Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Wow!]

Nur weil ein Rechner mit Windows XP betrieben wird, ist er noch nicht unsicher.

[Zurufe von der LINKEN und den PIRATEN]

Es gibt zugegebenermaßen keinen Support mehr. – Sie haben vielleicht die Pressemitteilung des Kollegen Birk nicht gelesen, aus welchen Gründen auch immer. – Es gibt keinen Support mehr, aber nicht jeder Verwaltungsrechner ist auch unmittelbar mit dem Internet verbunden, und der Virenscanner-Support läuft weiter

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Da habt ihr aber Glück, dass es Microsoft gibt!]

Zudem hat der Senat im Ausschuss dargestellt, dass die Umstellung von Windows XP auf einem guten Weg ist.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Dann ist ja alles gut!]

Das Land Berlin ist bei der Bekämpfung der Internetkriminalität besser aufgestellt als jemals zuvor. 26 neue Stellen bei der Staatsanwaltschaft, eine umfassende Schulung der Richter und Staatsanwälte, die Einbeziehung von externen Experten.

[Zuruf von der LINKEN: Wo sind die?]

Keine Koalition hat zuvor so viel für die Bekämpfung der Internetkriminalität getan wie diese rot-schwarze Koalition.

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Lieber Kollege Lederer, Sie haben doch mit uns zehn Jahre regiert, Sie haben doch von dem Thema überhaupt nichts gehört und überhaupt nichts verstanden, bis wir es in unseren Koalitionsvertrag reingeschrieben haben. Sie kannten das Wort vorher überhaupt nicht.

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU – Uwe Doering (LINKE): Sie waren doch dabei! – Weitere Zurufe von der LINKEN]

Natürlich kann auch jede Berlinerin und jeder Berliner etwas gegen die Internetkriminalität tun. Seien Sie wachsam im Umgang mit dem Internet!

[Zuruf von den PIRATEN: Genau!]

Ich empfehle immer zu überlegen, würden Sie das auch im analogen Leben machen.

[Uwe Doering (LINKE): Seien Sie wachsam!]

Würden Sie jemanden Geld überweisen, nur weil er Sie auf der Straße anspricht und einen hohen Gewinn verspricht? – Das würde selbstverständlich niemand tun.

[Zurufe von der LINKEN]

Warum macht man das dann im Internet? Würden Sie Ihre Kreditkartendaten in einem Geschäft abgeben, das weder einen Namen noch eine ordentliche Geschäftsausstattung hat? Auch das würde keiner tun. Warum macht man das dann im Internet? Würde jemand seine Wohnungstür offen stehen lassen? Auch das würde keiner tun. Warum ist aber weder der PC abgesichert noch mit einem ordentlichen Virenprogramm versehen?

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE) – Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Sie sind doch gleich dran, bleiben Sie doch einfach mal ein bisschen ruhig!

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE) – Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Wir setzen mit unseren Maßnahmen ein deutliches Zeichen. Wir schützen die Individualrechte vor übermäßigen staatlichen Eingriffen

[Benedikt Lux (GRÜNE): Was?]

und gehen zugleich konsequent gegen Kriminalität im Internet und im analogen Leben vor. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von der LINKEN: Amen!]

Vielen Dank, Herr Kohlmeier! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Abgeordnete Behrendt. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Kohlmeier! Es ist ja selten so ein Bohei gemacht worden um fünf Stellen, die Sie geschaffen haben.

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

(Sven Kohlmeier)

Es spricht ja auch für sich, dass Sie hier schon Pillendreher aus Potsdam anführen müssen, um die Aktualität der heutigen Aktuellen Stunde zu begründen. Da sehe ich keinen Berlinbezug. Wenn Sie sich über Pillendreher informieren wollen, können Sie ja Frau Kollegin Yzer – die ist aus Ihrer Vorbeschäftigung ja hinlänglich mit diesem Phänomen betraut – vielleicht einmal in einer der Koalitionsrunden fragen.

[Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Jetzt aber zur Sinnhaftigkeit und zum Umfang dieses Schwerpunktes: Die Sinnhaftigkeit der Schwerpunktsetzung bei der Rockerkriminalität leuchtet ja unmittelbar ein, wenn man sich die Vorfälle in Reinickendorf vor Augen führt. Das ist bei der Cyberkriminalität nicht so unmittelbar einleuchtend. Deswegen lassen Sie uns die Frage stellen: Ist diese Schwerpunktsetzung sinnvoll, ist sie klug, ist sie erfolgversprechend? Und reicht die Reaktion des Senats aus, oder schicken Sie hier womöglich eine Jolle in eine Sturmflut?

[Ui, ui, ui! von der SPD]

Vielleicht vorweg: Das Internet ist keine gefährliche Krake, die die Rechte und Freiheiten der Bürger einschränkt, sondern ist wesentlicher Garant für die freie Kommunikation in einer parlamentarischen Demokratie. Die Vorratsdatenspeicherung ist ja angesprochen worden. – Herr Senator! Sie können ja die Gelegenheit nutzen, uns dann heute hier ausführlich zu erklären – und den einen oder anderen zu überzeugen –, dass wir dringend die anlasslose Speicherung aller Kommunikationsvorgänge benötigen. Meine Fraktion und Partei steht auf dem Standpunkt, dass wir das nicht benötigen, dass das zu weit geht. Wir sagen eindeutig nein zur Vorratsdatenspeicherung!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Mehr Aktivitäten der Berliner Staatsanwaltschaft hätten wir uns bei der Verfolgung rechtsradikaler Netzwerke gewünscht. Wenn Rechtsradikale ihre Hetztiraden und fremdenfeindlichen Aktivitäten im Netz verbreiten, ist die Staatsanwaltschaft gefragt. Wir hatten hier in Berlin den Fall, dass im „NW-Berlin“-Netz Abgeordnete verschiedener Fraktionen bedroht wurden, gewählte Volksvertreter eingeschüchtert wurden. Da waren wir nicht zufrieden, dass die Berliner Staatsanwaltschaft dieser Form der Kriminalität erst nachgegangen ist, nachdem wir eine Anhörung im Rechtsausschuss dazu durchgeführt haben. Da begrüßen wir sehr die Verfolgung von Cybercrime. Das sollte die Staatsanwaltschaft als ihre Aufgabe sehen. Wenn man sich anguckt, was an Hetze läuft, auch gegen Asylbewerbereinrichtungen in dieser Stadt, dann ist das ein Aktionsfeld, wo man sicherlich mehr machen muss.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Jetzt zum Umfang der hier hochgelobten Schwerpunktsetzung. Sie haben sage und schreibe fünf Staatsanwälte mehr eingesetzt. Fünf Staatsanwälte werden zukünftig zur Bekämpfung von Cybercrime eingesetzt, nicht 28, nicht 18, sondern fünf. Sie kennen alle die Änderungsanträge. Das sind zwei Prozent der Berliner Staatsanwälte. Das ist ein recht bescheidener Umfang – offenbar doch eher eine Jolle. Ob das im Hinblick darauf, dass es sich um zwei Prozent handelt, gleich Schwerpunktreferat genannt werden muss, kann man sich auch fragen. Da scheint ja vielleicht wohl eher die Werbesprache mit Ihnen, Herr Heilmann, durchgegangen zu sein, als dass das wirklich ein Schwerpunkt ist, wenn man hier zwei Prozent verändert.

Hinzu kommen dann noch die pauschalen Minderausgaben in Höhe von mehreren Millionen Euro in den nächsten beiden Jahren, die Sie der Justiz auferlegt haben. Das ist ein Vielfaches dieser zwei Prozent an Stellen, die Sie jetzt zur Bekämpfung der Cyberkriminalität einsetzen. Hier wird nicht nur die Jolle in schwere See geschickt, sondern zugleich – der drohende Personalabbau auch bei den Strafverfolgungsbehörden beträgt 179 Stellen – werden mehrere hochseetaugliche Schiffe außer Betrieb genommen. Ich wage die Prognose, dass zum Jahresende 2014 das Personal bei der Berliner Staatsanwaltschaft insgesamt abgesenkt sein wird. Von daher bleibt wenig von Ihrer hier groß gefeierten Aufstockung übrig.

