Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

Bitte, Herr Dr. Behrendt!

Danke, Frau Präsidentin! – Herr Senator! Sie haben sich eben dafür stark gemacht, dass Sie Datenhehlerei zukünftig strafbar machen wollen. Wollen Sie dann auch den Ankauf von Steuersünder-CDs aus der Schweiz zukünftig mit dem Staatsanwalt verfolgen?

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Das ist eine sehr gute Frage, Herr Behrendt! Die Antwort ist klipp und klar nein. Der Antrag, wenn Sie den Koalitionsvertrag im Bund gelesen hätten, sagt, dass das Ankaufen durch staatliche Stellen zur Verfolgung von Straftaten davon ausdrücklich ausgenommen sein soll. Insofern ist Ihre Frage eindeutig zu beantworten. Wir haben die Sache gesehen und wollen selbstverständlich, dass die Steuerermittlungen ungeschmälert weitergehen können.

Ich komme zurück zu meinem Punkt. Ich war stehengeblieben bei NSA: Brauchen wir eine Reform des Spionagestrafrechts? Das Einzige, wonach es heute strafbar ist, sind die §§ 202a bis c Strafgesetzbuch, leider nur mit einer Höchststrafe von einem Jahr. Und im Wahlprogramm der Piraten steht ausgerechnet drin, dass der § 202c abgeschafft werden soll.

[Andreas Gram (CDU): Was? Herr Lauer!]

Deswegen gibt es, wie ich finde, dazu Debatten zu führen.

Ich muss leider zum Ende kommen, deswegen kann ich nur sehr kurz sagen, dass es noch einen dritten Aspekt gibt, der hier überhaupt keine Erwähnung gefunden hat. Den Verbraucherinnen und Verbraucher ist nach allen Untersuchungen die Bequemlichkeit wichtiger als die Sicherheit ihrer Darstellungen. Deswegen werde ich als Verbraucherschutzsenator zusammen mit meiner Verwaltung dafür sorgen, dass wir die Verbraucher besser aufklären. Wir haben damit im letzten Jahr begonnen. Das kann ich jetzt leider nicht ausführen. Ich bedanke mich beim Parlament noch einmal ausdrücklich, dass wir den Etat meines Hauses haben stärken können, um auch genau dafür arbeiten zu können.

[Monika Thamm (CDU): Das ist aber nett!]

Deswegen, meine lieben Kollegen von der Opposition: Diese Koalition arbeitet gut zusammen, das kann man gerade an diesem Thema gut zeigen, und zwar für die Sicherheit der Bürger. Und das betrifft sowohl die Zusammenarbeit mit der Innenverwaltung unter Senator Henkel wie die mit der SPD. Deswegen bedanke ich mich noch einmal ausdrücklich bei den Sozialdemokraten und namentlich bei Herrn Kohlmeier. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Senator! – Wir kommen nun in eine zweite Rederunde. Es liegt mir eine Wortmeldung vor. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort Herr Abgeordneter Birk. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Heilmann! Ich bin jetzt ein bisschen verblüfft. Ich habe jetzt gewartet, was Sie eigentlich machen wollen, und da kam ja nichts.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Darauf kann ich jetzt nicht eingehen. Es ist ja hier offensichtlich eine Aktuelle Stunde, die niemanden von der Koalition interessiert.

[Andreas Gram (CDU): Entschuldigung! Sind wir niemand?]

Na ja, wenige. Wenige Leute würde ich sagen. – Das gibt mir Gelegenheit, kurz auf Herrn Rissmann einzugehen, was unser Engagement zur Cyberkriminalität angeht.

[Zurufe von Anja Kofbinger (GRÜNE), Uwe Doering (LINKE) – Unruhe – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Das sind hier Zustände wie im Innenausschuss!]

(Senator Thomas Heilmann)

Herr Rissmann! Sie müssen auch einmal Ursache und Wirkung untersuchen! Vielleicht nehmen Sie zur Kenntnis, dass Philipp Albrecht auf EU-Ebene die Reform des EU-Datenschutzrechts zusammen mit einem Kollegen von der CDU federführend bearbeitet hat. Leider scheitert die Reform an dieser CDU-geführten Bundesregierung. Wenn die durchkäme, dann wäre da ein Boden gelegt, um zum Beispiel Cyberkriminalität zu verhindern.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Ich nehme das Thema durchaus ernst. Ich kann mich erinnern, dass wir für meinen inzwischen verstorbenen Vater gleich mehrmals anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen mussten, um ihn aus den Fängen von Cyberkriminellen zu befreien. Ich verstehe da nur nicht, warum die CDU per Vorratsdatenspeicherung die Daten von genau den Bürgerinnen und Bürgern, wie zum Beispiel meinem Vater, speichern wollen, die sie eigentlich schützen will. Nach den Offenbarungen von Herrn Snowden über amerikanische und britische Geheimdienste und Firmen, die in ihrem Auftrag arbeiten, müssen wir uns doch ernsthaft fragen, von wem eigentlich die größere Bedrohung ausgeht. Dazu möchte ich unseren Bundespräsidenten Joachim Gauck aus einem „FAZ“-Interview vom 24. Januar 2014 zitieren. Er sagt:

Ich hätte niemals gedacht, dass das unheimliche Gefühl, die da oben wissen alles über mich, in einer freiheitlichen Gesellschaft entstehen könnte. Auch wenn man den Geheimdienst eines demokratischen Staats nicht mit der Stasi gleichsetzen kann, so ist es doch inakzeptabel, dass Millionen von Bürgern, darunter auch Familienmitglieder und Freunde, anfangen, sich am Telefon ähnlich zu verhalten, wie wir das früher in der DDR getan haben. Wenn es so weit gekommen ist, dann ist etwas schiefgelaufen.

