Protokoll der Sitzung vom 30.01.2014

Es macht auch Sinn, über die Verwendung der zusätzlichen Millionen aus dem Programm Soziale Stadt für die Wohnraumversorgung nachzudenken.

Machen Sie, liebe Koalition, aus Ihrem Herbst der Entscheidungen einen Winter der humanitären Hilfen – aber mit konkretem Ergebnis!

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Folgen Sie unserem Antrag und lassen Sie bedürftige Menschen weder draußen in der Kälte noch in maßlos überfüllten und deshalb oft auch unsicheren Einrichtungen übernachten! Öffnen Sie leer stehende Häuser für schutzsuchende Menschen!

Liebe Mitglieder des Senats! Sie stehen mit in der Verantwortung, dass wir in diesem Winter keine Kältetoten zu beklagen haben. – Liebe Abgeordnete! Es eilt. Die Kälte hält an. Stimmen Sie sofort ab, und versenken Sie den Antrag nicht im Ausschuss! – Vielen Dank!

Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Beck! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort Frau Abgeordnete Radziwill. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen, meine Herren! Die Grünen fordern mit ihrem dringlichen Antrag den Senat auf, umgehend Mittel für ein ausreichendes und flächendeckendes Angebot an Notschlafplätzen zur Verfügung zu stellen und den Schutz wohnungsloser Menschen vor dem kalten Winter in Berlin zu gewährleisten. Genau das unternimmt dieser Senat. Herr Beck hat in seinen bisherigen Reden immer die Zahl von 500 Notschlafplätzen genannt. Wir können Ihnen heute darstellen, dass wir das auch umsetzen, Herr Beck.

Wie ist nun der aktuelle Stand? – Nach der Auswertung vom Dezember 2013 gibt es 476 Notschlafplätze in Berlin. Ziehen wir die 17 Plätze von mob e. V. ab, die nunmehr durch eine Kündigung nicht zur Verfügung stehen, dann haben wir rund 460 Notschlafplätze. Das bedeutet, dass wir im November 2013 eine Auslastung von 90 Prozent, im Dezember von 104 Prozent hatten und nun in den letzten drei Nächten bei 110 Prozent liegen. Ich darf Ihnen, Herr Beck, aus einer Presseerklärung des Senators, heute aktuell, vor wenigen Minuten erschienen, noch Folgendes auf den Weg geben: Wir freuen uns, Ihnen darstellen zu können, dass wir die Zahl 500 erreichen; denn 40 Plätze zusätzlich stehen nunmehr in der

Kopenhagener Straße zur Verfügung. Die Berliner Stadtmission wird das schon ab diesem Wochenende in Reinickendorf eröffnen.

[Uwe Doering (LINKE): Dann können Sie dem Antrag ja zustimmen!]

Das heißt, dass damit die Senatsverwaltung für Finanzen den Bezirken insgesamt die Mittel für 500 Plätze über die Basiskorrektur zusichert. Damit sind aus meiner Sicht Ihre bisherigen Anschuldigungen, dass wir hier nicht genügend Unterbringungsmöglichkeiten haben, ad absurdum geführt. Mein Fazit ist: Während Sie sich Gedanken über die Formulierung Ihres dringlichen Antrags gemacht haben, hat dieser Senat die Notlage nicht nur erkannt, sondern auch gehandelt und kurzfristig die Anzahl der Notunterkünfte um 40 Plätze erhöht, sodass wir nun auf diese 500 kommen. Sehr wohl weiß ich, dass wir genau hinschauen müssen, ob diese 500 auch reichen. Deswegen beobachten wir sehr genau, wie die Auslastungszahlen aussehen. Der Senat ist auch dann bemüht zu korrigieren, wenn noch mehr Plätze notwendig sein werden.

