Protokoll der Sitzung vom 06.03.2014

Ihr Beitrag ist dieser: Durch die Teilnahme am Schulobstprogramm können Grundschulkinder bis zehn Jahre mehrfach in der Woche oder auch täglich frisches Obst oder Gemüse erhalten, z. B. in der Frühstückspause. Dass das gesund und gut für die Kinder ist, wird hier niemand bezweifeln. Jedes fünfte Grundschulkind kommt ohne

Frühstück in die Schule. Dass diesen Kindern Energie fehlt, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, liegt auf der Hand. Hier können wir helfen.

[Beifall bei der LINKEN]

Nun hatten wir das Thema Schulobstprogramm schon mehrfach auf der Tagesordnung. Bisher hat sich die Mehrheit dieses Hauses immer dagegen entschieden, wobei ein Grund die finanzielle Belastung des Landes Berlin gewesen ist. Aber nun gibt es eine neue Situation. Deshalb auch dieser dringliche Antrag!

Auf europäischer Ebene ist im Rahmen der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik u. a. vorgesehen, den Kofinanzierungsanteil der EU am Schulobstprogramm von derzeit 50 auf 75 Prozent zu erhöhen. Manchmal kommen auch gute Sachen aus der EU. Der Bundesrat hat in seiner 918. Sitzung unter Mitwirkung des Regierenden Bürgermeisters von Berlin und der Senatoren für Arbeit und Soziales den Entwurf des Ersten Gesetzes zur Änderung des Schulobstgesetzes beschlossen und dem Deutschen Bundestag zur Beschlussfassung vorgelegt.

Der Deutsche Bundestag wiederum beschloss dazu am 20. Februar 2014 das Gesetz zur Durchführung unionsrechtlicher Vorschriften über das Schulobst- und -gemüseprogramm. Es soll den Bundesländern so die Teilnahme unter den günstigeren Kofinanzierungsbedingungen noch zum neuen Schuljahr ermöglicht werden. Wir meinen, das Land Berlin sollte die günstigeren Kofinanzierungskonditionen zum Anlass nehmen, über das Schulobstprogramm mehr Schülerinnen und Schüler an einer gesunden Ernährung teilhaben zu lassen. Die Teilnahme am EU-Schulobstprogramm kann ein Beitrag zur Erziehung zu einem gesunden Ernährungsverhalten leisten und auch dazu, sozial bedingte Unterschiede zu verringern.

Dazu muss der Senat die Teilnahme am Programm bis zum 3. April 2014 beim Bundesministerium anzeigen und bis Ende April die regionale Strategie dazu erarbeiten. Wir bitten deshalb nicht nur um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag, sondern auch um eine zügige Behandlung gleich in der jeweils nächsten Sitzung im Bildungs- und im Hauptausschuss, damit wir hier im Plenum am 20. März abstimmen können. Ich werbe sehr um Ihre Zustimmung. – Danke schön!

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN – Beifall von Stefanie Remlinger (GRÜNE)]

Vielen Dank, Frau Möller! – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kollege Buchner das Wort. – Bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Schulobst ist tatsächlich nicht das erste Mal

Thema, und es ist auch völlig unzweifelhaft, dass es nicht nur für Schülerinnen und Schüler gesund ist, so oft wie möglich, im Idealfall täglich Obst zu essen. Keine Frage!

[Beifall bei der SPD]

Ob das EU-Schulobstprogramm an der einen oder anderen Stelle vielleicht gut gemeint, aber nicht gut gemacht ist, ist ja die große Frage dieser Debatte. Viele Bundesländer haben sich gegen eine Teilnahme an diesem Schulobstprogramm entschieden, weil die Verwaltungskosten und der bürokratische Aufwand einfach gigantisch hoch sind. Spätestens wenn ein Apfel das Doppelte oder Dreifache kostet, als er eigentlich kosten müsste, dann wird es ziemlich schwierig. Das Bundesland Bremen hat sich beispielsweise entschieden, ein eigenes Programm aufzulegen, statt am Schulobstprogramm teilzunehmen.

