Protokoll der Sitzung vom 29.08.2013

Ich hoffe, dass wir jetzt nicht zu einer Gleichstellungskommission eingeladen werden.

Zum Haushalt selbst: Auch das ist alles kein Geheimnis. Nun kommen die Grünen um die Ecke mit einem Wohnungsbaufonds. Jetzt habe ich gehört, er soll im Jahr 65 Millionen Euro schwer sein. Das ist ja toll! Das ist eine sagenhafte Million mehr, als Rot-Schwarz schon längst verabredet hat. Ich finde das wirklich klasse, aber

(Joachim Esser)

es nimmt Ihnen keiner mehr ab, dass Sie es erfunden haben, das muss man auch mal sagen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Und diese Chimäre, die Sie da vor sich hertragen, der Fonds sei nicht ausfinanziert! Das sehen wir auch. Wir sehen: Cash 10 Millionen Euro im Jahr 1915. Und wir sehen: Der Rest ist Verpflichtungsermächtigung. Klar, das ist eine politische Debatte, die wir an dieser Stelle führen, aber wir machen nicht den Fehler, jetzt zu sagen: 118 Millionen Euro kommen cash herein, Ende der Haushaltsberatung! – Das ist totaler Quatsch, was Sie da erzählen! So kann es doch gar nicht funktionieren, Herr Kollege Esser!

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Fakt ist: Wir werden uns da verständigen, wir werden uns da in die Augen schauen, und wir werden zu einer plausiblen Lösung kommen, zu einem Angebot, das die Stadt in allen anderen Politikbereichen nicht leer ausgehen lässt. Das ist doch die Aufgabe! Sonst könnten wir es gleich machen wie bei dem Volksentscheid vorhin: Schmaler Fokus, ein Politikfeld und dort maximale Verschuldung bei null öffentlicher Kontrolle. Venceremos, und dann ist der Rest abgeschaltet. Parlament für ein Einzelunternehmen ist Ihre Vision. Da können wir aber nicht mitmachen, Herr Kollege Esser!

[Joachim Esser (GRÜNE): Ich verstehe das jetzt so, dass Sie den Titel ändern werden!]

Wir können uns gerne bilateral vor der Tür darüber austauschen. Ich glaube, das überspannt jetzt die Geduld der Kolleginnen und Kollegen.

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Ich habe klar gesagt, da haben wir Gesprächsbedarf, das ist verabredet, und da werden Sie vermutlich schon nächste Woche Ihr Waterloo erleben.

Nächster Punkt ist für uns die Strategie. Wir wollen keinen Schwerpunkt bei konsumtiven Aufwüchsen, aus Verantwortungsbewusstsein. Wir könnten es uns auch leicht machen und sagen: Beamte 3,5 Prozent. – Wer sind wir denn, dass wir das nicht wünschen und nicht wollen, aber wir sagen: So weit ist es nicht, so viel können wir nicht leisten. Deshalb müssen wir in der Regierungsverantwortung anders damit umgehen.

[Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Sie haben 3 Prozent verkündet, das wird sich auf allen Ebenen nicht durchhalten lassen.

Wir sagen: Investiver Schwerpunkt, das ist doch das, wo wir hingucken müssen, und da sind wir doch ganz nah beieinander. Schulsanierung 64 Millionen Euro, da müssen wir nachlegen, darüber müssen wir reden.

[Dr. Manuela Schmidt (LINKE): Zum dritten Mal vertagt!]

Ja, weil wir mitten in den Haushaltsberatungen sind. Das unterscheidet uns von Ihnen. Na klar, das ist doch unser eigener Antrag. Ich kann Ihnen genau sagen, warum wir das vertagt haben: weil wir sehen, dass die Spielräume nicht mehr das hergeben, was war, bevor der Zinstitel mit 200 Millionen Euro mehr als zuvor vom Senat selbst adressiert werden musste. Diese Spielräume hatten wir natürlich im Fokus und haben gedacht, da könnten wir mal schnell die Bezirke komplett freistellen, da könnten wir mal schnell unseren Wohnungsbaufonds und die anderen politischen Visionen, die wir hier diskutiert haben, komplett durchziehen. Aber so einfach geht das ganze Spiel nicht, weil wir es in die Gemengelage schieben müssen.

