigt – ob im Wohnungsbau, in die verkehrliche Infrastruktur oder den vielen SIWA-Maßnahmen –, und knüpfen Sie die Vergabe von Aufträgen verbindlich an innovative Kriterien, und fordern Sie damit die Berliner Wirtschaft! Berlin verplant derzeit mehrere Hundert Millionen Euro. Statt diese Ausschreibungen für die Entwicklung Berlins zu einer Smart City zu nutzen, betreiben Sie business as usual – mir ist dabei egal, ob die Ausschreibung selbst auf Papier oder online durchgeführt wird, ich kenne den technischen Standard bzw. die technischen Standards der Verwaltung –, aber inhaltlich könnten Sie hier innovative Kriterien verankern, von der schlüssellosen Schließanlage über dezentral digital gesteuerte Ver- und Entsorgung bis hin zur intelligenten Laterne. Aber all das tun Sie nicht, und damit verpassen wir die große Chance, Berlin zur führenden Smart City Europas zu machen. Das ist fahrlässig für die wirtschaftliche und ökologische Entwicklung dieser Stadt.
Berlin muss sich fit machen für die ökologischen Herausforderungen im urbanen Raum. Dazu zählen die Anpassungen an die Folgen des Klimawandels ebenso wie Strategien zur Energieeinsparung und nachhaltigen Energieversorgung. Daneben muss Berlin eine ökologische Abfallwirtschaft mit einer hohen Recyclingquote aufbauen sowie ressourcen- und umweltschonendes Wirtschaften fördern. Wenn sich Berlin in diesen Bereichen zu einer führenden Metropole entwickelt, stärkt das auch die Rahmenbedingungen für eine Green Economy. Bereits heute ist Berlin wichtiger Standort für zahlreiche Unternehmen im Bereich der Grünen Wirtschaft.
Der weltweite Trend jedoch, die Notwendigkeit umzusteuern, hat die Green Economy längst zu einer Wachstumsbranche gemacht, von der Berlin in Zukunft mehr profitieren muss und auch könnte. Diese gute Position
Berlins müssen wir ausbauen und unsere Stadt durch smarte, nachhaltige Lösungen zum Innovationsführer machen. Dafür brauchen wir erstens die Sicherung der Freiräume und Gewerbeflächen, zweitens eine ressortübergreifende, abgestimmte und effektive Digitalstrategie und drittens eine Bindung der Investitionen der Stadt an Kriterien, die an Innovation und Nachhaltigkeit ausgerichtet sind.
Berlin hat jetzt eine sehr gute Ausgangsposition, um echte wirtschaftliche Dynamik zu entwickeln. Es ist fahrlässig, wie Sie mit dieser Chance umgehen und intern Streitigkeiten um Zuständigkeiten und Kompetenzen über das Wohl der Stadt stellen. Diese Stadt hat Besseres verdient. – Danke schön!
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Schön, dass wir jetzt hier zu unserem Fragerecht kommen! – Gestern im Hauptausschuss wurden die Fragen leider nicht beantwortet. Daher frage ich heute den Senat: Seit wann ist der Senatskanzlei bekannt, dass Lutz Diwell im Auftrag von McKinsey am Masterplan Integration mitarbeitet, und gibt es über den bekannten, Anfang März geschlossenen Vertrag mit McKinsey weitere Vereinbarungen oder Vorverträge oder LOIs der Senatskanzlei im Zusammenhang mit dem Masterplan Integration?
Wenn Sie jetzt sagen, Sie glauben, es gibt keine weiteren Vereinbarungen, und dass Sie schon seit Januar wissen, dass Herr Diwell mit McKinsey – – das passt ja nicht zusammen mit dem Vertrag, der im März geschlossen wurde.
Können Sie uns bestätigen und verstehe ich Sie richtig, dass es keine weiteren Vereinbarungen im Zusammenhang mit dem Masterplan über den Anfang März geschlossenen Vertrag hinaus gibt, die dem Parlament bisher nicht vorliegen?
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Innovationen gibt es viele in dieser Stadt, aber Ihre Rede, lieber Herr Jahnke, gehörte definitiv nicht dazu.
Wirtschaft wird in der Wirtschaft gemacht, an diesem eisernen Grundsatz wird auch dieser Haushalt nichts ändern, und das ist gut so. Denn, wie Herr Jahnke schon sehr blumig ausführte: Viele Bereiche der Berliner Wirtschaft entwickeln sich sehr gut und die sind ganz froh, wenn sich Politik nicht zu sehr einmischt, zumindest nicht diese, die gerade diese Stadt regiert.
Dabei ist es aber nicht so, dass man sich nicht einmischen könnte, wenn man denn wollte. Wirtschaftspolitik kann moderieren, Prozesse anstoßen, Rahmenbedingungen justieren und überlegen, ob sich die wirtschaftliche Entwicklung nicht auch für langfristige, weiterreichende Ziele nutzen lässt. Aber genau dies versäumen Sie.
Ja, Sie bemerken die Zukunftsthemen der Stadt. Irgendetwas hat es wohl zu tun mit Smart City, Industrie 4.0, Internet der Dinge, Digitalisierung und Start-ups. Doch aus all den Schlagwörtern Absichtsbekundungen, Webseiten, Bewerbungen ein schlüssiges Gesamtkonzept zu entwickeln, ist Ihnen bis heute nicht gelungen, und das ist fahrlässig.
Es gilt doch, hier den grünen Faden zu finden. Wir alle haben jetzt die große Chance, die rasant fortschreitende Digitalisierung auch für die ökologische Wende zu nutzen. Nicht nur im Enquete-Bericht „Neue Energien“ finden Sie es. Sogar die Berliner Wirtschaft fordert von Ihnen ganz direkt, den Green New Deal auszurufen, weil dieser nicht nur die ökologische Transformation beschleunigen würde, sondern allen klar ist, dass auch die Berliner Wirtschaft davon profitieren könnte. Allen ist es klar, nur Ihnen nicht.
Wenn Sie dieses große wirtschaftspolitische Ziel nicht klar definieren, wird sich in Berlin vielleicht die Digitalwirtschaft weiterentwickeln, aber die Dynamik eines solchen Green New Deals, der sämtliche Branchen erfassen würde, findet nicht statt. Das liegt einzig und allein daran, dass sie die Zukunftsszenen der Stadt zerreden und nicht in der Lage sind, einen geordneten Prozess zu gestalten. Da wird ein hektisch zusammengeschustertes Smart-City-Papier bei der EU abgegeben mit vielen Einzelmaßnahmen, aber ohne schlüssige Schnittmenge und ohne klar definierte Ziele. Gewundert habe ich mich nicht, dass Berlin den Zuschlag leider nicht erhalten hat. Sie werden natürlich auch geschaut haben, wie der Senat hier mit Innovationen umgeht und gemerkt haben, dass es viele angefangene Baustellen gibt, die nicht zu Ende gebracht werden.
Ich will ja aufgrund der knappen Zeit nur eine Baustelle nennen, weil diese natürlich in einem Smart-City-Kontext eine sehr wichtige Rolle spielt: das ist die Elektromobilität. Wir haben zahlreiche Unternehmen in der Stadt, die hierzu Innovationen hervorgebracht haben und weltweit Anerkennung erzielt haben und Anwendung finden, nur nicht in Berlin. Ein Grund: die Infrastruktur fehlt. Statt 1 600 geplanter Ladesäulen gibt es gerade einmal 500 in dieser bald 4-Millionen-Stadt mit dem Ergebnis, dass „Car2Go“ seine Elektromobile allesamt nach Stuttgart gebracht und Multicity die Erweiterung seiner Flotte abgesagt hat.
Es hilft auch nicht, dass sie die eMO in Smart Mobility umbenennen oder sich Herr Müller fahrerlos durch die Stadt kutschieren lässt, ohne ein klares Signal des Senats, und zwar des gesamten Senats. Bis wir die Voraussetzungen der Infrastruktur hier schaffen, werden wir anderen Städten noch lange hinterher laufen, die längst nicht mehr über Ladesäulen reden, sondern mit der intelligenten Laterne Straßenbeleuchtung, Parkraummanagement, WLAN und nebenbei die Stromtankstelle ganz smart miteinander verbinden. Die machen das wirklich. In Berlin kennt mal solcherlei leider nur aus den Showrooms. Es ist peinlich, wenn man sich das Know-how anschaut, das diese Stadt bietet.
Was die Berliner Wirtschaft braucht, sind nicht visitBerlin-Büros im Ausland, über die sich sogar Herr Kieker gewundert hat, dass Sie die beantragt haben oder un
(Frank Jahnke)
verbindliche Zehn-Punkte-Pläne des Regierenden zur digitalen Wende oder den Ausbau der Kongresswerbung, zu der wir gerade gestern in der IBB-Studie gelesen haben, dass es einen Nachfrageüberhang gibt. Da frage ich mich, wozu wir noch extra Werbeausgaben brauchen, um noch mehr Kongresse zu holen, die wir dann absagen müssen. Das ist völliger Unsinn.
Die Berliner Wirtschaft benötigt eine umfassende digitale Agenda, für die alle Senatsverwaltungen Hand in Hand arbeiten, statt sich gegenseitig die Förmchen zu klauen. Hier braucht es eine eindeutige Federführung, klare Zielvorgaben und kein Klein-Klein und Zuständigkeitsgerangel, wie wir es in den letzten Monaten während der Haushaltsberatung erlebt haben. Berlins Wirtschaft braucht nachhaltige Investitionen in eine zukunftsfähige Infrastruktur und keine Haushaltsansätze, die aus Planungsträgheit nicht ausgeschöpft werden oder aufgrund fehlender Sachkenntnis in falsche Kanäle fließen.
