Protokoll der Sitzung vom 26.09.2013

lfd. Nr. 13:

Zusammenstellung der vom Senat vorgelegten Rechtsverordnungen

Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Absatz 3 der Verfassung von Berlin Drucksache 17/1188

Die Verordnung wurde hiermit zur Kenntnis genommen.

Ich komme nun zur

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

lfd. Nr. 14:

Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Erzieher/-innen/berufs und des Berufs als Kindheitspädagogin bzw. Kindheitspädagoge

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1138

Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, dass Redemanuskripte zu Protokoll gegeben werden können. Dazu haben Sie jetzt die Gelegenheit.

Berlin leidet unter chronischem Erziehermangel. Dafür mag es verschiedene Gründe geben, unter anderem aber auch den, dass das Berufsbild Erzieher nicht zu den TopTraumberufen von Jugendlichen gehört. Aufgrund dessen hat sich die Piratenfraktion darüber Gedanken gemacht, wie man diesen Beruf des Erziehers oder des Kindheitspädagogen attraktiver gestalten kann.

Die Bezahlung: Erzieher erhalten lediglich 2 200€ brutto für einen echten Knochenjob. Welche Aufgaben auf einen Erzieher zukommen, habe ich Ihnen in einer meiner vergangenen Plenarreden zu „Kitaausbau nur mit Qualität“ bereits dargelegt. Es geht hier um die Kinder der Berliner, der Menschen, für die wir in diesem Haus sitzen. Es geht darum, mit wem sie ihren Tag verbringen und wie dieser gestaltet wird. Ebenfalls gilt dabei auch zu beachten, dass mit dem Berliner Bildungsprogramm ein Bildungsauftrag erfüllt wird. Zudem sind die Voraussetzungen, um die Berufsausbildung des Erziehers anzutreten, gleichzusetzen mit denen für ein Hochschulstudium. Als studierter Kindheitspädagoge übt man diese Tätigkeit mit akademischem Grad aus. Eine Angleichung des Gehalts an das von Grundschullehrern ist daher durchaus gerecht.

Die Ausbildung: Doch was nützt das bessere Gehalt, wenn die Möglichkeit, den Beruf des Erziehers oder des Kindheitspädagogen zu erlernen, nicht gegeben ist? Aus diesem Grund braucht Berlin so viele, wenn nicht sogar etwas mehr Ausbildungsplätze, sodass der Bedarf an benötigten Erziehern gedeckt ist, mehr Plätze, da einige Erzieher und Kindheitspädagogen schlussendlich gar nicht in der Kinderbetreuung arbeiten oder in ein anderes Bundesland auswandern. Nun stellt sich aber die Frage: Woher diese ganzen Jugendlichen nehmen, die diese Ausbildung dann auch antreten sollen? Ganz einfach: Motivieren und aufklären und das Berufsbild haptischer machen! Zudem müssen wir auch andere Angebote nutzen. Im Petitionsausschuss erhalten wir immer wieder Zuschriften von Erziehern, die im Ausland ihre Ausbildung gemacht haben und nun hier in einer Kita arbeiten möchten, dies allerdings nicht nur als Aushilfskraft sondern als anerkannte Erzieher. Sie berichten, dass ihnen dieser Wunsch immer wieder schwergemacht wird. Hier müssen wir als Land Berlin den Menschen unter die Ar

me greifen. Deshalb müssen entsprechende Anerkennungen des Erzieherberufs gefördert werden. Weiterbildungsmaßnahmen, um dies zu erreichen, wären ebenfalls wünschenswert.

Hierarchie: In den vergangenen Plenardebatten haben wir immer wieder festgestellt, dass ein Bereich, der viele Erzieher in Ihrem Beruf unglücklich macht, auch die fehlenden Aufstiegschancen sind. Die einzige Möglichkeit, die besteht, ist schlussendlich die Kitaleitung. Dies hat aber weniger mit einer Berufsausübung am Kind zu tun als mit kaufmännischer Tätigkeit. Wenn jeder Mitarbeiter der Kita für bestimmte Punkte des Berliner Bildungsprogramms zuständig ist, so kann das Kind bestmöglich gefördert werden.