Tegel – ich sehe gerade den Kollegen Stroedter, er hat mich vorhin extra gebeten, hier vorne „Tegel“ zu sagen. Tegel ist eine Sache, bei der wir politischen Unterhaltungsbedarf haben. Kitasanierungsprogramm: 10 Millionen Euro. Und jetzt hoffe ich, um Gottes willen nichts zu vergessen. Ich will damit sagen, es gibt eine Vielzahl von Projekten, die wir in die politische Gewichtung bringen müssen. Wir können nicht einfach sagen: Wir wollen überall etwas drauftun, und dann sind wir die Heilsbringer. So kann doch Politik nicht funktionieren.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Joachim Esser (GRÜNE)]

Auch Ihre Kritik an der Verschuldung in unseren Landesbeteiligungen geht völlig an der Sache vorbei. Unsere Wohnungsbaugesellschaften schreiben eine schwarze Null nach Zinsdienst. Wir muten ihnen sicherlich nicht zu, diese Verschuldung unkontrolliert zu erhöhen. Aber wir sagen, sie müssen ihren Beitrag leisten. Und wir sagen ehrlicherweise: weil wir es aus dem Haushalt nicht komplett heben können. Das ist Ehrlichkeit. Sie gaukeln vor, das könnte man alles aus dem Haushalt finanzieren.

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Nächster Punkt: Rekommunalisierung. Das habe ich heute schon so oft gehört: Stadtwerke-Rekommunalisierung. Was für ein Quatsch! Rekommunalisierung heißt zurückerwerben, zurückerlangen. Was wird denn da zurückerlangt? – Gar nichts, das wissen Sie auch alle. – Was ist mit der Rekommunalisierung und mit Ihrem Standpunkt dazu? Haben Sie da eine Haltung? Was ist, wenn wir hier beim nächsten Mal zum Wasser kommen? Haben Sie sich dann korrigiert, oder wollen Sie das mit uns zurückerwerben, für mehrere 100 Millionen Euro weniger, als wir damals verausgabt haben? Da will ich mal etwas hören von Ihnen. Da werden Sie wieder irgendeine Ausrede finden: zu teuer oder zu sehr aus dem Unternehmen finanziert. Das habe ich schon gehört. Ich sage: Klar werden wir es aus dem Unternehmen finanzieren, ich schließe doch dafür keine Kita!

[Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Das ist doch Ihre Vision. So ein Quatsch!

[Joachim Esser (GRÜNE): Dann ändert sich nichts am Wasserpreis!]

Sicher, das ist auch so eine denkbare Ausrede! Ich sage: 400 Millionen Euro EBIT, das ist das Betriebsergebnis, wenn wir es zurückkaufen, und ich hoffe es sehr. Da können Sie die Wasserpreise noch zweimal senken, und ich habe als Haushälter immer noch ein großes Lächeln im Gesicht. Das ist die Wahrheit.

Ich will es jetzt nicht weiter in die Länge ziehen. Wir sind gerade am Beginn. Wir haben einen Senatsentwurf, den wir für plausibel halten. Wir haben einen Senatsentwurf, der die richtige Antwort gibt, weil er eben nicht diese allgemeinen Bestrebungen, dieses Lassez-faire hier durchgreifen lässt: Und da und dort noch ein bisschen!

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Laissez-faire!]

Wenn wir uns auf diesem Niveau verständigen wollen, Herr Fraktionsvorsitzender – ich bin sehr wohl auch in der Lage, Sie das eine oder andere Mal verbal zu korrigieren.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Wir helfen immer gern!]

