Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

Wunder, dass die großen Entscheidungen dann gar nicht erst angepackt werden!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

So gar nicht lustig ist allerdings Ihr Statement zur Gewaltschutzambulanz und zur anonymen Spurensicherung, Herr Heilmann. Wir haben mit Experten geredet, haben gerechnet und in anderen Bundesländern nach Erfahrungen gesucht, um einen Antrag einzureichen, der zu einem tragfähigen Angebot für die traumatisierten Opfer von sexualisierter Gewalt auch in Berlin hätte führen können. Stattdessen verweisen Sie von Anfang an auf die klammheimlich eingestellten 110 000 Euro, die jedoch nicht einmal das kleinste Konzept der Charité ausfinanziert hätten und für die Sie selbst auch kein Konzept vorlegen können. Erst unser Antrag nötigte Sie zur Einstellung von weiteren 40 000 Euro. Aber bei aller Liebe, eine Gewaltschutzambulanz, die diesen Namen verdient, bekommen die Berlinerinnen und Berlin dafür nicht, und die anonyme Spurensicherung ist damit ganz vom Tisch. Vielleicht können Sie sich zumindest dazu durchringen, den Betroffenen das Zugticket nach Hamburg zu bezahlen, denn die kleine Schwester von Berlin ist uns, wie auch viele andere Bundesländer, ist längst einen Schritt voraus. Dort sind Gewaltschutzambulanz und anonyme Spurensicherung bereits Realität und kein Lippenbekenntnis.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Die Gewaltopfer sind in Berlin nicht die einzigen Verlierer. Davon können Sie, Senatorin Scheeres, sicher ein Lied singen, obwohl Sie persönlich die Siegerin im großen Ringen um die rationierten Finanzmittel unseres Landes sind. Mit den 8 bis 10 Prozent, die Sie mehr bekommen, können Sie realistisch gesehen doch nur einen Bruchteil des Sanierungsstaus bezahlen. Was ist dem Senat seine naheliegendste Zukunft eigentlich wert? Geschlossene Turnhallen? Ekelklos? Undichte Dächer? Wollen Sie unseren Nachwuchs tatsächlich im Regen stehen lassen, ihn in übergroßen Klassengemeinschaften zusammenpferchen, weil uns die Mittel für ausreichendes Lehrpersonal fehlen? Frau Scheeres! Wo sind Ihre Antworten auf die berechtigten Sorgen und Fragen von Eltern, Schülern und Studenten? Im Bildungswesen gilt gleich hundertfach: Wer nur verwaltet, statt gestaltet, schiebt die Zukunft nicht auf, sondern schafft sie gleich ab.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Wir können unsere Kinder nicht parken und warten, bis der Senat seine Spendierhosen wieder herausholt. Bis dahin sind die Brennpunktschulen abgefackelt, und unser Nachwuchs hat nicht nur bundesweit den Anschluss verpasst, sondern sich weltweit aus dem Wettbewerb geschossen. – Ja, Herr Czaja! Die klopfen dann alle in ein paar Jahren bei Ihnen an die Tür. – Bildung braucht einen

Plan, Geld und ausreichend Lehrkräfte, damit die nächste Grippewelle nicht noch mehr Unterrichtsstunden vom ohnehin knappen Lehrplan fegt. Wer rechnen kann, weiß, dass unsere Forderung nach 105-prozentiger Versorgung von Schulen und Kitas mit Lehrkräften, Erzieherinnen und Erziehern, kein spinnerter Luxus ist, sondern der Minimalbedarf, um Bildung und Betreuung sicherzustellen.

