Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

[Beifall bei den PIRATEN]

Es ist auch schade, dass Sie – da sind wir uns auch gar nicht so uneinig –, beispielsweise einen Aspekt wie den, was eigentlich unter Sicherheitsaspekten bedeutet, proprietäre Software flächendeckend einzusetzen und sich davon abhängig zu machen, gar nicht beachten. Es

ist schade, dass Sie sich diesem Diskussionsaspekt verschlossen zeigen und nicht bereit sind, darüber weiter zu diskutieren.

Das Thema ist durchaus wichtig und aktuell. Es wird die nächsten Jahre nur noch wichtiger. Da haben Sie völlig recht. Es ist eine immer noch weiter fortschreitende Digitalisierung der gesamten Gesellschaft. Wenn ich aber noch einmal die Brücke zurück zum Thema Verwaltung schlagen darf, ist es auch eine fortschreitende Digitalisierung der Verwaltung. Wir wollen die E-Akte. Wir wollen sie alle. Sie haben Sie in den Koalitionsvertrag auch aufgenommen. Ob sie bis 2016 so kommt, wie Sie das Vorhaben hineingeschrieben haben, kann man bezweifeln. Aber man muss sich an der Stelle auch einmal überlegen, was es bedeutet, wenn Akten, die bislang dadurch geschützt waren, dass sie irgendwo auf Papier stehen, nun digitalisiert werden sollen. Man muss sich Gedanken um die Rahmenbedingungen machen.

Sie müssten zum Schluss kommen!

Insofern kann ich abschließend als Fazit sagen, dass Sie schon ein aktuelles und wichtiges Thema aufgegriffen haben. In Anbetracht Ihrer Redebeiträge fürchte ich aber, dass das Zufall war.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Vielen Dank, Herr Dr. Weiß! – Für den Senat hat jetzt das Wort Herr Senator Heilmann. – Bitte sehr!

Lieber Herr Dr. Weiß! Sie haben recht. Es ist ein aktuelles Thema, und es ist ein wachsendes Thema. Deswegen bin ich auch etwas betroffen über die Debatte heute, weil vieles durcheinandergebracht wurde. Die Bürger hätten, wenn sie dem zugehört hätten, eher rätselnd davor gestanden, was die Opposition hier vorgetragen hat.

Zum Ersten: Das Thema Sicherheit und Kriminalität im Internet – wir können gern auf Deutsch reden, Herr Lederer, hat viele Aspekte. Wir wollten – und ich möchte das auch – über das reden, was die Zuständigkeit des Landes ist. Zu der Zuständigkeit des Landes gehört insbesondere die Strafverfolgung. Deshalb ist es ein wichtiges Thema.

Die Strafverfolgung zur NSA ist übrigens ausgerechnet eine Ausnahme. Diese liegt beim Bundesanwalt, mit dem

ich darüber gestern Abend gesprochen habe. Er ermittelt auch. Das wollte ich nur am Rande erwähnt wissen.

Lieber Herr Doering! Sie haben hier mehrfach dazwischengerufen, worüber wir hier eigentlich reden. Andere haben dasselbe gesagt. Herr Doering ist jetzt gar nicht da. Ich frage mich, was Sie eigentlich den Bürgerinnen und Bürgern sagen, die davon nahezu flächendeckend in Berlin betroffen sind. Ich werde Ihnen gleich sagen, warum die Strafverfolgung so schwierig ist und warum man an der Stelle etwas tun muss und warum die Innenverwaltung unter der Führung meines geschätzten Kollegen Henkel sowie meine Verwaltung ganze neue Seiten aufgeschlagen haben. Ich finde die etwas abfälligen Bemerkungen gegenüber Herrn Kohlmeier ausgesprochen unangebracht. Ich bin ihm extrem dankbar dafür, dass er das Thema immer wieder auf die Tagesordnung holt. Wir in der Koalition arbeiten dort mit einem klaren Ziel für die Sicherheit der Bürger.

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Ich will Ihnen das auf zwei Wegen versuchen, deutlich zu machen, um Sie davon zu überzeugen. Es ist auch insofern ein Thema, weil es offensichtlich Meinungsunterschiede gibt, wie und warum die Berliner so betroffen sind.

