Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sie haben als Koalition, Sie, Frau Scheeres, gerade verkündet, wie toll diese Stadt für Kinder und Jugendliche ist. Ich meine, dass wir weit davon entfernt sind, eine kinder-, jugend- und familienfreundliche Stadt zu sein. Sie haben es im Koalitionsvertrag versprochen. Bislang haben Sie diese Versprechen noch nicht in Taten umgesetzt.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Die Berliner Jugendämter schreien um Hilfe. Sie haben nicht das notwendige Personal, um den Kinderschutz in dieser Stadt zu gewährleisten. Die Kolleginnen der Kinderschutzabteilungen hissen morgen vor Ihrer eigenen Senatsverwaltung die weißen Fahnen. Sie trifft Ihr rotschwarzer Personalabbau besonders hart. Kinderschutz braucht Kinderschützer. Was rot-schwarz hier macht, ist unverantwortlich. Aber das lässt die Koalition kalt.

Auch die Anhörung nach Todesfällen von Kleinkindern und die skandalösen Zustände in den HaasenburgHeimen, die nicht rechtzeitig erkannt wurden, führten nicht zu einem Umdenken. Mit dem neuen Doppelhaushalt werden die Bezirke weiter zu Personaleinsparungen gezwungen. Man schiebt ihnen mit dem zynischen Rat, doch selbst Schwerpunkte zu setzen, auch noch den schwarzen Peter für die inzwischen offenkundigen Mängel beim Schutz der Kinder in die Schuhe. Damit wollen Sie sich, Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, aus der Verantwortung stehlen. Aber das wird Ihnen nicht gelingen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Das Wort Familie ist hier auch noch nicht gefallen. Familienbildung spielt für Sie auch keine besondere Rolle. Die Mittel dafür verharren seit Jahren auf dem gleichen Stand. Mieten- und Personalkosten steigen. Also schrumpfen die Angebote für die Familien. Unseren Anträgen, die Mittel zumindest soweit aufzustocken, dass sie auf dem Ist-Stand erhalten bleiben, sind Sie wieder nicht gefolgt. Sie schauen zu, wie die Familienbildung in Berlin langsam, aber sicher zusammenbricht, als würde Sie das gar nichts angehen. Diese entspannte Haltung zeigen Sie auch beim nach wie vor dringenden Ausbau von qualitativ guten Kitaplätzen. Aus der Tatsache, dass der Stichtag des Rechtsanspruchs für alle Kinder ab dem 1. Geburtstag auf einen Kitaplatz mit dem Wechsel vieler Kinder aus der Kita in die Schule zusammenfiel und

(Senatorin Sandra Scheeres)

deshalb gerade viele Plätze frei geworden waren, sollten Sie keine falschen Schlüsse ziehen. Bereits jetzt sind die Plätze wieder knapp. In einigen Teilen der Stadt ist der Mangel schon wieder katastrophal. Trotzdem kürzen Sie die Investitionsmittel noch unter die Summe des letzten Doppelhaushalts. Sie lassen zu, dass immer mehr Familien zum Betreuungsgeld greifen, das wir gleichermaßen abgelehnt haben. Gleichzeitig schwadroniert der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Saleh, fortgesetzt über eine Kitapflicht. Wollen Sie die Berlinerinnen und Berliner veräppeln? Stellen Sie die notwendigen Mittel zur Verfügung, damit alle Familien, die das wollen, einen gut ausgestatteten Kitaplatz in ihrer Nähe erhalten, und spielen Sie nicht länger mit der Chance der Berliner Kinder auf eine gute, frühe Bildung!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Die Jugendförderung im Land Berlin ist vom Aussterben bedroht. Die zusätzlichen 25 Millionen Euro, die Sie den Bezirken vor der Sommerpause versprochen hatten, hätten vielleicht verhindern können, dass weitere Jugendeinrichtungen weggespart werden müssen. Den Moratoriumsbeschluss aller Bezirke, auf den sich dieses Mal nicht nur die Fachpolitikerinnen, sondern die kompletten Bezirksämter geeinigt haben, um das schleichende Ausbluten der Jugendförderung durch das Berliner Zuweisungsmodell zu verhindern, hat der Finanzsenator als systemwidrig abgelehnt. Leider hat der Finanzsenator recht. In Berlin hat das langsame Aussterben von präventiven Angeboten begonnen. Von einer kinderfreundlichen Stadt ist Berlin mit diesem Haushalt weit, weit entfernt. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Burkert-Eulitz! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Roman Simon das Wort. – Bitte schön!

