Für mich ist jemand, der sagt, er kommt hierher als Flüchtling, ein Flüchtling so lange, bis ihm das Gegenteil
bewiesen ist, auch wenn es juristisch vielleicht anders sein mag. Das ist der entscheidende Punkt. Das haben Sie gerade in Abrede gestellt.
Die Abschaffung des Arbeitsverbots für Flüchtlinge ist auch eine der zentralen Forderung von verschiedenen Flüchtlingsorganisationen und von Flüchtlingen bundesweit, und zwar zu Recht. Wir haben hier schon über einige Verbote und Einschränkungen, wie es die Kollegin Breitenbach schon ganz richtig gesagt hat, gesprochen, die es in Deutschland gibt. Es gibt ziemlich dumme, ziemlich schädliche und ziemlich unsinnige Regelungen wie z. B. die Residenzpflicht. Aber ich glaube, gerade bei diesem Arbeitsverbot haben wir es möglicherweise mit der dümmsten, schädlichsten und unsinnigsten von allen diesen Regelungen zu tun.
Tatsächlich ist es in der Debatte eben auch schon gesagt worden: Es gibt wirtschaftlich eigentlich keinen sinnvollen Grund, Menschen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu verwehren. Insofern ist es, wenn man mit Handelskammern und großen Unternehmen spricht, in der Regel auch so, dass sie sagen: Natürlich sollen sie arbeiten dürfen. Es ist doch total unsinnig, dass man Arbeitskräften, Arbeitskraftressourcen den Zugang zum Arbeitsmarkt verschließt, also eine künstliche Verknappung von Arbeitsmarktressourcen beschließt. Das ist natürlich nicht im Sinn von Handelsunternehmen und Handelskammern. Die Frage ist also tatsächlich, warum es überhaupt dieses Arbeitsverbot gibt.
Ich will jetzt wirklich nicht mit Ihnen, Herr Lehmann, darüber diskutieren, ob es Ausnahmen von dem Verbot gibt. Natürlich mag es Ausnahmen geben, aber woher kommt dieses Verbot überhaupt? Was ist die eigentliche Motivation dafür? Wenn man nachfragt, sowohl im unternehmerischen Bereich als auch in anderen Bereichen, dann hört man häufig die Antwort, dass ein Arbeitsverbot zu mehr Akzeptanz in der Bevölkerung für Flüchtlinge führt. Sie haben das gerade anders formuliert, Herr Lehmann. Sie haben gesagt, es sei asylpolitisch nicht durchsetzbar oder nicht vernünftig. Aber die Frage ist, ob man wirklich im Sinn von Akzeptanz mit Verboten arbeiten muss. Wenn es darum geht, dass Menschen Angst um ihren Arbeitsplatz haben, um ihre Bezahlung, um die Bedingungen an ihrer Arbeitsstelle, dann halte ich es für sinnvoller, dass man dazu übergeht zu versuchen, für anständige Löhne zu sorgen, Stichwort: Mindestlohn, der immer noch nicht sicher ist, soziale Unterstützung von allen Menschen, die sich hier aufhalten, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und ihrem Aufenthaltsstatus. Das mag viel eher, zusammen mit anderen Initiativen, dazu führen, Akzeptanz zu schaffen und Ängste abzubauen, als hier mit Verboten zu arbeiten.
Jetzt gibt es eine fast lagerübergreifende Einigkeit, dass man diesen Verbotszustand angehen will, sogar ExStaatsministerin Böhmer von der CDU hat sich auch dafür ausgesprochen, dieses Thema anzugehen. Und es wurde auch z. B. nach dem Hungerstreik von geflüchteten Menschen auf dem Pariser Platz 2012 angesprochen und von Frau Kolat auch immer wieder ins Gespräch gebracht.
Der Koalitionsvertrag auf Bundesebene fordert die Verkürzung der Wartezeit auf drei Monate. Allerdings ist völlig unklar, wann diese Umsetzung überhaupt erfolgen soll. Außerdem ist ganz wichtig, es bleibt immer noch der sogenannte Nachrangigkeitsvorbehalt. Nur wenn kein Deutscher einen Job will, darf ein Asylbewerber, darf ein geflüchteter Mensch ihn annehmen. Vor allem in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit bleibt der Jobmarkt so eben vielen Menschen verschlossen.
