Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

(Florian Graf)

Ich will mich über diese überspannten Träumereien gar nicht lange lustig machen. Das Schlimme dabei ist doch, dass diese Aussage ganz deutlich macht, wie diese Koalition tickt und wie sie ihre Haushalte strickt. Sie fragen nicht danach, was die Stadt braucht und was getan werden muss, dass sie für alle hier lebenden Menschen gut funktioniert und ein lebenswerter Ort ist. Sie unterwerfen alle Politik nur einem Ziel: der schwarzen Null und dem Abbau der Altschulden. Sie sind bereit, dem fast alles unterzuordnen. Da wird die schwarze Null zum Selbstzweck, zum Fetisch gemacht. Das ist das eigentliche Drama Ihrer Träumereien.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Da sind wir Zeuge, wie diese Koalition versucht, mit einer Mischung aus Trickserei und Täuschung haushaltspolitisch über die Runden zu kommen. Herr Saleh und Herr Graf! Da mussten wir uns in den Fachausschüssen immer wieder dieses Mantra zu den über 60 Milliarden Euro Altschulden anhören. Immer wieder, wenn die Opposition einen Vorschlag gemacht hat, sinnvoll zu investieren, und selbst dann, wenn ein Koalitionspolitiker einen lichten Moment hatte und einen Vorschlag für Ausgaben von nur ein paar tausend Euro gemacht hat, kam das Totschlagargument mit den Altschulden. Und heute wieder! Ich wette, der Regierende und der Finanzsenator erzählen uns nachher auch wieder dieses Zeug. Tun Sie uns allen den Gefallen, lassen Sie endlich diesen Unsinn!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN) und Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Alle wissen Bescheid, was die Altschulden bedeuten. Sie, Herr Nußbaum, haben es ja selbst schon öffentlich zugegeben, dass es aus dem Berliner Landeshaushalt keine seriöse Tilgungsperspektive für die Altschulden gibt. Da muss der Bund ran. Das wissen wir, und das wissen Sie. Weder die rot-rote Vorgängerregierung noch die jetzige Regierung und schon gar nicht die Berlinerinnen und Berliner, die die Sparmaßnahmen der letzten Jahre erdulden mussten – wir haben diese Altschulden nicht zu verantworten. Wir haben über zehn Jahre lang unter großen Anstrengungen das getan, was auf Berliner Ebene getan werden kann. Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, einen ausgeglichenen Primärhaushalt zu haben. Das war nicht leicht, aber wir haben das hingekriegt. Und es war auch richtig.

[Ramona Pop (GRÜNE): Jetzt kommt die rot-rote Erfolgsgeschichte!]

Berlin ist wirtschaftlich und strukturell aufgeräumt an diese Koalition übergeben worden.

[Lachen bei der CDU – Oliver Friederici (CDU): Das ist ja – –]

Auch deshalb gibt es jetzt Mehreinnahmen. Und endlich gibt es die Möglichkeit, ganz normale Haushaltsberatungen zu führen. In dieser Situation, in der die Einnahmen ordentlich laufen, in der man keine neuen Schulden aufnehmen muss und die vielleicht nicht ewig anhält, muss man doch die Frage beantworten: Was braucht die Stadt? Was brauchen die Menschen in dieser Stadt? Was brauchen sie dringend, und wo muss man strukturell investieren?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Aber anstatt seriös über Schwerpunkte zu diskutieren, benutzen Sie die Altschulden weiter als Disziplinierungsmittel für Ihre Koalitionäre, die einfach zu faul sind, sich ernsthaft mit dem Haushalt zu beschäftigen.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Zuruf von Ole Kreins (SPD)]

Ja, liebe sozialdemokratische Kolleginnen und Kollegen, zu faul. Denn wenn Sie in Berlin wirklich linke Politik machen wollten, Herr Saleh – der ist, glaube ich, jetzt gerade rausgelaufen, holla, Mensch, eine spannende Haushaltsdebatte mit Herrn Saleh, dem seriösen Finanzpolitiker – also, wenn Sie wirklich linke Politik machen wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der deutschen Sozialdemokratie, dann wäre es Ihre Aufgabe gewesen, die Zahlen von Herrn Nußbaum zu überprüfen. Monatelang hat er mit seinen Voodoozahlen versucht, die Stadt über die wahre Einnahmesituation zu täuschen. Die Opposition, Frau Schmidt und Herr Esser, haben es Ihnen vorgerechnet, bis Sie endlich zugeben mussten, dass Berlins Haushaltsergebnis 2013 gut 1,1 Milliarde Euro besser ist als geplant, und da ist der Zensus schon eingerechnet. Und nun behaupten Sie, dass es vernünftig ist, damit vor allem Altschulden abzubauen. Aber das ist falsch! Es ist volkswirtschaftlich und damit auch auf längere Sicht finanzpolitisch dumm, ein ganz großer Fehler.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die Wahrheit ist, dass wir trotz Zensus auch in den nächsten Jahren mit Mehreinnahmen rechnen können, dass wir ohne neue Kredite auch in die Infrastruktur der Stadt, den öffentlichen Dienst und in die Bildung investieren können. Und dass wir in die Infrastruktur, die Daseinsvorsorge, den sozialen Zusammenhalt und die Zukunft investieren müssen, weiß jeder, der die Augen aufmacht. Besuchen Sie mal ein Amt, fahren Sie mal SBahn, schauen Sie mal auf die Betriebskostenabrechnung einer normalen Mietwohnung! Sie fahren das Gemeinwesen Berlin auf Verschleiß, obwohl die Mehreinnahmen anderes möglich machen. Sie lassen die Chancen ungenutzt verstreichen, und das ist unverantwortlich.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Stattdessen sind Sie den Tricksereien von Finanzsenator Nußbaum auf den Leim gegangen. Ja, meine Damen und