Dem kann ich mich nur anschließen.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Herr Kohlmeier! Wo sind denn die geklauten Daten von zwei Dritteln der Firmen gelandet, die da abgezogen wurden? Wir haben hier auf dem Datenschutztag vor zwei Tagen in diesem Hause gelernt, dass viele von diesen Daten bei der NSA und den Firmen gelandet sind, weil es eben im amerikanischen Interesse zu sein scheint. Heribert Prantl hat auf dem gleichen europäischen Datenschutztag hier im Haus vor der Untergrabung unserer Grundwerte und unseres Grundgesetzes gewarnt und die Entwicklung vom Rechtsstaat zum Sicherheitsstaat beklagt.

Bei der gleichen Tagung hat ein IT-Reporter gesagt, am sichersten sei es, sich mit Open-Source-Software zu schützen, die NSA nutze auch Linux. Das sollte unseres Erachtens nicht nur für die Server gelten, sondern auch für den Standard-IT-Arbeitsplatz in den Verwaltungen.

Damit komme ich zu Berlin. – Herr Heilmann! Sie wollen die Bürgerinnen und Bürger vor Cybercrime schützen. Aber wie sicher ist eigentlich die Berliner Verwaltung? Wie sicher sind sensible Daten von Menschen, die in Datensätzen der Verwaltung gespeichert werden, wenn zwei Drittel der IT-Arbeitsplätze – und das war die Aussage vom Montag – noch auf Windows XP laufen, obwohl Microsoft seinen Support und die Sicherheitsupdates am 8. April einstellen wird? Auch viele Fachverfahren laufen noch auf Windows XP, weil die Fachverwaltungen noch keine Anpassung vorgenommen haben – unter anderem das Meldeverfahren MESO, das in den Bürgerämtern genutzt wird. Somit sind möglicherweise viele Meldedaten ernsthaft gefährdet. Insofern ist die Nachricht, dass da schon vier E-Mail-Adressen gehackt wurden, keine gute Nachricht, und da haben Berlin und vor allem die Innenverwaltung einiges zu tun.

Wir setzen da nach wie vor auf Open-Source-Software. Wir fordern, dass jetzt sofort eine Task-Force eingesetzt wird, um ressortübergreifend und zentral gesteuert Sofortmaßnahmen zu unternehmen. Wenn es um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger geht, sollte Berlin vor und hinter seiner eigenen Haustür kehren, um die Bürger und die Verwaltung tatsächlich vor Cybercrime zu schützen.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Birk! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat damit ihre Erledigung gefunden.

Nun kommen wir zu

lfd. Nr. 4:

Prioritäten

gemäß § 59 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.1 und 4.2:

Priorität der Fraktion der SPD und Priorität der Fraktion der CDU

Tagesordnungspunkt 5

Gesetz über die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Jugend und Familie vom 9. Januar 2014 Drucksache 17/1391

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1220

Zweite Lesung

(Thomas Birk)

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der 16 Artikel miteinander zu verbinden. Hierzu höre ich keinen Widerspruch. Ich rufe also die Überschrift, die Einleitung sowie die Artikel 1 bis 16 der Drucksache 17/1220 auf. Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion der SPD. Das Wort hat Frau Abgeordnete Becker.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass wir heute das Gesetz zur Feststellung der Gleichwertigkeit und Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen für Berlin – kurz: Anerkennungsgesetz – verabschieden werden. Wir schließen damit eine Lücke. Seit 2012 gibt es auf Bundesebene das Anerkennungsgesetz, das für bundesrechtlich geregelte Berufe gilt, also zum Beispiel für Krankenpfleger oder Ärzte. Heute stimmen wir für ein entsprechendes Landesgesetz, das für die landesrechtlichen Berufe gilt, etwa für Erzieher, Lehrkräfte, Sozialpädagogen oder Ingenieure. Wir schließen diese Lücke, weil wir es als rotschwarze Koalition nicht hinnehmen, dass Aufstiegschancen in der Stadt verschenkt werden.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir beenden eine paradoxe Situation: Es gibt viele gut ausgebildete Menschen in dieser Stadt, die ihren Beruf nicht ausüben können, obwohl sie in diesem Beruf dringend gebraucht werden. Teilweise sind diese Mitbürger sogar auf staatliche Transferleistungen angewiesen.

Das Anerkennungsgesetz zielt auf ein rasches, verbindliches, schnelles und transparentes Prüfverfahren und auf eine gute Beratungsinfrastruktur. Spätestens nach drei Monaten wird ein rechtsfähiger Bescheid ausgestellt. Die Bewertung und Anerkennung erfolgt unabhängig von Nationalität, Herkunft und Aufenthaltsstatus.

In der ersten Lesung debattierten wir darüber, ob es ein Stipendienprogramm für landesrechtlich geregelte Berufe für jene Interessierte geben sollte, die keine Leistung nach SGB II oder III beziehen. Die Teilnahme an Fortbildungen und Anpassungsmaßnahmen für diejenigen, die sich weiterqualifizieren wollen, da sie noch nicht die Voraussetzung für die volle Anerkennung haben, soll nicht am Geldbeutel scheitern. Ich bleibe aber bei meiner Ansicht, dass wir dafür Haushaltsgelder erst dann einstellen sollten, wenn es sich als notwendig erweist. Denn die Betroffenen werden sich melden, wenn sie Bedarf nach Hilfe zum Lebensunterhalt oder für Einmalzuschüsse während der Anpassungsmaßnahme – also für Sprachkurse, Übersetzungen, Lehrmaterialien oder Gebühren – haben. Die fachkundigen Beratungsstellen wie das IQNetzwerk werden diesen Bedarf mitbekommen und uns zurückmelden.

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