Wir in Berlin gehen ja auch einen etwas anderen Weg, weil wir wollen, dass die betroffenen Kinder in den Kindertagesstätten, aber auch in den Grundschulen ohnehin in der Schule die bestmögliche Verpflegung erhalten. Wir haben mehr als die Hälfte der Grundschulkinder in der Schulverpflegung. Wir haben – daran waren Sie alle beteiligt – in den letzten Monaten eine sehr intensive Debatte darüber geführt, wie wir die Verpflegung der Kinder an den Schulen verbessern, und haben am Ende auch entschieden, dass wir eine Qualitätsverbesserung wollen. In den entsprechenden Bedingungen für die Caterer steht eben auch drin, dass die Kinder an unseren Grundschulen täglich frisches Obst und Gemüse bekommen sollen.

Das ist viel mehr – und das muss man auch mal sagen –, als über dieses EU-Schulobstprogramm erreicht wird, das in acht Bundesländern durchgeführt wird, aber immer nur projektbezogen arbeitet, das heißt, da können sich Schulen anmelden und dafür sorgen, einmal in der Woche, manchmal auch, wenn das durchgesetzt wird, jeden Tag in der Woche für eine bestimmte Schüleranzahl Obst zu bekommen, aber es ist eben längst nicht das, was wir in Berlin haben, nämlich alle Kinder in den Kitas und an den Schulen möglichst täglich mit Obst versorgen zu wollen.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Deswegen will ich durchaus zusagen, dass wir uns im nächsten Ausschuss noch mal angucken können, ob die Bedingungen tatsächlich jetzt so viel attraktiver geworden sind, dass sich das auch für das Land Berlin lohnen könnte, und auch genauer anzugucken, ob es vielleicht noch eine Zielgruppe gibt, die wir mit unserem jetzigen Programm nicht erreichen. Ich will nur sagen – ich hatte schon mal in einem anderen Bundesland damit zu tun –, nach dem, wie ich das Schulobstprogramm kenne, bin ich nach wie vor skeptisch, ob es der richtige Weg für uns in Berlin ist. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jetzt Frau Remlinger, bitte schön!

Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich sehr herzlich für den Antrag der Linken bedanken, den wir selbstverständlich unterstützen. Ich glaube, es ist im Haus keine Neuigkeit, dass wir als Bündnis 90/Die Grünen bereits vor eineinhalb Jahren, als die Kofinanzierungsmöglichkeiten noch auf der 50-Prozent-Basis, also 50 Prozent EU, 50 Prozent Land Berlin, waren, beantragt hatten, dass Berlin an diesem Programm partizipieren möge. Umso widersinniger wäre es natürlich, wenn wir jetzt, wo die EU sogar bereit ist, für diese gute Sache 75 Prozent Kofinanzierung zur Verfügung zu stellen, plötzlich Zweifel entwickeln würden.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Also mehr Schulobst an die Schulen! Und ich sage Ihnen die Debatte über unseren 50-50-Prozent-Schulobstantrag noch im Kopf habend ganz bewusst, dass Sie auch damals schon gesagt haben: Wir haben doch jetzt das gute Schulessen. Deshalb brauchen wir das nicht. – Ich glaube, damals war es mein Kollege Mutlu, der Sie darauf hingewiesen hat, dass ein Tag aus mehr als einer Mahlzeit besteht.