Nun noch mal zum Umfang der Cyberkriminalität: Herr Kohlmeier! Sie haben wahre Schauergeschichten erzählt, als würde, sobald ich den Computer anschalte, sofort mein Bankkonto leergeräumt. Wenn man sich die von Ihnen erwähnten Berichte des Bundeskriminalamtes anguckt, stellt man fest, dass die Cyberkriminalität im Bereich der organisierten Kriminalität – nach den Zahlen im Jahr 2012 – einen Anteil von 1,1 Prozent einnimmt. Damit liegt sie auf dem allerletzten Rang der verschiedenen Kriminalitätsfelder und sogar noch hinter der Umweltkriminalität und der Korruption. Also von daher bitte auch hier mehr Sachlichkeit in der Debatte! Die organisierte Kriminalität bedient sich eben zum allergrößten Teil nicht des Computers, um Straftaten zu begehen, sondern macht das auf dem herkömmlichen Weg, sodass also bitte darauf weiterhin ein Augenmerkt zu legen ist.

Das unkritische Nutzerverhalten des einen oder anderen Computernutzers haben Sie bereits angesprochen, und das brauche ich jetzt nicht weiter auszuführen. Auf einen Aspekt möchte ich aber noch hinweisen: Gegenwärtig geht die größte Gefahr für unsere digitalen Grundrechte nicht von den von Ihnen beschriebenen Phänomenen aus, sondern von den staatlichen Stellen Großbritanniens und der USA. Die schneiden gegenwärtig unsere gesamte Computerkorrespondenz mit, legen Bewegungsprofile über uns an, hören unsere mobile Telefonie ab und berauben uns unserer Privatsphäre. Da würde mich ernsthaft interessieren, was dieser Senat bisher unternommen hat, um die Berlinerinnen und Berliner vor dieser Form der

Überwachung zu schützen, denn dagegen helfen mit Sicherheit fünf Staatsanwälte nicht. – Ich danke Ihnen!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Dr. Behrendt! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Rissmann. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! – Vor neun Tagen – erst vor neun Tagen, Herr Kollege Behrendt! – teilte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik mit, dass schon im letzten Jahr millionenfache Identitätsdiebstähle im Internet erfolgt sind. 16 Millionen digitale Identitäten sollen davon betroffen gewesen sein. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik führt weiter aus, dass Identitätsdiebstahl eines der größten Risiken bei der Internetnutzung ist. Da – und das sollte auch für Sie einleuchtend sein, Kollege Behrendt! – ein Leben ohne Internet grundsätzlich, aber auch beinah für jeden Bürger undenkbar ist, liegt eine potenzielle Betroffenheit – meistens sogar eine konkrete Betroffenheit – des Großteils unserer Bevölkerung, aber auch unserer Behörden, der Wirtschaft und der Industrie vor.

Wozu Identitätsdiebstahl im Internet für den Betroffenen führen kann, wurde in beängstigender Weise durch einen Bericht des ARD-Magazins „Fakt“ Anfang dieser Woche deutlich. Dort wurde der Leidensweg einer Berlinerin dokumentiert, die nur durch Zufall merkte, dass es eine parallele Identität von ihr gab, die Bankkonten unterhielt, die Verträge einging, die sogar Postnachsendeaufträge für sie stellte etc. Ich kann nur hoffen, dass diese Berlinerin Ihren heutigen Redebeitrag nicht gehört hat, in dem Sie versucht haben, das Problem vollkommen zu marginalisieren. Dieser Bericht kann einem Angst und Sorge machen – mir hat er das jedenfalls. Wenn man sich vor Augen führt, dass häufig nur ein Passwort oder eine Personalausweis- oder Kreditkartennummer ausreicht und diese Daten heute im Internet permanent bewegt werden, dann muss doch jeder einsehen, dass hier Handlungsbedarf besteht.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Die Koalitionsfraktionen wollen heute dazu einen Anstoß geben und das Thema in das Bewusstsein rücken. Wir wollen sensibilisieren. Wir wollen mit Ihnen auch den Status quo in Berlin erörtern und ermitteln, wo weiterer Handlungsbedarf besteht. Dass eine wohlbegründete Verunsicherung bei unserer Bevölkerung vorliegt, erkennen Sie, Kollege Behrendt, daran, dass der Sicherheitstest, den das BSI seit einigen Tagen anbietet, bereits über eine Million Mal in Anspruch genommen worden ist und

die Homepage des BSI dauernd überlastet war und wahrscheinlich auch immer noch überlastet ist.