Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

die Homepage des BSI dauernd überlastet war und wahrscheinlich auch immer noch überlastet ist.

Ich denke, man kann bereits jetzt feststellen, dass die Internetkriminalität zu den größten sicherheits- und gesellschaftspolitischen Herausforderungen der Gegenwart gehört. In kaum einem anderen Bereich ist die Verbindung zwischen Verbraucherschutz und effektiver Strafverfolgung deutlicher. Der Bürger ist genauso betroffen wie Wirtschaft und Industrie, und auch die öffentlichen Stellen müssen sich auf die neuen Bedrohungen einstellen. Ich würde mich freuen, wenn die Opposition hier genauso viel Engagement an den Tag legen würde wie sonst beim Daten- oder Grundrechtsschutz.

[Uwe Doering (LINKE): Fangen wir mit der Videoüberwachung an!]

Lieber Herr Kollege Doering! Meine Stimme ist heute etwas angegriffen. Ich kann in keinen Lautstärkewettbewerb mit Ihnen eintreten. Sie können aber gern eine Zwischenfrage stellen.

[Uwe Doering (LINKE): Nein, danke!]

Jede polizeiliche und strafprozessuale Maßnahme, die mit der Erfassung von Daten im Zusammenhang steht, wird von Ihnen abgelehnt oder so eng gefasst, dass sie in praxi wirkungslos wird. Kollege Behrendt hat gerade wieder beeindruckend diese von mir aufgestellte Behauptung bestätigt.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Unsinn!]

Dass aber die Bedrohung für die Freiheit des Einzelnen ganz offensichtlich nicht von dem positiv motivierten staatlichen Handeln unserer deutschen Behörden ausgeht, sondern sich vielmehr im privaten und kriminellen Milieu vollzieht, scheinen Sie ganz offensichtlich verdrängen zu wollen.

[Lachen bei den PIRATEN – Wolfgang Brauer (LINKE): Sagen Sie den Satz doch noch mal!]

Im Bereich der Internetkriminalität ist wirkungsvolle Strafverfolgung der beste Daten- und Freiheitsschutz für unsere Bürger. Daran wird die Koalition hier in Berlin auch weiter arbeiten.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Und wir werden über unseren landespolitischen Tellerrand schauen müssen. Reichen die bestehenden Straftatbestände aus, um Straftätern im Internet wirkungsvoll das Handwerk legen zu können? – Wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes und der Wortlautgrenze wird man nicht jedes strafwürdige Verhalten im Internet unter die in die Jahre gekommenen Straftatbestände packen können. Hier wird der Bundesgesetzgeber gefordert sein, mit Augenmaß, aber auch zeitnah den Strafrechtsschutz in diesem Bereich zu überarbeiten und zu erweitern.

(Dirk Behrendt)

Auch die europäische Ebene ist angesprochen. Gerade das sich digital vollziehende Unrecht kennt keine Ländergrenzen. Die Europäische Union wird sich dieser Herausforderung annehmen müssen und ein über das Können und Dürfen nationaler Strafverfolgungsbehörden hinausgehendes, ganzheitliches Vorgehen gewährleisten müssen. Auch ist es meines Erachtens eine Frage und eine Aufgabe der gemeinsamen europäischen Außenpolitik, sicherzustellen, dass sich Internetstraftäter nicht mit ihren Servern in Gebieten außerhalb der Europäischen Union vor Strafverfolgung schützen können.

Wir müssen unseren Strafverfolgungsbehörden die sachlichen und personellen Mittel an die Hand geben, um auf die Kriminalität des 21. Jahrhundert nicht nur mit den Mitteln des 19. oder 20. Jahrhunderts reagieren zu können. Dafür brauchen wir gerade im Bereich der Strafprozessordnung neue Vorschriften, um adäquat handeln zu können, und natürlich ist in diesem Bereich die Vorratsdatenspeicherung zu nennen, die wir brauchen, um dieser neuen Kriminalität Herr werden zu können und die Menschen zu schützen.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Das habe ich auch deshalb gesagt, um ein bisschen Koalition in der Opposition zu ermöglichen, damit Sie sich auch irgendwo daran reiben können.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Damit auch die SPD mal klatscht!]

Ich fühle mich bei der SPD sehr gut aufgehoben. Gar kein Problem!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Kollege Lederer! Jetzt stelle ich Ihnen eine Frage: Wie wollen Sie ernsthaft Internetstraftaten, digitales Unrecht, mit den Mitteln der herkömmlichen Telefonüberwachung oder Observation aufklären oder – noch besser – verhindern? – Vielleicht gehen Sie darauf ein.

Bei der Vorbereitung des Themas habe ich mich auch des Internets bedient, um mal zu sehen, welche Vorschläge die Konkurrenz macht.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Und?]

Im Laufe meiner politischen Tätigkeit habe ich ja gelernt, dass bei den Grünen in der Regel die Wahrheit zu finden ist. Darum habe ich mal folgende Stichworte eingegeben: „Datensicherheit“, „Phishing“, „Datenhehlerei“, „Internetsicherheit“, „Netzsicherheit“ oder „Cyberkriminalität“. In den jüngsten Abgeordnetenhausvorgängen sucht man und findet man bei Bündnis 90/Die Grünen nichts – gar nichts.

[Uwe Doering (LINKE): Was? – Sehr enttäuschend!]

Schaut man in das Bundestagswahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen – Sie waren ja kurz davor, die Bun

deskanzlerin zu stellen –, so findet man auch an dieser Stelle nichts.

[Zurufe von den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Dieses absolut mangelnde Problembewusstsein ist in der Rede des Kollegen Behrendt auch deutlich geworden. Es fehlt schlichtweg am Problembewusstsein, und bei den Kollegen der Linksfraktion bzw. Linkspartei ist es nicht besser, wenn man da die gleiche Suche betreibt.

[Uwe Doering (LINKE): Echt?]

Über die Gründe kann man spekulieren, und das mache ich jetzt mal. Es passt wahrscheinlich nicht in Ihr Weltbild. Es passt nicht in Ihr Weltbild, das bei Ihnen allein von George Orwells Vorstellungen eines alles überwachenden Staates geprägt zu sein scheint, und es ist Ihnen als Ideologen unmöglich, gedanklich mehr zuzulassen. Ganz nach dem sozialistischen Motto: Wenn die Wirklichkeit nicht zur Theorie passt, wie schade für die Wirklichkeit. – Nicht wahr, Kollege Doering?

[Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Das kennen Sie wahrscheinlich aus irgendwelchen Marxismus-Schulungen. – Ich kann Sie angesichts der Fallzahlen – 20 970 Fällen im Jahr 2012 – und eines enormen Dunkelfelds nur auffordern, Ihre ideologischen Scheuklappen abzulegen und zu erkennen, dass der Staat rechtlich und tatsächlich in die Lage versetzt werden muss, hier gegenzuhalten. Aber allein mit den Maßnahmen der verbesserten Strafverfolgung – das ist mir vollkommen bewusst – wird es nicht getan sein. Es ist auch eine grundlegende Frage des Verbraucherschutzes und des Nutzerverhaltens.

[Dr. Wolfgang Albers (LINKE): Wer schützt denn das Handy von Merkel?]

Wir werden noch besser die Berlinerinnen und Berliner über die Gefahren einer allzu sorglosen Nutzung des Internets aufklären müssen und Sicherungsmaßnahmen vermitteln. Die Anonymität und Bequemlichkeit der digitalen Welt darf den Nutzern keine falsche Sicherheit vermitteln. Wir brauchen mehr Verbraucheraufklärung. Wir brauchen auch hier den vernünftigen und mündigen Verbraucher, der problembewusst ist und sich schützen lassen will.

Die Einrichtungen des Staates und der Wirtschaft, um noch ein weiteres Themenfeld anzureißen, werden aus meiner Sicht zukünftig noch mehr im Bereich der ITSicherheit unternehmen müssen, um gegen Cyberangriffe jeder Art und Intensität gewappnet zu sein. Auch hier wollen wir in der verbleibenden Zeit schauen, wie weit Berlin ist. Einen ersten richtigen Schritt hat die Koalition im Rahmen der vergangenen Haushaltsplanaufstellung unternommen, indem wir zusätzliche Stellen bei der Staatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Internetkriminalität geschaffen und Mittel für Aus- und Fortbildung

bereitgestellt haben. Der Kollege Behrendt hat darauf hingewiesen, es seien nur fünf Stellen. Würden die Grünen regieren, gäbe es gar keine Stellen. Es sind im Übrigen nicht nur fünf Stellen, sondern es sind mehr Stellen, weil wir auch die Folgedienste unterstützt haben, weil wir Mittel für Aus- und Fortbildung bereitgestellt haben, weil wir Schulungsmaßnahmen ermöglichen werden, und fünf Staatsanwälte sind im Zusammenhang einer öffentlichen Personalbedarfsplanung eine ganze Menge.

Wir werden die kommende Zeit nutzen, damit eine wirksame Strafverfolgung nicht durch eine sehr dynamische Kriminalitätserscheinung zulasten der Bürger abgehängt wird. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Rissmann! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Lederer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als ich den Beitrag von „Liebling Cybermaus“ Kohlmeier gehört habe, habe ich mir gedacht, dass er auf solche Mails, wie er sie hier vorgelesen hat, wahrscheinlich auch antwortet.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Es kam ja auch letztlich in der Sache nichts. – Ich finde, es hätte eine Menge aktuellerer Dinge gegeben, über die man heute diskutieren hätte können, z. B. Angleichung der Beamtenbesoldung, fehlende Kitaplätze und vieles andere mehr. Die Mehrheit der Koalitionsabgeordneten scheint das ja genauso zu sehen, denn die Bänke sind leer.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Herr Kohlmeier! Ihr Thema hat die Aktualität des Pleistozäns. Wie schützt sich Berlin vor Cybercrime? – Es hätte ja auch heißen können: Wie schützt sich Berlin vor Kriminalität im Internet? Aber das klingt viel zu banal. Wer „Cybercrime“ sagt, wie „Liebling Cybermaus“ Kohlmeier, der suggeriert doch: Für mich ist das Internet nicht Neuland.

Herr Dr. Lederer! Vielleicht mögen Sie auf solche Beschreibungen verzichten!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Das tue ich hiermit. – Wer „Cybercrime“ sagt, der zeigt doch: Für mich ist Internet nicht Neuland. Er sagt übrigens selber von sich „Liebling Biesdorf“ oder so.

[Zuruf von den PIRATEN: Kaulsdorf!]

Insofern, betone ich, ist das an der Stelle nicht besonders bösartig, und es war auch gar nicht bösartig gemeint: Er ist voll modern. Er hat voll Ahnung. Er ist nicht wie die Kanzlerin ein Neulandbetreter. Cybercrime – wow!

Ich hätte gerne in der Begründung zur Aktuellen Stunde gehört, worüber jetzt hier eigentlich geredet werden soll. Also, die Pillenbande vor einem Landgericht in Brandenburg, das meinen Sie doch bitte nicht ernst.