Für einen Green New Deal mithilfe der Digitalisierung ist es noch nicht zu spät. Unsere dazu eingebrachte und auch von der Koalition mitgetragene Auflage, lässt wenig ein Konzept dazu erhoffen. Ihre in Zahlen gegossene Politik jedoch bringt die Stadt in dieser Frage nicht weiter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Luftverkehr herrscht seit Jahren ein extremer Wettbewerbsdruck.
Air Berlin, mit viel Ehrgeiz im Markt gestartet, ist in den letzten Jahren mehrfach, auch selbstverschuldet, in starke Turbulenzen geraten. Ich erinnere mich aber noch gut, wie viel Hoffnung die Fluggesellschaft in die geplante Eröffnung des BER im Juni 2012 gesetzt hat: Berlin sollte für sie das neue Drehkreuz werden für viele Verbindungen weltweit und die angeschlagene Fluggesellschaft aus dem Tief holen. Auch war das Vertrauen in den Standort Berlin ein halbes Jahr vorher Grund für Etihad Airways, stark in Air Berlin zu investieren.
Nein! – Neben der Unternehmensbeteiligung half Etihad dem angeschlagenen Konzern auch mit rettenden Krediten in dreistelliger Millionenhöhe aus. – Das war natürlich kein Edelmut, sondern klar verbunden mit der Hoffnung auf eine Erweiterung der Landerechte in Deutschland. Und man kann davon ausgehen, dass diese damals vom Verkehrsministerium auch in Aussicht gestellt wurden.
Nein! – Nun kennen wir alle die Geschichte: Der BER wurde nicht eröffnet; in Berlin entstand kein Drehkreuz, und Air Berlin strauchelt weiter. Aber auch dank der Codeshareangebote mit Etihad kann sich die Fluggesellschaft noch in der Luft halten. In den vergangenen zwei Jahren haben beide Fluggesellschaften ihre Flugangebote zu einem weltweit verbundenen Streckennetz vereint. Insgesamt umfasst dieses derzeit etwa 100 Routen.
Nun auf einmal pocht der CSU-Bundesverkehrsminister Dobrindt auf Details des Luftverkehrsabkommens mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, nach dem nur Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg und – Überraschung! – München angeflogen werden dürfen. Warum aber auf einmal Flüge von Berlin, die seit vier Jahren als sogenannte Codesharingflüge kommentarlos genehmigt wurden, gestrichen werden sollen, bleibt völlig unklar – ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
Will der bayerische Minister etwa das für seinen Münchner Flughaften vorteilhafte Abkommen sichern? – Skandalös, wenn das der Grund für sein Verhalten gegenüber Air Berlin wäre!
29 Verbindungen verstoßen nach Meinung des bayerischen Ministers plötzlich gegen das Abkommen mit den Emiraten und müssten ohne konkreten Grund gestrichen werden. Die Flüge erst zu genehmigen und sich dann nach mehreren Jahren auf bestehende Richtlinien zu berufen, ist ein Vorgang, mit dem kein Unternehmen dieser Welt seriös planen und wirtschaftlich arbeiten kann! Wir sind für faire Wettbewerbsbedingungen und keinerlei einseitige Bevorzugung – auch nicht oder schon gar nicht für München.
Das bedeutet nicht nur einen Umsatzausfall für Air Berlin in hoher zweistelliger Millionenhöhe. Auch wird dadurch die strategische Partnerschaft mit Etihad in Gefahr gebracht, und das ist ja nicht hausgemacht. Dann ist es auch nicht nur ein Problem für Air Berlin. – Im Übrigen muss ich als Grüne darauf hinweisen: Vor drei Tagen wurde Air Berlin von atmosfair ausgezeichnet als die international beste Fluggesellschaft mit der besten CO2-Bilanz – also auch aus diesem Grund heute ein paar positive Worte von meiner Seite für Air Berlin.
Aber nicht nur für die Fluggesellschaft, auch für den BER insgesamt und damit natürlich für Berlin hat das Ganze Probleme, und dieser gesamte Vorgang ist nichts als ein Fußtritt Dobrindts gegen Berlin – das kann nicht in unserem Sinne sein! Daher fordern wir Sie auf – Herrn Müller als Regierenden Bürgermeister und Sie, Frau Yzer als Wirtschaftssenatorin, vielleicht auch mit guten Kontakten in das CSU-Ministerium: Setzen Sie sich schnell für eine Überarbeitung dieser Regeln ein! Und wenn Sie schon dabei sind, können Sie auch gleich Antidumpingklauseln aufnehmen, wie sie sonst bei Luftverkehrsabkommen, z. B. zwischen der EU und den USA, üblich sind, um diesen Preisverfall am Flugmarkt zu begrenzen! – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie groß ist eigentlich Ihre Uneinigkeit, dass Sie die maßgeblichen Entscheidungen zur Sanierung und Nutzung des ICC nun wieder der nächsten Regierung in die Schuhe schieben, wo doch Herr Müller noch vor wenigen Wochen felsenfest versicherte, das ICC schnell und kompromisslos zum Kongresszentrum und zu nichts anderem zu machen?
Ich frage mich schon, was das für eine Planung ist, die das ICC 2016 und 2017 nicht anfasst und damit natürlich den Kongressstandort nachhaltig gefährdet. Konkret zu dem springenden Punkt: Schließen Sie die komplementäre Nutzung als Shoppingcenter für das ICC aus?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es schön, dass die Piraten mit ihren Anträgen uns immer wieder die Gelegenheit bieten, die Zukunft des ICC und die Zukunft des Kongressstandortes Berlin zu thematisieren. Aber dass Sie die Dringlichkeit des Abrisses heute damit begründen, dass die Fassade dreckig ist – da habe ich, ganz ehrlich, Angst um die halbe Stadt.
Warum überhaupt der Abriss des ICC Ihre erste dringliche Maßnahme zur Stärkung des Kongressstandorts sein soll, das kann höchstens den Freunden von citynahen Eichenwäldern einleuchten. Einige werden sich an diesen Vorschlag erinnern. Es ist einer mir naturgemäß sehr sympathischen Umweltbewegung zu verdanken, dass der nur wenig entfernt liegende Grunewald fast auf den Tag genau vor 100 Jahren als Dauerwald geschützt wurde. Ein Viertel dieses Waldes sind Eichen. Aber an diese Stelle, zwischen Autobahn, Ringbahn und Messegelände, gehört kein Eichenwald, sondern aus gutem Grund ein Kongresszentrum. Und daran etwas zu ändern, ist, so wie Sie es vorschlagen, völlig absurd.
Zu den Fakten: Der City-Cube wird im kommenden Jahr, 2016, an über vier Monaten, wie wir am letzten Montag gehört haben, von der Messe Berlin als Messehalle beansprucht. Dadurch verfügt Berlin im Moment überhaupt nur über zwei Drittel Kongresszentrum. Und leider überschneidet sich nun auch die nachfragestarke Zeit bei Kongressen mit den Messen so, dass die stärkste Nachfrage ausgerechnet in den vier Monaten stattfindet, in denen der City-Cube durch die Messe belegt ist. Die Folge: Allein für 2016 konnte die Messe Berlin die Buchungen von acht Kongressen mit über 5 000 Teilnehmern nicht annehmen. Pro Kongress entgeht hier der Stadt, dem Handel, den Hoteliers und auch unserer Steuerkasse über 1 Million Euro. Ich finde, das kann sich Berlin nicht leisten.
Wir wollen Schulen, Unis, Krankenhäuser sanieren, die Infrastruktur fit machen für Smart City, Grünflächen pflegen, unterhalten, günstigen Wohnraum schaffen und, ja, wir müssen auch noch einen Flughafen fertigbauen, und daher ist es verantwortungslos, dass der Senat diese so wichtige Einnahmequelle Berlins durch ewigen Entscheidungshickhack so aufs Spiel setzt. Das Kongressgeschäft spült Jahr für Jahr 2 Milliarden Euro in die Stadt, und auch wenn ein Großteil dessen auf die vielen kleinen und mittleren Kongresse zurückzuführen ist, ist doch die Strahlwirkung großer Kongresse mit vielen Tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern, von Hauptversammlungen daxnotierter Unternehmen unerlässlich für die Positionierung von Berlin als Kongressstadt insgesamt. Und, ja, auch die Marke ICC hat daran ihren Beitrag.
Berlin hat die Chance, diesen lukrativen Wirtschaftszweig weiter auszubauen, wie die seit Jahren steigende Nachfrage zeigt. Daraus hätte der Senat aber schon längst Schlüsse ziehen können. Einer von ihnen wäre natürlich gewesen, die Sanierung des ICC umgehend nach Schließung im Sommer 2014 zu beginnen. Aber erst traut sich die SPD nicht, das nötige Geld in die Hand zu nehmen, und verschafft sich Zeit mit einem Gutachten, das dann die CDU-Senatorin vorlegen soll, um die Finanzierungslücke zu schließen. Und sie wird dann dafür gegeißelt, wie man denn darauf kommen könne – Überraschung! – Shops im ICC zu platzieren. Shopping ist der SPD zu profan, und so wird wiederum ein Gutachten erstellt, das die katastrophalen Auswirkungen von Einzelhandel an diesem Standort darstellt. Obendrauf winkt noch Herr Geisel mit der Denkmalschutzflagge. Und schon sind wir wieder da, wo wir alle vor drei Jahren, vor fünf Jahren, wahrscheinlich auch schon vor zehn Jahren waren. Das einzig wirklich Sinnvolle, das man mit dem ICC machen kann und soll, ist ein Kongresszentrum.
Aber gut! Es ist nun die, wenn auch späte, um für meine Fraktion zu sprechen, so doch richtige Einsicht, liebe Kollegen der Piratenfraktion! Warum Sie nun mit Ihrem Antrag alles wieder einreißen wollen, darüber lässt sich nur spekulieren. Ihre Bierdeckelrechnung geht jedenfalls vorne und hinten nicht auf.
