Dieser Punkt soll heute vertagt werden. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.
Tagesordnungspunkt 13 ist bereits in Verbindung mit der Priorität der SPD-Fraktion unter Nr. 4.4 behandelt worden. Punkt 14 der Tagesordnung steht auf der Konsensliste. Tagesordnungspunkt 15 ist als Priorität der Fraktion Die Linke unter Nr. 4.2 behandelt worden.
Eine Beratung ist nicht mehr vorgesehen. Zum Antrag Drucksache 17/1131 empfiehlt der Rechtsausschuss einstimmig – mit allen Fraktionen – die Annahme. Wer dem Antrag also zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der CDU, von Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion, die Piratenfraktion und der fraktionslose Abgeordnete. Gegenstimmen? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? – Ich sehe auch keine Enthaltungen. Dann ist das so einstimmig angenommen.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 16. Oktober 2013 Drucksache 17/1254
Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat der Abgeordnete Behrendt. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Antikorruptionsorganisation Transparency International hat vorgestern eine Untersuchung vorgestellt. Sie haben den Schutzstandard für Whistleblower in allen europäischen Ländern untersucht und haben das miteinander verglichen. Also: Inwieweit können Whistleblower voraussehen, wenn sie auf Missstände hinweisen, ob das erlaubt ist, ob das nicht erlaubt ist, inwieweit funktioniert der gerichtliche Rechtsschutz, inwieweit können sie sich an staatliche Stellen wenden, inwieweit können sie ihren Arbeitsplatz erhalten usw.? Sie haben den Schutzstandard in allen europäischen Ländern verglichen und kommen in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Deutschland, was den Schutzstandard für Whistleblower angeht, nur im Mittelfeld liegt.
Wir Grünen sind der Meinung, da geht mehr. Wir Grünen sind der Meinung, da muss mehr passieren. Das sind Menschen, die unseren Schutz brauchen und die unseren Schutz benötigen. Dort muss gesetzgeberisch etwas getan werden. Wir wollen uns gerne mit diesem Antrag, auch mit anderen Initiativen, aus dem Mittelfeld an die Spitze
der europäischen Länder setzen. Und wir wollen sagen: Whistleblower genießen den Schutz der Gesellschaft, Whistleblower genießen den Schutz der Parlamente und auch der Gesetze und werden auch von deutschen Gerichten geschützt.
Sehr betrüblich ist, wie der Antrag in der Ausschussberatung behandelt wurde. Die CDU hat sich vor allem der interessanten Frage zugewandt, ob es denn richtig ist, die weibliche Form des Whistleblowings in der Überschrift dieses Antrags in dieser Art und Weise zu schreiben, oder aber, ob das womöglich grammatikalisch falsch ist.
Das ist erbärmlich, Kollege! Sie lassen deutlich erkennen, dass es Ihnen völlig egal ist, was Menschen, die sich Whistleblowing überlegen, an inneren Anspannungen durchmachen, was für Abwägungen die durchmachen, wie schlecht es denen geht, wie die immer wieder damit hadern, wie sie mit den wahrgenommenen Missständen umgehen, ob sie denn tatsächlich den Weg an die Vorgesetzten, an die Öffentlichkeit, an die Staatsanwaltschaft gehen. Diese Gewissensnot karikieren Sie hier in einer völlig unangemessenen Art und Weise, wenn Sie sich nur darüber Gedanken machen, wie man Whistleblowerinnen nennt.
Nicht viel besser war es mit den Kollegen der Sozialdemokratie. Kollege Kohlmeier hat ja hier in der ersten Runde und auch im Ausschuss schon wieder gesagt, er wisse gar nicht, worüber wir überhaupt reden, er wisse gar nicht, wie er dieses Phänomen eingrenzen möchte. Da empfehle ich einmal die Lektüre des SPD-Bundestagsvorschlags. Die SPD hat im Bundestag einen Gesetzentwurf zum besseren Schutz von Whistleblowern vorgelegt, mit sehr ordentlichen Definitionen. Da ist vernünftig definiert, worum es eigentlich geht und warum hier die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eines besseren Schutzes bedürfen. Es ist wirklich abenteuerlich, in welcher Art und Weise Sie sich über diese Bedenken und Vorschläge der eigenen Bundestagsfraktion hinwegsetzen und unser Anliegen „Whistleblower besser schützen“ hier karikiert haben.