Werter Kollege Buchner! Ihnen ist sicherlich bekannt, dass wir im ganzen Oberschulbereich noch etwas zu tun haben, was das Schulessen angeht, dass nicht einmal in den Grundschulen und Horten alle Kinder am Schulessen teilnehmen, dass wir – wie ich hoffe – alle gemeinsam beobachten werden, ob sich die ersten Meldungen, die wir haben, dass gerade im Hortbereich Eltern nach der Erhöhung auf 37 Euro im Monat ihre Kinder vom Schulessen abmelden, bewahrheiten. Das wäre ausgesprochen traurig aus meiner Sicht. Das ist aber nur eine Nebenbemerkung. Aber da wir das Thema Schulessen im Auge behalten wollen, weise ich auch darauf hin, dass ich in Ergänzung durch dieses Schulobstprogramm die Chance sehe, das eine Problem, das wir beim Schulessen haben, auch noch anzugehen, nämlich dass die Caterer Salat, Salatbars, attraktives Salatangebot noch schwer zu erfüllen finden, dass also eine Ergänzung hier zu einer Verbesserung führen könnte, dass sie weniger Obst anbieten müssen, dafür mehr Salat anbieten können, weil wir das Schulobstprogramm nutzen.

Ich will aber, werter Kollege, Sie noch eines fragen und danke der Linken, dass sie so schön recherchiert hat: Wenn Sie finden, dass das so bürokratisch ist – wo Sie offensichtlich mehr wissen als ich und wo ich wiederum hoffe, dass wir uns im Ausschuss tatsächlich der Frage widmen, wie wir das möglichst unbürokratisch gestalten können –, und uns nicht glauben, dass das machbar ist,

(Dennis Buchner)

dann erklären Sie uns bitte, warum sowohl der Regierende Bürgermeister als auch der Sozial- und Gesundheitssenator auf Bundesratsebene dieser Initiative zugestimmt und sie befördert haben. In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie noch einmal in sich gehen und wir es tatsächlich schaffen, wenigstens 25 Prozent kozufinanzieren, um mehr Vitamine für unsere Kinder zu organisieren. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin! – Liebe Kollegen und Kollegen! Ich weiß, wir sind gleich am Ende der Tagesordnung. Aber es wäre nett, wenn Sie noch ein bisschen die Ruhe bewahren könnten und den Rednerinnen und Rednern zuhören.

Herr Simon von der CDU-Fraktion, bitte schön, Sie haben das Wort!

Herzlichen Dank! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin jetzt in einer ähnlichen Situation wie Frau Möller. Sie hat ihre Kollegin Kittler vertreten, ich darf meine Kollegin Hildegard Bentele vertreten.

Wir haben über das Schulobstprogramm der EU und über die Frage, ob Berlin daran teilnehmen sollte, unter anderem im August 2012 in diesem Saal diskutiert. Seinerzeit haben die Piraten gefordert, am Schulobstprogramm der EU teilzunehmen, heute fordert es die Linksfraktion. Trotz der Erhöhung des Kofinanzierungsanteils kann die CDU-Fraktion nicht erkennen, weshalb der Sachverhalt anders bewertet werden sollte als Mitte 2012.

Was hat sich seitdem getan? – Die rot-schwarze Koalition hat einen Paradigmenwechsel beim Schulmittagessen vorgenommen. Wir sind weg vom Preiswettbewerb. Jetzt gibt es einen Qualitätswettbewerb. Wir konnten eine Steigerung der Qualität, des Frischegrades und des Obst- und Gemüseanteils erreichen. Alle Kinder an Grund- und Förderschulen, die an der Essenverpflegung teilnehmen, erhalten im Rahmen des Berliner Programms täglich ein Stück Obst oder Gemüse. Hier gibt es auch die Möglichkeit, ein Stück weit regional zu steuern. Das ist ein gravierender Unterschied zu einer möglichen Teilnahme des Landes Berlin am Schulobstprogramm der EU. Bei diesem Programm gäbe es die Möglichkeit der regionalen Steuerung nicht. Regionaler Bezug von Lebensmitteln ist ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Das Berliner Schulmittagessen wirkt nachhaltig. Zusätzlich arbeitet die Vernetzungsstelle Schulverpflegung als Teil der Verbraucherbildung daran, das Wissen um gesunde Ernährung zu vertiefen. Bei vielen anderen Programmen, bei denen

