Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

(Elke Breitenbach)

Senators, dem an anderer Stelle Untätigkeit unterstellt wird – und das völlig zu Unrecht.

[Beifall bei der CDU]

Ich glaube, dass wir, wenn wir den Antrag heute beschließen, nichts anderes machen, als das Ganze noch mal schön einen Monat oder zwei Monate auf die lange Bank zu schieben. Nein! Wir haben nächsten Montag Ausschusssitzung, und da und in den nächsten Ausschusssitzungen können wir genau gucken: Wie entwickeln sich die Zahlen? Wir können genau gucken, wie die Senatsarbeit weitergeht, und dann werden wir, wenn das nicht ganz so läuft, wie wir es wollen, die Chance haben, direkt einzugreifen. Deswegen bin ich dafür und möchte es Ihnen auch erneut vorschlagen, wie Frau Radziwill es schon gesagt hat, diesen Antrag in den Ausschuss zu überweisen, damit wir auf vernünftige Weise die Fragen, die vielleicht noch offen sind, weiterdiskutieren und die Senatspolitik aktiv begleiten können. – Schönen Dank!

[Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön, Herr Kollege! – Ich habe gerade gehört, Kollege Beck wünscht eine Kurzintervention. Dann erteile ich ihm das Wort. Dann wollte ich noch sagen, dass die Antragsteller Sofortabstimmung beantragt haben – damit die Damen und Herren der Fraktionen auch darüber informiert sind.

Herr Präsident! Herr Krüger! Jetzt ist es kalt. Es nutzt nichts, diese Sache jetzt in den Ausschuss zu verschieben. Jetzt fehlen die Plätze. Jetzt stehen die Menschen teilweise auf der Straße und wissen nicht wohin. Wir brauchen jetzt sofort die Umsetzung.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Natürlich wissen wir auch, dass „sofort“ nicht „morgen“ heißt, dass man natürlich zwei Wochen oder so braucht, um vernünftige Räume zur Verfügung zu stellen. Aber dann sind es immer noch sieben bis acht Wochen, vielleicht sogar, wenn es so kalt ist wie im letzten Jahr, zwei Monate, in denen Menschen eine vernünftige, angemessene Unterkunft finden müssen.

Ich muss mich schon sehr wundern, Herr Czaja, wie Sie hier relativ uninteressiert zuhören, wenn es um Einzelschicksale in der Kälte geht und darum, ihnen die Möglichkeit zu geben, eine Unterkunft zu finden. Außerdem ist es interessant, dass das Problem gerade auch bei Ihnen vor der Haustür steht, wie ich gehört habe. In Ihrem Büro sind die Bulgaren, die hier um ihre Löhne betrogen worden sind und seitdem Unterkunft suchen, und bitten auch dort um eine Unterkunft, und Sie sehen auch keine Mög

lichkeit, denen zu helfen, weil eben entsprechende Unterkünfte für viele Menschen fehlen. Und dann hier so zu tun: Na ja, es geht schon alles, und im Sommer – wie Herr Krüger eben sagte – haben wir mit den Bezirken darüber gesprochen. – Na super, Sie haben darüber gesprochen, und was ist dabei herausgekommen? – Es fehlen weiterhin viele Plätze, und das ist furchtbar.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Wollen Sie erwidern? – Bitte schön, Herr Kollege Krüger!

Erst mal, Herr Beck, will ich Ihr Erinnerungsvermögen vielleicht ein bisschen stärken. Wenn der Senator und der Staatssekretär nebeneinander sitzen und diese Debatte verfolgen, dann ist das eine sehr gute Tradition. Das wünschte ich mir an anderen Stellen auch immer mal so. – Das ist das eine.

[Zurufe von der LINKEN]

Sie werden mich nicht überbieten in der stimmlichen Lautstärke!

[Beifall bei der CDU – Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Hört, hört!]

Das Zweite ist Ihr Antrag. Ihr Antrag verlangt hier etwas zum 20. Februar. Wollen wir mal sehen, wie viele kalte Tage dazwischen liegen. Dieser Senat hat rechtzeitig die Zahl der Plätze gesteigert, und wir werden diese Steigerung im Ausschuss ab dem kommenden Montag intensiv beobachten können, und dann können wir eingreifen. Ihr Antrag schiebt es doch eher auf die lange Bank.