Zumindest sind wir uns in einem einig. Das Kongressgeschäft muss gesichert werden. Der Senat muss jetzt schnell gemeinsam mit der Messe mit „visit Berlin“ und den privaten Anbietern in der Stadt ein schlüssiges Übergangsmodell entwickeln, um Kongressanfragen bis zur Fertigstellung des ICC in Bestandsgebäuden besser bedienen zu können. Letztlich fordern wir vom Senat umgehend: Lassen Sie endlich Ihren Worten Taten folgen! Geben Sie Kongressveranstaltern eine Perspektive! Stellen Sie einen verbindlichen Fahrplan auf! Aktualisieren Sie das Bedarfsprogramm! Stellen Sie die notwendigen Gelder in den Haushalt ein! Starten Sie die ICCSanierung! – Danke!
Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Heute Abend wird in Berlin die Grüne Woche eröffnet, erfolgreich wie nie. Jeder Messequadratmeter ist belegt, erstmals seit 40 Jahren.
Die erfolgreichste Schau für „niedliche“ Massentierhaltung und extensive Landwirtschaft! Mit einer Halle für Bioprodukte wird das grüne Gewissen bedient. Ansonsten: politische Weichenstellung? – Fehlanzeige! Denn diese Messe soll die Kasse füllen, mehr nicht.
Nächste Woche Fashion-Week, da gibt es ja mehr Veranstalter als nur die Messe. So kann man ja schön vergleichen, was die anderen so machen. Die Premium z. B. präsentiert erstmals „wearable IT and fashion tech“, ein absolutes Trendthema, auch wenn Sie es vielleicht noch nicht gehört haben. Aber da können Sie sehen, dass so etwas, wenn irgendwoher, doch nur aus Berlin kommen kann. Frau Yzer hat das in ihrer Pressearbeit dankbar aufgegriffen. Denn von ihrer Messe ist nicht viel zu erwarten. Ich frage mich: Finden Sie das nicht auch schade, dass Sie sich hier mit fremden Federn schmücken müssen?
Und die Messe Frankfurt veranstaltet während der Fashion Week in Berlin den Green-Showroom und die Ethical Fashion Show im Postbahnhof. Und warum? – Das liest man auf deren Internetseite: Grüne Mode ist ein Wachstumsmarkt. Ja, da sind sie ganz meiner Meinung.
Genau deswegen investiert die Messe Frankfurt seit Jahren in diesen Bereich, während die Messe Berlin es sich mit der Panorama unter dem Funkturm gemütlich macht und dort das Forum für die etablierten Marken bietet.
Das ist peinlich, da erwarte ich mehr von landeseigenen Unternehmen. Diese sollen doch Trends aufgreifen, die Berlin weiterbringen.
Denn es ist doch bekannt, nach Medizin und Wissenschaft sind die großen Potenziale für Berlin im Bereich Messen und Kongresse bei IT und grünen Umwelt
(Frank Jahnke)
themen. Also warum passiert da nicht mehr? – Ich kann es Ihnen sagen, warum. Dieses Landesunternehmen hat ausschließlich kurzfristige betriebswirtschaftliche Ergebnisse im Blick. Dann kommt dabei so etwas heraus: eine Messegesellschaft, die agiert wie ein Privatunternehmen, denn politische Zielvorgaben fehlen. Da braucht man sich auch gar nicht zu wundern, liebe Frau Yzer, wenn sich die Messe am liebsten gar nicht mehr in ihr Geschäft hineinreden lassen will, denn mit Betriebswirtschaft kennen die sich besser aus als dieser Senat.
Ihre Schlussfolgerung aber, die Sie uns am Montag im Wirtschaftsausschuss präsentiert haben, man könne auch gleich das ganze Kongressgeschäft privatisieren, ist absolut absurd und gefährlich. Uns interessiert doch im Wesentlichen der volkswirtschaftliche Output, der durch die Kongresse erbracht wird. Der Private wird natürlich immer nur die Betriebswirtschaft im Blick haben.
Wir holen doch die Kongresse nicht für ein paar Tausend Euro Saalmiete her, sondern für über 2 Milliarden Euro Kaufkraft, die dadurch in die Stadt gespült werden, und das jährlich. Und wenn Sie künftig nicht nur Schulklos sanieren wollen, sondern vielleicht auch ganze Schulen, dann sollte Ihnen an diesen Einnahmen, die sich dann auch im Haushalt widerspiegeln, mehr als gelegen sein.
Das alles setzen Sie mit Ihrer Politik aufs Spiel. Und damit ist es auch richtig, dass die Piraten hier diesen Antrag stellen. Nur sehe ich als Adressaten, den Sie im Antrag immer nennen, nicht so sehr die Messe Berlin, die ihre Hausaufgaben machen muss, sondern vielmehr den Senat in der Pflicht. Sie haben die Aufgabe, Ihrem Landesunternehmen die Richtung vorzugeben. Und wenn Ihr Unternehmen – ich sage mal: dankenswerterweise – eine recht sinnvolle Studie in Auftrag gibt, um die für Berlin notwendigen Kongresskapazitäten zu ermitteln, dann ist das absolut korrekt.
Ja, selbstverständlich.
Der volkswirtschaftliche Effekt ist derselbe, Herr Dietmann, aber im Estrel werden diese Kongresse nicht durchgeführt werden, weil das Estrel seinen Saal mit Corporate Events belegt. Diese Kongresse, die wir brauchen, werden Sie dort nicht finden, ganz einfach.
Ich war bei der Studie wegen der Kongresskapazitäten. Sie machen eine Studie für Shoppingauswirkungen des ICC, wenn man denn da Shopping hat. Ich denke, die Studie für Kongresskapazitäten ist irgendwie spannender, aber Ihnen gefällt das Ergebnis nicht, und dann stellen Sie gleich die ganze Studie infrage, die Ihre Tourismusagentur visitBerlin und Ihre Messe Berlin in Auftrag gegeben haben und die TNS Infratest durchgeführt hat. Das ist schon mehr als absurd.
Ich frage mich: Hat es Ihnen vielleicht einfach nicht gefallen, dass der Regierende Bürgermeister ein paar Tage vorher öffentlich gesagt hat, er will das ICC sanieren, und zwar ohne Shopping, sondern nur für Kongresse? War das der Grund? Dabei ist das doch das einzig Richtige. Es ist Fakt, ob mit Studie oder ohne, Berlin kann viele Kongressanfragen nicht mehr bedienen. Und für jeden Kongress mit 5 000 Teilnehmern, den wir absagen müssen, entgeht der Stadt Kaufkraft in Höhe von rund 1 Million Euro. Da können Sie jetzt mal durchrechnen: Berlin hat bereits 32 großen Kongressen bis 2018 die rote Karte zeigen müssen, davon 17 mit über 5 000 Teilnehmern, da kommt eine ganze Menge rum.
Statt nun Müllers Versprechung umzusetzen, schnell das ICC zu sanieren, was passiert gestern im Hauptausschuss? – Diese Koalition, Herr Jahnke, Ihre Kollegen, haben die ICC-Sanierung gestern auf die Haushaltsberatungen verschoben.
Ja, kann man das noch glauben? Hier sagt der eine das, und der andere macht das. Das ist keine Politik, das ist unverantwortlich, was Sie hier tun.
Sie sind dafür verantwortlich, das florierende Kongressgeschäft zu sichern, und auch dafür, der Messe Berlin nicht nur betriebswirtschaftliche, sondern auch politische Vorgaben zu machen, denn ich möchte künftig nicht
mehr eines auf der Internetseite der Grünen Woche lesen – und jetzt hören Sie gut zu –, was ich dort heute gefunden habe. Der Veranstalter der Grünen Woche ist die Messe Berlin. Und darunter steht: Ideelle Träger: Deutscher Bauernverband und die Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie. – Entschuldigen Sie mal bitte, ich habe so etwas noch nie irgendwo gelesen.
Das ist, finde ich, unglaublich. Der ideelle Träger sollte hier die Stadt Berlin sein, die Ziele der Stadt Berlin, und nicht irgendein Bauernverband, der uns sagt, wie wir hier unsere Messen und Kongresse zu veranstalten haben.
Jetzt hätte ich inzwischen schon fast zwei Zwischenfragen, aber ich wollte mal fragen: Sie sagen, Sie haben sich da vereinbart, dass eine Mischnutzung stattfinden soll. Was sagen Sie dann dazu, dass Herr Müller gesagt hat, für ihn soll da kein Shopping stattfinden, das soll ein reines Kongresszentrum werden?
Also, ich habe überhaupt nichts gegen Biobauern. Das lasse ich mir auch nicht nachsagen! Aber ich habe etwas dagegen, wenn hier Unwahrheiten verbreitet werden.
Herr Dietmann! Sie haben gerade gesagt, es wurden überhaupt nicht 32 Kongresse abgesagt. Da haben Sie in gewisser Weise recht. Denn die Messe sagt auch: Nein, nein! Wir haben nichts abgesagt, denn absagen kann man ja nur Dinge, die man vorher zugesagt hat. – Es stimmt aber, dass sie 32 Anfragen nicht bedienen konnte. Und es stimmt auch, dass darunter 17 Kongresse mit über 5 000 Personen sind. Jetzt erklären Sie mir mal bitte, wo die in Berlin stattfinden sollen, wenn nicht im ICC oder im Cube, wenn er zur Verfügung stünde.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Von Amsterdam bis Wien, von Bremen bis Schwerin gibt es sie, die Übernachtungssteuer, City-Tax, Kulturförderabgabe, Bettensteuer – Sie können es nennen, wie Sie wollen. Eines aber haben alle diese Instrumente gemein: Die Einnahmen – oder ein Teil derer – werden für besondere ausgewählte Zwecke verwendet, nur nicht in Berlin. In Berlin verschwinden die Einnahmen im Haushaltsloch. Das ist ein unglaublicher Vorgang!
