Protokoll der Sitzung vom 21.11.2013

Warum? – Wir hätten mit dem Vertrag die Chance gehabt, den Rundfunkrat neu aufzustellen, ihn zeitgemäß zu präsentieren, ihn zeitgemäß zusammenzustellen, wie es in vielen anderen Bundesländern auch überdacht wurde und z. B. beim SWR geschehen ist. Diese Chance hat die Koalition vertan, diese Chance hat vor allem der Senat vertan, weil die Koalition in diesem Hause einen Antrag eingebracht hat, wo genau diese zeitgemäße Zusammensetzung infrage gestellt und gesagt wird: Wir brauchen z. B. eine Vertretung von Menschen mit Behinderung im Rundfunkrat. – Das ist widersprüchlich, das ist „Venire contra factum proprium“, in sich widersprüchliches Verhalten. Ich verstehe die Koalition hier nicht, dass sie diesem Antrag zustimmen will, obwohl sie selbst einen Antrag einbringt, in dem sie sagt: Das ist falsch, was wir da beschließen. – Da lassen wir uns nicht ins Bockshorn jagen, das ist ein Versagen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir sagen ganz klar: Wir hätten uns da etwas mehr vorstellen können, dass wir den Rundfunkrat besser zusammensetzen. – Wir sagen auch ganz klar: Eine Behindertenvertretung gehört in jeden künftigen Rundfunkrat. Diese Chance haben wir jetzt vertan.

Aber das ist nicht der einzige Punkt. Ein noch viel größerer Punkt ist, und da appelliere ich vor allem an die Sozialdemokraten, hier mal das Ohr aufzumachen: Es geht um über 1 000 Mitarbeiter beim RBB, um die sogenannten festen Freien. Jeder, der den RBB kennt, weiß: Das ist ungefähr die Hälfte der Belegschaft. Diese festen Freien haben seit Jahren ein Anliegen: Sie wollen im Personalrat vertreten sein. Das ist eine ursozialdemokratische Forderung. Ich verstehe nicht, dass der sozialdemokratisch geführte Senat, dass der Bürgermeister von der SPD, dass der Ministerpräsident von der SPD in Brandenburg, dass all diese Menschen, die sich diese Forderung eigentlich auf die Fahne schreiben müssten, das in den Verhandlungen nicht zum Thema gemacht haben, dass alle gesagt haben: Das ist uns egal. – Ich frage mich heute noch, wie es eigentlich passieren konnte, dass Herr Wowereit oder sein Staatskanzleichef Böhning das nicht zum Thema in den Verhandlungen gemacht haben. Das ist völlig unverständlich, das ist ein Versagen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Was jetzt hineingeschrieben werden soll, ist ein Gnadenakt des Arbeitgebers. Dass die Sozialdemokratie dem zustimmt, dass wir in dem Staatsvertrag verankern, dass die personalvertretungsrechtlichen Leitlinien ab sofort

(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)

vom Arbeitgeber vorgegeben werden, ist für mich unverständlich. Das ist eine Fehlentwicklung, das muss man ablehnen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wir haben im Ausschuss nachgefragt: Wie kommt denn das? – Dann haben die Vertreter der SPD, der CDU, der Piraten, der Linken und ich erklärt, dass wir dieser Regelung so nicht zustimmen, dass wir uns etwas anderes hätten vorstellen können. Trotzdem stehen wir an dieser Stelle und werden es wahrscheinlich mit der Mehrheit der Koalition so beschließen. Das ist falsch. Die festen Freien gehören in den Personalrat, das wäre die richtige Entscheidung gewesen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Wir haben hier einen klaren Fall: Das Parlament will etwas anderes, als wir jetzt hier beschließen werden. Deswegen muss man sich fragen: Was ist eigentlich schief gelaufen? Wie konnte es zu dieser merkwürdigen Situation kommen? – Da gibt es drei Punkte, die wir mal ganz kurz geistig durchgehen können: Zum einen: Information des Parlaments, hat das gut funktioniert? – Nein, das war total mangelhaft. Wir wurden erst informiert, als der Staatsvertrag im Prinzip schon geschrieben war. Hat die Einbeziehung des Parlaments danach funktioniert? – Nein, wir haben gerade von dem Koalitionsantrag gehört; er konnte nicht mehr befasst und eingearbeitet werden. Auch da: mangelhaft! Drittens: Ist der Mehrheitswille, wie er sich im Ausschuss dargestellt hat, berücksichtigt worden? – Nein, auch hier: mangelhaft! Das heißt, wir haben hier einen akuten Fall von Versagen bei der Zusammenarbeit von Exekutive und Legislative.

