Protokoll der Sitzung vom 06.03.2014

Damit komme ich zum zweiten Thema, der Tarifkalkulation: Harald Wolf ist hier im Haus oft und unanständig

(Martin Delius)

angegriffen worden, weil er das Bundeskartellamt zur Überprüfung der weit überhöhten Trinkwasserpreise der BWB eingeschaltet hat. Zur Erinnerung: In den Jahren 2008 bis 2011 betrug die jährliche Umsatzrendite der Wasserbetriebe zwischen 24 und 26 Prozent. Auch mit der halbherzigen Trinkwasserpreissenkung der Koalition auf Vorbehalt beträgt sie für 2012 immer noch über 20 Prozent. Wir haben gefordert, die Kalkulationsgrundlagen für die Wasser- und Abwasserpreise, die mit der Teilprivatisierung 1999 geschaffen worden sind, umgehend zu ändern. Denn die Preise werden ja nicht einfach nach Gutdünken oder auf Wunsch einer Fraktion des Abgeordnetenhauses kalkuliert, sondern hierfür gibt es gesetzliche Vorschriften: das Berliner Betriebegesetz und die Wassertarifverordnung.

Es ist schon schrill: Die offenbar selbst mit der Beantwortung simpelster Fragen massiv überforderte Wirtschaftssenatorin erklärt uns – wie übrigens in den vergangenen Monaten immer wieder –: Wir wissen noch nicht, was wir da machen. Aber wir haben gestern im Aufsichtsrat irgendwelche Dinge beschlossen. – So geht das nicht!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Eine nachhaltige Senkung der Wasserpreise erfordert eine Änderung der gesetzlichen Grundlage, und da müsste der Senat dann Farbe bekennen. Sie können nicht die Trinkwasserpreise senken, ohne in gleicher Weise auch die Abwasserpreise zu senken, denn die gesetzliche Grundlage ist dieselbe. Sie können nicht sagen: Wir senken einmal die Trinkwasserpreise, aber bei Abwasser kalkulieren wir weiterhin mit 25 Prozent Jahresrendite. – Das funktioniert nicht! Wir akzeptieren ja, dass eine maßvolle Gewinnkalkulation Teil des Aufwands sein soll, der den Kundinnen und Kunden in Rechnung gestellt wird. Aber 25 Prozent Rendite im Monopol: Das ist Marktmachtmissbrauch!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Dass ausgerechnet SPD und CDU diesen Marktmachtmissbrauch verteidigen und rechtfertigen, ist eine wirtschafts- und sozialpolitische Bankrotterklärung.

Wasserbetriebe und Senat haben sich erst in der vergangenen Woche vor dem OLG Düsseldorf eine derbe Klatsche geholt. Nach wie vor diskutieren sie offenbar, vor dem Bundesgerichtshof in Revision zu gehen, um weitere Millionen der Wasserkunden zu verbrennen. Das ist einfach inakzeptabel!

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Denn es ist auch unsozial: Wasser müssen alle bezahlen, Millionäre wie Hartz-IV-Beziehende. Es ist nicht akzeptabel, die Finanzschwächsten überdurchschnittlich zur Haushaltssanierung heranzuziehen, zumal die Einnahmesituation des Landes Berlin inzwischen sehr ordentlich

ist. Auch die Flucht in das Gebührenrecht – ein Trick, um dem Bundeskartellamt zu entgehen – ist offenbar nicht vom Tisch. Wir wissen nicht, welche Vorsorge von 2009 bis 2011 getroffen worden ist, wenn dort die Kartellamtsverfügung auch noch umgesetzt werden soll.

Ich komme zum Schluss: Meine Damen und Herren der Koalition! Wir haben Ihnen ein Angebot unterbreitet – das Angebot, gemeinsam Perspektiven für die Wasserbetriebe zu entwickeln und gemeinsam über die Kalkulation der Tarife in den nächsten Jahren nachzudenken. Dieses Angebot gilt weiterhin – auch wenn Sie heute diese Entschließung ablehnen werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank! – Dann hat jetzt der Senator für Finanzen um das Wort gebeten. – Nein? Dann ist das falsch übermittelt worden. Ich bitte um Nachsicht!