Personalschlüssel verbessern: Durch die Anrechnung von Quereinsteigern und Auszubildenden wird der Personalschlüssel für die Kinderbetreuung künstlich verkleinert. Das ist nicht im Sinne der Familien, der Kinderbetreuungseinrichtungen und vor allem auch nicht im Sinne der Kinder. Quereinsteiger und Azubis bieten aber dennoch einen wichtigen Bereich in der Kinderbetreuung. Durch sie wird der Horizont der Kinder erweitert und die Aufschlüsselung von Kind auf erwachsene Person sinkt. Durch einen angepassten Personalschlüssel, in dem Auszubildende und Quereinsteiger nicht auf die Erzieheranzahl angerechnet werden, bleibt auch mehr Zeit, um dem Bildungsauftrag wirklich nachzukommen. Die Förderung des Kindes muss im Mittelpunkt stehen und nicht die Aufbewahrung.

Wir sind uns einig, dass zügig Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Attraktivität des Erzieher/-innenberufs und des Berufs als Kindheitspädagogin bzw. Kindheitspädagoge zu steigern, wenn wir langfristig genug Menschen für diese Berufe gewinnen wollen, um den herrschenden Fachkräftemangel abzubauen. Dazu gehören ausreichende Ausbildungsmöglichkeiten, gute Arbeitsbedingungen, eine deutlich bessere Bezahlung und eine der Tätigkeit und ihrer Bedeutung für die Entwicklung der Kinder angemessene gesellschaftliche Wertschätzung. Auch eine Anlauf- und Beratungsstelle für Quereinsteiger/-innen haben Bündnis 90/Die Grünen bereits selbst gefordert. Daneben fordern wir modulare Ausbildungsgänge für Quereinsteiger/-innen, um Vorkenntnisse besser nutzen zu können. Wir würden uns allerdings einer dem Ausbildungsstand angemessenen, sich langsam steigernden Teilanrechnungsmöglichkeit auf den Personalschlüssel nicht verweigern, da ohne Anreize für die Kitaträger diese Ausbildungsform nicht erfolgreich sein kann.

Was wir allerdings nicht für sinnvoll halten, ist die Aufsplitterung von Tätigkeiten nach den unterschiedlichen Ausbildungen der Fachkräfte: niedere Dienste für die

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

Quereinsteiger/-innen, normale für die Erzieher/-innen und Aufsichtstätigkeiten für die akademisch gebildeten Fachkräfte. Die Erziehung und Förderung der Kinder kann nur in einem lebensweltlichen Alltagskontext stattfinden. Da findet Sprachförderung selbstverständlich auch beim Wickeln und beim Essen statt, und die Beobachtung der Kinder und die qualifizierte Einschätzung ihrer Entwicklungsschritte sind elementare Voraussetzungen für eine gezielte Förderung. Deshalb halten wir eine Trennung der Aufgaben nicht für zielführend, sondern wünschen uns multiprofessionelle Teams, deren Mitglieder sich gegenseitig stärken.

Wir teilen viele Intentionen des Antrages, über einige müssen wir uns aber noch einmal unterhalten. Dies sollten wir allerdings möglichst bald im Ausschuss tun, damit Veränderungen zügig eingeleitet werden, denn der Fachkräftemangel wird sonst alle Pläne für ausreichende Kitaplätze ohne Qualitätseinbußen für alle Kinder in Berlin zunichtemachen.

Auch ich gebe heute eine Rede zu Protokoll zum Antrag unter der Überschrift: „Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Erzieher/-innenberufs und des Berufs als Kindheitspädagogin bzw. Kindheitspädagoge“.

