Protokoll der Sitzung vom 12.12.2013

Vielen Dank, Herr Schneider! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Lux. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir stimmen heute über das Gesetz zur Änderung des Landesabgeordnetengesetzes und des Bezirksverordnetenentschädigungsgesetzes ab. Kern des Gesetzes ist die Ausstattung der Abgeordneten mit externen Büros und persönlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und dafür wollen SPD, CDU, Linke und Piraten den Etat des Abgeordnetenhauses um rund 20 Prozent anheben und 10 Millionen Euro jährlich mehr ausgeben. Außerdem sollen die Entschädigungen für ehrenamtlich arbeitende Bezirksverordnete erhöht werden sowie die Zuschüsse an Bezirksfraktionen steigen, wie Kollege Schneider es eben schon stolz gesagt hat. Keine Maßnahme, da sind wir uns einig, wird die praktische parlamentarische Arbeit so sehr beeinflussen wir diese. Sie kennen unsere Skepsis, die muss ich nicht lange vortragen, aber ich will noch mal betonen: Wir sind uns alle einig, dass die parlamentarische Demokratie Geld kosten darf und muss

[Christopher Lauer (PIRATEN): Ach! – Ach! von der SPD]

und dass wir als Parlament mehr Mittel brauchen, um den Senat und die Verwaltung effektiver zu kontrollieren sowie die Gesetzgebung zu verbessern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Christopher Lauer (PIRATEN): Ach, jetzt auf einmal!]

Wir sollen schließlich für mehr als 100 000 Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die tagtäglich Dienst für die Berlinerinnen und Berliner verrichten, einen guten Rahmen setzen, und es ist richtig und auch nötig, darüber nachzudenken, wie das Abgeordnetenhaus von Berlin die gewachsenen und vielfältiger werdenden Ansprüche der Berlinerinnen und Berliner an ihre politische Vertretung erfüllen kann. Ich hätte mir aber gewünscht, dass wir das auch mit den Berlinerinnen und Berliner diskutieren, dass wir es in einer öffentlichen Debatte diskutieren

[Beifall bei den GRÜNEN] , und dass wir es nicht nur unter uns Politikern diskutieren, sondern rausgehen in die Stadt und fragen: Was ist euch diese politische Vertretung wert? Wie soll sie in den nächsten Jahrzehnten aufgestellt werden? Liebe Berlinerinnen und Berliner! Liebe Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Wie kommen wir zu einem effektiveren Parlament? [Zuruf von Oliver Friederici (CDU) – Weitere Zurufe]

Sie, meine Damen und Herren von CDU, Linke, Piraten und SPD, versprechen sich mit der Ausstattungserhöhung mehr Bürgernähe – das respektiere ich –, vor allem, indem demnächst mehr als 100 Büros, in der ganzen Stadt verteilt, aufgemacht werden. Wir von Bündnis 90/Die Grünen

[Christopher Lauer (PIRATEN): Machen keine Büros auf!]

meinen, dass hier im Abgeordnetenhaus die Arbeit gestärkt werden muss. Das ist eine Selbstverständlichkeit, im Wahlkreis unterwegs zu sein, aber Politik, auch von uns, wird für die ganze Stadt gebraucht. Ich kann doch die fachpolitischen Themen – – Allen, die hier einen Sprechertitel in einem Ausschuss haben, muss ich doch nicht erzählen, dass die zivilgesellschaftlichen Initiativen und die Berlinerinnen und Berliner, die daran interessiert sind, in der ganzen Stadt unterwegs sind, und das Motto sollte aus unserer Sicht nicht sein: „Volle Kanne raus aus dem Haus!“, sondern lasst uns die Berlinerinnen und Berliner einladen, hier die Politik mitzugestalten.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Dass Sie im 21. Jahrhundert einen Ort brauchen, wo dann alle Arbeit stattfindet, spricht Bände! – Andreas Kugler (SPD): Das ist die grüne Bürgernähe! Oliver Friederici (CDU): Mit Brieftauben!]