[Beifall von Alexander Spies (PIRATEN)]

In den zwei Jahren, in denen ich hier bin, habe ich etwas in dieser Art noch nicht erlebt. Die Koalition will jetzt etwas durchziehen, was schlecht gemacht ist, etwas Kurzatmiges. Deswegen müssen wir das Verfahren dringend reformieren. Das ist absolut angezeigt.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Damit man jetzt nicht sagt, das sei alles Neuland: Das Grundgesetz hat dafür Regeln, wie sich z. B. auf bundesgesetzlicher Ebene Parlament und Exekutive zusammentun, das können wir einfach kopieren, das ist besser als das, was wir in der Berliner Verfassung haben. Dann haben wir das geändert, dann wird sich eine solche Pleite nicht wiederholen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Gelbhaar! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort Herr Abgeordneter Zimmermann. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Behandlung der Staatsverträge und die verschiedenen Positionen dazu, die Kollege Gelbhaar deutlich gemacht hat, kranken nicht an dem Verfahren. Das Verfahren ist eindeutig. Die Verfassung sagt, bei Staatsverträgen gebe es gegenüber dem Abgeordnetenhaus eine frühzeitige Informationspflicht. Dieser Informationspflicht ist der Senat auch nachgekommen. Daran hat es nicht gelegen.

Es hat daran gelegen, dass wir hier zwischen verschiedenen Beteiligten – zwei Bundesländern, Senat, Exekutive und Parlament – einen Konsens herbeiführen mussten. Das ist naturgemäß nicht so einfach, wie Sie es suggerieren. Deswegen gibt es bei solchen Staatsverträgen häufig Kompromisse. Was hier vorliegt, ist ein Kompromiss, den wir heute würdigen müssen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Weiß?

Nein, Herr Kollege Weiß! Nein, Frau Präsidentin! Ich möchte wegen der Kürze der Zeit die wichtigen Aspekte ausführen. Wir müssen nämlich festhalten, dass wir hier den ersten Änderungsstaatsvertrag zum RBB haben. Seit zehn, elf Jahren arbeitet der RBB auf Grundlage dieses Staatsvertrages. Wir können festhalten, dass das ein richtiger, ein guter Staatsvertrag war, auf dessen Grundlage sich der RBB zu einem Erfolgsmodell entwickelt hat. Die gemeinsame Rundfunkanstalt hat einen guten Weg genommen. Wenn man sich das Radioprogramm anguckt, ist es herausragend, wenn man sich das Fernsehprogramm anguckt, kann man natürlich im Detail streiten, aber insgesamt haben sehr viele dazu beigetragen, dass der RBB eine erfolgreiche Anstalt innerhalb der ARD geworden ist.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Wir haben es hier mit der Anpassung des Rechtsrahmens zu tun in der Folge des Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrags der Länder und auch des Beihilferechts der Europäischen Union. Wir haben viele Änderungen bei Begriffen wie Angebote, Telemedien, Rundfunkprogramm und anderem mehr. Wir haben auch viele Anpassungen dergestalt, dass etwa die Wörter „zu den polnischen Nachbarn“ ersetzt werden durch die Wörter „zum polnischen Nachbarland“. Damit haben wir den Text gegendert. Solche Maßnahmen sind das. Das ist, glaube ich, alles Konsens.

(Stefan Gelbhaar)

Beim Rundfunkrat haben wir eine Neuerung, die, glaube ich, sich sehen lassen kann, nämlich dass wir den Wechsel zwischen Männern und Frauen im Rundfunkrat nicht mehr als eine Soll-, sondern als eine Mussvorschrift haben. Es muss künftig bei der Zusammensetzung zwingend ein Wechsel zwischen den Geschlechtern stattfinden – dafür hat der Regierende Bürgermeister gesorgt –, und ich glaube, das ist ein echter Fortschritt.

[Dr. Gabriele Hiller (LINKE): Brandenburg war bestimmt dagegen!]

Wir haben weitere Änderungen – darauf hat der Kollege Gelbhaar hingewiesen – im Rundfunkrat nicht vorgenommen. Das hat an verschiedenen Beteiligten gelegen. Alle wissen, dass sich viele in der SPD-Fraktion vorstellen konnten, zu Änderungen zu kommen. Das hat sich in den Verhandlungen nicht durchsetzen lassen. Wir leben damit. Wir werden auch damit leben können, weil wir ein Prinzip dort zur Seite haben, nämlich das der Spitzenverbände. Natürlich kann man einzelne Organisationen wie Senioren oder Behinderte dort direkt vertreten. Man kann aber auch sagen, dass durch die Spitzenverbände diese Anliegen mit vertreten sind. Sie sind jedenfalls nicht völlig außen vor. Deswegen bitte ich darum, dieses Prinzip der Spitzenverbände zu würdigen. Ich glaube, dass alle anderen auch die Interessen von Behinderten etwa im Sender dort mitvertreten. Wir haben immer darauf gedrängt, dass wir barrierefreie Angebote beim RBB ausbauen. Das ist auch zugesagt. Es wird weiter ausgebaut werden, da gibt es die Zusage der Intendanz. In der Sache selbst kommen wir voran.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Gelbhaar?

Herr Gelbhaar, bitte schön!

Ich wollte nur nachfragen, warum SPD und CDU gemeinsam einen Antrag gestellt haben, um die Zusammensetzung des Rundfunkrates genau an dieser Stelle zu verändern, um eine Vertretung der Behinderten dort zu ermöglichen.