Die bundesweite Steigerung der Anzahl der Betreuungsplätze für Kinder in den ersten drei Lebensjahren in den letzten Jahren hat auch in Berlin gravierende Auswirkungen. Der Kitaausbau wurde durch ein großzügig finanziertes Bundesprogramm der unionsgeführten Bundesregierung gefördert. So stellt der Bund den Ländern bis 2014 insgesamt 5,4 Milliarden Euro zur Verfügung, um zusätzliche Plätze in Kitas zu schaffen und ihren Betrieb zu finanzieren. Auch die rot-schwarze Berliner Koalition hat mit dem Landesausbauprogramm finanziell viel dazu beigetragen: Allein 20 Millionen Euro stellt Berlin in den Jahren 2012 und 2013 für den bedarfsgerechten Ausbau des Berliner Kitaangebots zur Verfügung, und im kommenden Haushalt 2014/2015 werden wieder erhebliche Mittel dafür eingestellt sein. Besonders positiv an dieser Entwicklung ist die bessere Deckung des Bedarfs an Betreuungsplätzen für die Familien. Z. B. wird Kinder zu haben und beruflich tätig zu sein leichter miteinander vereinbar. Besonders schwierig in dieser Situation ist die Gewinnung von genügend Fachkräften. Das ist in Berlin bisher ordentlich gelungen. Aber allen Fraktionen und auch dem Senat dürfte es bewusst sein, dass es nicht einfach war und ist, eine ausreichende Anzahl von gut qualifizierten Erziehern für eine Tätigkeit in den Kindertagesstätten zu gewinnen. Das ist aber kein spezielles Berliner Problem, sondern diese Herausforderungen gibt es in allen Bundesländern.

Diese Herausforderung muss und wird auch in Berlin angenommen werden. Eine einfache Lösung gibt es nicht. Insoweit freuen wir uns, dass auch im vorliegenden An

trag eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten thematisiert wird. Aber schon heute muss ich mitteilen, dass ich die eine oder andere von den vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten nicht für zielführend halte. Genannt sei hier schon die geforderte Anhebung des Gehaltes der Erzieherinnen und Erzieher auf das Gehaltsniveau der Grundschullehrer. Auch wenn frühkindliche Bildung einen wichtigen Aspekt in Kindertagesstätten darstellt, so sieht die CDU-Fraktion es als unabdingbar an, dass Lehrerinnen und Lehrer besser qualifiziert und demzufolge auch besser bezahlt sein müssen als Erzieherinnen und Erzieher. Daneben halten wir eine solche massive und breite Anhebung des Gehaltsniveaus für nicht finanzierbar.

Gerne sollten wir umsetzbare Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Erzieherberufs im Rahmen des Fachausschusses besprechen, um zu vertretbaren Lösungen zu kommen. Ich danke der Piratenfraktion, dass sie durch diesen Antrag einen Anreiz zur Behandlung eines wichtigen Themas im Ausschuss gegeben hat. Aber das Thema Steigerung der Attraktivität des Erzieherberufs muss im tatsächlich umsetzbaren Rahmen vertieft und auf einer realisierbaren Ebene besprochen werden.

Stellen Sie sich bitte ein Berliner Kind vor, es ist ungefähr sechs Jahre alt: Dieses Kind hat einen Kindergartenplatz in einer kommunalen Kita, vielleicht in der Fröbelstraße. Es verbringt dort den Tag, wird von einer Erzieherin betreut. Sie strukturiert den Tag mit dem Kind, sie musizieren gemeinsam und machen Sport. Der Umgang mit Papier und Stiften wird geübt, ebenso mit Farben. Die Zahlen werden erforscht, Mengen und Größen werden verglichen. Besonders achtet die Erzieherin auf die Sprache des Kindes, führt gemeinsam mit ihm ein Sprachlerntagebuch. Sie hält den Kontakt zu den Eltern, und alles was die Erzieherin tut, wird dokumentiert.

Nun wird das Kind eingeschult. Die Schule befindet sich möglicherweise nur ein Gebäude weiter. Auch hier gibt es eine Frau – höchstwahrscheinlich eine Frau –, die den Tag mit dem Kind verbringt; ihn strukturiert – eine Lehrerin. Sie wird mit dem Kind musizieren und Sport machen. Sie werden Schreiben üben und Zählen und Rechnen. Die Sprachkompetenz des Kindes ist ihr wichtig, es gibt Elternsprechstunden und ein Klassenbuch fürs Dokumentieren.