Das ist ein anderes parlamentarisches Selbstverständnis, und das ist auch der Grund, weshalb wir Ihren Vorschlag nicht mittragen können. Bei allem Respekt, ich finde, wir sollten hier das eigene Politikverständnis auch achten.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Als Grüne haben wir immer wieder die Fragen eines Vollzeitparlaments ins Spiel gebracht, und wir müssen auch mal schauen, wo dieses Parlament zu groß und überausgestattet ist. Das ist zum einen unsere Altersvorsorge, die mit normalen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern überhaupt nicht mehr vergleichbar ist.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Auch der Präsident des Abgeordnetenhauses meldet in der Sache Unterstützung für ein Vollzeitparlament an. Mit dem heutigen Vorschlag gehen wir nur mit der Ausstattung Richtung Vollzeitparlament, bleiben aber unserem Abgeordnetenverständnis nach ein Teilzeitparlament.

[Oliver Friederici (CDU): Sie können ja auf Ihre Mandate verzichten!]

(Torsten Schneider)

Das haben jetzt nicht die Grünen gesagt, sondern die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ titelte deswegen nicht zu Unrecht: „Reform im Abgeordnetenhaus – die Lebenslüge geht weiter!“. Eine volle Mitarbeiterstelle macht es auch nicht besser, wenn der Abgeordnete noch 30 Stunden nebenbei arbeitet.

[Beifall bei den GRÜNEN – Oliver Friederici (CDU) und Christopher Lauer (PIRATEN): Sie können doch darauf verzichten!]

Auch die hier vorgelegte Änderung der Geschäftsordnung ist so noch nicht zustimmungsfähig. Wir begrüßen zwar, dass in Zukunft um 11 Uhr angefangen werden soll, aber – und Herr Schneider, das war eben eine sehr gewagte Interpretation – ich meine, wir sollten nicht das erste Parlament werden, dass die Große Anfrage im Plenum nicht mehr diskutiert.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Sie wollen diese Große Anfrage abschaffen. Genauso sollten wir als Opposition nicht darauf verzichten, Tagesordnungspunkte zur Beratung anzumelden. Wir als Berliner Abgeordnetenhaus sollten auch mal in die anderen Landesparlamente schauen, und dann hätten Sie gesehen, dass es dort eine Selbstverständlichkeit ist, dass der Senat zu Anträgen und zu Gesetzesvorschlägen Stellung nimmt und auch dort im Haus Stellung bezieht. Sie wollen in Zukunft nur noch die Aktuelle Stunde mit dem Senat gestalten. Das halten wir für falsch.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir als Grüne wollen Ihnen vorschlagen, stattdessen die Ausschussarbeit zu verbessern, Minderheitenrecht und Oppositionsrechte zu stärken und die Bürger mehr und besser zu beteiligen.

[Oliver Friederici (CDU): Reden Sie über Ihre Fraktion?]

Ich darf hoffen, dass wir beim Geschäftsordnungsprozess, der heute erst in erster Lesung eingebracht worden ist, noch weiter beraten können und beraten werden, und möchte meine Rede mit einem Satz von Kurt Tucholsky schließen.

[Oh! von der CDU und den PIRATEN]

Er hat gesagt:

Toleranz ist der Verdacht, dass der andere recht hat.

Also lassen Sie uns in diesem Sinne tolerant und weiter nach der Antwort suchen, um die parlamentarische Arbeit zu verbessern. Sie haben uns Grüne immer an Ihrer Seite, wenn die Rechte des Parlaments gegenüber dem Senat tatsächlich gestärkt werden sollen

[Lachen bei der CDU und den PIRATEN]

und wir mehr für die Berlinerinnen und Berliner leisten können. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den GRÜNEN – Christopher Lauer (PIRATEN): Schämen Sie sich!]

Vielen Dank, Herr Lux! – Für die CDU-Fraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Melzer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte nach dieser Rede mal vor die Klammer ziehen: Diese Initiative, diese Parlamentsreform ist keine von der Koalition oder der Opposition, es ist keine, die großen Fraktionen ausschließlich oder nur kleineren gerecht werden soll. Sie ist getragen von einer breiten Mitte dieses Hauses von mindestens 80 Prozent der Abgeordneten.

Herr Lux! Sie haben heute die Chance verpasst, hier mit einer vernünftigen Darstellung Ihrer Position, mit einer vernünftigen Ausrichtung und mit einer vernünftigen Diskussionskultur eine Parlamentsreform konstruktiv zu begleiten.

[Zuruf von Canan Bayram (GRÜNE)]

Hier geht es nicht darum, einzelne zu privilegieren, ob große Fraktion oder kleine, ob Regierung oder Opposition, es geht darum, Parlamentsrechte und die Rechte der Abgeordneten zu stärken. Wir hätten uns gewünscht, dass auch Sie diesen Konsens mittragen können.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Es geht eben nicht darum, „volle Kanne raus aus dem Abgeordnetenhaus!“ zu sagen, sondern sich volle Kanne an die Arbeit zu machen, das Mandat wahrzunehmen, egal, ob im Abgeordnetenhaus, im Wahlkreis oder im inhaltlichen Umfeld, egal, wo man ein Büro eröffnet, raus zu den Menschen zu gehen. Das nicht gut zu finden, ist zumindest befremdlich.

In den Kiezen und in den Wohnquartieren, in den Bezirken sichtbarer und ansprechbar zu sein, ist ein Ziel dieser Parlamentsreform. Es ist keine Reform für 149 Abgeordnete, sondern es versetzt das Abgeordnetenhaus und uns Abgeordnete in die Lage, für alle Berliner präsent zu sein und im stärkeren Austausch zu arbeiten. Die Initiative stärkt das Parlament und den einzelnen Abgeordneten und schwächt sie nicht. Das ist eine große Leistung des Abgeordnetenhauses.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den PIRATEN]

Den Weg dorthin haben wir uns alles andere als einfach gemacht. Zu Recht haben die Fraktionen – alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses – intensive und lange Gespräche geführt, unterschiedliche Vorschläge erarbeitet, miteinander diskutiert und um den besten Weg gerungen. In den letzten neun Monaten haben wir uns auch die

(Benedikt Lux)

Arbeitsweise anderer Landtage angesehen. Vertreter aller Fraktionen waren vor Ort in Hamburg. Wir haben uns die Regelungen im Bundestag und Beispiele der Regelungen anderer Landtage wie z. B. die in Brandenburg, Bremen oder Nordrhein-Westfalen angesehen.

In der Konsequenz und aus dem Selbstverständnis eines starken Parlaments als Kontrolle der Exekutive liegt nun ein Ergebnis vor. Wir ändern das Abgeordnetengesetz und damit die Arbeitsfähigkeit des einzelnen Abgeordneten durch Bürgerbüros vor Ort, die personell und materiell unterlegt werden. Dies stärkt den einzelnen Abgeordneten in der Wahrnehmung seiner Aufgaben. Es war darüber hinaus von besonderer Bedeutung, die wichtige und ehrenamtliche Arbeit der Bezirksverordneten angemessen wertzuschätzen. Dieses Signal an die Bezirksverordneten in allen Berliner Bezirken aus allen Fraktionen und dieses Signal an die BVV-Fraktionen vor Ort zu geben, die Wertschätzung ihrer ehrenamtlichen Arbeit auch angemessen zu honorieren, das ist auch etwas, was aus der Mitte des Hauses und einheitlich begrüßt werden sollte – ohne parteipolitische Spielchen.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den PIRATEN]

Ein weiterer Punkt, den wir regeln: Wir werden den Ablauf des Plenums über die Geschäftsordnung neu strukturieren. Die Parlamentssitzungen sollen nach den getroffenen Vereinbarungen abwechslungsreicher und dynamischer werden, geprägt von inhaltlicher Auseinandersetzung. In dieser neuen Struktur wollen wir um 11 Uhr die Plenarsitzung beginnen – mit der Aktuellen Stunde und zukünftig ohne eine Große Anfrage. Anstelle einer Großen Anfrage wird aber u. a. mit der spontanen Fragestunde – auch hier wieder das Recht eines Einzelnen, nicht das einer Gruppe oder einer Fraktion – das Fragerecht des einzelnen Abgeordneten ausgebaut.

Über Redezeitkontingente werden die einzelnen Fraktionen tatsächlich in die Lage versetzt werden, ihre Anträge zu priorisieren und darzustellen, was ihnen besonders wichtig ist. Die Anfrage der Abgeordneten erhält zukünftig Verfassungsrang – nicht nur, dass man fragen darf, sondern dass man auch in einer angemessenen Frist eine schnelle Beantwortung durch den Senat erhält. Auch das ist eine Verbesserung der Rechte des einzelnen Abgeordneten und sollte hier nicht kritisiert werden.

[Beifall bei der CDU, der SPD, der LINKEN und den PIRATEN]