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Krüger! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Kollege Höfinghoff. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Krüger! Der Zynismus Ihrer Argumentation ist Ihnen wahrscheinlich nicht mal bewusst, befürchte ich. Jetzt selber hier noch weiter Dinge auf die lange Bank schieben zu wollen und damit die sofortige Abstimmung abzulehnen, weil man erst mal gucken muss, wie sich die Zahlen entwickeln – von welchen Zahlen reden wir denn hier, bitte schön? Kältetoten? Wie viele müssen es denn sein, damit der Senat von vornherein auf die Idee kommt, mehr Plätze zu bevorraten?

(Joachim Krüger)

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Nach aktuellen Schätzungen der Wohnungslosenhilfe leben in Deutschland rund 24 000 Menschen ganz ohne Unterkunft auf der Straße. Sie sind bei diesen eisigen Temperaturen besonders gefährdet. Wie gefährdet? – Lebensbedrohlich!

Seit 1991 starben mindestens 278 Wohnungslose den Kältetod. Sie erfroren im Freien, unter Brücken, auf Parkbänken, in Hauseingängen, in Abrisshäusern oder in scheinbar sicheren Gartenlauben. Der diesjährige Winter hat bereits ein obdachloses Todesopfer in Rostock gefordert, und auch in Berlin gab es in den letzten zwei Jahren mehrere wohnungslose Kältetote. Im Februar 2012 wurde ein 78-jähriger obdachloser Mann nahe dem Potsdamer Platz auf einem Bahngelände von einem Bahnmitarbeiter leblos aufgefunden. Im März 2013 erfroren zwei wohnungslose Menschen mit rumänischer Staatsangehörigkeit in einem Plattenbau in Lichtenberg. „Ideologische Brille“ nennt Herr Krüger es, wenn wir das zu viel finden. Sei ihm unbenommen! 2014 hatten wir bisher Glück. Bis Mitte Januar hatten wir einen vergleichsweise milden Winter, doch irgendwann schlägt der Berliner Winter immer um und dann mit aller Härte zu. Wir müssen tatsächlich jetzt die Abstimmung durchführen, um Todesfällen in diesem Jahr vorzubeugen. Die Kältehilfe ist überlaufen, das ist kein Geheimnis, und im Innenstadtbereich sind die Einrichtungen weit überbelegt. Das haben wir auch schon durch eine Kleine Anfrage von uns im letzten Sommer herausgefunden.

Das Problem ist allerdings noch ein bisschen vielschichtiger, als die Kollegen und Kolleginnen von den Grünen es in ihrem Antrag darstellen. Das Geld wäre ja von der Senatsseite für die Finanzierung von 500 Plätzen da, aber die potenziellen Träger können es nicht leisten, Gebäude nur in den Wintermonaten zu betreiben und im Sommer leerstehen zu lassen. Deshalb ist hier mehr Kreativität vonseiten des Senats gefragt. Noch immer gibt es genügend Leerstand von öffentlichen Gebäuden in Berlin.

Wir wollen allerdings im Gegensatz zu den Grünen und Frau Radziwill von der SPD nicht nur im Winter über die Situation der Wohnungslosen in Berlin reden, denn die Situation der Wohnungslosen ist nicht nur im Winter mies.

[Zuruf von Ülker Radziwill (SPD)]

Sie hatten Ihre Chance! – Auch im Sommer sind die Obdachlosenunterkünfte überfüllt. Von den dortigen Standards will ich gar nicht reden. Manche sind richtige Löcher. Privatsphäre, Selbstbestimmung und soziale Betreuung sind da Fremdwörter. Jobcenter und Sozialämter verweigern obdachlosen EU-Bürgerinnen und -Bürgern die Kostenübernahme für Obdachlosenheime. Wenn nicht gerade die Kältehilfe geöffnet hat, stehen sie auf der