Herren von SPD und CDU, Sie haben sich von Herrn Nußbaum austricksen lassen. Sie alle haben seinen unpolitischen Blick auf die Stadt übernommen. Denn Politik, das ist vor allem Gestaltung des Öffentlichen. Nur, diese Koalition in Berlin gestaltet überhaupt nichts. Sie haben nicht einmal gewollt. Denn wenn Sie etwas gewollt und es auch im Haushalt abgebildet hätten, dann hätten wir uns darüber streiten können, ob Sie die richtigen Schwerpunkte gesetzt haben. Aber das haben Sie nicht. Sie haben keine Idee, keinen Plan für diese Stadt. Herr Saleh, das stimmt einfach, wir müssen es immer wieder wiederholen. Legen Sie einen Plan für die Stadt vor, entwickeln Sie mal eine politische Idee, dann können wir uns ja darüber streiten! Aber da ist nichts. Da ist nichts außer Worthülsen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und darüber hinaus, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, verwalten Sie sie auch noch schlecht. Sie erkennen in Ihrer großkoalitionären Selbstgenügsamkeit ja nicht mal die Großprobleme und Herausforderungen der Zukunft, wenn sie direkt vor Ihrer Nase stehen. Nichts von Ihren Erfolgen, die Sie hier berichtet haben, ist seriös im Haushalt abgebildet, Herr Saleh. Und Sie brüskieren außerdem mit dem, was Sie hier erzählen, viele, die es in den letzten Jahren überhaupt erst möglich gemacht haben, dass Berlin finanziell besser dasteht – allen voran der öffentliche Dienst in unserer Stadt. Frau Pop hat schon darauf hingewiesen: Es waren die Beschäftigten des Landes und nicht die Herren Sarrazin und Nußbaum, die dafür bezahlt haben, dass Berlins Finanzen wieder in Ordnung kommen.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Es waren die Beschäftigten des Landes, die über den Solidarpakt über Einkommensverzicht, Arbeitszeitverdichtung und Personalabbau strukturell über eine Milliarde dem Landeshaushalt eingespart haben. Und sie hatten ein Versprechen des Senats: Wenn es Berlin wieder besser geht, sollten sie für ihren Verzicht auch belohnt werden. Was aber machen SPD und CDU? Sie bestrafen den öffentlichen Dienst. Sie denken sich immer mehr Aufgaben aus, aber von einem Stopp des Personalabbaus ist keine Rede. Kein Personalentwicklungskonzept, es gibt von Ihnen nichts, was den Namen wirklich verdient.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wir, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Eckpunkte für ein solches Personalentwicklungskonzept vorgelegt. Wir haben darüber mit Gewerkschaften, Personalräten, Wissenschaftlern, Fachleuten diskutiert. Das wäre Ihre Aufgabe als Regierung gewesen. Sie sind jetzt über zwei Jahre am Ruder, und es ist auch schon wieder fast ein Jahr her, dass auch Ihre Fraktionen zugegeben haben, dass es ein Konzept für die Zukunft des öffentlichen

Dienstes in Berlin braucht. Aber es passiert nichts. Obwohl alle wissen: Wenn jetzt beim öffentlichen Dienst nichts gemacht wird, bricht er spätestens 2017 zusammen. Es ist komplett irre und verantwortungslos, was Sie da treiben.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und dann freut sich jetzt die CDU, dass Herr Henkel doch noch ein paar Objektschützer einstellen darf, vorausgesetzt, er spart sie woanders wieder ein.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Was für eine Lachnummer! Der Innensenator, der stellvertretende Regierungschef

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Die schwarze Null!]

bekommt im Senat nicht mal einen Bruchteil dessen durchgesetzt, was er nach eigenen Aussagen angeblich braucht. Der starke Mann der Berliner CDU kommt dann mit leeren Händen in den Fachausschuss und jammert der Opposition die Ohren voll, das Parlament als Haushaltsgesetzgeber solle seinen Senatsentwurf bitte in seinem und im Sinne der Öffentlichkeit korrigieren.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Der soll mal Ultimaten setzen!]