Das Europäische Parlament hat sich damit im letzten September auseinandergesetzt und dazu einen Bericht zur organisierten Kriminalität herausgegeben. Es kalkuliert für Deutschland einen Schaden von 3 Milliarden Euro für die Bürger. Umgerechnet auf Berlin reden wir von über 400 Millionen Euro Schäden.

Ich will Ihnen eine zweite Zahl nennen. Allein in Berlin haben sich im letzten Jahr 20 000 Bürger an die Staatsanwaltschaft gewandt, weil ihre Konten geplündert worden sind, weil sie über Phishing-E-Mails getäuscht worden sind und Weiteres, und das, obwohl sie wissen, dass es im Moment noch so ist, dass die Staatsanwälte so gut wie keine Chance haben, die Täter zu ermitteln. Das ist leider ähnlich wie bei manchen anderen Delikten in der Alltagskriminalität, sodass die Dunkelziffer wahrscheinlich sehr viel höher ist. Ich weiß nicht, mit wem Sie reden – Sie wissen, ich bin erst seit zwei Jahren hauptberuflich Politiker –, in meinem Bekanntenkreis kenne ich überhaupt niemanden, der nicht wenigstens laufend Spam bekommt, Phishing-E-Mails oder Trojaner angeboten bekommt. Und ich kenne in meinem Bekanntenkreis jede Menge Leute, denen Geld über illegale Internetaktivitäten geklaut worden ist. Zu sagen, da gäbe es kein Problem, ist absolut absurd.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Christopher Lauer (PIRATEN): Mann, Mann!]

Und das Gegenargument, es gibt noch weitere Probleme, stimmt natürlich. Aber so kann man natürlich immer argumentieren und sagen, es gibt noch weitere Probleme.

(Dr. Simon Weiß)

[Beifall von Dr. Hans-Christian Hausmann (CDU)]

Eins, was damit zu tun hat, weil es dieselbe Vokabel benutzt, Herr Weiß, ist das Thema Cybersicherheit. Diese Koalition, dieser Innensenator und seine Verwaltung haben wesentlich mehr getan als die Regierungen vorher. Ich kann Ihnen für meine Verwaltung sagen: Ich habe die Daten aktuell geholt, um nur das Windows-XP-Thema zu beantworten, das Sie da wieder aufmachen: Inzwischen sind wir bei unter 40 Prozent Rechnern, die das noch nutzen.

[Thomas Birk (GRÜNE): Von Montag bis heute?]

Und wir sind ziemlich sicher, dass wir es vor dem 7. April und auch ohne die Verlängerung von Microsoft hinbekommen, dass die allermeisten Rechner in der Justizverwaltung davon nicht mehr abhängig sind. Und ich könnte noch viele andere Beispiele nennen.

Ganz besonders betroffen hat mich gemacht, was Sie, Herr Lederer, zum Thema nw-berlin.net gesagt haben. Vorweg: Das ist eine widerliche Seite gewesen. Und ich bedauere außerordentlich, dass Sie und andere dort in einer Weise, die völlig unakzeptabel ist, betroffen waren. Da sind wir uns total einig. Aber ich war es, der keine drei Monate im Amt war, der die amerikanische Botschaft in Berlin davon überzeugt hat, uns die Daten rauszugeben. Und deswegen ist die Seite seit Langem offline.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Wann war das?]

Das war 2012, als ich gerade ins Amt kam. Es tut mir leid, ich konnte voramtlich dazu nichts tun.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ich habe von der Staatsanwaltschaft geredet, nicht von Ihnen! Sie wollen alles alleine ermitteln?]

Nein, natürlich nicht. Wir haben uns um dieses Thema gekümmert. Wir führen ja hier eine politische Debatte und reden nicht über die Frage, ob ein einzelner Beamter irgendwas richtig oder falsch gemacht hat, zudem vor meiner Amtszeit. Darüber werde ich mich sicher nicht auslassen. Aber im Kern war das natürlich etwas nicht zu Tolerierendes, und dieser Senat, in dem Fall die Justizverwaltung unter meiner Führung, hat etwas getan.