Straße. Ich erinnere nur, wie eben schon geschehen, an die Bulgarinnen und Bulgaren aus der Eisfabrik, die dort vertrieben wurden. Der Senat weigert sich vehement, eine Wohnungsnotfallstatistik einzuführen, den tatsächlichen Bedarf zu erfassen und entsprechende Kapazitäten zu planen. Wir erwarten immer noch das Senatskonzept zur künftigen Wohnungslosenpolitik. Seit zweieinhalb Jahren kündigt er die Fortschreibung der Leitlinien der Wohnungslosenpolitik an – wir warten vergeblich. Im konkreten Fall der Notübernachtungsstelle des mob e.V. in der Prenzlauer Allee hat auch langfristiges Suchen zu nichts geführt. Seit Herbst 2013 ist klar, dass die Räume mitten im Winter verlassen werden müssen. Senat und Bezirk stehen daneben und halten Maulaffen feil. Wahrscheinlich sind wir uns bei einem Ziel einig: Wir alle wollen keine weiteren wohnungs- und obdachlose Kältetoten. Aber das erfordert dringende Maßnahmen, Herr Senator. – Danke!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege Höfinghoff! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die antragstellende Fraktion hat Sofortabstimmung beantragt. Die Koalitionsfraktionen beantragen die Überweisung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales. Über den Überweisungsantrag lasse ich jetzt abstimmen. Wer für die Überweisung ist, bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich?

[Uwe Doering (LINKE): Zählen!]

Knapp reicht mir nicht! Wir können gerne noch einmal abstimmen. Setzen Sie sich auch bitte hin, dass alle ordentlich sitzen! Dann wollen wir uns noch einmal ein Bild machen. Wer dem Überweisungsantrag zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Ersteres war eindeutig die Mehrheit. Damit ist überwiesen.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.4:

Priorität der Fraktion Die Linke

Tagesordnungspunkt 23

a) Hohe Qualitätsstandards bei der Flüchtlingsunterbringung sicherstellen – Heim-TÜV einführen

Antrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1405

b) Mindeststandards auf hohem Niveau in allen Berliner Flüchtlingsunterkünften gewährleisten

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1413

(Oliver Höfinghoff)

Auch hier hat jede Fraktion eine Redezeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Die Linke und die Kollegin Breitenbach hat das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben immer wieder über die Unterbringung von Flüchtlingen geredet, geändert hat sich allerdings nicht viel. Nach wie vor reichen auch hier die Plätze nicht aus. Wir kennen das alles und wir müssen das auch nicht immer wiederholen. Wir brauchen eine Lösung. Wir möchten Ihnen heute eine Lösung vorschlagen. Wie möchten einen sogenannten Heim-TÜV. Im Moment haben wir die Situation, dass es in den Unterkünften immer enger wird und dass die Mindeststandards nicht verbindlich eingehalten werden. Bei den Notunterkünften ist die Situation noch schlimmer. Ich will noch einmal etwas zu den Mindeststandards sagen. Die sind offensichtlich auch gar nicht einheitlich. In meiner Kleinen Anfrage wurde gesagt, dass die pro Einrichtung ausgehandelt werden. Offensichtlich haben SPD und CDU ein Problem mit dem Begriff „Mindest-“. Deshalb möchte ich noch einmal erläutern: Mit dem Mindeststandard in einer Unterkunft verhält es sich wie beim Mindestlohn, drunter geht nichts. Mindeststandards und Mindestlöhne müssen für alle gelten und zwar ausnahmslos.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Damit diese Mindeststandards eingehalten und überprüft werden können, möchten wir eben diesen Heim-TÜV. Der Heim-TÜV ist keine Erfindung der Linken. Der Heim-TÜV kommt aus Sachsen, und wie wir alle wissen regiert dort bekanntermaßen die CDU.

[Oliver Friederici (CDU): Und bald allein!]

Warum sage ich das? Weil das bei der Koalition möglicherweise die Bereitschaft erhöht, sich mit unserem Antrag genauer zu befassen. Der Heim-TÜV sieht vor, dass die Heime regelmäßig überprüft und die Ergebnisse veröffentlicht werden. Es gibt also eine Überprüfung und die fehlende Transparenz wird aufgehoben.

[Zuruf von Kurt Wansner (CDU)]

Sie werfen wieder alles durcheinander. Es tut mir leid, Herr Wansner. Sie sitzen schon so lange hier im Haus und Sie haben es immer noch nicht verstanden. –