Wir sind der Meinung, es ist überfällig, dass man die deutsche Phalanx der Abwiegler und der weiteren Geheimhalter hier einmal aufbricht. Es ist eben nicht richtig, dass alles im Unternehmen zu bleiben hat. Wenn das so wäre, dann hätten wir in den letzten Jahren eben nicht erfahren, wie die Missstände in der Altenpflege in Charité-Einrichtungen sind, dann hätten wir nicht vom Gammelfleischskandal erfahren, weil nämlich dort mutige Whistleblowerinnen und Whistleblower den Weg nach außen gesucht hätten. Das wäre alles mit dem Mantel des
Schweigens abgedeckt worden. Wir haben einen neuen Lebensmittelskandal heute in Niedersachsen, wo auch die Arbeiter unter Inkaufnahme erheblicher Risiken und Nachteile nach außen gegangen sind und gesagt haben: Das kann nicht richtig sein, dass hier Gammelfleisch umetikettiert wird. Das ist hier ein Problem, auf das hingewiesen werden muss. Und Sie beide, die großen Parteien, die in diesem Land regieren, geben hier eben nicht die nötigen Signale an die Leute, dass es richtig ist, nach außen zu gehen. Da geht es um den Schutz unser aller Gesundheit. Da geht es um den Schutz auch beispielsweise vor Korruption oder vor Steuerstraftaten. In allen diesen Bereichen sind wir darauf angewiesen, dass wir Hinweisgeber haben.
Ich frage mich ernsthaft, wann eigentlich dieser Senat einmal gedenkt, unseren Beschluss von 2009, ein Hinweisgebersystem einzurichten, umzusetzen. Die Kollegen Kohlmeier und Rissmann haben es gerade mit einer Kleinen Anfrage abgefragt und wurden etwas salopp vom Senat mit dem Hinweis behandelt, das werde er noch machen und das komme demnächst mal. Das hören wir seit vier Jahren. Sie haben erheblichen Nachholbedarf, was den Hinweisgeberschutz in Berlin angeht.
Mein letzter Satz! – Und auf Bundeseben sollten wir gemeinsam diese Initiative ergreifen, dass wir nicht nur international – wir haben vorhin mit dem Regierenden Bürgermeister über Snowden gesprochen –, sondern auch national unsere Hausausgaben machen und denen Schutz gewähren, die Schutz brauchen. – Danke!
Vielen Dank, Herr Behrendt! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort Herr Abgeordneter Kohlmeier. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Spät am Abend noch ein Thema, das – zumindest was die vollen Reihen zeigen – hochinteressant ist: Whistleblowing. Das interessiert höchstwahrscheinlich ein Großteil der Personen hier im Raum. Die Rede vom Kollegen Behrendt hat eben deutlich gemacht, dass der Antrag dann tatsächlich abzulehnen ist, so wie der Rechtsausschuss es auch empfiehlt.
Erstens, Lieber Kollege Behrendt, wenn Sie mich zitieren, dann auch bitte richtig. Dann wäre es äußerst hilf
reich, wenn Sie die Plenarprotokolle einfach lesen und hier ordnungsgemäß zitieren. Ich weiß selbstverständlich, was Whistleblowing ist, aber ich habe – und das habe ich auch im Rechtsausschuss deutlich gemacht – mitgeteilt, dass hier eine Abgrenzungsproblematik ist, so, wie es in Ihrem Antrag drinsteht. Denn nicht jeder, der aus Behörden „whistleblowt“, ist unbedingt so toll und so großartig wie Snowden. Es gibt – und das habe ich beim letzten Mal ebenfalls deutlich gemacht – in Marzahn-Hellersdorf den Fall, dass aus der Behörde, dem Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf, über Bauangelegenheiten, die das Flüchtlingsheim in Hellersdorf betreffen, „whistlegeblowt“ wurde. Der Mensch ist meines Erachtens kein Whistleblower, und den Umstand haben Sie im Rechtsausschuss nicht ausräumen können.
