Würden Sie mir nicht zustimmen, wenn ich sage, dass das Sozialticket unter 1 Euro pro Tag und Person und das Monatsabo um 2 Euro für einen ganzen Monat erträgliche Kostensteigerungen für die Fahrgäste waren?
Ich stelle mal eine Gegenfrage: Würden Sie mir zustimmen, dass fast 10 Prozent des Monatseinkommens eines Hartz-IV-Empfangenden für Mobilität auszugeben, eine ganze Menge sind?
Das war mal etwas Neues, nämlich eine Antwort in Form einer Gegenfrage. – Für die Fraktion der CDU hat der Kollege Friederici jetzt das Wort. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Man kann sich bei den oberlehrerhaften Ausführungen meines Vorredners nur wundern. Herr Wolf, Sie haben zehn Jahre in dieser Stadt mitregiert. Sie haben über Tarife entschieden, und die Preissteigerungen waren in diesen zehn Jahren weit höher als das, was die große Koalition seit zweieinhalb Jahren macht. In welcher Welt leben Sie eigentlich, wenn Sie so etwas hier ungestraft sagen?
Ich wundere mich nur, wie Sie hier wieder einmal die Wahrheit verbiegen. Aber damit hat Ihre Partei ja besondere Erfahrung.
Man kann sich nur über die Art und Weise wundern, wie Sie hier Politik machen wollen. Es ist gut, dass vor allem Sie wieder in der Opposition sind.
Leider ist das wieder ein klassischer Oppositionsantrag der Dagegen-Partei Die Grünen, ohne dass tragfähige Konzepte aufgezeigt werden. Wie gewohnt lehnen die Grünen wieder einmal kurz vor einem Wahltermin Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr mit den üblichen Argumenten ab. So werden wieder beispielsweise allgemeine Effizienzsteigerungen bei einigen öffentlichen Nahverkehrsunternehmen bemüht. Dabei wird das längst seit mehreren Jahren umgesetzt.
Herr Dr. Albers! Sie müssen sich daran gewöhnen, dass wir in unserem demokratischen Gemeinwesen einander zuhören. Daran müssen Sie sich jetzt langsam einmal nach zwanzig Jahren gewöhnen!
Jeder weiß bei seriöser Betrachtung, dass die Kosten im Nahverkehr für alle Unternehmen steigen, beispielsweise bei den Betriebskosten, bei Neuinvestitionen in Fahrzeuge und Anlagen und bei den völlig gerechtfertigten Steigerungen der Personalkosten, also den Tariferhöhungen bei den Löhnen und Gehältern der Mitarbeiter. Wo wollen die Grünen da also mehr Effizienz haben? Wollen Sie möglicherweise Personal abbauen? Das ist in diesem Antrag offensichtlich die logische Konsequenz. Ich glaube, die Grünen wollen offensichtlich deswegen beim Personal einsparen, weil sie bei der Sicherheit für die Fahrgäste und Mitarbeiter sparen wollen. Die Koalition
Der Oppositionsantrag geht darüber hinaus von der falschen Annahme aus, dass nur BVG und S-Bahn Nutznießer jeglicher Fahrgeldeinnahme und etwaiger Preiserhöhungen seien. Hier sei daran erinnert, dass sämtliche Unternehmen der ÖPNV-Branche in Berlin und Brandenburg jeder Fahrpreisänderung zustimmen müssen, und die Empfänger von Mehreinnahmen sind nicht nur S-Bahn und BVG. – Auch das ist ein fataler Fehler des Oppositionsantrags.
Außerdem ist zu bemerken, dass gerade in Berlin und Brandenburg seit fast zwanzig Jahren die jeweiligen Fahrpreiserhöhungen in der Summe betrachtet niedriger ausfallen als bei einer Vielzahl von Verkehrsverbünden in Deutschland. Überall – übrigens auch dort, wo Grüne Verantwortung tragen, beispielsweise im Rheinland, in Köln, in Bonn, in Düsseldorf, in Essen, in Stuttgart und in Hannover – steigen die Fahrpreise höher als in Berlin. Ebenso fallen die Fahrpreiserhöhungen in Berlin und Brandenburg geringer aus als beispielsweise die jährlichen Fahrpreiserhöhungen der Deutschen Bahn im Fernverkehr. In der Regel sind diese in der Vergangenheit immer höher gewesen als das, was wir im Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg haben.
Alles das würdigt der Antrag der Grünen nicht. Es ist ein unseriöser Antrag. Er hilft uns in der Verkehrspolitik nicht weiter und ist deshalb nur abzulehnen.
Oh, oh, Herr Friederici! Sie haben sich zu so gut wie keinem Thema des Antrags geäußert. Sie haben Verbalhülsen abgesondert, eine nach der anderen.
Das war gute Unterhaltung, aber eine parlamentarische Beratung war das nicht. Ich gehe einmal auf ein paar Punkte ein: zum einen auf Fahrpreiserhöhungen in der näheren und weiter zurückliegenden Vergangenheit. Mit Verlaub: Rot-Rot kann man ja vieles vorhalten. Aber die haben nur drei- oder viermal die Fahrpreise erhöht. Das haben Sie schon in den drei Jahren Rot-Schwarz geschafft – das nur so als Merkposten; das können Sie gerne nachprüfen.