Die Opposition stellt Anträge, die werden abgelehnt. Die Koalition im Fachausschuss formuliert untertänigst Bitten und Wünsche an den Hauptausschuss. Den lässt das – wie zu vermuten war – völlig kalt. Frank Pontius Pilatus Henkel wäscht seine Hände in Unschuld. Wie erbärmlich ist das denn?

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Und dann muss ich noch einen Satz zu den Beamten und ihrer Besoldung sagen. Das, was SPD und CDU da jetzt machen, ist eine ziemliche Sauerei.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Anpassung der Besoldung der Berliner Beamten an den Bundesdurchschnitt war unter Rot-Rot direkt mit dem Abschluss des Tarifvertrags vereinbart worden. Innensenator Dr. Körting, Herr Saleh, hatte das für Senat und Koalition damals öffentlich versprochen. Da waren die erheblichen Steuermehreinnahmen für das Land noch nicht absehbar gewesen. Und damals hat besonders die CDU alle rot-roten Vereinbarungen als völlig unzureichend abgelehnt. Nun sitzt die CDU in der Regierung, und es steht sogar mehr Geld im Landeshaushalt zur Verfügung, als absehbar war, und was passiert? Die SPD bricht das von ihr selbst gegebene Versprechen, erinnert sich nicht mal mehr an den eigenen Innensenator Körting. Die CDU, die selbst weiß und beschlossen hat, dass jetzt 3,5 Prozent Besoldungsanpassung nötig wären, um die

Schere bis 2017 schließen zu können, also SPD und CDU beschließen jetzt 2,5 Prozent, wollen sich für das generöse Geschenk feiern lassen und wissen ganz genau, dass die Schere größer anstatt kleiner wird. Das ist die Haushaltspolitik von Hütchenspielern!

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Das Täuschen hat Methode. Bei der City-Tax hat der Senat gegenüber der freien Kulturszene Versprechen gemacht. Jetzt soll sie höchstens noch ein paar Krümel bekommen, vorausgesetzt, die City-Tax bringt mehr ein als erwartet. Das ist schlicht und einfach politischer Betrug.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und diese Methode zieht sich durch Ihren Haushalt genauso wie die Methode Sparen durch Dummheit. Trotz guter wirtschaftlicher Entwicklung in Berlin, zu der diese Koalition noch nichts Eigenes und nichts Aktives beigetragen hat, ist Berlin immer noch die Hauptstadt der Langzeiterwerbslosen, Frau Kolat. Dass Sie zur Förderung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen, die von der guten Konjunktur nicht profitieren, weniger Geld brauchen, ist doch einfach nur absurd. Weil Sie nicht in der Lage waren, die Programme zur Förderung von Langzeitarbeitslosen umzusetzen, hat Ihnen der Finanzsenator dafür das Geld gestrichen. Guinessbuchverdächtig – die dümmste Sparmaßnahme aller Zeiten.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Aber diese Sparmaßnahme wird noch getoppt von der Wirtschaftssenatorin. Die hat in diesem Jahr den größten Ausfall von GRW-Geldern seit der Wirtschaftskrise 2009 zu verantworten. 50 Millionen verfallen in einem Jahr. Die Wirtschaftsförderung der CDU ist ein einziger Offenbarungseid.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Ich will Ihnen gern noch einmal ein paar Beispiele sagen, was die Koalition an Schwerpunkten hätte setzen können, was unsere Fachpolitiker und unsere Haushaltsgruppe in den vergangenen Monaten immer wieder gefordert haben. Besonders die SPD betont ja immer wieder die Wichtigkeit der Bildungspolitik – völlig richtig. Aber wenn ich mir die Zahlen ansehe, kann ich gar nicht glauben, wie die Bildungspolitiker der Koalition sich haben kleinmachen lassen. Aber Sie hätten doch Geld gehabt! Sie hätten auch die Posse um die Kürzung von 19 Schulsozialarbeiterstellen nicht wochenlang aufführen müssen! Sie hätten das Geld gehabt, um die Inklusion voranzubringen! Aber da wird auf Zeit gespielt. Auf welche Zeit warten Sie denn? – Dass die Konjunktur wieder schlechter wird? Auf die Zeit, wenn das Geld wieder knapper ist als jetzt? Welcher Logik folgt das?

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die Bezirke sind eine unverzichtbare Säule der öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie halten viele Angebote für die Bürger dieser Stadt mit Bürgerbüros, Bibliotheken, Jugend- und Senioreneinrichtungen bereit. Die Bezirke wollen, dass ihre Schulen in gutem Zustand sind. Die Bezirke wollen ihre Parks und ihre öffentlichen Plätze attraktiv gestalten. Aber was bekommen die Bezirke von Ihnen zu hören? – Kein Geld da! Es ist ein klarer Bruch des Versprechens der Herrn Saleh und Graf aus dem Frühsommer, auf das die Bezirke gebaut haben.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Der Frühsommer der Entscheidungen!]