Es ist ein und dasselbe Kind, und wie es den Tag verbringt, ist recht ähnlich. Völlig unterschiedlich ist aber die Bezahlung der beiden Frauen, je nachdem, welches Schild an der Tür hängt. Im Kindergarten bekommt die Erzieherin monatlich ca. 2 300 Euro brutto. Vielleicht nur ein Haus weiter, in der Schule, verdient die Lehrerin fast das Doppelte. Inhaltlich ist dieser enorme Gehaltsunterschied nicht zu erklären, die Lehrerin arbeitet nicht doppelt so lange, der Lärmpegel in der Schule ist nicht doppelt so hoch. Dieser Gehaltsunterschied erklärt aber unter

(Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE))

anderem das Problem, junge Fachkräfte in den Kitas zu halten, und den permanenten Personalmangel trotz aller Möglichkeiten des Quereinstiegs und der erweiterten Ausbildungskapazitäten. Der Personalmangel bleibt und wird mit dem im August neu hinzugekommenen Rechtsanspruch auf Betreuung nicht besser. Mit dem Fortschreiten des Kitaplatzausbaus wachsen natürlich die Probleme, Fachkräfte zu finden, mit, wächst die Arbeitsbelastung für Mentorinnen und Auszubildende in der Berufsbegleitung, bleibt das Problem zu weniger Perspektiven für die berufliche Weiterentwicklung für Kitaerzieherinnen, bleibt das Problem der zunehmenden gesundheitlichen Belastung und bleibt das Problem der unangemessen niedrigen Bezahlung.

Was wir also schnell brauchen, sind kreative Ideen, um diese Bezahlung leistungsgerecht zu verbessern. Genau wie die meisten Kinder gehen nämlich auch die meisten Erzieherinnen ausgesprochen gern in die Kita – also zur Arbeit. Sie sind motiviert, übernehmen Verantwortung, und viele von ihnen sagen, einen Traumberuf zu haben. Es wäre ein Jammer, dieses Potenzial zu verschenken. Ich freue mich deshalb über die Initiative der Kollegin Graf und der Piratenfraktion, mit diesem Antrag, der ja sehr umfassend ist, das Thema Kindergärten und Jugendhilfe weiterzuverfolgen. Einige Aspekte, wie die Verbesserung der Gehaltsstruktur oder die verstärkte Werbung für den Erzieher/-innenberuf bei jungen Menschen in Schulen und Jugendeinrichtungen, teilen wir. Von den zahllosen vorliegenden Vorschlägen und Empfehlungen auch aus Experten- und Expertinnenkreisen und von Gewerkschaften sind, denke ich, dies zwei Punkte, bei denen wir hier auf Landesebene gut ansetzen können. Fakt ist, wer über die Kinder in den Berliner Kitas, über weiterhin gute Förderung und Betreuung nachdenkt, muss immer gleichzeitig auch über die Menschen, die dort die Arbeit leisten, nachdenken. Ich hoffe sehr, dass wir im Ausschuss gute Ideen entwickeln, damit die Erzieherinnen und auch die Berliner Kinder weiter gern in die Kitas gehen.

Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 15 bis 19 stehen auf der konsensliste. Tagesordnungspunkt 20 war Priorität der Fraktion der CDU unter Punkt 4.2. Der Tagesordnungspunkt 21 war Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter Nr. 4.3.

Meine Damen und Herren! Das war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste, das ist dann die 37. Sitzung, findet am Donnerstag, dem 24. Oktober um 13 Uhr statt.

Die Sitzung ist geschlossen. Schöne Herbstferien!

[Schluss der Sitzung 20.48 Uhr]

(Katrin Möller (LINKE))

Anlage 1

Konsensliste

Vorbehaltlich von sich im Laufe der Plenarsitzung ergebenden Änderungen haben Ältestenrat und Geschäftsführer der Fraktionen vor der Sitzung empfohlen, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 10:

Karnevalsfonds einrichten

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten vom 2. September 2013 Drucksache 17/1154

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0677

vertagt

Lfd. Nr. 15:

Elektronisches Amtsblatt für alle

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1176

an Recht und Haupt

Lfd. Nr. 16: