Protokoll der Sitzung vom 20.03.2014

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Abgeordneter?

Nein! – Nach vierjährigem ununterbrochenen erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalt kann die Arbeitsagentur Geduldeten ohne Vorrangprüfung und ohne Prüfung der Arbeitsbedingungen eine Zustimmung ohne berufliche, betriebliche oder regionale Beschränkungen erteilen. Die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg hat für diese Fälle eine Globalzustimmung erteilt. Diese Frist ist uns aber zu lang, und das sieht im Übrigen auch „Pro Asyl“ so.

Durch die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geschaffenen Änderungen des Ausländerbeschäftigungsrechts ist für die bereits in Deutschland lebenden und anerkannten Flüchtlinge sowie für alle anderen Ausländerinnen und Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen unabhängig von der Rechtsgrundlage für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis eine einheitliche Rechtslage geschaffen worden.

Somit komme ich zu dem Schluss – das musste man erst einmal nennen, um den Gesamtzusammenhang zu schaffen; das wissen die Piraten wahrscheinlich nicht –: Es existiert kein Arbeitsverbot für anerkannte Flüchtlinge. Für alle anderen geht es um Lockerung des bestehenden

Arbeitsverbots. Für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie für Geduldete besteht nach der jetzigen Rechtslage in der Tat eine Sperre zum Arbeitsmarkt im ersten Aufenthaltsjahr oder in den ersten neun Monaten im Bundesgebiet.

Daher ist ein zügiger Arbeitsmarktzugang für Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie für Geduldete anzustreben, wobei eine Absenkung der Wartefrist von derzeit neun oder zwölf Monaten auf drei Monate erwogen wird. Das sieht ja auch der Koalitionsvertrag der Bundesregierung für die 18. Legislaturperiode vor. Im Übrigen hat Berlin bereits in der Integrationsministerkonferenz im März 2013 einen Beschluss für einen erleichterten Arbeitsmarktzugang bei humanitärem Aufenthalt, Aufenthaltsgestattung und Duldung erfolgreich erwirkt.

Das Arbeitsverbot für nicht anerkannte Flüchtlinge hat schon jetzt Ausnahmen. Wir wollen es weiter lockern, gerade auch für Geduldete. Eine völlige Abschaffung der Sperrfristen – wie in Ihrem Antrag gefordert – halten wir leider zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus arbeitsmarkt- sowie asylpolitischen Gründen und mangels eines öffentlichen Konsenses für nicht durchsetzbar. Deshalb halten wir eine Bundesratsinitiative derzeit für nicht zielführend. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der SPD]

Vielen Dank, Herr Lehmann! – Für die Linksfraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Breitenbach das Wort. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lehmann! Das war jetzt ja irgendwie Proseminar Jura, 1. Semester.

[Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Ich glaube allerdings, dass Sie nicht verstanden haben, worum es geht. Es geht in dem Antrag nicht darum, wie viele Ausnahmeregelungen es gibt, sondern darum, einen gleichberechtigten Zugang zum Arbeitsmarkt zu schaffen. Und, das haben Sie jetzt allerdings aufgezeigt, den gibt es nicht. Und das soll geändert werden.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Darum, Herr Lehmann, geht es. Das ist sozusagen der Kern der Frage. Und wenn Sie jetzt immer wieder erzählen, dass ja die große Koalition auf Bundesebene noch mal das Arbeitsverbot senken will auf neun Monate, heißt das, Herr Lehmann: Das Arbeitsverbot bleibt weiter bestehen, für drei Monate dann eben. Und Sie haben nicht erklärt – vielleicht macht das noch ein Kollege von der

(Rainer-Michael Lehmann)

CDU –, warum eigentlich drei Monate. Warum braucht man überhaupt ein Arbeitsverbot? Das müssten Sie doch einfach mal erklären, das tun Sie aber leider nicht.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und noch was: Ein Koalitionsvertrag legt Vorhaben fest. Ein Koalitionsvertrag und die Regelungen darin führen zu keiner Verbesserung. Es führt erst dann zu einer Verbesserung, wenn es in Gesetzeslage gegossen ist. Das haben Sie weder hier, also Ihre Bundesregierung, noch an anderer Stelle getan. Von daher hat sich dieser Antrag natürlich auch nicht erledigt.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Und wenn wir mal von dem Arbeitsverbot weggehen, haben wir immer noch weitere Sondergesetze, nämlich den nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt, das hat die Kollegin Bayram eben schon mal erklärt; darauf brauche ich nicht einzugehen.

Was Sie jetzt wollen – und da, Herr Lehmann, hatte die SPD mal eine andere Position – auf Bundesebene, also Ihre Bundesregierung und Ihre Koalition, ist, diese Sondergesetze auf keinen Fall anzufassen. Und wissen Sie, was das heißt, zusammengefasst? Das heißt immer: Arbeit zuerst für Deutsche. – Wenn das Ihre Position ist, wissen Sie, mit wem Sie in einer Reihe stehen. Und diese Sondergesetze gehören abgeschafft. Wir brauchen einen gleichberechtigten Zugang.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Wir alle kennen die Realität der Flüchtlinge. Wir konnten sie in den letzten Monaten immer wieder in den Medien nachlesen. Wir kennen die Berichte der Flüchtlinge vom Oranienplatz und anderswo. Über Jahre sitzen sie in Unterkünften. Sie dürfen nicht arbeiten. Und diese Politik, Ihre Politik, macht diese Menschen überhaupt erst abhängig von staatlichen Leistungen, was ihnen von Ihrem Koalitionspartner dann auch noch vorgeworfen wird.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Diese Flüchtlinge – auch das hat die Kollegin Bayram schon gesagt – sind relativ häufig junge, hoch qualifizierte Menschen, die hier gerne arbeiten wollen. Und was machen Sie? Sie sorgen dafür, dass deren Kompetenzen und Qualifikationen verloren gehen. Sie betreiben Dequalifizierung von Hochqualifizierten, und Sie trauen sich, immer wieder zu sagen: Wir haben aber einen Fachkräftemangel.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Der Sinn von Sondergesetzen liegt ganz allein darin, Menschen auszugrenzen, Menschen zu zeigen: Ihr seid

nicht genauso viel wert wie andere. Der Sinn von Sondergesetzen liegt darin, Menschen, die hier leben wollen und eine Zukunft suchen, dies zu verwehren, ihnen zu verwehren, dass sie ein unabhängiges Leben aufbauen.

[Canan Bayram (GRÜNE): Richtig!]

Und die Senatorin Kolat hat versprochen, sich dafür einzusetzen, dass das Arbeitsverbot abgeschafft wird. Die Kollegin Ülker Radziwill hat gesagt: Wir wollen kein Arbeitsverbot. Und Sie, Herr Lehmann, haben gesagt, von Ihnen aus kann das sofort fallen. Wenn das Ihre Position ist, dann handeln Sie! Handeln Sie endlich, und hören Sie auf, den Flüchtlingen das Blaue vom Himmel zu versprechen. Suchen Sie nach Lösungen! Stimmen Sie diesem Antrag zu! Wir hätten hier eine Mehrheit, wenn Ihr Koalitionspartner nicht mitmacht. Damit könnte man eine entsprechende Bundesratsinitiative machen. Und, Herr Lehmann, wie Sie schon gesagt haben: Das Land Berlin steht nicht alleine. Weitere Bundesländer, nach Aussage der Senatorin, finden es auch richtig, wenn das Arbeitsverbot fällt. Dann sollten wir das doch alle gemeinsam machen, dass es mit einer entsprechenden Bundesratsinitiative fällt. Berlin könnte mit gutem Beispiel vorangehen.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Breitenbach! – Für die CDU-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Dregger. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Gäste aus Reinickendorf, herzlich willkommen! Wir beraten heute einen Antrag der GrünenFraktion, der das Ziel verfolgt, das derzeit auf zwölf Monate befristete Arbeitsverbot für Asylbewerber zu streichen. Die Zielrichtung des Antrags ist für uns alle diskussionsfähig; das kann man sagen. Das ist der Antrag sicherlich aus Sicht der Betroffenen. Die Asylbewerber, die natürlich nicht gern zum Nichtstun verurteilt sein, sondern ihren Fähigkeiten entsprechend sich entfalten wollen. Aber – und das ist das Entscheidende für mich – es ist auch aus Sicht des Gemeinwohls diskussionswürdig, das Arbeitsverbot zu lockern. Und dem Gemeinwohl, liebe Frau Breitenbach, sollten wir verpflichtet sein und nicht Partikularinteressen. Bei Ihrem Vortrag eben hatte ich Zweifel, wessen Interessen Sie eigentlich vertreten.

Das Gemeinwohl definiert sich daraus, wie die Lage auf dem Arbeitsmarkt ist. Wir profitieren alle von einer extrem erfolgreichen Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland aufgrund einer sehr erfolgreichen Wirtschaftspolitik und stabilen Finanzpolitik. Aber das

(Elke Breitenbach)

Gemeinwohlinteresse hat auch die Aufwendungen zu berücksichtigen, die unser Staat für die Versorgung und Unterhaltung von Asylbewerbern leistet. Das sind beträchtliche Beträge. Daher ist es richtig zu überlegen, ob auch Asylbewerber dazu beitragen können, für ihren Unterhalt zu sorgen. Deswegen ist es auch richtig, dass die Koalition von CDU und SPD auf Bundesebene beschlossen hat, das Arbeitsverbot für Asylbewerber auf drei Monate zu reduzieren. Das ist aber letztlich der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt geschuldet, die positiv ist.

Was war der Grund des Arbeitsverbots? Frau Bayram hatte danach gefragt und im Grunde impliziert, das sei ein Ausdruck unserer Ausländerfeindlichkeit und Ähnliches.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Breitenbach?

Nein, danke! – Wir haben schon im Ausschuss sehr intensiv diskutiert, und Sie, Frau Breitenbach, haben mir da vorgeworfen, ich würde das, was ich jetzt gerade ausführen wollte, weiterhin vertreten, nämlich dass wir eine vorrangige Pflicht haben, die Arbeitsmarktinteressen der Arbeitnehmer, die sich im Inland aufhalten, zu schützen. Sie glauben, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit weltweit gilt. Ich sehe das anders. Ich glaube, wir haben als Abgeordnete dieses Landes die Pflicht, insbesondere die Interessen dieses Landes und seiner Menschen zu vertreten. Und genau das tun wir. Deswegen ist es ein legitimes Interesse, den heimischen Arbeitsmarkt zu schützen.

[Steffen Zillich (LINKE): Das will die NPD auch! – Elke Breitenbach (LINKE): Vor wem wollen Sie den denn schützen?]

Das gilt auch im heutigen Jahr, genauso wie in den letzten 60 Jahren der Geschichte der deutschen Ausländerpolitik.

[Beifall bei der CDU]

Es ist aber noch ein Weiteres wichtig. Es kommt nicht nur darauf an, das Arbeitsverbot zu lockern, was ja vernünftig ist, sondern es kommt auch darauf an, den betroffenen Menschen möglichst schnell eine Perspektive zu geben. Das geht nur, indem die Asylverfahren beschleunigt werden. Was nützt denn eine vorläufige Arbeitsgenehmigung, wenn anschließend der Asylantrag abschlägig beschieden wird? Deswegen begrüße ich es, dass die Koalition von CDU und SPD auf Bundesebene durch Aufstockung des Personals beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dafür sorgen wird, dass die Asylverfahren schnell entschieden werden können. Das ist entscheidend.

Und ein Weiteres ist entscheidend: Wir haben eine Großzahl von Asylanträgen, die offensichtlich unbegründet sind. Das liegt daran, dass die Lage der Menschenrechte in einigen der Herkunftsländer sich nicht verschlechtert hat. Ich nenne Ihnen mal einige Zahlen: Wir haben im Jahr 2013 12 229 Asylentscheidungen von Asylbewerbern aus Serbien gehabt. Diese Entscheidungen enthielten eine einzige Anerkennung als Asylberechtigter, keine einzige Anerkennung als Flüchtling nach der Flüchtlingskonvention und 24 individuelle Abschiebeverbote. Das ist eine Schutzquote von 0,2 Prozent. Bei Makedonien war es ähnlich, eine gleiche Schutzquote. Wir haben von 81 000 Asylentscheidungen insgesamt eine Schutzquote von knapp 24,8 Prozent gehabt. Ich begrüße es, dass die Koalition von CDU und SPD auf Bundesebene im Koalitionsvertrag dafür Sorge getragen hat, dass diese Herkunftsländer wie Serbien und Makedonien zukünftig auf die Liste der sicheren Herkunftsländer kommen, damit ein Asylverfahren für diese Betroffenen schneller entschieden werden kann. Ich glaube, diese Zusammenhänge und Zahlen, die ich genannt habe, zeigen alle, es geht nicht nur um die Auflockerung des Arbeitsverbots, es geht auch darum, den Betroffenen eine klare Perspektive schnell und rechtssicher zu geben, ob sie in unserem Land eine Zukunft haben oder nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Dregger! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Reinhardt. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Ich glaube, zu Herrn Dregger muss man jetzt auch nicht mehr viel sagen.

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN – Zuruf von Elke Breitenbach (LINKE)]

Letztendlich spricht sein Beitrag, glaube ich, auch für sich. Aber wir haben nachher noch einen Punkt, wo wir das ansprechen können.

Wir sprechen über die Abschaffung des Arbeitsverbots für Flüchtlinge. Herr Kollege Lehmann! Ich benutze jetzt das politische Wort Flüchtling und nicht die verschiedenen juristischen Bezeichnungen, denn ich gehe einfach davon aus, dass wir hier politisch reden. Wenn wir etwas juristisch verfassen wollen, dann können wir juristischen Sachverstand einberufen.

[Elke Breitenbach (LINKE): So wie Herr Lehmann!]