Herzlichen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Insbesondere für die jungen Berlinerinnen und Berliner ist der Haushalt 2014/15 ein guter, denn er kommt ohne neue Kredite aus und ist damit ein generationengerechter Haushalt.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Das sage ich nicht nur, weil ich jugendpolitischer Sprecher meiner Fraktion bin.

[Uwe Doering (LINKE): Sondern?]

Wir setzen unsere Ziele, die Ziele des Koalitionsvertrages auch bei der Jugend- und Familienpolitik im Rahmen des

heute zu beratenden Doppelhaushalts weiter um. Frau Burkert-Eulitz! Familie ist vielleicht als Stichwort deshalb noch nicht gefallen, weil wir jetzt erst die Rederunde zur Jugend- und Familienpolitik haben. Unsere Prioritäten finden sich in dem Doppelhaushalt wieder. Einige hat mein Kollege Özışık schon im Auftrag von Herrn Eggert genannt. Andere möchte ich nennen. Bei zumindest einem wiederhole ich mich, weil es das ganz zentrale Vorhaben, die Priorität der Koalition ist.

Wir, die rot-schwarze Koalition, treten ein für die bedarfsgerechte Erhöhung der Zahl der Kitaplätze. Das haben wir in unserem Koalitionsvertrag ganz deutlich gemacht. Das haben wir im Doppelhaushalt 2012/2013 deutlich gemacht. Das machen wir auch jetzt im Doppelhaushalt 2014/15 ganz deutlich. 18 Millionen Euro Landesmittel sind in diesen beiden Jahren eine klare Ansage. Sie werden flankiert durch Mittel der Träger und durch Bundesmittel; sie stehen nicht allein. Mehr Kitaplätze für Berlin sind ein weiterer wichtiger Schritt, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet und der Rechtsanspruch erfüllt werden kann.

Zum Thema Familienbildung, Frau Burkert-Eulitz hat es auch genannt, setzt die Koalition, nachdem auf unsere Initiative 24 Familienzentren errichtet worden sind, auf weitere, zusätzliche Familienzentren. Dies wird mit jeweils 440 000 Euro in den Jahren 2014 und 2015 aus dem Landeshaushalt gefördert. Ziel ist vor allem die Inbetriebnahme von weiteren, zusätzlichen Familienzentren. Wir setzen auf sechs bis acht weitere, zusätzliche Familienzentren. Das mehrsprachige Angebot der Notfallrufnummer Kinderschutz wird gesichert. Erstmals wird eine Anlaufstelle für ombudschaftliche Beratung in der Jugendhilfe finanziert.

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Weiterfinanziert wird die erfolgreiche Arbeit des Berliner Beirats für Familienfragen. Hier haben sich die Koalitionsfraktionen, wie im Übrigen auch die Fraktion Die Linke nicht von den Anträgen der Grünen und der Piraten beeindrucken lassen, die beantragt hatten, hier erheblich zu kürzen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD]

Die Koalition steht,

[Heiterkeit von Lars Oberg (SPD)]

so steht es schon in der Überschrift unseres Koalitionsvertrages, für gute Arbeit für Berlin. Konsequente Fortsetzung dieser Haltung ist es, dass im Haushalt auch die Finanzierung von Tarifsteigerungen bei den Zuwendungsempfängern des Landes Berlin vorgesehen sind.

[Beifall von Björn Eggert (SPD)]

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

(Marianne Burkert-Eulitz)

Vielen Dank! – Für die Fraktion Die Linke Frau Möller – bitte schön!

Vielen Dank! – Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Simon! Die Erfolgszahlen der Kitaplatzentwicklung sind ganz großartig, aber wir haben nun einmal einen Rechtsanspruch. Und wo ein Kind ist, das ein Recht auf einen Kitaplatz hat, ist die Kommune natürlich verantwortlich und verpflichtet, den Platz zu schaffen. Das ist eine ganz normale Sache.