Das heißt, ich möchte kurz als erstes festhalten: Wir in der Koalition – und da sind wir uns auch völlig einig – halten das für ein relevantes Problem der Berliner Bürgerinnen und Bürger. Ich habe, ehrlich gesagt, inzwischen in Wahlkampfveranstaltungen angefangen, immer darauf hinzuweisen, dass die Grünen und die Linken das für gar kein Problem halten, was sie tagtäglich erhalten.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Da haben Sie uns aber überhaupt nicht zugehört!]

Doch, ich habe Ihnen ziemlich genau zugehört.

[Carsten Schatz (LINKE): Unverschämtheit! – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Er mag halt keine Spams!]

Ich würde Ihnen noch gerne etwas dazu sagen, was wir tun.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Lesen Sie erst mal im Protokoll nach, was wir dazu gesagt haben, und setzen Sie sich damit auseinander!]

Sie von der Fraktion Die Linke haben es nicht nur im Wahlprogramm nicht erwähnt, sondern Sie haben hier mehrfach dazu zwischengefragt, warum wir uns über das Thema überhaupt unterhalten, es sei doch gar kein Problem.

[Zurufe von Dr. Klaus Lederer (LINKE) und Stefan Gelbhaar (GRÜNE)]

Jetzt lassen Sie mich einmal weiterreden! Ich würde gerne sagen: Erstens, ich bedanke mich noch einmal beim Parlament, aber das ist nicht der Kern dieser Debatte, dafür, dass die Kapazitäten der Strafverfolgungsbehörden für dieses Thema – aber nicht nur für dieses Thema – ausgeweitet worden sind. Lieber Herr Behrendt! Ich bin ganz sicher, es wird keine Reduzierung geben. Das heißt, zu dem, was Sie behauptet haben, am Ende des Jahres hätten wir weniger und nicht mehr als am Anfang des Jahres, sage ich Ihnen: Das wird so nicht sein.

Zweitens und sehr viel wichtiger: Das Problem ist das arbeitsteilige Vorgehen der Kriminellen bei der Frage, wie sie Daten von Privaten ausspähen. Der erste Schritt ist, dass sie die E-Mail-Daten klauen, das haben wir gerade über 16 Millionen Daten gehört. Das ist momentan in Deutschland nicht strafbar und wird deswegen auch nicht isoliert verfolgt. Diese Daten werden dann in einem schwunghaften Handel verkauft an jemanden, der Phishing-E-Mails versendet, um damit geheime Passwörter etc. auszuspionieren.

[Christopher Lauer (PIRATEN): „Fishing“, heißt das! – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): „Fishing“ statt „Phishing“!]

Auch das pure Versenden von Phishing-E-Mails ist nicht strafbar. Dann geht es weiter: Wenn er diese Daten erlangt hat, dann verkauft er diese Daten wiederum an andere kriminelle Organisationen. Da Datenhehlerei bisher kein Straftatbestand ist, – –

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Das wissen wir alles!]

Der Zwischenruf ist doch unpassend, weil ja immer behauptet wurde, das sei ja alles kein Problem.

[Anja Kofbinger (GRÜNE): Was Sie uns erzählen, wissen wir doch!]

Diese Datenhehlerei ist nicht strafbar. Es gibt von diesem Senat aus dem letzten Jahr eine Bundesratsinitiative dazu, die wegen der Diskontinuität nicht mehr aktuell ist. Deswegen gibt es jetzt im Koalitionsvertrag im Bund eine

(Senator Thomas Heilmann)

Vereinbarung, dass wir das einführen wollen. Genauso ist es bei der täuschenden Versendung von E-Mail-Daten.

Das heißt, wir kümmern uns intensiv um die Strafbarkeitslücke. Obwohl NSA hier kein Thema ist, liebe Kollegen von den Piraten, war es dieser Berliner Senat, der sich dafür einsetzt, dass die Straftaten oder die Taten, die im Umfeld der NSA begangen werden, selbstverständlich auch anders bestraft werden müssen. Jetzt kommt aber eine Kuriosität: Das Spionagestrafrecht geht immer noch von dem Leitbild aus, dass ein Schlapphut aus der DDR eine Sekretärin verführt, um eine Akte zu bekommen. Das, was jetzt von der NSA und anderen Geheimdiensten gemacht wird, ist nicht Leitbild der Straftat.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Behrendt?

Bitte!

Bitte, Herr Dr. Behrendt!