Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

Mein Fazit: Dieser Antrag ist unnötig, wirkt isolierend, unterschwellig schuldzuweisend, und außerdem wäre es wahrscheinlich egal, wenn er tatsächlich angenommen wird, denn da steht nichts Konkretes drin, was der Senat tun muss. Insofern wird daraus nichts Konkretes resultieren.

Sie müssten dann bitte zum Ende kommen, Kollege!

Es schadet wahrscheinlich auch nichts, aber der Unterton darin, über den müssen wir noch einmal reden, Kollege Dregger.

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Danke schön, Kollege Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen und mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.3:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 21

Aufgaben und Struktur der Stadtwerke Berlin

Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1190

Ich habe den Antrag vorab an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen. Auch hier wieder fünf Minuten Redezeit pro Fraktion. Es beginnt der Kollege Schäfer für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte Herr Kollege, Sie haben das Wort!

Vielen Dank! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Land hat sich eine Energiewende vorgenommen, ein industrie- und wirtschaftspolitisches Großprojekt, das uns den Vorsprung auf Zukunftsmärkten sichern soll. Milliardeninvestitionen, Milliardenfördersummen

werden in den nächsten Jahren fließen. Herr Altmaier spricht von 1 Billion Euro. Nur minimal fließen diese Mittel bisher nach Berlin. Wir sind im Bundesländervergleich bei den erneuerbaren Energien auf dem letzten Platz, wir sind bei der Energieeffizienz selbst in den landeseigenen Gebäuden weit hinten. Wir denken deshalb, dass es eine Institution braucht, die mit wirtschaftlichem Eigeninteresse die Energiewende in Berlin vorantreibt.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Da geht es zum einen um klimafreundliche Erzeugung. Wenn wir allein die Potenziale des Landes nehmen, die Flächen des Landes für Windkraft, die wir auf den Stadtgütern, aber auch auf Deponien der BSR haben, die nicht mehr benutzt werden, wenn wir die Dachflächen nehmen, die wir für Solaranlagen als Potenzial haben, etwa auf oberirdischen U-Bahnhöfen, wenn wir uns angucken, was wir an biogenen Reststoffen energetisch verwerten können, Klärschlämme, Laub, Altholz, biogene Reststoffe aus der Müllsortierung, dann stellen wir fest, das sind jeweils große Mengen mit mehreren Hunderttausend Tonnen, kein Klein-Klein, sondern große Mengen. Der Dampf aus der Turbine der Müllverbrennungsanlage Ruhleben kommt dazu. Diese großen Mengen muss ein Stadtwerk bewegen und nicht fünf Windräder.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Bei der Energieeffizienz hat der Finanzsenator eben gesagt: Mehr Raum für Energieeinsparinvestitionen sieht er nicht im Haushalt. Deshalb wollen wir dem Stadtwerk diese Aufgabe übertragen, denn das Stadtwerk kann privates Kapitel für sich refinanzierende Investitionen gewinnen und kann damit die Energiewende hier in Berlin vorantreiben. Dieses Stadtwerk kann als landeseigener Contractor wirken, das für das Land, die Bezirke, für landeseigene Unternehmen Contractingaufgaben wahrnimmt und dafür sehr günstige Konditionen anbietet. Da geht es um Wärmepumpen, da geht es aber auch um Dämmung, um Blockheizkraftwerke, die Kerne für dezentrale Wärmenetze werden.

Das sind große Aufgaben. So kann ein starkes Stadtwerk entstehen, das Strom und Wärme für mehrere Hunderttausend Haushalte hier in Berlin produziert, aus Reststoffen, die das Land ohnehin hat und bisher nicht nutzt. Das ist kein unternehmerisches Abenteuer, Herr Melzer, das ist allein die Hausaufgaben des Landes machen. Für so ein Stadtwerkskonzept, für so ein starkes Stadtwerk, glaube ich, könnte man ruhig einmal einen Koalitionskrach wagen. Das wäre einen Koalitionskrach wert,

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

denn da geht es um eine halbe Milliarde Euro Investitionen, die innerhalb von vier Jahren angestoßen werden.

Aber was hat der Koalitionsausschuss gerade beschlossen? Wir wissen es nicht. Wir wissen aber, worüber er

(Fabio Reinhardt)

sich gestritten hat: über ein Konzept von Herrn Müller. Das ist ein Stadtwerk, das so aussieht: Es gibt fünf Windräder, die in den nächsten zwei Jahren gebaut werden, und es gibt einen landeseigenen Stromhändler, der noch nicht einmal diesen Windstrom verkauft, sondern irgendwelchen anderen Strom, der an der Börse gekauft und dann mit Landeswappen weiterverkauft wird. Denn die Windräder produzieren natürlich Strom, der nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vergütet wird und deshalb nicht an Kunden des Stadtwerks verkauft werden kann. Das heißt hier 100 Prozent landeseigener Stromhandel. So ein Quatsch!

[Daniel Buchholz (SPD): Das ist Unsinn!]