Es bleibt festzuhalten: Bis auf Weiteres bleibt das Arbeitsverbot erhalten. Und auch für die im Koalitionsvertrag fixierten Änderungen gibt es keinen konkreten Zeitplan. Da mag man sowohl CDU als auch SPD vorhalten, dass das für sie eben keine Priorität darstellt. Es sind bisher weder die Versprechungen an die Flüchtlinge umgesetzt worden, die ihnen hier in dieser Stadt gemacht wurden, noch die im Koalitionsvertrag festgehaltenen Vorhaben. Insofern kann ich dem Antrag an dieser Stelle nur klar zustimmen. Dem Antrag ist stattzugeben, die geflüchteten Menschen sind darin zu unterstützen, ihr Leben selbstbestimmt zu führen – das ist nämlich auch ein ganz wichtiger Aspekt – und auch, ihr eigenes Geld zu verdienen, ihrer eigenen Arbeit nachzugehen und eben so für ihr eigenes Leben auch aufkommen zu können.
Vielen Dank, Herr Reinhardt! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, wir kommen also zur Abstimmung. Zum Antrag Drucksache 17/0611 empfiehlt der Arbeitsausschuss mehrheitlich gegen Grüne, Linke und Piraten die Ablehnung. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion Die Linke und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU und der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen? – Das gibt es nicht. Dann ist dieser Antrag abgelehnt.
Gesetz zur Änderung des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes und anderer Gesetze sowie über die Verordnungsermächtigung zum Transplantationsgesetz
Ich eröffne die erste Lesung. Ich habe die Vorlage vorab an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales überwiesen und darf Ihre nachträgliche Zustimmung feststellen. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Überweisung haben Sie bereits zugestimmt.
b) „100 Prozent Berlin“ Tempelhofer Freifläche dauerhaft als Grünfläche sichern – behutsame Randentwicklung für Wohnen, Wirtschaft, Wohlfühlen ermöglichen
c) Tempelhofer Park dauerhaft als Grünfläche sichern – behutsame Randentwicklung sozial, ökologisch, und partizipativ gestalten
Von nun an stehen den Fraktionen für alle weiteren Beratungen die Kontingente der Gesamtredezeit gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 unserer Geschäftsordnung zu. In der Beratung dieses Tagesordnungspunkts beginnt die Fraktion Die Linke. Das Wort hat Frau Abgeordnete Lompscher. – Bitte sehr!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Volksentscheid zum Tempelhofer Feld ist in reichlich zwei Monaten. Und das Abgeordnetenhaus muss schon heute Farbe bekennen. Alle Versuche, einen gemeinsamen Alternativvorschlag zu unterbreiten, sind gescheitert. Und ob das Verhandlungsangebot der Koalition überhaupt ernst gemeint war, darüber lässt sich streiten.
Zur Erinnerung: Anfangs wurden lediglich Gespräche über die Begründung in Aussicht gestellt. Noch bis vorhin war nicht klar, was die Koalition nunmehr als Abstimmungsalternative vorlegt, ob sie ihre minimalistische Ausgangsversion für ein Schutzgesetz heute hier beschließen will oder eine im Ergebnis der Verhandlungen inhaltlich qualifizierte Fassung. Jetzt wissen wir es. Der eingereichte Ursprungstext bleibt sogar hinter den Vorschlägen von Senator Müller zurück. Hier wollte er immerhin, dass ausschließlich städtische Gesellschaften und Genossenschaften bauen. Im Text der Koalition findet sich nichts dazu.
Wir wollen transparent machen, in welchen Punkten wir uns von der Koalition unterscheiden, an welchen Auffassungen eine Einigung scheiterte. In einem der zahlreichen Gespräche mit Vertretern der Stadtgesellschaft im Vorfeld und am Rande der Verhandlungen war die Rede vom kleinsten gemeinsamen Nenner, daran werden Sie sich noch erinnern. Das wäre aus unserer Sicht gewesen: Fokus auf den Tempelhofer Damm, bezahlbarer Wohnungsbau durch städtische Gesellschaften und Genossenschaften, und zwar für Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen, und eine echte Bürgerbeteiligung.
Daneben war und ist für Die Linke die Frage des Eigentums an der gesamten Fläche essentiell. Das ist mehr als eine symbolische Frage, es ist auch die Nagelprobe für die vielbeschworene neue Liegenschaftspolitik. Öffentliche Gesellschaften auf übertragenen Flächen und Genossenschaften auf Erbpachtflächen und der Rest in öffentlicher Hand – warum sollte das nicht funktionieren?
Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass uns die Zusammenführung der Standorte der Zentral- und Landesbibliothek am Herzen liegt. Wir wollen, dass dies am Rand des Tempelhofer Feldes nicht unmöglich gemacht wird. Ungeachtet dessen sind Kostenfragen und mögliche Standortalternativen zu klären.
In den Verhandlungen waren einige Fortschritte gegenüber dem Ursprungsvorschlag der Koalition absehbar. So sollten – übrigens auf unsere Initiative hin – die geschichtliche Bedeutung des Feldes und das Gedenken in der Stellungnahme wichtiger werden. Das ist nun wieder vom Tisch. Eine flächenmäßige Erweiterung der zu schützenden Freifläche um das Areal am Columbiadamm wurde zumindest nicht ausgeschlossen. Und tatsächlich: Bei genauem Hinsehen auf die Karte ist zu bemerken, es gibt eine kleine Ausweitung – immerhin. Aber letztlich
ist genau das eher wieder ein Beleg für den Alibicharakter der bisherigen Gespräche, denn nicht einmal das hat die Koalition in den Verhandlungen zugesagt.
Ein wirkliches Trauerspiel war die Auseinandersetzung um den vermeintlichen Kern Ihres Alternativvorschlages, das bezahlbare Wohnen. Es gab seitens der Koalition keine Bereitschaft, hier konkrete Ziele zu verankern. Egal ob Quoten, Mietobergrenzen oder Finanzierungszusagen – in wolkigen Formulierungen von Mischung und Wohnstilen kann jeder und jede seine oder ihre Wunschvorstellung hineininterpretieren. Und das in einer Situation, wo Koalition und Senat die Trommel für bauen, bauen, bauen rühren, und zwar unabhängig davon, ob Eigentum oder Miete, Luxus oder Standard, teuer oder preiswert, stadtverträglich oder nicht! Das Versprechen für bezahlbaren Wohnraum, das Sie abgeben, ist nichts als leeres Gerede. Das war und ist für uns inakzeptabel!
Angesichts der bekannten Mehrheitsverhältnisse wird es natürlich nun aller Voraussicht nach zu einer Abstimmung über eine bauliche Entwicklung in Anlehnung an den Masterplan des Senats oder eben zur Freihaltung des Feldes von jeglicher Bebauung kommen. Das Angebot der Opposition, jenseits des Masterplans einen Neustart für eine sozial verträgliche, ökologische und partizipative Planung am Tempelhofer Feld zu ermöglichen, hat die Koalition ausgeschlagen. Sie wollte stattdessen so viel wie möglich vom Masterplan retten und die Oppositionsfraktionen als Unterstützer dafür gewinnen. Das konnte nicht gutgehen, und ich bin fast versucht zu sagen: Das war offensichtlich das Ziel der Koalition.
Die Linke hatte ein Interesse an einer Alternative, und sie hat sich auch für eine Einigung engagiert. Wir mussten aber feststellen, dass unsere Bereitschaft, Ihnen entgegenzukommen, größer war als Ihre. Wir wollen das Tempelhofer Feld als Begegnungs- und Erholungsort für alle erhalten und weiterentwickeln. Wir wollen die zentrale Freifläche, das Areal am Columbiadamm und die Kleingartenanlagen am Südring für die öffentliche Nutzung als Park- und Erholungsfläche schützen. Wir wollen würdige Orte des Gedenkens und der Erinnerung gestalten, und wir wollen am Tempelhofer Damm bezahlbaren Wohnungsneubau und ergänzende Infrastruktur ermöglichen. Die Planungen für die übrigen Randbereiche sollen ausgesetzt und erst im Rahmen eines neuartigen partizipativen Verfahrens wieder aufgenommen werden.