War in den Haushaltsberatungen noch die Rede davon, 50 Prozent der Einnahmen aus der City-Tax für Kultur, Sport und Tourismus zur Verfügung zu stellen, hat die rot-schwarze Koalition am Ende beschlossen, nur die über 25 Millionen Euro hinausgehenden jährlichen Einnahmen dafür zu verwenden. Frau Lange, Herr Goiny, Herr Evers! Können Sie sich noch an Ihre Aussagen zur Verteilung der City-Tax auf den diversen Podien erinnern? Die Wahrheit ist doch, dass es Ihnen zu keinem Zeitpunkt ernst war, die City-Tax vollständig in diese drei Bereiche fließen zu lassen. Ihr Haushaltsbeschluss, nur Einnahmen über 25 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, hat Ihr doppeltes Spiel aufgedeckt. Ich finde das peinlich!
Die Stadt war auch zu Recht empört – versprochen, gebrochen. Das ist leider nicht das erste Mal, meine Damen und Herren von SPD und CDU. Da müssen Sie sich auch nicht wundern, wenn Ihre politische Glaubwürdigkeit insgesamt mittlerweile in den Negativbereich gerutscht ist.
Schlimm genug das alles, aber es geht noch einer. Dieser Senat plant doch tatsächlich, selbst diesen kleinsten gemeinsamen Nenner wieder aufzukündigen und den Überschuss aus der City-Tax 2014 den Bereichen Kultur, Sport und Tourismus vorzuenthalten. Das ist ein erneuter Vertrauensbruch.
Dank weiter steigender Übernachtungszahlen sind, Stand 30. November, 26 571 121 Euro aus der City-Tax eingegangen. Das sind also schon gut 1,5 Millionen Euro, die es zu verteilen gilt. Im Statusbericht vom 21. November nennt die Finanzverwaltung das eine „leichte Überschreitung“. Nun ja, wer 1,5 Millionen Euro für Peanuts hält, hat es anscheinend auch nicht nötig, sich rechtzeitig Gedanken über ein Verfahren zur sinnvollen Verteilung dieser Peanuts-Beträge zu machen. Bis zum heutigen Tag
(Andreas Baum)
gibt es keinerlei Vorschläge oder gar inhaltliche Konzepte, wie die Mittel verteilt werden sollen. Das ist ein Skandal!
Erst 2015 wollen Sie sich irgendwie damit beschäftigen. Das ist dann aber zu spät für das Geld von 2014! Wenn Sie das Geld nicht mehr vor Jahresende in die Ausgabetitel bei Sport, Kultur und Tourismus verbuchen, kann es dort nicht mehr verwendet werden, das wissen Sie ganz genau. Ich nenne es grob fahrlässig, wie Sie hier mit den Geldern der Berlin-Besucherinnen und -Besucher umgehen wollen.
Selbst wenn man die Dezember-Einnahmen außen vor lässt: Es sind bereits jetzt 500 000 Euro, die man für Kulturprojekte ausgeben könnte, z. B. für die freien Gruppen,
oder 500 000 Euro, die man in den Sport investieren könnte,
z. B. zur Sanierung eines Sportplatzes, und 500 000 Euro, die man für ein touristisches Projekt verwenden könnte, z. B. für den Aufbau eines zeitgemäßen touristischen Leitsystems. All das gibt es nun nicht, weil Sie die Bettensteuer verschlafen haben
Sie haben es aber auch alle gemeinsam verschlafen, da nehme ich die Verantwortlichen in den Ressorts nicht aus. Wo sind denn die Anmeldungen aus Kultur, Sport und Tourismus? Wo, liebe Kolleginnen und Kollegen aus der Koalition, bleiben da denn Ihre Ideen? Oder überlassen Sie das Spielfeld jetzt allein der Exekutive? Das finde ich keine gute Idee, wenn man sich das Ergebnis anschaut bzw. das nicht vorhandene Ergebnis. Wenn bei der Finanzverwaltung keine Projekte angemeldet werden, braucht man sich natürlich auch nicht zu wundern, wenn die einem das Geld nicht hinterherwerfen.
Dieser Senat lässt die Öffentlichkeit zudem völlig darüber im Unklaren, nach welchem Verfahren die Projekte ausgewählt werden, denen die Gelder aus der City-Tax zugutekommen sollen. Wie wollten Sie da denn vorgehen? First come, first serve? Prinzip Gießkanne? Sie rufen laut nach dem Geld, zu Recht, aber haben selbst kein vernünftiges Verfahren zur Auswahl passender Projekte. Das ist mindestens ebenso unseriös.
Für den gesamten Senat war es bereits Mitte des Jahres absehbar, dass im Jahr 2014 Geld aus der City-Tax zur Verfügung steht. Längst hätten Sie Vorsorge treffen müssen. Noch haben Sie die Chance, das Geld ins Jahr 2015
zu retten. Dafür müssen Sie nun schnellstens, und zwar noch in diesem Jahr, ein Verfahren bestimmen. Peinlich für Sie, dass wir heute, am 11. Dezember, also 20 Tage vor Ende des Jahres, darauf drängen müssen. Das haben Sie ein ganzes Jahr lang verschlafen.
Aber nun ist das auch eine Chance für Sie, Herr KollatzAhnen als neuer Finanzsenator. Erfüllen Sie die leeren Versprechen Ihres Vorgängers und sorgen Sie dafür, dass die überschüssigen Einnahmen aus der City-Tax 2014 für Kultur, Sport und Tourismus eingesetzt werden können! Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte ich deshalb, heute unserem dringlichen Antrag zuzustimmen, um die Zusagen, die Sie vor allem an die wichtige Berliner Kulturszene gerichtet haben, einzuhalten, und damit das Vertrauen in die Berliner Politik zumindest ein Stück weit wieder herzustellen. – Danke schön!
Lieber Herr Schneider! Ich trage jetzt nicht immer alle unsere Änderungsanträge mit mir herum, die wir bei den Haushaltsberatungen gestellt haben. Da gab es eine ganze Menge. Denen haben Sie übrigens auch nicht zugestimmt, weshalb wir am Ende dem gesamten Haushalt nicht zugestimmt haben, also nicht nur Ihrem kleinen Antrag da.
Unser Änderungsantrag, das wissen Sie ganz genau, hat die Einnahmen aus der City-Tax vernünftig und seriös
(Torsten Schneider)
verbucht. So einer krummen Formulierung, wie Sie sie gewählt haben, der können wir doch nicht zustimmen!
Entschuldigen Sie bitte! Wir wollten das Geld ausgeben für Kultur, Sport und Tourismus und nicht für irgendetwas anderes verwenden. Ich weiß nicht, wofür Sie es verwenden.
Ja, das ist der Unterschied, genau. – Wenn das jetzt alles so toll und einfach wäre mit der City-Tax, wie Sie das hier dargestellt haben, und alles so schön in Butter ist, frage ich mich ganz ehrlich, warum wir gestern im Hauptausschuss die Finanzverwaltung drängeln mussten, sich dazu zu äußern, was mit den Geldern passiert, wo sie hingehen und ob das alles überhaupt klappt. Ich bitte Sie: Lassen Sie die Kirche im Dorf! Es hat absolute Berechtigung, diesen Antrag zu stellen. Denn wenn Sie nicht handeln, dann ist das Geld weg für Kultur, Sport und Tourismus und Ihre Versprechungen waren hohl und leer. – Danke!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Fraktion Bündnis 90/Die Grünen freut sich sehr, dass dieses Parlament, so wie es Herr Evers gerade eben betont hat, heute nach über einem Jahr Verhandlungen in den Ausschüssen und auch darüber hinaus in der Stadtgesellschaft mit den Initiativen ein Gesetz verabschieden kann, auf das der Berliner Handel schon seit Langem wartet, ein Gesetz zur Einführung von Standortgemeinschaften. Sie
(Stefan Evers)
nennen es BIG in Ihrem Entwurf. International bekannt ist es als BID, als Business-Improvement-District.
Auch für mich persönlich, ich arbeite nun seit fast zehn Jahren an diesem Thema. Herr Evers hat das ja auch schon beschrieben. Es ist nicht ganz neu in der Diskussion, aber wenn man dann persönlich auch so lange damit beschäftigt ist, muss ich sagen, ist das dann auch ein ganz besonderer Moment, wenn hier heute tatsächlich die Verabschiedung eines solchen Gesetzes ansteht.
Denn auch wenn es mehr Zeit gekostet hat, allzu häufig ist eine solch pragmatische, sachliche Beratung in diesem Haus leider nicht. Ich würde mir wünschen, dies gelänge auch bei anderen Themenkomplexen. Dabei denke ich z. B. an das Transparenz- und Informationsfreiheitsgesetz, das sich hier schon seit über zwei Jahren im Verfahren befindet. Berlin hinkt da hinterher, und das ist ziemlich peinlich.
Also vielleicht können wir das dort auch schaffen.
Heute aber können sich die vielen engagierten Standortgemeinschaften in den Geschäftsstraßen gemeinsam mit uns freuen, dass sie endlich auf ein Instrument zurückgreifen können, das bereits in sieben anderen Bundesländern erfolgreich praktiziert wird. Mit diesem Gesetz wird die Arbeit vor Ort besser planbar. Das Trittbrettfahrertum wird beendet. Und die Gemeinschaft wird auf eine solidere finanzielle Basis gestellt. Dies ist insbesondere für Berlin mit seinem vielfältigen Einzelhandel von Bedeutung, denn der vielfältige Einzelhandel ist ja nicht Selbstzweck, sondern er ist z. B. auch ein Tourismusfaktor. Ich denke da beispielsweise an die kürzlich veröffentlichte Upcycling-Roadmap von Visit Berlin. Die werben mit diesem sehr vielfältigen Einzelhandel der Stadt.