Ich wusste haargenau, dass dieser Beitrag jetzt von Ihnen kommt, denn es ist ein Leichtes für Sie. Das haben Sie geschenkt, dass Sie jetzt auf unseren Antrag noch einmal rekurrieren. Es ist der Wille der SPD-Fraktion, dass wir hier zu einer stärkeren Vertretung dieser Gruppen kommen. Es hat sich in diesem Staatsvertragsentwurf nicht durchsetzen lassen. Deswegen werden wir mit diesem

Kompromiss erst einmal leben. Wir werden in einem nächsten Durchgang

[Dr. Simon Weiß (PIRATEN): Wann?]

in einigen wenigen Jahren uns an diese Sache erinnern

[Alexander Spies (PIRATEN): Zehn Jahre? – Zurufe von Dr. Gabriele Hiller (LINKE) und Thomas Birk (GRÜNE) – Weitere Zurufe]

Ich möchte zum letzten wichtigen Stichwort kommen. Das betrifft die Vertretung der Freien beim RBB. Natürlich ist klar, man kann sich dort verschiedene Modelle vorstellen. Man kann sich vorstellen, dass die im Personalrat vertreten sind, man kann sich aber auch vorstellen, dass es eine eigene Freien-Vertretung gibt, so, wie der Staatsvertrag dies jetzt vorsieht. Es ist nicht so, dass es von Gnaden der Arbeitgeberin oder der Intendantin stattfindet, sondern jetzt ist vorgesehen: Es wird eine institutionalisierte, per Staatsvertrag und Gesetz abgesicherte eigene Vertretung der Freien geben. Es wird ein Statut geben, das nicht, Herr Gelbhaar, oktroyiert wird von der Intendantin oder der Arbeitgeberin, sondern von dem Rundfunkrat genehmigt werden muss. Wir gehen davon aus, dass bei der Abfassung dieses Statuts natürlich auch die Interessen der Freien von vornherein mit berücksichtigt werden und dass wir dann eine echte Verbesserung für die Personalvertretung dieser wichtigen Gruppe beim RBB haben werden.

Alles in allem, wir haben ja auch noch einen anderen Staatsvertrag, den Medienstaatsvertrag. Der ist aber so weit im Konsens, dass wir hier nicht auf Details eingehen müssen. Da geht es um den Vorwegabzug und andere Regelungen.

Ich kann zusammenfassen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich empfehle die Annahme dieser beiden Staatsvertragsentwürfe. Sie sind für die Zusammenarbeit zwischen den Ländern auf dem Gebiet des Rundfunks und der Medien sehr wichtig und werden in die Zukunft weisen. – Danke schön!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort die Frau Abgeordnete Dr. Hiller. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Gern hätte die Koalition die Behandlung des Themas heute sang- und klanglos und vor allem schmerzfrei durchgezogen. Schon der schief gelaufene Aufruf als Dringlichkeit vor zwei Wochen zeigt, wie peinlich Ihnen dieser Staatsvertrag ist und dass Sie die Öffentlichkeit dabei scheuen.

(Frank Zimmermann)

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN]

Der Staatsvertrag und vor allem der Umgang damit durch die Regierungsfraktionen macht einmal mehr deutlich, wie opportunistisch vor allem die Sozialdemokraten mit ihren eigenen Grundsätzen umgehen. Die Mär von der Arbeitnehmerpartei wollen wir nicht mehr hören, Frank Zimmermann!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Das ist hochnotpeinlich, was hier geboten wird. Ein Konsens hätte gefunden werden können.

Ausgangspunkt für unsere Auseinandersetzungen ist der neue Absatz 2 in § 34, der Passus zur Vertretung der freien Mitarbeiter. Die hier verabschiedete Fassung, die uns vorliegt, ist für uns von der Linken nicht hinnehmbar. Es geht nicht um Modelle, Frank Zimmermann, es ist ein Kniefall vor der Intendanz, und sie stärkt die 1 800 freien Mitarbeiter, die die Hälfte aller RBB-Beschäftigten ausmachen und die in allen Bereichen des RBB arbeiten, überhaupt nicht. Wir von der Linken fordern für den RBB einen Personalrat, der die Interessen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertritt, auch die der freien Mitarbeiter.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Wir von der Linken fordern, dass auch die Freien in Konfliktfällen Schutz durch eine Personalvertretung erhalten, sei es bei der Ausübung ihrer Interessen, sei es bei der Meinungsäußerung im Betrieb. Sie wissen, dass es immer wieder zu Konflikten wegen mangelnder Wertschätzung durch Vorgesetzte kommt. Für Freie können diese Konflikte existenzbedrohend sein. Hier hilft ein Schutz, das wissen Sie bei der SPD, durch Einbeziehung der Freien in die Zuständigkeit des Personalrates. Eine von der Intendanz abhängige Freien-Vertretung, wie sie im Gesetz vorgesehen ist, lehnen wir ab. Herr Zimmermann hat es gesagt: Die Intendantin wird dieses Statut erarbeiten. Der Bock wird zum Gärtner gemacht, denn wie die Intendanz mit missliebigen Mitarbeitern umgeht, wenn sie sich zu stark engagieren, hat die Causa Jan Lerch 2004 deutlich gemacht. Das kann immer wieder passieren.