Dann hat jetzt für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Stroedter das Wort. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass das Land Berlin seit dem 1. Januar 2014 wieder alleiniger Anteilseigner der Berliner Wasserbetriebe ist. Dies ist aus unserer Sicht ein großer Erfolg der Regierungskoalition von SPD und CDU.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir haben Wort gehalten: Wir haben das, was die Berlinerinnen und Berliner beim Volksentscheid wollten, umgesetzt.

Herr Dr. Lederer! Ein bisschen erstaunt mich Ihre Rede schon. Es ist erst wenige Monate her, da haben Sie zusammen mit den anderen Oppositionsfraktionen in namentlicher Abstimmung mit Nein zum Kauf der VeoliaAnteile gestimmt.

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Sie wissen, warum!]

Erklärungen haben Sie da immer viele! Aber Fakt ist: Wenn das Nein gewonnen hätte, wäre all das, was Sie heute fordern, überhaupt nicht in der Diskussion. Das heißt: Die Grundvoraussetzung ist erst einmal, dass wir gehandelt haben. Im Übrigen hat die Koalition bereits beschlossen, die Wasserpreise in der Höhe der Entscheidung des Kartellamts zu senken. Wir haben das deutlich vor dem Urteil beschlossen; wir brauchten in dieser Frage keine Nachhilfe. Unser Ziel ist eine langfristig wirksame Wasserpreissenkung von mindestens 15 Prozent beim Frischwasser. Die Entlastung für 2012 in Höhe von 60 Millionen Euro ist bereits erfolgt.

(Dr. Klaus Lederer)

Wenn man sich die Klage der BWB beim Oberlandesgericht Düsseldorf gegen die Verfügung des Bundeskartellamts ansieht, dann war sie, auch aus Sicht meiner Fraktion, aus grundsätzlichen Erwägungen sicherlich richtig. Gleichwohl sage ich da in Ihre Richtung, Herr Dr. Lederer, und auch in Richtung von Harald Wolf: Es ist richtig anzuerkennen, welche Verdienste Harald Wolf beim Anschieben des Prozesses vor dem Bundeskartellamt hatte. Zur Wahrheit gehört allerdings auch – und ich erinnere mich noch sehr gut an diese Plenarsitzung –, dass wir schon einmal mit ihm darüber diskutiert haben, als er nicht nur Wirtschaftssenator, sondern auch Aufsichtsratsvorsitzender der BWB war, und dass er den Vorstand der BWB anschließend angeschoben hat, diese Klage beim Oberlandesgericht Düsseldorf einzureichen. Das, Harald Wolf, gehört zur Wahrheit dazu!

[Harald Wolf (LINKE): Quatsch!]

Da kann man sich heute nicht hinstellen und so tun, als ob man nichts damit zu tun hätte. Der erste Teil war richtig, der zweite Teil gehört aber auch dazu. Sie werden jetzt wieder sagen, das hätten Sie als Aufsichtsratsvorsitzender gemusst und nicht verhindern können. Aber es gehört zur Wahrheit.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Lederer?

Ja, gerne!

Bitte sehr!

Lieber Kollege Stroedter! Ihre Argumentation erinnert mich an die Endphase autoritärer Regime, wo immer eine Parallelwelt reproduziert und immer wieder nur behauptet und behauptet wird. Aber haben Sie nicht irgendwann vielleicht vor, auch noch einmal etwas zum Inhalt unserer Entschließung zu sagen? Denn die wird ja heute verhandelt, und da stehen ein paar Dinge drin, die mit dem, was Sie reden, gar nichts zu tun haben.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Ich glaube, in der Endphase totalitärer Regime kennen Sie sich besser aus als ich. Da will ich Ihnen keine Nachhilfe geben.

[Vereinzelter Beifall und Heiterkeit bei der SPD und der CDU]

Also, wir gehen davon aus, dass die Tarife entsprechend angepasst werden, dass es ab 2014 keine nachträglichen Gutschriften mehr geben wird. Und – das sage ich auch ganz deutlich für unsere Fraktion – wir sind schon der Auffassung, dass die Klage nicht fortgesetzt werden sollte,

[Beifall von Heidi Kosche (GRÜNE)]

weil wir keinen Sinn darin sehen, an der Stelle weiter zu prozessieren, und auch wenig Erfolgsaussichten.

[Heidi Kosche (GRÜNE): Und teuer!]