[Beifall bei der LINKEN]

Vielleicht noch ein einziges letztes Wort zu dieser Schulsozialarbeitsgeschichte. Natürlich ist das Problem nur behoben worden, weil in der Stadtgesellschaft und vonseiten der Opposition deshalb Rabatz gemacht worden ist.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Das war ein Fehler, der passiert ist. Und wäre da nicht so viel Theater gemacht worden, wäre die Sache stillschweigend durchgelaufen. Ja, Sie haben es am Ende gerichtet, das ist ja auch gut so. Und ich finde auch, dass dieses Beispiel Rücknahme der Stellenkürzung in der Schulsozialarbeit zeigt, dass es möglich ist, irrsinnige Entscheidungen zu revidieren. Das ist ja auch eine schöne Erfahrung im Land Berlin.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Mir geht es ein bisschen wie Frau Burkert-Eulitz. Ich finde, dass hier einige Themen völlig unter den Tisch fallen. Mein wichtigstes Thema ist tatsächlich das am meisten bedrohte Projekt in dieser Stadt, das sind die allgemeinen Leistungen der Kinder- und Jugendförderung nach § 11 KJHG. Ich glaube, dass einige das noch nicht verstanden haben, denn wenn wir das Problem jetzt nicht lösen, brauchen wir in der nächsten Haushaltsdebatte nicht darüber sprechen, weil dann nichts mehr da sein wird, worüber zu reden ist.

Ich möchte heute ausdrücklich für unseren Antrag werben, den Bezirken für die Jahre 2014 und 2015 je 11 Millionen Euro zusätzlich zu gewähren, damit ein Moratorium für diese akut gefährdeten Angebote in Kraft treten kann. Dieses Moratorium bedeutet übrigens nicht, dass mehr Geld in diesen Bereich fließen soll. Es soll nur den bereits tragischen Status quo erhalten und zwei Jahre Zeit gewähren, in denen zumindest kein weiterer Abbau der Angebote passiert. In diesen zwei Jahren, in denen diese 22 Millionen Euro gebraucht werden, soll ein anderes Finanzierungsmodell erarbeitet werden, damit zukünftig der Rechtsanspruch auf Angebote der nichtschulischen freiwilligen Freizeitgestaltung umgesetzt werden kann. Dieser Vorschlag will also viel weniger, als nötig

wäre, denn eigentlich brauchen wir nicht nur den Erhalt dieser Strukturen, sondern deren Ausbau und ständige Qualifizierung so wie bei anderen Bildungseinrichtungen wie bei Kita und bei Schule auch.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Stattdessen werden in den Bezirken die Strukturen abgebaut, obwohl wir wissen, dass unsere Stadt wächst – Frau Scheeres hat gerade noch einmal darauf hingewiesen – und zukünftig noch viel mehr Kinder und Jugendliche zu versorgen sein werden. Das Einrichten auf die Erfordernisse einer wachsenden Stadt sieht für mich anders aus. Die stattdessen um sich greifende Projektitis kann das niemals ausgleichen, im Gegenteil, bei der Jagd nach den immer zeitlich befristeten Projekt- und Fondsmitteln geht mehr Energie in die Reibung mit der Bürokratie als in die pädagogische Arbeit.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Projekte ersetzen Strukturen nicht. Alle wissen, dass die soziale Infrastruktur gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit unersetzlich ist. Alle wissen auch, dass das Prinzip der Kosten- und Leistungsrechnung die Bezirke in Konkurrenz um die billigste Angebotsstunde zwingt.

[Beifall von Dr. Wolfgang Albers (LINKE)]

Das trifft natürlich diese nicht individuell einklagbaren allgemein fördernden Leistungen zuerst, deshalb sind sie auch am stärksten bedroht. Deshalb brauchen sie auch jetzt unsere volle Aufmerksamkeit.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Es gibt ja eine große Furcht, die Kosten- und Leistungsrechnung und die darauf aufbauende Budgetierung anzufassen. Deshalb gibt es hier den von einer hochqualifizierten Arbeitsgruppe über Monate sorgsam erdachten Vorschlag für ein Moratorium. Es wird unterstützt von einem Beschluss des wichtigsten Fachgremiums, des Landesjugendhilfeausschusses, er wird unterstützt von den Fachpolitikerinnen und -politikern der Bezirke, von zehn Vorsitzenden der Jugendhilfeausschüsse, die letzte Woche noch einmal einen zweiten Brandbrief diesbezüglich geschrieben haben und die anmahnen:

Aufgrund der unzureichenden Mittelausstattung der Bezirke werden in vielen BVVen Beschlüsse gefasst, in deren Konsequenz große Teile der Angebote nach § 11 KJHG eingestellt oder nur noch unter fragwürdigen Bedingungen fortgeführt werden.

Von Einsparungen, jährlichen Kürzungen von 5 bis 8 Prozent ist hier die Rede.

Eine nicht zu stoppende Abwärtsspirale wird somit auf Dauer festgeschrieben.