Deshalb können Sie uns nicht vorwerfen, dass wir die Kältehilfe nicht unterstützen, dass wir die Menschen, die Hilfe brauchen, nicht unterstützen. Und Sie können diesem Senat auch soziale Kälte nicht vorwerfen. Im Gegenteil, wir sind sehr bemüht, gerade in diesem Winter die Menschen in schwieriger Lage nicht allein zu lassen, aber auch alle Verbände, die zusammen die Kältehilfe darstellen, nicht allein zu lassen.

Ich will Ihnen aber sehr gern auf den Weg geben, dass wir Ihren Antrag heute hier nicht ablehnen. Theoretisch könnten wir ihn heute ablehnen, denn Ihren Vorwurf können wir entkräften, indem wir das umsetzen.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Wir dachten, Sie stimmen zu!]

Nein, wir stimmen dem nicht zu. Aber wir können gerne im Ausschuss die Beratung aufnehmen und Ihnen darstellen, welche Instrumente wir insgesamt umsetzen.

[Uwe Doering (LINKE): Genau! Im September reden wir mal drüber!]

Den Vorwurf, den Sie in Ihrer Begründung dargestellt haben, was alles nicht funktioniert, können wir Ihnen im Ausschuss gerne widerlegen und dann darstellen, dass wir aus einem sehr breiten Instrumentarienkasten alles, was in unserer Macht steht, verwenden und anwenden, damit Menschen, die wohnungslos sind, schnelle Hilfe bekommen. Daher freue ich mich auf die Ausschussberatung mit Ihnen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

(Martin Beck)

Vielen Dank, Frau Radziwill! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat nun der Herr Abgeordnete Beck. – Bitte sehr!

Sehr geehrte Frau Radziwill! Jetzt machen Sie ja doch genau das, was wir nicht wollen. Der Winter ist jetzt in vollem Gange. Wenn der Antrag in den Ausschuss geht, dann liegt er dort. Bis wir ihn beraten haben, ist der Winter vorbei, und dann heißt es wieder: Zum nächsten Jahr gucken wir.

Ich finde es ja toll, dass jetzt immerhin die 40 Plätze in der Kopenhagener Straße geschaffen werden sollen, aber Sie wissen selbst, wie im Moment die Situation bei einigen Einrichtungen ist. In der Stadtmission in der Lehrter Straße sind von den 60 Plätzen in den letzten Tagen immer 140, 150 belegt gewesen. Wir haben also eine komplette Überbelegung. Die 500 sind immer davon ausgegangen, dass die Situation in Berlin gleich bleibt, aber sie hat sich noch erheblich verschlechtert.

Also, bitte, verschieben Sie jetzt diesen Antrag nicht in den Ausschuss, sondern stimmen Sie mit uns direkt ab, damit man sofort gucken kann, welche Immobilien vielleicht noch zur Verfügung gestellt werden können. Es zeigt sich ja, die Kopenhagener Straße ist ja ein Beispiel dafür: Es gibt auch noch kurzfristig Immobilien, die jetzt erst in der kältesten Zeit zur Verfügung gestellt worden sind. Aber wir haben versucht, Planungsgrundlagen zu haben, Statistiken zu erstellen, damit man solche Sachen im Sommer planen kann. Auch die Träger, die das machen müssen, brauchen Vorbereitungsarbeiten, sie müssen die Einrichtungen entsprechend herrichten. Da geht es sowieso nicht von heute auf morgen. Also, bitte, stimmen Sie heute direkt ab, damit vielen Menschen noch in kurzer Zeit in diesem Winter geholfen werden kann!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank! – Sie möchten antworten? – Bitte!

Tut mir leid, Herr Beck, da sind wir leider nicht auf derselben Seite; denn dieser Senat handelt schon, dafür brauchen wir Ihren Antrag nicht. Vielleicht können Sie sich erinnern, dass ich im September letzten Jahres schon hier im Plenum nachgefragt habe, wie die Kältehilfe aufgestellt ist. Da hatten Sie sogar lapidar gefragt, wozu wir diese Fragestellung so früh brauchten, so nach dem Motto, das sei doch Populismus. So was hatte ich aus Ihrer Fraktion gehört. Deswegen kann ich Ihnen darstellen, dass wir uns sehr frühzeitig bemühen, die notwendige Anzahl der Notunterkünfte vorzuhalten. Es ist gut, dass

sich der Senat wirklich um die Zahl 500 bemüht hat. Sie können sicher sein, dass wir prüfen, welche weiteren Möglichkeiten es noch gibt. Dafür brauchen wir diesen Antrag definitiv nicht, aber wir können gerne die Beratung im Ausschuss fortsetzen. Deswegen werden wir den Antrag überweisen. – Vielen Dank!