Zweitens: Es gibt tatsächlich die Initiativen im Deutschen Bundestag von den Grünen und der SPD, dass es ein Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern, Whistleblowern, geben soll. Die Gesetze sind im Bundestag abgelehnt worden. Schauen wir mal, was die Koalitionsverhandlungen erbringen, ob es da noch einmal einen neuen Anlauf mit der CDU auf Bundesebene geben wird.
Nur mit einer Geschichte muss man auch aufhören, lieber Kollege Behrendt: In dem Antrag und auch heute in der Rede versuchen Sie – durchaus sehr nachvollziehbar aus Ihrer Sicht – deutlich zu machen, wie nahe Sie doch Snowden stehen. Das mag daran liegen, dass Sie eigentlich der Bundestagsabgeordnete in FriedrichshainKreuzberg gewesen wären – was nun Ströbele gemacht hat, nach Moskau zu reisen, hätten Sie möglicherweise auch gemacht. Nur: Das Ziel, das Sie mit einem Gesetz zum Schutz von Hinweisgebern hätten erreichen wollen, hätte Edward Snowden in keiner Weise geholfen, und zwar aus zwei Gründen.
Erstens, nach den Gesetzen, die von Ihnen und auch von uns im Deutschen Bundestag vorgelegt worden sind, heißt es, dass auf innerbetriebliche Missstände hinzuweisen ist, bei denen Rechte und Pflichten verletzt werden oder Leben oder Gesundheit von Menschen unmittelbar gefährdet sind. Das ist bei Edward Snowden offensichtlich nicht der Fall, sondern Edward Snowden hat mitgeteilt, dass datenschutzrechtliche Punkte nicht ordnungsgemäß behandelt werden.
Zweitens, was im Fall von Edward Snowden noch viel interessanter gewesen wäre: Bei unserem Entwurf im Bundestag und auch bei Ihrem Entwurf im Bundestag ist vorher der Arbeitgeber zu informieren. Da bin ich mal gespannt, wie das ausgesehen hätte, wenn Edward Snowden seinen Arbeitgeber informiert hätte. Er hätte höchstwahrscheinlich die weite Reise über Hongkong nach Moskau nicht mehr machen können und hätte nicht mehr von Ströbele besucht werden können. Also, die Geschichte, die Sie erzählen, dass Edward Snowden davon profitiert hätte, ist vollkommen falsch.
Letzte Anmerkung: Wenn Sie den Eindruck zu erwecken versuchen, dass jemand, der auf Missstände, Korruption in der öffentlichen Verwaltung hinweist, schutzlos in Deutschland dasteht, ist das doch völlig falsch. Sie wissen als Jurist selbst, dass es beamtenrechtliche Vorschriften gibt. Sie wissen, dass das BKMS-System, das Hinweisgebersystem über Korruptionsbekämpfung, auf den Weg gebracht ist, dass jetzt im Haushalt die Mittel eingestellt werden. Sie wissen auch, dass mit der Entscheidung zu dem Fall der Altenpflegerin Brigitte Heinisch des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Gerichte durchaus deutlich sehen, wann ein Fall von Meinungsfreiheit vorliegt und wann ein Fall vorliegt, wo jemand lediglich Betriebsgeheimnisse mitteilt.
Schlussendlich: Der Antrag kann nicht zu dem Erfolg führen, den Sie wollen. Der Antrag zeigt auch überhaupt nicht direkt auf, was Sie mit einer Bundesratsinitiative erreichen wollen. Der Antrag ist zu Recht im Rechtsausschuss abgelehnt worden. Und das werden wir auch heute in diesem Haus so machen. – Herzlichen Dank!
Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Für die Linksfraktion hat nun das Wort Frau Abgeordnete Möller. – Bitte sehr!