Das heute vorliegende Gesetz kann gerade den kleinen und mittelständischen Händlern helfen, sich gegenüber großen Handelsketten und Einkaufscentern zu behaupten. Es ist wichtig, dass wir alle hier auf diesem Weg einer weiteren Konzentration im Einzelhandel entgegenwirken und damit die Vielfalt des Handels in der Stadt stärken.
Auch wenn heute voraussichtlich nicht der von uns eingebrachte Gesetzentwurf verabschiedet wird, sondern der der Koalition, die grüne Handschrift ist unverkennbar.
Dank der konstruktiven Verhandlungen in den Ausschüssen wurden z. B. Anwohnerinnen- und Anwohnerbeteiligung und die Einbindung der BVVen deutlich verstärkt. Und das ist notwendig für den Erfolg dieses Gesetzes. Denn nicht nur in den großen Geschäftsstraßen, sondern auch in den vielen Mischgebieten, den beliebten Kiezen in den Bezirken soll das BID-Gesetz genutzt werden. Wenn hier Maßnahmen zur Entwicklung des Standortes entwickelt werden, müssen sie von einer breiten Basis getragen werden, um auch langfristig erfolgreich zu sein.
Grüne Handschrift wird auch an dem Punkt sichtbar, dass Gelder des Business-Improvement-Districts nicht für private Sicherheitsdienste verwendet werden dürfen. So machen wir alle deutlich, dass das Instrument BID ausdrücklich nicht dazu gedacht ist, öffentlichen Raum zu privatisieren.
Nach heutiger Verabschiedung des Gesetzes liegt es nun auch am Senat und der Berliner Verwaltung, für eine rasche und auch breite Akzeptanz zu sorgen. So fordern wir Grünen die Senatsverwaltung für Wirtschaft und auch die Bezirke auf, gemeinsam einen Leitfaden zu entwickeln, der klare Ansprechpartner benennt und auch kleinen Interessengemeinschaften aufzeigt, wie sie die bürokratischen Anforderungen zur Gründung eines BID erfüllen können, damit unser Berliner BID-Gesetz seinen neuen Namen BIG verdient und ein großer Erfolg für den Erhalt der Vielfalt des Berliner Handels wird.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Hängepartie ICC verfolgt dieses Parlament schon über zehn Jahren. Wenn ich allein den Anfang dieser Debatte höre, dann ist meine Hoffnung, dass diese Hängepartie bald ein Ende hat, relativ gering.
Die Messe Berlin distanziert sich inzwischen von jeder Verantwortung. Der Senat ist außerhalb der Beauftragung von Gutachten nicht handlungsfähig und die rot-schwarze Koalition, die alles besser machen wollte in dieser Sache als Rot-Rot vorher, hat nur so etwas beschlossen wie JaAber, 200 Millionen Euro und: Wir müssen mal gucken, wer da mitmacht. – Also nichts wirklich Konkretes. Herr Stroedter! Sie haben uns vorhin lautstark vorgeworfen, keine Position beziehen zu können. Ganz ehrlich: Entschiedenheit sieht für mich anders aus!
Es ist deshalb richtig, dass die Piraten heute eine Entscheidung hinsichtlich des ICC einfordern. Auch die Dringlichkeit kann unsere Fraktion uneingeschränkt teilen,
denn es ist längst überfällig, dass sich der Senat in Sachen ICC eine Meinung bildet und nach dieser handelt.
Seit Jahren sind die Fakten klar. Das ICC muss saniert werden, um dauerhaft als Kongresszentrum für Berlin zur Verfügung zu stehen. Es ist asbestbelastet, und viele technische Anlagen sind in einem maroden Zustand, der für einen weiteren Betrieb dringend behoben werden muss. Über die Sanierungskosten gibt es ausführliche Gutachten, und wir wissen auch bereits, was ein Abriss kosten würde. Und noch etwas, was wir lange geahnt haben, wissen wir von Tag zu Tag mit größerer Gewissheit: Berlin braucht dringend ein leistungsfähiges Kongresszentrum, denn schon jetzt können einige wichtige Kongressanfragen nicht mehr bedient werden. Der CityCube ist ein Ersatzbau und kein Flaggschiff als vollwertiges Kongresszentrum für Berlin, u.a. deshalb, weil er vor, während und nach den großen Leitmessen wie ITB und Grüne Woche von der Messe Berlin selbst gebucht ist. Die Auswirkungen erfährt man, wenn man sich zum Beispiel mit Berliner Hoteliers unterhält. Diese klagen inzwischen – es lohnt sich, jetzt wirklich einmal zuzuhören – über einen bis zu 30-prozentigen Rückgang bei Übernachtungsbuchungen von Kongresstouristen.
Schuld daran sind die jahrelange Untätigkeit des Senats, Streitigkeiten zwischen den Ressorts und eine Koalition, die es schon in zwei Haushaltsberatungen versäumt hat, Sanierungsmittel für das ICC in den Haushalt einzustellen. Herr Jahnke! Auch wenn Sie es eben hier versprochen haben, ich glaube es erst, wenn es auf dem Papier steht.
Ich finde das unverantwortlich. Deshalb ist es korrekt, mit einem Antrag auf eine schnelle Entscheidung hinsichtlich des ICC zu drängen.
Ob allerdings der Fokus Ihres Antrags, liebe Kollegin und Kollegen der Piratenfraktion, der zielführende ist, das ist für mich fraglich. Mit einem Abriss, der ebenfalls mit ca. 300 Millionen Euro zu Buche schlägt, hat auch niemand etwas gewonnen. Wir erwarten vom Senat hingegen, dass er nicht nur die betriebswirtschaftlichen Aspekte betrachtet, sondern vielmehr die volkswirtschaftlichen. Wenn er das täte, wäre die Option Shoppingcenter im ICC vermutlich vom Tisch.
Die Drees-und-Sommer-Studie macht zu den volkswirtschaftlichen Auswirkungen leider keine Aussagen. Statt eine zusätzliche Untersuchung in Auftrag zu geben, wie sich ein Shoppingcenter im ICC für das Umfeld auswirken könnte – ich glaube, das wissen wir auch so –, erwarte ich vom Senat endlich für alle Varianten eine Betrachtung der Stadtrendite, also der volkswirtschaftlichen Rechnungen.
Ja!
Wir können jetzt noch ganz viel prüfen.
Es wurde schon viel geprüft. Die Zahlen liegen vor. Ich sehe da überhaupt keinen Widerspruch.
Aus wirtschafts- wie auch haushaltspolitischer Sicht konnte bisher niemand – vielleicht machen Sie das dann – widerlegen, dass es das Beste wäre, das ICC wieder zu dem zu machen, wofür es vor über 35 Jahren für insgesamt 466 Millionen Euro gebaut wurde, nämlich einem Kongresszentrum. Sie haben die Chance, das Gegenteil zu beweisen.
Vielen Dank! – Ich frage den Senat, der am 23. September eine Pressemitteilung herausgegeben hat, dass bis Ende 2015 340 Ladestationen für Elektromobilität entstehen sollen, was das Ergebnis der Ausschreibung ist, die 2012 dazu gemacht wurde, als eigentlich 700 Ladestationen für Elektromobilität – also mehr als die doppelte Zahl – in Berlin entstehen sollten.
Es gibt eine ganze Menge Standards, das stimmt. In Ihrer Ausschreibung machen Sie aber keine Vorgaben, was die technischen Mindeststandards angeht. Bessern Sie da nach, insbesondere hinsichtlich des Masterplans Smart City, der gerade erarbeitet wird, dass man von denen, an die die Aufträge vergeben werden, bestimmte technische Voraussetzungen erwartet?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der Piraten greift einen Sachverhalt auf, der für uns Parlamentarier derzeit schlichtweg eine Beeinträchtigung unserer parlamentarischen Arbeit und Kontrollfunktion bedeutet. Da muss ich meiner Vorrednerin, Frau Seibeld, deutlich widersprechen. In Verträgen der öffentlichen Hand ist meist von Vornherein Geheimhaltung bei Einberufung eines Schiedsgerichts vereinbart. Wir als Parlamentarier werden nur auf Anfrage angehört, erfahren, wenn überhaupt, nur in nichtöffentlicher Sitzung von den laufenden Beratungen. Es kann ja sogar sein, dass wir nicht einmal von der Existenz eines solchen Schiedsverfahrens in Kenntnis gesetzt werden. Da hilft uns auch die geheime Anfrage nichts, denn wir wissen gar nicht, wonach wir
fragen sollen. Am Ende erfährt die Öffentlichkeit davon ohnehin nichts. Das widerspricht unserem Verständnis von Politik, und das widerspricht auch der hier in diesem Haus immer wieder geforderten Transparenz im politischen Verfahren.
Darüber hinaus steht es dem in Artikel 20 Grundgesetz verankertem Gewaltenteilungsprinzip deutlich entgegen. Hier ist auch bei der Rolle des Berliner Senats klar zu trennen zwischen der Wahrnehmung der Regierungsverantwortung und der Spitze der Verwaltung. Eine Vermischung kann und darf hier nicht erfolgen. Der Senat tritt im Schiedsverfahren als Spitze der Verwaltung auf, nicht als Regierung. Somit bleibt das Parlament außen vor.
Eine teilweise Geheimhaltung von Verhandlungen – machen wir uns nichts vor, das klang hier auch schon ein bisschen durch – kann natürlich zur Vereinfachung und Beschleunigung der Sache von Vorteil sein. Denn aus Sicht der Unternehmen sind langwierige Diskussionen vor der breiten Öffentlichkeit nicht immer förderlich. Nicht umsonst wird gerade im Zusammenhang mit dem transatlantischen Freihandelsabkommen über den Punkt des Investitionsschutzes, der über außerstaatliche Schiedsgerichte geregelt werden soll, so heftig gestritten, denn auch hier soll es Konzernen ermöglicht werden, unter Ausschluss der Öffentlichkeit politische Entscheidungen zu beklagen und sich ganz im Geheimen dafür entschädigen zu lassen. Die grüne Bundestagsfraktion hat sich zu Recht klar gegen diese Regelung ausgesprochen.
Parlamentarier aller Ebenen in Land, Bund und EU müssen auch bei Schiedsverfahren die Möglichkeit bekommen, ihrer verfassungsmäßig gebotenen Kontrollfunktion nachkommen zu können. Das ist unsere Mitverantwortung, und diese darf nicht von Vornherein ausgeschlossen werden. Das bereits genannte Hamburger Beispiel, Kohlekraftwerk Moorburg, hat deutlich gezeigt, wie Politik unterwandert werden kann. Der rot-grüne Senat verlangte für ein Kohlekraftwerk strengere Umweltauflagen. Daraufhin forderte Vattenfall in einem geheimen Schiedsverfahren 1,2 Milliarden Euro Schadenersatz. Vollkommen überrascht von der Entscheidung, blieb dem Hamburger Senat nur noch, die Auflagen zurückzuziehen und das Kraftwerk umwelttechnisch bedenklich ans Netz zu nehmen. Das Gleiche macht Vattenfall nun beim Atomausstieg, und das müssen wir verhindern.
Es kann nicht in unserem Sinne sein, dass Politik in dieser Form über die Hintertür entmachtet werden kann. Ob ein generelles Verbot von Schiedsverfahren, das hier auch schon anklang, das ich aus dem Antrag der Piraten aber nicht herauslese, bei Verträgen der öffentlichen Hand – wie es die Berliner SPD fordert – ebenso ziel
(Fabio Reinhardt)
führend ist, bliebe noch zu beraten. Schiedsverfahren haben ja durchaus Vorteile, zumindest wird uns das immer gesagt – dass sie schneller und kostengünstiger sind. Ich hoffe, dass wir das in den Ausschussberatungen dann auch bewiesen bekommen. Dann hat das ja durchaus Sinn, solche durchzuführen. Nur muss eben die parlamentarische Kontrolle gewährleistet werden.
Der Antrag der Piraten greift dieses Problem auf und fordert nicht nur die Grundsätze der Transparenz und Gewaltenteilung ein; er macht auch deutlich, dass geheime Schiedsverfahren massiven Einfluss auf den Landeshaushalt haben können. Und darüber darf nun wirklich nicht an unserem Haus vorbei in Schattengerichten entschieden werden.
Allerdings ist, wie auch eben schon in Zwischenbemerkungen deutlich wurde, handwerklich an dem Antrag noch ein bisschen zu feilen. Aber dafür sind die Ausschussberatungen da. Wir sind darauf gespannt und würden uns freuen, wenn im Sinne der Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und Deutschlands hier alle Fraktionen an einem Strang ziehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollten das Thema eigentlich gern in der Aktuellen Stunde diskutieren, aber es wurde ein anderes Thema gewählt. Zumindest freue ich mich, dass jetzt Frau Yzer punktlandungsmäßig zu meiner Frage eingetroffen ist. Ich frage den Senat mit Blick auf die bevorstehende Eröffnung des City-Cube am Wochenende und im Zusammenhang mit den von Visit Berlin gemachten Äußerungen, dieses Kongresszentrum reiche für die Stadt nicht während wichtiger Leitmessen: Welche Maßnahmen ergreifen Sie im Senat, um die notwendigen Kongresskapazitäten in der Zukunft und möglichst zeitnah sicherzustellen?
Frau Senatorin Yzer! Sie hatten jetzt das ICC erwähnt als Möglichkeit, dort zukünftig wieder Kongresse stattfinden zu lassen. Können Sie sagen, wann die Sanierung im bestmöglichen Fall dort begonnen werden kann? Wie viel Quadratmeter Kongressfläche werden dort dann auf jeden Fall zur Verfügung stehen können?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Evers, für die Vorrede! Auch ich freue mich heute über diesen Gesetzentwurf, den Sie als Koalitionsfraktionen vorlegen. Sie haben es erwähnt, wir reden in dieser Stadt schon sehr lange, ich glaube, seit 2006, darüber und wissen inzwischen wohl alle, welche positiven Auswirkungen ein solches Gesetz für die Geschäftsstraßeninitiativen in unserer Stadt haben kann.
Allerdings muss ich doch sagen, es hätte mich etwas mehr gefreut, wenn Sie sich etwas mehr an dem von uns vor elf Monaten vorgelegten Gesetzentwurf orientiert hätten, statt – wie man jetzt sieht – doch sehr stark an der Hamburger Vorlage. Wir haben uns auch sehr intensiv mit den Akteuren der Stadt auseinandergesetzt in Berlin und auch mit der besonderen Struktur dieser Stadt, von der wir denken, dass sie anders ist als beispielsweise in Hamburg, wie gesagt, was Sie als Vorlage nehmen. Auch wenn das Ziel beider Anträge das gleiche ist, Geschäftsstraßen ein Instrument an die Hand zu geben, das für mehr Chancengleichheit sorgen soll, das ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen stärken soll, das Trittbrettfahrertum vermeiden soll und letztlich auch eine finanzielle Planbarkeit schaffen soll, die Herangehensweise unserer beiden Entwürfe unterscheidet sich doch in Teilen deutlich.
Ihr heute vorliegender Entwurf für ein Gesetz zur Einführung von Immobilien und Standortgemeinschaften hat das Gemeinschaftliche leider nur im Titel stehen. Im Gesetzestext selbst finden sich bisher nur sehr dünne Ansätze, die gemeinschaftliches, partizipatives Handeln ernsthaft fördern.
Aus unserer Sicht ist es für Berlin notwendig, ein Gesetz zu schaffen, das ganz bewusst die vielen Berliner Kieze, die Sie eben auch erwähnt haben, Herr Evers, im Gesetz im Blick hat, das neben den großen Einkaufsstraßen mit ihren Filialisten die bunte Mischung von Gewerbe, Dienstleistungen, Gastronomie und Kultur fokussiert. Diese Vielfalt gilt es zu fördern, denn diese ist auch das, was Berlin zu einer besonderen Stadt macht, auf die die Welt nicht nur schaut, sondern bei der die Welt auch gerne persönlich und vor Ort einkauft.
Dabei, um das zu erreichen, um die Kieze mit diesem Gesetz zu erreichen, ist es unerlässlich, auch die An
(Stefan Evers)
wohnerinnen und Anwohner von vornherein mitzunehmen. Die einfache öffentliche Auslegung, die in Ihrem Gesetz vorgesehen ist, entspricht dabei nicht unserer Auffassung von umfassender Einbindung der Öffentlichkeit. Es ist doch nicht einfach lästige Pflichtaufgabe. Es ist eine Notwendigkeit und kann auch Bereicherung sein, von vornherein die Anwohnerinnen und Anwohner angemessen in die Planungen eines Innovationsbereichs oder BID oder BIG, wie Sie es nennen, einzubinden, –
Nein! – insbesondere, wenn diese in Wohn- bzw. Mischquartieren gegründet werden. Sie haben es selbst gesagt: Ihr Gesetz ist nicht nur für den Tauentzien und die Friedrichstraße da. In der Entwicklung des Handlungsinstruments dieses Gesetzes schlummert das Potenzial, Eigentümerinitiative hervorzulocken, und das nicht nur in reinen Geschäftsstraßen. Lassen Sie uns dieses Potenzial mit den Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt heben!
Sie sehen in Ihrem Gesetzentwurf einen sogenannten Lenkungsausschuss vor. Hier haben Sie Vertreter der Eigentümer, der Gewerbetreibenden, des Bezirks und der IHK drin. Planen Sie doch hier auch Vertreter örtlicher Bürgerinitiativen ein! Auch sollten die jeweiligen Bezirksverordnetenversammlungen angemessen eingebunden werden, und dies sollte man auch im Gesetz festschreiben. – Das ist wieder eine Besonderheit, die man im Hamburger Gesetz nicht finden konnte.
Was Sie, bisher zumindest, in Ihrem Gesetzentwurf auch ignorieren, sind die vielen anderen Programme insbesondere der Städtebauförderung, die in Berlin genutzt werden, wie aktive Zentren. Natürlich muss hier ein gut strukturierter Austausch mit den Akteuren im gleichen Gebiet stattfinden. Also auch das, denke ich, sollte man in den weiteren Beratungen verankern.
Ich hoffe und bin zuversichtlich, dass wir diesen Gesetzentwurf, dem bisher noch etwas Eigenständigkeit, Gestaltungswille und Gefühl für die Stadt fehlen, gemeinsam in den weiteren Beratungen noch etwas Berliner Luft einhauchen können. – In diesem Sinne erst einmal für heute: vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Lieber Kollege! Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich weiß es selbstverständlich sehr zu schätzen, dass in Ihrem Gesetzentwurf dieser in Deutschland einmalige Erörterungstermin drinsteht. Das ist schon mal ein erster Schritt. Dennoch bleibt er ohne ernsthafte Konsequenzen, und dass die Eigentümer angeschrieben werden, ist sowieso per se notwendig, weil anders die Eigentümer der Häuser einen entsprechenden „district“ gar nicht ablehnen könnten. Deshalb ist das nicht das, wofür ich die Fahne hochhängen würde. Ich denke, es ist sinnvoll, neben dem Erörterungstermin die Einbindung der Anwohnerschaft besser im Gesetz schon zu verankern und das Verfahren festzulegen, wie deren Anregungen eingebracht und aufgenommen werden.