Zum Zweiten: Das Sozialticket ist genau in den letzten zwei Jahren teurer geworden, und zwar richtig doll, so dass die Leute es sich eben nicht mehr leisten können.
Punkt 3: Sie sagen, die Effizienzsteigerungen hätte es schon gegeben. Das stimmt doch gar nicht! Ich habe schon ein paar Beispiele – M 41, M 4; das lässt sich endlos fortsetzen – angedeutet. Dort beschleunigt die Verkehrslenkung Berlin nicht – nein, sie bremst aus. Für die M 4 wurden mehrere Millionen Euro ausgegeben, aber die Straßenbahn ist langsamer geworden. Wenn das erfolgreiche Verkehrspolitik ist, dann weiß ich nicht.
Der 4. Punkt, Herr Friederici: Sie haben kein einziges Wort zu den Indizes gesagt. Aber genau das ist die Debatte, die hier ansteht. Deswegen war ihr Wortbeitrag – mit Verlaub – nicht hilfreich und nicht zur Sache.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich weiß, dass Sie diese Wahrheit nicht hören wollen. Es ist eben so: Die Grünen haben ein selektives Wahrnehmungsvermögen.
Sie wollten beispielsweise bei der Deutschen Bahn den Börsengang forcieren. Sie haben das unter rot-grüner Regierungsmehrheit im Bundestag durchsetzen wollen. Das wollen Sie heute nicht mehr. Sie müssen einfach einmal sehen, wofür Sie stehen.
Um zur Versachlichung beizutragen: Wenn Sie sagen, Sie wollen eine Verkehrsbeschleunigung auch im öffentlichen Nahverkehr haben, dann sagen ich Ihnen einmal ganz deutlich: Alles, was an Beschleunigungsmaßnahmen, etwa Vorrangschaltungen, zu machen ist, ist bei uns im Land Berlin längst Realität an jeder Kreuzung. Darüber regen sich andere Verkehrsarten auf. Aber es ist beispielhaft, was wir hier im Berliner Straßenverkehr für die BVG und den beschleunigten öffentlichen Nahverkehr leisten.
Aber ich kritisiere ganz eindeutig Ihre Beschleunigungsmaßnahmen, wenn Sie sagen, Sie wollen in ganz Berlin auf Hauptverkehrsstraßen Tempo 30 haben. Wo sind denn da die Beschleunigung und die Effizienzsteigerung?
Wenn Sie kritisieren, dass die Indizes nicht stimmen, dann darf ich Ihnen sagen, dass gerade in den letzten zwei Jahren BVG und S-Bahn sehr große Erfolge bei der Neugewinnung von Kunden, die eine Jahreskarte kaufen, erzielt haben, was in den Jahren davor überhaupt nicht der Fall war. Ich finde, das ist ein richtig großes Einnahmepolster, das diese Unternehmen in eigener Leistung erbracht haben. Davon steht in Ihrem Antrag nichts; davon haben Sie als Opposition auch heute wieder nichts gesagt. Das entlarvt Sie so kurz vor den Europawahlen als politischen Antragssteller. – Vielen Dank!
Danke schön, Kollege Friederici! – Für die Piratenfraktion hat jetzt der Kollege Baum das Wort. – Bitte sehr!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Friederici! Selektive Wahrnehmung – schön und gut. Ich habe Ihren Redebeitrag mit Interesse verfolgt. Bis zum Ende kamen Sie nicht auf die eigentlichen Themen des Antrags zu sprechen. Insofern konnte ich gut nachvollziehen, dass es da eine Zwischenbemerkung gab.
Stichwort selektive Wahrnehmung: Wie gehen Sie damit um, dass Ihr Landesvorsitzender im Wahlkampf eine Broschüre „100 Fragen – 100 Antworten“ herausgegeben hat, nach der das Sozialticket 20 Euro kosten soll? Wo hat das denn Eingang in Ihre Beratungen und in Ihr Handeln in der Verkehrspolitik gefunden? – Davon sehe ich gar nichts.
Wir sind inzwischen so weit, dass der Schienenersatzverkehr in Berlin im Verkehrsfunk nicht erwähnt wird. Mir ist kein anderes Land und keine andere Stadt in Deutschland oder woanders bekannt, wo das so ist. Und das nennen Sie die erfolgreichste Verkehrspolitik, die sich im Land Berlin machen lässt? Das ist wirklich ein Witz!
Der öffentliche Personennahverkehr sichert die notwendige Mobilität in der Stadt und im Umland für Millionen von Nutzern und ist notwendiger und wesentlicher Verkehrsträger in der Metropole Berlin. Fahrpreiserhöhungen sind dabei kontraproduktiv, denn sie sorgen nicht nur für
einen Rückgang der potenziellen und tatsächlichen Nutzung der Systeme, die bei hohen Bereitstellungskosten dadurch nicht wirtschaftlicher werden. Ein Beispiel: Wenn Sie heute zehn Minuten mit einem Free-FloatCarsharing-Dienst fahren, kostet das 2,90 Euro. Wenn Sie ein Ticket bei der BVG kaufen, zahlen Sie 2,30 Euro. Irgendwann kommen Sie mit den Fahrpreiserhöhungen in einen Bereich, wo das ganze System kippt. Also immer nur zu sagen, die Kostensteigerungen müssten umgesetzt oder eingepreist werden – damit kommen Sie auf keinen grünen Zweig.