Das ist sehr nett, dass Sie sich selbst mit „wir“ bezeichnen. Das machen wir ein bisschen anders.

[Lachen bei den PIRATEN]

Also: Wir sind jetzt in den Beratungen. All das, was hier angesprochen wurde, haben wir genauso auf dem Schirm. Wir werden bei den Bezirken miteinander reden, wir werden bei dem Thema Stadtwerke miteinander reden, wir werden über Tegel miteinander reden. Wir werden übrigens auch über Arbeitsmarktpolitik miteinander reden – damit das nicht in Vergessenheit gerät. Nur: Wir müssen es alles in eine Priorität schieben, wir müssen es am Ende zusammenpacken. Das wird uns allerdings gelingen. Und das wird uns deshalb gelingen, weil wir auf Sie nicht hören werden. Das ist der Punkt. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Lachen bei den GRÜNEN]

Danke schön! Für die Fraktion Die Linke jetzt Frau Dr. Schmidt! – Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben jetzt das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Schneider! Herr Nußbaum! Haushalt ist für mich keine Frage des Glaubens, sondern der Fakten. Fakten? Keine Leute? – Keine Leute! In einem Bezirk warten die Eltern inzwischen drei Monate auf das Elterngeld. In einem anderen Bezirk ist die Hortanmeldestelle zu Beginn des Schuljahrs wegen Personalmangels ge

schlossen worden. – Die Zahl der Asylsuchenden in Berlin steigt stetig an, und die Beschäftigten im Landesamt für Gesundheit und Soziales melden: Land unter!

Erna Mischke ist in Prenzlauer Berg geboren und wohnt schon seit fast 70 Jahren in ihrem Kiez. Nun kann sie die Miete nicht mehr bezahlen und muss ausziehen. Auch Izmir K. muss sich mit seiner Frau und seinen beiden Kindern eine andere Wohnung suchen, weil die Miete über den Richtwerten der Wohnaufwendungsverordnung liegt.

Paula, ein autistisches Kind, spielt im Kindergarten am liebsten mit Julia. Beide kommen jetzt zur Schule, doch nicht in dieselbe, denn die Inklusion muss erst einmal warten.

Emil Klattke – seit vielen Jahren sucht er Arbeit, doch jetzt sitzt er erst einmal im fünften Computerlehrgang. Eigentlich ist er Handwerker. Bis zur Rente ist es nicht mehr lange hin. Jetzt treibt ihn die Sorge, dass die Rente nicht reicht und er Grundsicherung braucht.

[Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

Es sind eben nicht nur Erna, Izmir, Paula und Emil, die einen Anspruch darauf haben, dass Senat und Koalition endlich Lösungen bieten, nicht Glauben, Fakten und Lösungen bieten.

[Beifall bei der LINKEN]

Welchen Plan hat der Senat? – Noch immer verfolgt er ausschließlich das Ziel, bis zum Jahr 2015 einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu realisieren. Die Begrenzung der Ausgaben, Zuwächse um die schon legendären, doch selten eingehaltenen 0,3 Prozent, die Stärkung der eigenen Einnahmekraft durch die erneute Anhebung der Grunderwerbssteuer, die Einführung der City-Tax, Anreize zur Anmeldung eines Hauptwohnsitzes bei Studierenden und flankierende Maßnahmen der Wirtschaftsförderung sind die Mittel und Wege, die der Senat – ganz und gar nicht überraschend – aus der Zauberkiste holt. Und dabei soll die erneute Anhebung der Grunderwerbsteuer nicht etwa die Spielräume für Entscheidungen erweitern, nein, es sollen die Auswirkungen des Zensus abgefedert werden. Wie oft denn nun noch, Herr Nußbaum?