Das Gleiche gilt für die BVV: Sie können ja hier sagen, dass die BVV natürlich berücksichtigt wird. Aber dann können wir es auch hineinschreiben. Ich denke, es macht Sinn, das hineinzuschreiben, damit die Verfahren und Zuständigkeiten von vorneherein eindeutig klar sind und nicht erst dann, wenn die ersten Gemeinschaften gegründet sind und man dann fragt: Jetzt müssen wir die BVV einbinden – wie machen wir das denn? Haben die denn ein Vetorecht oder was auch immer? – Klare Linien dort zu integrieren, macht Sinn, und wir können da vielleicht auch anhand unseres Entwurfs vom vergangenen Jahr den einen oder anderen Passus übernehmen. Wir haben uns ziemlich viele Gedanken gemacht und uns Mühe gegeben, wie man diese Einbindung klar definiert. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie das in Ihren Antrag übernehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat mit Blick auf die gerade eröffnete ITB und die sehr positiven Tourismuszahlen für Berlin, die letzte Woche veröffentlicht wurden: Welche
(Kurt Wansner)
Maßnahmen ergreifen Sie, damit auch kleine und mittelständische Hotels und Hostels sowie deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukünftig von dem Tourismusboom der Stadt besser profitieren können?
Ich finde es natürlich sehr interessant, dass Sie die Probleme, die zumindest von der DEHOGA für die kleinen Hotels genannt werden, nicht sehen oder nicht davon gehört haben. Dies gilt auch für die Mitarbeiterinnen. Das stand auch in der Zeitung. In diesem Zusammenhang möchte ich noch ein anderes Thema ansprechen. Die City-Tax wurde Anfang des Jahres eingeführt. Sehen Sie, abgesehen von den Hunden, die jetzt auch besteuert werden, besondere Auswirkungen auf die Hotellerie der Stadt?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Senatoren! Meine sehr geehrten Damen und Her
ren im Saal! Liebe Kinder! Es war einmal eine große, große Stadt.
In die kamen jedes Jahr über 50 Millionen Touristen. Denn diese große, wunderschöne Stadt war reich an Kultur, besonders viel freier Szene und überhaupt so vielen bunten Kiezen und vielen originellen Leuten. Überall in der Stadt entstanden in kürzester Zeit Tausende Hotelzimmer, ungezählte günstige Hostels für lustige, junge Leute aus aller Welt, und schicke Ferienwohnungen für Familien bunt verteilt quer durch die Stadt. Galerien, Clubs, legale und illegale Partyspots, Theater, Tanz, Kreative, Designer und Werkstätten zogen Touristen an aus aller Welt.
Die vielen Touristen haben die Stadt gierig gemacht. Also baute sie sich einen neuen Flughafen.
Der wurde zwar nie fertig, hat aber viele Hundert Millionen Euro gekostet.
Jetzt kommt es:
Darum führte die Stadt eine City-Tax ein. Alle Touristen müssen von nun an 5 Prozent des Zimmerpreises an die Stadt zahlen. Die Kreativen haben gerufen: Gebt uns auch etwas von dem Geld! Wir helfen euch, dass Berlin weiter attraktiv bleibt, damit für alle Zeiten viele Millionen Touristen weiter ihr Geld hier ausgeben. – Leider hat die Stadt das Geld der Touristen für ihren neuen Flughafen gebraucht und sich nicht umstimmen lassen. Die Mieten wurden teurer, viele Einwohner zogen weg, und statt bunter Kieze mit kreativen und attraktiven Leuten entstanden Bezirke mit einförmigen Häusern, voll grauer Hotelketten und fader Systemgastronomie. Nur noch ein Späti blieb übrig
zur Versorgung der Ferienwohnungen. Kulturelle Unterhaltung gab es nur noch zu festen Zeiten in großen Hallen an zentralen Orten, mit direkter U-Bahnanbindung und angeschlossen an Einkaufszentren.
Die ganzen 25 Millionen Euro aus der City-Tax flossen in die Brandschutzanlage des neuen Flughafens, der doch noch in Betrieb ging. Da das Interesse an der Stadt aber bald zurückging, wurde der Flughafen gar nicht mehr gebraucht. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann reisen sie jetzt alle in eine andere Stadt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Keine Sorge!
(Vizepräsident Andreas Gram)
Märchen werden nicht wahr, das wissen schon kleine Kinder. Das ist leider auch bei Ihrem Märchen von der City-Tax nicht anders. Sie haben 12,5 Millionen Euro versprochen für Kultur-, Sport- und Tourismusförderung. Was ist daraus geworden? – Nichts! „Differenziert“ nannte es vorhin der Regierende Bürgermeister, Herr Wowereit. Ja, da gibt es tatsächlich eine Differenz, und diese beträgt 12,5 Millionen Euro, die jetzt fehlen.
Sie haben Ihr Versprechen gebrochen und bringen damit auch die Akzeptanz und den Erfolg des heute hier vorliegenden Gesetzes über eine Übernachtungssteuer in Gefahr. Denn die Klagebereitschaft der Hoteliers haben Sie damit auf einen Höhepunkt geführt. Dabei könnte man die City-Tax zu einer echten Erfolgsgeschichte für die Stadt machen. Die Idee der City-Tax war es, eine Finanzierungsquelle zu erschließen, die direkt zurückfließt in die touristische Infrastruktur – auch der Bezirke – und vor allem auch in die Bereiche der Kulturszene, die maßgeblich zum touristischen Erfolg der Stadt beiträgt. Wie wir gestern erst der Presse entnehmen konnten: Jeder zweite Tourist kommt wegen der Kultur in die Stadt. Würdigen Sie das endlich einmal!
Stattdessen nutzen Sie jetzt die gute Idee zum Stopfen der Löcher Ihrer aussichtslosen Bauprojekte BER und Co. Weder Kultur- noch Tourismusförderung bekommen von Ihnen aus der City-Tax einen Cent zusätzlich. Denn nichts anderes bedeutet es doch, wenn Sie jetzt sagen, dass nur Einnahmen, die über 25 Millionen Euro jährlich hinausgehen, verteilt werden. Sie wissen genau so gut wie ich, dass in den kommenden zwei Jahren nicht damit zu rechnen ist, dass die Einnahmen aus der City-Tax 25 Millionen Euro überschreiten. Seien Sie einmal ehrlich!
Es ist längst sichtbar, dass Berlin etwas für die Stadtverträglichkeit des Tourismus tun muss. Alle sehen Handlungsbedarf, nur Sie nicht. Akzeptanzförderung, eine maßvolle Hotelentwicklung und die Sicherung der kulturellen Vielfalt, nur so ist auch eine langfristige, erfolgreiche touristische Entwicklung Berlins möglich. Die Attraktivität der Stadt und auch die inhabergeführten Übernachtungsbetriebe in der Stadt leiden schon jetzt unter Ihrer Untätigkeit, und Sie verschließen Ihre Ohren.
Das frage ich mich auch in den Ausschüssen. Wir machen dort Anhörungen. Aber warum machen wir die, wenn Sie die Anregungen daraus nicht mitnehmen? Warum zum Beispiel belasten Sie auch Kinder und Jugendliche auf Bildungsreise mit der Steuer? Für den Lehrer ist das quasi eine Geschäftsreise – da fällt die Steuer nicht an –, die Schüler als Lernende sollen zahlen. Das ist völlig unverständlich und nicht erklärbar. Das kritisieren wir scharf.
Wir kritisieren auch scharf, dass Sie die Branche in keiner Weise auf das nun schon in gut zwei Wochen in Kraft tretende Gesetz vorbereitet haben. Das ist unsäglich. Erst am 16. Dezember wollen Sie Informationen auf der Internetseite bereitstellen, das ist direkt vor den wichtigen Weihnachtsfeiertagen und vor Silvester.
Das ist nicht der richtige Stil, mit der Wirtschaft der Stadt umzugehen.
Sie muten der Wirtschaft etwas zu, was Sie der eigenen Verwaltung nicht zumuten. Wir haben das gestern beim Mindestlohngesetz gehört, da beträgt die Vorbereitungszeit zwei Monate, die gewährt werden. Die Wirtschaft aber muss das in zwei Wochen schaffen.
Nichtsdestotrotz freue ich mich heute, auch ganz persönlich, dass wir nun endlich nach jahrelanger Diskussion die Einführung einer City-Tax beschließen, auch wenn sie an einigen Ecken, wie ich ausgeführt habe, noch zu schleifen ist. Ich verbinde mit meiner Zustimmung die Hoffnung auf eine baldige Fortentwicklung des Gesetzes und seine Umsetzung. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen,
haben heute noch die Chance, gleich nachzubessern. Nehmen Sie unsere Änderungsanträge an, um Schüler zu entlasten, um die Einnahmen richtig zu verteilen, für Tourismusförderung und für eine vielfältige Kulturszene. – Danke schön!
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es stimmt ja, wir haben es heute auch schon mehrmals gehört, es gibt Branchen, die in Berlin sehr gut laufen. Aber diesen Erfolg können Sie sich nicht allein an die Brust heften.
Die IT-Branche funktioniert, weil es eine Menge sehr engagierter kreativer Leute in dieser Stadt gibt. Und beim Tourismus – das Wort ist heute auch schon mehrfach gefallen – können Sie zwar immer neue Übernachtungszahlen bejubeln, aber wem nutzen denn die Übernachtungen, wenn die Umsätze im Gastgewerbe faktisch sinken, wie die aktuellen Konjunkturdaten leider deutlich zeigen? 5 Prozent mehr Übernachtungen, aber 5 Prozent weniger Umsatz. Für mich ist das kein Grund zu jubeln.