Vielen Dank, Frau Radziwill! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Breitenbach. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Frage nach den versprochenen 500 Plätzen hat sich jetzt erledigt. Sie sind jetzt da – super! Nichtsdestotrotz ist die Situation für die Wohnungslosen katastrophal, da ändern auch diese zusätzlichen Plätze nichts. Und sie ist in der Zwischenzeit nicht mehr nur katastrophal, sie ist in der Zwischenzeit lebensbedrohend.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Jetzt müssen wir auch nicht so tun, als gäbe es keine Engpässe, als wären die ganzen Unterkünfte nicht überfüllt. Wir konnten es in den letzten Tagen alle ausreichend im Fernsehen sehen und in der Presse nachlesen. Da muss man sich die Situation auch nicht schönreden, sondern die Frage ist: Was ist jetzt zu tun?

Als erstes – wie auf dem Zettel steht, von dem eben schon die Kollegin Radziwill zitiert hat – hat der Senator gesagt: Wenn die Nachfrage steigt, dann wird natürlich entsprechend nachgesteuert. – Da würde ich gerne wissen, wann dieser Zeitpunkt ist, dass über die 500 Plätze hinaus noch mal nachgesteuert wird.

Die Forderung, dass Mittel für ein ausreichendes Angebot an Schlafplätzen zur Verfügung gestellt werden, ist nicht neu. Der Senat hat bisher allerdings nicht darauf reagiert. Deshalb ist es gut, dass es den Antrag der Grünen gibt, der auch noch einmal aufzeigt, was man machen könnte. Wir werden dem Antrag zustimmen. Und wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, mal zuhören würden und sich möglicherweise entscheiden könnten, diesem Antrag zuzustimmen, dann würden wir gemeinsam dafür sorgen, dass dieser Senat endlich tätig wird.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und wenn jetzt Frau Radziwill in ihrer Rede immer wieder betont hat, dass der Senat bemüht ist, gegenzusteuern – sie hat mehrmals diesen Begriff „bemüht“ bemüht –, dann sage ich mal: Ja, der Senat ist stets bemüht, oder er

gab sich redlich Mühe, nur dabei herausgekommen ist nichts, und das ist eben das Problem.

[Ülker Radziwill (SPD): Es sind immerhin die 500 Plätze herausgekommen!]

Ja, das mit den 500 Plätzen hatten wir jetzt schon. Trotzdem sind sie überfüllt. Bei den 500 Plätzen habe ich auch gesagt: Super! – Wissen Sie übrigens, wie lange die 500 Plätze versprochen waren, bis sie jetzt endlich da sind, bei Eiseskälte, wo die Obdachlosen in dieser Stadt keine Unterkünfte mehr haben? Sie können doch nicht sagen, dass das Problem mit 500 Plätzen behoben ist! Das ist völlig absurd, und das ist übrigens auch dummes Zeug!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Der Antrag der Grünen hat tatsächlich einen Haken. Er ist inhaltlich richtig. Ich finde auch, dass er überhaupt nur mit einer Sofortabstimmung Sinn macht. Alles andere ist Quatsch. Aber er hat trotzdem einen Haken. Er ist eben keine Sofortmaßnahme, das wissen wir alle. Es werden von heute auf morgen keine Notschlafplätze eingerichtet werden können, zumindest nicht, wenn man von solchen redet, wo Betten und ähnliche Infrastruktur zur Verfügung stehen. Aber trotzdem ist dieser Antrag richtig. Die Grünen können nichts dafür, wenn der Senat bisher alles verpennt hat. Deshalb bitte ich ernsthaft darum, dass wir heute über diesen Antrag abstimmen. Dann ist der Senat aufgefordert, bis in etwa einem Monat ein Konzept vorzulegen. Dann können wir uns noch mal darüber verständigen. Das ist sozusagen der schnellste Weg und trotzdem eine sehr lange Zeit für diejenigen, die jetzt in Eiseskälte auf der Straße stehen. Deshalb möchte ich auch noch mal darauf hinweisen, dass der Weg, den der Senat bis jetzt immer gegangen ist, indem er Leute geräumt hat wie beispielsweise aus der Eisfabrik, keine Lösung ist. Was Sie machen, ist, dass Sie Menschen aus menschenunwürdigen Wohnräumen vertreiben, ihnen aber keine Alternative bieten. Sie machen sie obdachlos, und das ist ein falscher Weg. Wir brauchen Alternativen, und wir brauchen jetzt Alternativen, bevor die Menschen erfrieren.