Das bestimmende Element des Haushaltsentwurfs des Senats ist die fehlende Entschlusskraft, die sich insbesondere auf der Ausgabeseite zeigt. Entscheidungen werden nicht getroffen, im günstigsten Fall verschoben, was sich insbesondere in der Investitionsplanung zeigt. Die Bauinvestitionen der Hauptverwaltungen verharren auch in den kommenden Jahren auf dem Planungsniveau der Vergangenheit, also bei rund 160 Millionen Euro. Investive Zuschüsse an Dritte werden insgesamt leicht abgesenkt, im Bereich der Stadtentwicklungsverwaltung sogar deutlich: keine Neubeginner, ZLB und ICC nur mit symbolischen Beträgen, wieder keine Entscheidung. Die TVO soll bis Ende 2017 ganze 1,5 Millionen Euro Planungs

(Torsten Schneider)

mittel erfahren. Die notwendigen Investitionen im Krankenhausbereich finden sich weder im Haushaltsplan noch in der Investitionsplanung. Lediglich in den Hochbauinvestitionen der Bezirke werden deutliche Steigerungen sichtbar, die vor allem auf Schulneubauten zurückzuführen sind.

Doch nehmen wir die Bereiche, die für die Menschen der Stadt und ihre soziale Situation besonders drängend sind. Die Mietsteigerungen und fehlende, bezahlbare Wohnungen sind derzeit die zentral diskutierten politischen Themen der Stadt – mehrfach heute schon angesprochen. Im jetzt vorliegenden Beschluss des Senats ist in der Bauverwaltung ein entsprechender Titel gar nicht erst eingerichtet worden. Es bleibt lediglich der in der Zuständigkeit des Finanzsenators etatisierte Titel – Wohnungsbau neu, Wohnungsneubaufonds –, der – ganz überraschend – 2014 gar nichts, und 2015 10 Millionen Euro enthält. Aber wir haben ja heute gehört, dafür gibt es dann weniger Zinsbelastungen.

In der Arbeitsmarktförderung kommt es zum Einbruch. Die Ansätze für Zuwendungen und Zuschüsse gehen nochmals um 20 Millionen Euro, sogar um 24 Millionen Euro zurück. Im Vergleich zu 2011 werden die Mittel in 2015 faktisch halbiert sein. Frau Kolat hat keine Antworten auf die Instrumentenreform der Bundesagentur gefunden und reagiert kopflos. Zynisch ist die Bemerkung der Senatorin, dass der Verlust der 20 Millionen Euro so schlimm nicht sei, da sie ja das Geld im vergangenen Jahr ohnehin nicht ausgegeben habe.

Bei den geplanten Personalausgaben sind die Tarifabschlüsse, der Angleichungstarifvertrag und eine immerhin 2,5-prozentige Besoldungserhöhung einzelplankonkret eingearbeitet. Na, wenigstens das! Doch gleichzeitig bleibt es bei der Zielstellung eines Personalabbaus auf 100 000 VZÄs. Erneut gibt es nicht nur einzelplankonkrete pauschale Minderausgaben, sondern darüber hinaus eine zentral veranschlagte Minderausgabe für Personalausgaben in Höhe von 90 Millionen Euro, 95 Millionen Euro. Fakt ist auch hier: Der Senat erwartet, dass der Personalabbau mindestens weiter so voranschreitet wie bisher. Die auch erst ab 2015 eingestellten 10 Millionen Euro zusätzliche Mittel für Ausbildung werden ebenso wie die löbliche Erhöhung des Zuschusses für die Verwaltungsakademie oder die 100 000 Euro für eine Mobilitäts- und Qualifizierungsoffensive das Dilemma der Personalentwicklung nicht auflösen. Dazu bedarf es einer echten Neuausrichtung der Personalentwicklung und vor allem der Verabschiedung vom Primat der finanziellen Betrachtung. Übrigens heißt die neue Abteilung in der Finanzverwaltung „Personalpolitik des Landes Berlin“. Da ist zumindest klargestellt, wer künftig das Sagen hat.