Eine unsere Kernforderungen war und ist es, die gute Haushaltslage und die niedrigen Zinsen am Kreditmarkt zu nutzen, um den aufgelaufenen Investitionsstau an Schulen, Sportanlagen und Universitäten abzubauen. Die Spuren, die mehr als zehn Jahre Spardiktat hinterlassen haben, sind tief. Aber war hier etwas anderes zu erwarten, als in den anderen Einzelplänen? Weder Sie, Frau Scheeres, noch die Koalition sind stark genug, sich gegen unseren Finanzsenator durchzusetzen. Doch ich sage Ihnen eines: Die Schäden werden nicht weniger, sondern größer, und mit ihnen steigen auch die Kosten. Ziehen in Zukunft die Zinsen wieder an, wird alles noch teurer. Und wenn uns mal wieder ein Schuldach auf den Kopf fällt, fliegen uns die Kosten um die Ohren.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Hier schließt sich der Kreis, und ich komme zurück zum Regierenden Nußbaum, der mir jetzt leider nicht persönlich antworten will, sondern seinen Kultursenator Wowereit ins Rennen schickt.

[Heiterkeit bei den PIRATEN]

Hören Sie endlich auf mit Ihrer Haushaltstrickserei, denn mittlerweile hat auch der Letzte erkannt, dass die Bezirke bei der ganzen Etatschieberei wieder hinten runtergefallen sind!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Erhöhung in den Bezirksbudgets kassieren Sie direkt durch die Streichung von Zuweisungen an die Bezirke aus dem Landeshaushalt, und am Ende ist es ein Nullsummenspiel – linke Tasche, rechte Tasche. Seien Sie mutiger! Bringen Sie jetzt die notwendigen Investitionen auf den Weg! Falls Ihnen ein paar Stimmen in der Koalition dafür fehlen, bieten wir Ihnen gerne an, dabei auszuhelfen.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Lassen Sie uns die verbleibenden neuneinhalb Stunden der Debatte nutzen, um konstruktiv an einer Änderung des Haushaltsplans zu arbeiten, der den Bedürfnissen der Menschen dieser Stadt auch gerecht wird, und ersparen Sie sich und uns die ellenlange Rechtfertigung Ihrer Sparpolitik!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Senator Mario Czaja: Vorsicht, Ihr Herz!]

Denn sonst müssen wir diesen gesamten Haushalt leider ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Spies! – Für den Senat hat jetzt das Wort der Regierende Bürgermeister. – Bitte sehr!

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Kommt die SPD jetzt von rechts?]

Die Parlamentarier sind frei. – Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

[Zuruf von den PIRATEN: „Rausgelassen“ steht im Protokoll!]

Echt?

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Herr Schneider! Holen Sie mal die Sozis rein! – Weitere Zurufe]

Herr Lederer! Brauchen Sie Unterstützung? Das ist etwas Neues, dass Sie nach der Unterstützung von der SPD lechzen. Es war ja wohl doch gut in der rot-roten Koalition, wie wir heute auch von Herrn Wolf schon gehört haben.

Am Anfang der Debatte möchte ich auch im Namen des Senats den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Abgeordnetenhauses, die bei den Haushaltsberatungen besonders involviert waren, und natürlich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Senatsverwaltungen und Bezirksämtern Danke sagen für die Arbeit, die geleistet worden ist. Das, was heute hier als Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2014/2015 vorgelegt und dann zum Gesetz wird, ist ein Produkt monatelanger Arbeit. Das war eine anstrengende und keine leichte Arbeit, und deshalb auch vonseiten des Senats ein recht herzliches Dankeschön an alle, die das zuwege gebracht haben.

[Allgemeiner Beifall]

Selbstverständlich ist ein Haushaltsplan mit 23,5 Milliarden Euro pro Jahr kein Wunschkonzert. Es ist ein Haushalt, der nicht alle Bedürfnisse, die hier artikuliert worden sind, erfüllen kann, aber selbstverständlich ist es das legitime Recht von unterschiedlichen Parteien, Fraktionen und Auffassungen, darum zu streiten, wie man die Einnahmen, die das Land Berlin hat, verteilt, wie man die richtigen Schwerpunkte setzt. Der Senat erhebt für sich

(Alexander Spies)

den Anspruch, dass er die richtigen Schwerpunkte gesetzt hat.