Deshalb schlage ich Ihnen als einen ersten Schritt vor, dass Sie dafür sorgen, dass die Einrichtungen für die Obdachlosen jetzt bei diesen Temperaturen 24 Stunden lang geöffnet sind. Und wenn Sie nicht wissen, wie Sie das machen sollen, dann empfehle ich Ihnen „Hinz und Kunzt“, Herr Czaja! Sie sind bei Twitter. Die haben heute noch mal ganz konkret Vorschläge unterbreitet, wie das umgesetzt werden kann. Lassen Sie diese Einrichtungen offen! Sie retten damit Menschenleben.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Breitenbach! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Krüger das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Damen! Meine Herren! Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass Kältehilfe eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Zwar ist es seit 1995 so, dass die Schaffung von Notschlafplätzen und Tagesaufenthaltsmöglichkeiten Sache der Bezirke ist, aber der Senat unterstützt diese ganzen Aktivitäten durch das Kältehilfetelefon, durch www.kaeltehilfe-berlin.de und vieles andere mehr. Wir wissen alle, wenn wir nicht die ideologische Brille aufsetzen, dass es eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Bezirken und der Senatsebene gibt. Das heißt, Daten werden regelmäßig ausgetauscht, regelmäßig werden Informationen gegeben, und gerade dann, wenn ein kritischer Fall da ist wie im Augenblick, wo es wieder einen Kälteeinbruch gegeben hat, funktioniert nach unserer Auffassung diese Zusammenarbeit sehr gut.

Auch in den letzten Jahren, übrigens auch, als die Linkspartei die Verantwortung hier mitgetragen hat, sind die Angebote in diesem Bereich jährlich immer nach den Bedarfen gesteigert worden, im letzten Winter auf durchschnittlich 470 Plätze, wie hier bereits angesprochen worden ist. Bereits in diesem Sommer – das wollen wir uns noch mal vor Augen führen – haben Senat und Bezirke sich zusammengesetzt und sich auf den Weg gemacht, diese Vorsorge von 500 Plätzen zu realisieren, gleichzeitig –

[Elke Breitenbach (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, ich möchte im Zusammenhang reden! – haben sie die Offenhaltung dieser Einrichtungen von November 2013 bis Ende März 2014 festgeschrieben und das Ganze auch finanziell abgesichert – damals und heute.

Deswegen kann ich an dieser Stelle auch nur sagen: Unser aller Dank sollte, stellvertretend für andere, insbesondere der Berliner Stadtmission ausgesprochen werden, die mit Kältehilfe und Kältebus hervorragend engagiert ist. Wenn wir hören, dass sie jetzt im Bereich der Kopenhagener Straße nach sicher intensiven Gesprächen mit den Betroffenen weitere Plätze betreibt und wir uns damit dieser 500er-Grenze wenigstens erst mal nähern können, dann ist das ein wichtiger Beweis von Handlungsfähigkeit nicht nur dieser Koalition, sondern insbesondere des

(Elke Breitenbach)