Darüber hinaus muss geprüft werden – um zu Ihrer Entschließung zu kommen –, ob eine Veränderung des Verordnungszinssatzes möglich ist, um gegebenenfalls eine weitere Wasserpreissenkung zu ermöglichen – muss geprüft werden. Dies ist jedoch ausdrücklich davon abhängig, dass nötige Investitionen bei den BWB nicht behindert werden und – das ist für die SPD-Fraktion immer besonders wichtig – dass sich die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht verschlechtert. Und das erwarte ich auch von der Linken, dass sie sich an unserer Seite entsprechend positioniert.

Die in dem gemeinsamen Antrag der Oppositionsfraktionen geforderten rechtlichen Änderungen bei den BWB werden sorgfältig geprüft werden. Es ist klar, dass die BWB mit Zustimmung des Parlaments wieder zu 100 Prozent in öffentlicher Hand sind, sodass die bisherige Konstruktion – da stimme ich Ihnen ausdrücklich zu –, die durch die Teilprivatisierung entstanden ist, einer genauen Prüfung bedarf. Wir gehen davon aus, dass nach Prüfung erforderliche Konsequenzen zur Rechtskonstruktion gezogen werden.

Die Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamtes ist durch die Wasserpreissenkung von 15 Prozent beim Frischwasser bereits umgesetzt. Die Veränderung der Abwasserpreise, die Sie, Herr Dr. Lederer, fordern, kann man natürlich fordern, aber man muss sie dann auch umsetzen können, mit den Möglichkeiten, die bei den BWB vorhanden sind. Dazu gehören eben die Fragen: Wie geht es weiter mit dem Personal? Wie geht es weiter mit den Investitionen? Wir können da nicht Versprechungen machen, die wir nicht einhalten können. Die Entscheidung, wie man finanziert, welche Zusätze da gegeben werden, sind alle mit dem Landeshaushalt 2014/2015 entsprechend beschlossen worden. Ihre Forderungen gehen also aus meiner Sicht da vorbei. Wir können auch Ihren Wünsch-dir-was-Katalog heute nicht beschließen.

Ich glaube, die Berlinerinnen und Berliner haben Anspruch darauf, dass die Koalition – so, wie bisher – sorgfältig und sorgsam mit dem Projekt Wasser umgeht. Ich glaube, wir haben da eine Menge geleistet. Und es wäre schön, wenn die Oppositionsfraktionen, insbesondere auch Die Linke, das positiv begleiten würde. Wir sind immer bereit, Preise zu senken,

[Uwe Doering (LINKE): Und die Abwasserpreise?]

aber es muss wirtschaftlich entsprechend auch darstellbar sein. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Stroedter! – Das Wort zu einer Zwischenbemerkung hat nun der Abgeordnete Herr Harald Wolf. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Stroedter! Es ist falsch, dass ich den Vorstand veranlasst habe, eine Klage gegen das Kartellamtsverfahren einzuleiten. Im Gegenteil! Ich habe mit dem Vorstand intensiv darüber diskutiert, ob dieses Vorgehen, das er die letzten Jahre in dieser Frage praktiziert hat, wirklich sinnvoll ist, weil ich die Rechtsauffassung des Vorstandes der Berliner Wasserbetriebe nicht teile, dass das Kartellamt nicht zuständig sei, weil die die Berliner Wasserbetriebe keine Preise nehmen, sondern der Vorstand auf Anraten von Freshfields gesagt hat: Gebühren im Preisgewand. – Ich habe immer gesagt, dass das eine absurde Argumentation ist.

Wenn der Vorstand allerdings mir gegenüber erklärt, er sieht sich im Interesse des Unternehmens verpflichtet, das zu tun, und auch noch rechtlich beraten wird, hat der Aufsichtsrat keine Möglichkeit, es sei denn, er macht sich strafbar, dieses zu verhindern.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Das habe ich Ihnen auch schon an anderer Stelle erklärt, und deshalb will ich an dieser Stelle noch mal ganz klar sagen: Das ist in der Zuständigkeit des Vorstandes gewesen. Die Möglichkeit wäre allerdings gewesen, von dem Moment an, an dem wir 100 Prozent der Anteile an den Berliner Wasserbetrieben haben, dass der 100-prozentige Eigentümer den Vorstand von dieser Verantwortung entbindet

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Ganz genau!]

und sagt: Wir drehen euch keinen Strick daraus und wir beenden dieses unsinnige Verfahren.