Mit den Änderungen, die hier vom Hauptausschuss beschlossen worden sind, hat das Parlament eigene Schwerpunkte gesetzt, auch wenn einige sagen: Die Summe von 180 Millionen Euro ist relativ klein zu den 23,5 Milliarden Euro, aber jeder weiß, dass von den 23,5 Milliarden Euro der größte Teil dieses Betrages von vornherein festgelegt wird, und egal, wer die Schwerpunkte setzt, sie nicht veränderbar sind. Insofern ist die Summe nicht unerheblich, und das war auch nicht immer im Interesse des Senats, was da passiert ist, sondern da waren selbstbewusste Fraktionen, die ihre Schwerpunkte gesetzt haben, aber insgesamt ist es ein Gemeinschaftswerk dieser Koalition, getragen vom Senat und den Koalitionsfraktionen. Ich möchte mich bei all denen, die das mitgemacht haben, bedanken, dass hier ein hervorragender Entwurf zustande gekommen ist, der dann Gesetz wird, und er sichert die Zukunftsfähigkeit dieses Landes.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Es ist eigentlich auch eine gute Tradition in einer lebhaften Debatte, sich in einer Generalaussprache auch mit den Vorrednern auseinanderzusetzen.

[Ramona Pop (GRÜNE): Das machen Sie besonders gerne!]

Ich habe mir extra 20 Blätter Papier mitgebracht, um aufzuschreiben, was bei der Opposition beantwortet werden sollte. Es ist ganz wenig dabei herausgekommen. Ich muss sagen: Kompliment, Frau Pop! Ich finde das gut, obwohl das vielleicht einige enttäuscht hat. Ich finde es gut, dass Sie nicht versucht haben, das, was in dieser Stadt hervorragend ist, schlechtzureden. Sie haben vielmehr deutlich gesagt: Ja! Diese Stadt hat sich positiv entwickelt. Das erkennen wir an. – Es ist auch für eine Opposition richtig, dass sie nicht schlechtmacht, was gut gelaufen ist.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Ich finde auch gut, dass Herr Wolf sich zur Tradition seiner langen Regierungsarbeit bekannt und deutlich gemacht hat, dass der größte Teil dieses Aufschwungs, der guten Situation eigentlich die Linkspartei gemacht hat. Das finde ich in Ordnung. Die CDU wird auch sagen, dass sie es war, und die Grünen hatten auch Anteil daran, wenn auch nur wenige Monate. Eins ist aber klar: Die SPD war die ganze Zeit an der Regierung.

[Beifall bei der SPD]

Deshalb ist es ein schönes Lob von Herrn Wolf an die erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre, die wir hier in unterschiedlichen Konstellationen letztlich gemeinsam geleistet haben. Die eigentliche Wahrheit ist: Nicht nur der Senat, das Abgeordnetenhaus oder die Parteien, sondern vor allem die Bürgerinnen und Bürger in dieser Stadt haben diese Erfolgsgeschichte in den vergangenen Jahren geschrieben. Das war harte Arbeit. Deshalb ein

großes Dankeschön an alle diejenigen, die das in einer aktiven Zivilgesellschaft mitgestalten!

[Beifall bei der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ich finde es auch richtig, sich darüber zu streiten, wie dieser Etat verteilt wird. Herr Wolf hat eine klare Linie vorgegeben. Dafür sollte man ihn nicht schelten, auch wenn es nicht unsere Art ist, Politik zu machen. Er hat gesagt: Verschuldet euch auf Teufel komm raus! Es ist gut investiertes Geld. Gebt das Geld aus! Was interessieren uns Schulden? Was interessieren uns Zinszahlungen?

[Zurufe von der LINKEN]

Wir machen mal Funkenmariechen und geben alles aus. – Herr Wolf! Das ist eine Haltung, die man haben kann. Es ist aber eine verantwortungslose Haltung.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Man kann auch eine spießige Politik à la Piraten machen. Das geht auch. Da haben Sie sich mit den Linken getroffen. Sie haben sich beide von den Grünen isoliert, die eine andere Politik haben, die nämlich immer ganz deutlich gesagt haben: Haushaltskonsolidierung ist kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit – auch für eine Generationengerechtigkeit. Das, was wir heute verschulden, zahlen letzten Endes die künftigen Generationen.

[Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Dem hat die Koalition eine deutliche Absage erteilt.