Und die Branche, für die Sie einen dicken Masterplan haben, der eben schon erwähnt wurde, die Industrie verliert in Berlin weiter an Boden. Wie die Dominosteine brechen in Berlin Industriearbeitsplätze weg. Maßnahmen, das zu verhindern oder gar Neues zu akquirieren, finden entweder nicht statt oder laufen ins Leere. So ist z. B. der Topf zur Förderung von Einzelmaßnahmen der Industrieansiedlung von Ihnen rübergeschoben worden zu Visit Berlin, damit die neue Flugverbindungen für Berlin akquirieren. Also ganz ehrlich: Fällt Ihnen nichts Besseres zur Industrieansiedlung ein als neue Flugverbindungen? Das ist doch nicht Ihr Ernst, Frau Yzer. Sieht so Ihre Ansiedlungspolitik für Berlin aus?
Kein Wunder, dass Herr Wowereit das alles ganz großen Müll findet, was Sie aus dem Masterplan Industrie machen. Herr Jahnke war da noch harmlos. Er nennt das dann kritische Begleitung, was Herr Wowereit ganz großen Müll findet – auch interessant übrigens.
Ihre Ideen zur Industriepolitik fangen in Tegel an und hören bei der Elektromobilität auf. Dabei haben Sie selbst, Frau Yzer, doch mehrfach verbindliche Ziele angemahnt. Ich fordere Sie auf, uns heute zu erklären: Was sind diese Ziele, und wie wollen Sie diese erreichen?
Aber es gibt noch mehr Punkte, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, die Sie heute sozusagen im Blindflug beschließen werden. Oder liegt Ihnen ein Maßnahmenplan der bereits im Sommer fusionierten Berlin Partner TSB vor? Auch Ihr neuestes Projekt, das Stadtwerk, konnten Sie während der Haushaltsberatungen nicht konkretisieren, dabei sind doch Sie die Chefin. Ich hoffe, Sie können uns heute erklären, wie und mit welchen Mitteln Sie dieses umsetzen wollen.
Und wo ist das Sanierungskonzept für das ICC? Sie stellen kein Geld dafür in den Haushalt, sondern warten auf einen ominösen Partner, der das dann richten soll. Derweil zahlen Sie fleißig weiter jährlich knapp 12 Millionen Euro an die Messe Berlin. Dabei werden durch die Schließung des ICC über 4 Millionen Euro jährlich an Unterhalt gespart. Aber das haben ja dann auch die Haushaltsberatungen ans Licht gebracht: Die Zahlungen an die Messe Berlin können gar nicht abgesenkt werden, denn ohne diese wären die Kredite für den City-Cube nicht möglich. Ob mit oder ohne das ICC, das Land ist für
(Frank Jahnke)
viele Jahre gezwungen, weiter zu zahlen – eine sehr fragwürdige Kreditabsicherung.
Zu guter Letzt komme ich zur neuen EU-Förderperiode, die in nicht einmal drei Wochen startet. Sie wollten die Förderprogramme in der zweiten Jahreshälfte neu sortieren. Nichts davon ist bisher zu sehen. Statt hinter verschlossenen Türen einen OP-Entwurf zu stricken, der das Alte fortführt, nur mit weniger Etat, sollten Sie die Chance nutzen, mit der neuen Förderperiode auch neue Instrumente zu etablieren.
Doch um ernsthaft zu diskutieren, wohin die Förderpolitik des Landes will, braucht man natürlich auch eine Idee zur wirtschaftlichen Entwicklung dieser Stadt. In diesem Haushaltsplan ist davon jedoch nicht viel zu sehen. Frau Yzer! Sie sind uns und der Berliner Wirtschaft nach wie vor Ihr Konzept für Berlin schuldig, und wir fordern Sie auf, das heute nachzuholen. Mit klarer Fokussierung z. B. auf Green Economy und auf Zukunftstechnologien könnten Sie Berlin wirtschaftlich langfristig stärken und dabei nachhaltig Arbeitsplätze schaffen. Verspielen Sie diese Chance nicht! – Danke schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wie bewertet der Senat die Tatsache, dass die über eine Laufzeit von zehn Jahren abgeschlossenen Kreditverträge für den City-Cube nur durch die Aussicht auf Zahlungen des Landes Berlin an die Messe Berlin GmbH in Höhe von jährlich 10 Millionen Euro netto gewährt wurden und diese Kreditverträge sogar noch vor dem Abschluss der Grundlagenvereinbarung, die ohnehin nur für fünf Jahre zwischen dem Land Berlin und der Messe Berlin GmbH abgeschlossen wurde, unterschrieben wurden?
2. Haben die Vertreter des Berliner Senats im Aufsichtsrat der Messe Berlin GmbH oder in den Fachausschüssen des Aufsichtsrates von dieser Kreditvereinbarung Kenntnis erlangt oder sie gar gebilligt, in der die Messe Berlin GmbH Verpflichtungen eingeht, die weit über bestehende Vereinbarungen zwischen dem Land Berlin und der Messe hinaus gehen, und damit die Rechte des Haushaltsgesetzgebers einschränkt?
Frau Senatorin Yzer! Sie haben gerade ausgeführt, dass die Messe Berlin GmbH die Darlehen nicht nur wegen der jährlichen Zahlungen erhalten hat, sondern auch wegen anderer Gründe. Heute früh gab es eine Pressekonferenz der Messe Berlin GmbH, und da hat Herr Göke gesagt, die City-Cube-Finanzierung wäre aufgrund der guten Entwicklung der Messe auch ohne die Grundlagenvereinbarung und ohne die 10 Millionen Euro jährlich möglich. Teilen Sie diese Auffassung, und würden Sie vor diesem Hintergrund im kommenden Jahr eine Absenkung der Zahlungen vornehmen, weil wir ja vier Millionen Euro jährlich einsparen, wenn das ICC geschlossen wird?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Herrn Senator Nußbaum: Bisher gab es ja seitens Ihres Senats die Absicht, die Hälfte der Einnahmen aus der City-Tax, also geschätzte 12,5 Millionen Euro, für zusätzliche Maßnahmen in Kultur, Sport und Tourismusförderung zu investieren. Gestern wurde nun bekannt, dass die Koalitionsfraktionen nur noch die über 25 Millionen Euro hinausgehenden Einnahmen entsprechend verteilen möchten. Herr Nußbaum! Ich frage Sie: Mit wie viel Einnahmen über 25 Millionen Euro rechnen Sie denn jährlich, und wie viel würde davon geschätzt auf Kultur, Sport und Tourismus jeweils verteilt werden?
(Vizepräsident Andreas Gram)
Selbstverständlich! Also wenn ich mich jetzt an die Ansätze halten soll, dann heißt es, es gibt für jede dieser drei Gruppen Kultur, Sport und Tourismus jeweils 1 000 Euro, denn das ist das, was da drin steht. Gut, bin ich gespannt! Da hätte ich dann doch eine Nachfrage: Wie denken Sie denn dann, den Senatsbeschluss bezüglich eines Aufwuchses der Förderung der freien Szene der Kultur in Berlin umzusetzen? Mit diesen 1 000 Euro?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kreuzberg, dritter Hinterhof, ausrangierte Bürostühle, Montag bis Sonntag von 9 bis 9 und gerne auch länger – das klingt nicht sexy, kann aber ziemlich erfolgreich sein. So habe ich persönlich als zweite Mitarbeiterin 1999 ein Berliner Start-up hautnah erlebt. Das von den Samwer-Brüdern gegründete alando.de, das der Grund
stein ihrer Erfolgsgeschichte war, und heute mit Rocket Internet nicht nur Berlins wichtigster Internetinkubator, sondern auch weltweit die Nr.1 mit so bekannten Namen wie Zalando, Jamba und Home 24 ist. Wie so oft in der Szene üblich: Erst macht man mit, dann macht man es selbst. Also gründete ich wenige Monate später mit Freunden und Venture-Capital, das natürlich nicht aus Berlin stammte, ein eigenes Internet-Start-up. In dieser Zeit zwischen Pizzakartons und Investorengesprächen, im Wettlauf mit der Zeit gegen die internationale Konkurrenz und das Platzen der Dotcom-Blase, hätte ich mich mehr als gewundert, wenn Wolfgang Branoner, der damalige Wirtschaftssenator, sich meinen, unseren hart erarbeiteten Erfolg auf die Fahnen geschrieben hätte,
so, wie Sie es nämlich heute tun. Einen Vorgeschmack haben wir eben schon von Herrn Jahnke bekommen, vorhin noch jeweils fünf Minuten von Herrn Karge und Herrn Melzer. Ehrlich gesagt, Frau Yzer, von Ihnen erwarte ich heute auch nicht viel anderes in Ihrer Rede.
Diese erfolgreiche Entwicklung können Sie sich nicht zu eigen machen. Es sind die Samwers dieser Welt und jeder einzelne Kreative, jeder Gründer, der diese Stadt zur Hauptstadt der Start-ups in Deutschland gemacht hat und auch weiterhin hoffentlich zum Erfolg führen wird.
Es ist leider so, die Berliner Start-up-Szene hat überhaupt keine Erwartungen mehr an die Berliner Politik, sondern sagt mir wörtlich: Ach, wir kommen gut klar, Frau Ludwig, danke, auch trotz dieser Berliner Politik.
Berlin ist Deutschlands aktivste Gründermetropole, das haben wir schon gehört. Wir haben stabile Wachstumszahlen bei den Gründungen, und inzwischen wagen sich auch die einen oder anderen Wagniskapitalgeber mit einem Büro nach Berlin. Man kann ehrlich hoffen, dass diese Entwicklung auch nachhaltig für die Stadt ist. Doch es wird nicht reichen, hier zu stehen, sich über die Entwicklung zu freuen und einfach zu hoffen, dass alles so weitergeht wie bisher. Da hilft auch Ihre neue Broschüre „Digitale Wirtschaft in Berlin“ nicht wirklich weiter. Die Gründerszene braucht keine Liste mit Kontaktadressen – die finden sie alle im Internet –, die Berliner Start-upSzene braucht Vertrauen, echte Wertschätzung und eine Regierung, die schnell richtige Rahmenbedingungen schafft.