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Ich war eigentlich überrascht, dass dieses Thema, dieser Antrag noch ein zweites Mal im Plenum zur Sprache kommt, aber es hat sich gezeigt, dass es ja vielleicht doch noch etwas Klärungsbedarf gibt. Ich finde schon, dass sich die Koalitionsfraktionen keinen Zacken aus der Krone brechen, wenn sie sich das heute noch mal überlegen und diesem Antrag doch noch zustimmen.
Wir führen in der Tat hier nicht die Held- oder Verräterdebatte um Herrn Snowden. Vielleicht können alle mal den Snowden-Film, der anscheinend immer dann abläuft, wenn irgendwo der Begriff Whistleblowing fällt, im Kopf ausknipsen. Die Sache hier ist eine Nummer kleiner. Es geht um nicht mehr als um eine Bundesratsinitiative, die Berlin schon einmal angestrengt hat, die immer noch genauso sinnvoll ist wie vor zwei Jahren und die in einer neuen Konstellation auf Bundesebene nun vielleicht bessere Chancen hätte. Es geht hier um die arbeits- und dienstrechtlichen Absicherungen von Menschen, die gesellschaftlich relevante Missstände in ihrem Arbeitsbereich öffentlich machen wollen, also um sehr wenige Ausnahmefälle, um Notsituationen, weil innerbetriebliche oder innerbehördliche Kontrollmechanismen eben derart versagen, dass diese Menschen keinen anderen Ausweg sehen, als die üblichen Dienstwege zu übergehen, und sie dabei riskieren, ihre berufliche Existenz zu gefährden.
Nur um dieser Ausnahmefälle geht es. Und da gibt es Nachbesserungsbedarf trotz aller bisherigen Regelungen, sagt Transparency International, sagen auch Grüne, Linke und SPD im Bund. Denn natürlich ist es der Job von Politik, diese Menschen zu beschützen und entsprechende Regelungen zu treffen.
Aber – Herr Behrendt hat es schon geschildert – im Rechtsausschuss war es etwas diffus diesbezüglich. Statt diesen Antrag zu unterstützen oder sich in der Debatte damit sinnvoll auseinanderzusetzen, wurde spitzfindig umherdefiniert – das habe ich auch so wahrgenommen, Herr Kohlmeier –, was Whistleblowing eigentlich ist und ob man Anglizismen gendern darf. Da wurden absurde Beispiele herangezogen – wie heute wieder –, die das Anliegen verzerren, anstatt dass Sie den Antragstext mal richtig lesen. Diese Bundesratsinitiative anzustreben, wäre natürlich verantwortungsvoll.
Wir als Linke sind nach wie vor für diesen Antrag. Menschen, die Hinweise geben, um Missstände aufzudecken, sind wichtig. Dazu wurde eigentlich auch alles schon einmal gesagt. Deshalb hier zum Schluss noch mal ein Werbeblock für etwas Gutes – das ist auch schon erwähnt worden, ich habe den Haushalt diesbezüglich auch anders gelesen als Sie, Herr Behrendt: Denn dieser Antrag war auch Anlass dafür, eine gute Idee aus der Schublade zu holen und nun zu realisieren. Wie das Abgeordnetenhaus 2010, also unter Rot-Rot, beschlossen hatte, wird nun diese Internetplattform eingerichtet, auf der anonym Hinweise auf Korruption in der Berliner Verwaltung gegeben werden kann. Das finden wir gut und richtig. Die Mittel, die es für Technik und Personal braucht, sind nun im Haushalt eingestellt. Das entsprechende neue Gesetz wird erarbeitet. Bald wird also diese Seite Realität sein. Das finden wir gut. Aber nichtsdestotrotz: So begrüßenswert das auch alles ist, bleibt eine Internetplattform für anonyme Hinweise doch immer zweischneidig. Es ist wie mit der Feuerwehr und dem Notarzt: Gut, dass es sie gibt, schöner wäre es aber, wenn es gar nichts zu tun gäbe für sie.