Berlin nur einen Teil der Finanzierung übernehmen müsste, bin ich gedanklich bei Ihnen. Es kommt den Menschen in Berlin zugute, wenn Berlin an vielen dieser Programme teilnimmt. Hier hätten wir aber die Finanzierung von zwei in Teilbereichen deckungsgleichen Programmen. Heute bekommen die Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren ein Stück Obst oder Gemüse im Rahmen des Mittagessens. Wenn wir zusätzlich am Schulobstprogramm der EU teilnähmen, wären es zwei.

[Martin Delius (PIRATEN): Furchtbar!]

Der Mehrwert liegt hier für uns nicht wirklich auf der Hand. Insgesamt kann die CDU-Fraktion zurzeit nicht erkennen, weshalb dem Antrag zugestimmt werden sollte. Vielleicht ergibt sich das ja noch bei der Ausschussberatung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für die Piratenfraktion jetzt der Kollege Delius – bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich breche jetzt mit einer Tradition. Normalerweise redet ja von den Piraten immer der Kollege Kowalewski als Letzter im Plenum. – Du verzeihst es mir hoffentlich!

Auch für die Piratenfraktion gilt die Prämisse des kongruenten und konsistenten Handelns, also auch hier ist klar: Was die Grünen können, können wir schon lange. Wir stimmen auch dem Antrag der Linken zu, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Voraussetzungen jetzt noch wesentlich günstiger für das Land Berlin sind. Das haben Sie wunderbar beschrieben, was die Kofinanzierung angeht.

Ich will noch auf zwei Argumente eingehen, die von der Koalition genannt worden sind. Das eine ist nicht neu: Das ist uns zu aufwendig. – Jetzt haben Sie von der Kollegin Möller schon gehört, dass Sie nicht nur mehr Geld bekommen, sondern auch noch Unterstützung aus dem Bund. Ich hoffe, dass wir dieses Argument in der Ausschussberatung noch einmal auseinandernehmen können, damit wir auch den Abgeordneten von CDU und SPD erklären können, dass es ihnen bei der Umsetzung ihrer Aufgaben hilft.

Herr Kollege Simon! Ich muss Ihnen doch nicht wirklich erklären, warum zwei Portionen oder Stücke Obst einen Mehrwert im Vergleich zu einem Stück Obst darstellen, oder? Natürlich bietet das Schulobstprogramm der EU, wenn wir es denn hier umsetzen, auch den Berliner Schülerinnen und Schülern mit ihrem neuen, tollen Mittagessen, das oftmals nicht so toll ist, einen Mehrwert. Die Gelegenheit sollten wir wahrnehmen. – Vielen Dank!

(Stefanie Remlinger)

[Beifall bei den PIRATEN]

Sie haben noch eine Zwischenfrage. Von wem? – Echt? – Herr Kollege Morlang!

Herr Kollege Delius! Wie bewerten Sie die Tatsache, dass ein von mir spontan per SMS befragtes Grundschulkind aus Friedrichshain heute weder Obst noch Gemüse in der Schule bekommen hat?

Ich bewerte das so: Es kann natürlich, Herr Morlang, nicht repräsentativ sein. Aber wir sind hier auch für Partikularinteressen zuständig, insofern beschäftige ich mich gern in Zusammenarbeit mit den Erziehungsberechtigten dieses Kindes mit dem Problem und werde die Senatorin darauf hinweisen. Wir werden da demnächst nachbessern. – Danke schön!

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. – Es wird die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht, dann verfahren wir so.

Die Tagesordnungspunkte 29 und 30 stehen auf der Konsensliste.

Meine Damen und Herren! Dies war unsere heutige Tagesordnung. Die nächste, die 45. Sitzung findet am Donnerstag, dem 20. März um 11.00 Uhr statt.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche Ihnen allen einen guten Heimweg!