Und was für ein Schaukampf! Denn im Grunde sind Sie sich doch einig bei CDU und SPD: Sie wollen kein Stadtwerk! Sie wollen ein Mikrostadtwerk bauen, damit Sie dem Energietisch ein bisschen Wind aus den Segeln nehmen.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ich bitte Sie: 1,5 Millionen Euro im Haushalt; das kostet die Verzögerung der BER-Fertigstellung pro Tag. Das wollen Sie im Jahr investieren. Das ist doch ein schlechter Witz.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ich möchte noch etwas sagen, Herr Melzer: Auch Ihre Wähler wollen nach Umfragen mehrheitlich dem Volksentscheid zustimmen. Auch Sie sind, glaube ich, in der Verantwortung, sich Gedanken zu machen, wie man hier ein starkes Stadtwerk baut. Herr Müller hat es nicht hingekriegt, aber Sie haben es bisher auch nicht hingekriegt. Da, denke ich, muss die Koalition nacharbeiten. Denn wenn Sie dem Volksbegehren den Wind aus den Segeln nehmen wollen – mit einem Mikrostadtwerk wird Ihnen das nicht gelingen. So dumm sind die Berlinerinnen und Berliner nicht.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Ich glaube, es ist immer noch nicht zu spät. Wir bitten Sie sehr um eine ernsthafte Beratung dieses Antrags. Es geht hier um Potenziale, die das Land einfach hat, und es wäre unklug, wenn wir sie weiter nicht nutzen würden. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Schäfer! – Für die Fraktion der SPD hat der Kollege Buchholz das Wort. – Bitte schön, Herr Kollege!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen, meine Herren! Herr Schäfer! Laut gebrüllt, aber von dem Inhalt doch wieder ganz wenig, was wir als Abgeordnetenhaus wirklich mitnehmen können – wie so oft an der Stelle. Stichwort Stadtwerk für das Bundesland Berlin: Ich kann Ihnen versichern, es gab gerade eine Einigung. Es ist ja kein Geheimnis, dass der Koalitionsausschuss sich getroffen hat. Und es wird bei der nächsten Plenarsitzung dazu hier die Verabschiedung geben. Da werden wir sowohl den Gesetzesantrag beschließen können – –

[Zurufe von den GRÜNEN und den PIRATEN]

Bleiben Sie doch erst mal ruhig, ich dachte, Sie wollten erst mal hören, was passiert ist! Wenn Sie es noch gar nicht wissen, aber schon urteilen können, ist das vielleicht ein bisschen voreilig. Aber so sind Sie dann halt von der Opposition. Das kann man dann auch nicht ändern. – Also, wir haben uns verabredet, in der nächsten Plenarsitzung die Anträge, die Sie kennen, vom Dezember letzten Jahres aufzurufen, und zwar sowohl die Veränderung des Betriebe-Gesetzes für das Stadtwerk als auch die Satzung für unser Stadtwerk. Und da bitte ich auch, Herr Schäfer, bleiben Sie mal ein bisschen ehrlich und auf dem Teppich. Diesen Antrag können Sie auch lesen. Ich zitiere daraus sehr gerne.

Aufgabe des Unternehmens ist es, ausschließlich erneuerbare Energie zu produzieren und solche Energie am Markt zu vertreiben.

völlig ohne Zweifel –

Ausgeschlossen ist die Produktion und der Vertrieb von Strom aus Atom- und Kohlekraftwerken. Für einen Übergangszeitraum darf auch selbstproduzierter Strom aus dezentralen Kraft-WärmeKopplungsanlagen vertrieben werden.

Selbstverständlich ist Aufgabe eines Öko-Stadtwerks, wenn man es braucht, wenn wir es gründen – und das werden wir tun –, Förderung von Energieeffizienz, Energiesparmaßnahmen in der Stadt voranzubringen, und zwar sowohl bei Privaten als auch bei Öffentlichen, natürlich auch die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die Senkung des Energieverbrauchs im Allgemeinen, und das alles bei beispielgebender Transparenz, und das alles mit einem obligatorischen Beirat, wo wir auch Bürgerinnen und Bürger reinsetzen können. Das ist der Vorschlag dieser Koalition.

In einem unterscheiden wir uns vielleicht doch. Wir sagen: Dieses Stadtwerk muss sich nach kaufmännischen Grundsätzen aufstellen. Es kann nicht sein, dass wir ein Millionengrab – Sie haben andere gerade angesprochen – schaffen. Wir wollen eben keinen dauerhaften Zuschussbetrieb. Wir wollen ein selbständig wirtschaftlich erfolgreich am Markt handelndes Ökostadtwerk, das die Kunden begeistert, das die Stadt begeistert und einen echten Mehrwert für die Stadt bietet.

(Michael Schäfer)

[Vereinzelter Beifall bei der SPD – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das fällt euch nach dem Flughafen ein!]

Und das unterscheidet uns.

[Zuruf von Michael Schäfer (GRÜNE)]

Sie wissen zum Beispiel, Herr Schäfer, dann müssen Sie auch mal ehrlich sein, Ihren Antrag mal so lesen, wie er hier steht. Bei Ihnen steht, ich zitiere:

b) Struktur

Die Berliner Energieagentur BEA soll Kern des Stadtwerks sein.

Aha. Haben Sie denn mal mit Vattenfall und mit GASAG gesprochen? – Wir haben das getan. Natürlich wäre die BEA ein hervorragender Nukleus für ein Berliner Stadtwerk. Es gibt nur ein ganz kleines praktisches Problem: Sowohl die Vattenfall AG als auch die GASAG sagen, sie wollen ihre Anteile nicht auf null Prozent reduzieren. Das ist bekannt, Herr Schäfer. Das können wir noch fünfmal beschließen, Sie hätten es gern anders. Nur weil die Grünen irgendetwas vorschlagen, heißt das nicht, dass die privat geführten Firmen sich das alles anders überlegen. Und da frage ich mich, wo leben Sie, an der Stelle. Wir sagen ganz klar als Koalition: Das wird entweder ein neues, eigenständiges Unternehmen oder – und die Chance haben wir erst, obwohl Sie nicht zugestimmt haben, mit dem Rückkauf der Wasserbetriebe – Tochter der Berliner Wasserbetriebe. Das wäre beides sehr vernünftig und eine sehr gute Lösung.