Lieber Kollege Taş! Ich habe eher das Gefühl, dass Sie die Sache nicht vereinfachen, wenn Sie hier im Abgeordnetenhaus von Berlin eine Entscheidungssituation herbeiführen, in der wir sagen müssen, was zurzeit geht und was zurzeit nicht geht. Das hilft der Sache nicht, sondern helfen würde eine Unterstützung auf Bundesebene, um dort gemeinsam mit den Abgeordneten des Deutschen Bundestages zu konsequenten Schritten für eine doppelte Staatsangehörigkeit zu kommen.
[Udo Wolf (LINKE): Also ihr seid ja auch der kleinere Koalitionspartner, oder was? – Steffen Zillich (LINKE): Sie können es auch von hier aus! – Hakan Taş (LINKE) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Wir brauchen Schritte im Bund hin zu einer Akzeptanz der doppelten Staatsangehörigkeit in Deutschland.
Das ist das, was wir uns zum Ziel gesetzt haben. Das ist angesichts der Mehrheitssituation im Bund so schnell nicht zu erreichen.
Deshalb müssen wir als zweitbeste Lösung für eine Abschaffung der Optionspflicht eintreten. Sie kennen die Debatten im Bund, wo jetzt die Diskussion über das HierAufgewachsensein läuft und die Frage, was die hinreichenden Voraussetzungen dafür sind, dass die Optionspflicht entfallen kann. Wir sagen, dass man diese Voraussetzungen nicht allzu hoch schrauben darf. Es ist in der Tat eine problematische Entwicklung, wenn Jugendliche, die hier aufgewachsen sind und integriert sind, vor diese Alternative gestellt werden. Wir müssen die Pflicht zu dieser Alternative so schnell wie möglich beseitigen.
Es geht jetzt darum, was wir in Berlin machen können, und dazu sagen Sie, Herr Taş, dass wir jetzt alle Aktivitäten in den Behörden einstellen sollen, was diese Optionspflicht betrifft. Da kann man nur sagen: Es ist ein Problem, die Behörden dazu aufzufordern, geltendes Recht nicht anzuwenden. – Das werden Sie mir zugeben. Nun gibt es immer Möglichkeiten, dass man im Einzelfall eine Einzelfallgerechtigkeit dadurch herbeiführt, dass man eventuell zeitliche Perspektiven in Anspruch nimmt. Das können wir aber nicht hier beschließen, sondern das muss die Verwaltung im Rahmen ihres zulässigen Beurteilungs- und Ermessensspielraums entscheiden, und deswegen sind wir sehr skeptisch in Bezug auf Ihren Antrag. An der Zielsetzung, die Optionspflicht abzuschaffen, ändert das nichts. – Danke schön!
Vielen Dank, Herr Kollege Zimmermann! – Frau Kollegin Bayram für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen! Sie haben das Wort. – Bitte sehr!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Zimmermann! Sie sind ja wirklich ein sehr kluger Mensch, der jetzt auf eine sehr moderate Art und Weise versucht hat, das Dilemma zu beschreiben. Ich hoffe, Sie gestatten mir, dass ich ein bisschen deutlicher werde
und sage, wo ich den Konflikt sehe und warum dieser Antrag hier und heute auch in dieser Form eingebracht
und möglichst schnell abgestimmt werden sollte. Für alle Kolleginnen und Kollegen, die sich noch nicht so stark mit dem Thema beschäftigt haben – und ich meine nicht nur die Optionspflicht, denn die hatten wir ja vor ein paar Wochen schon mal auf der Tagesordnung, sondern vor allem die Bundesratsinitiative –, eine kurze Übersicht: Einige rot-grün-geführte Bundesländer haben eine Bundesratsinitiative eingebracht und fordern in dieser Bundesratsinitiative generelle Mehrstaatigkeit für in Deutschland geborene Kinder, und dies steht im Widerspruch zu dem Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD auf Bundesebene. Dieses Dilemma, das für die SPD dabei entstanden ist, konnte man ja gut in einer Stellungnahme des Parteivorsitzenden der SPD mitkriegen, als er sagte: Nein, diese Bundesländer, das geht gar nicht. Das gegebene Wort an die CDU gilt.
Aber, lieber Kollege Zimmermann, die Fraktion Die Linke und wir sagen: Das Land Berlin hat so eine Zusage nicht gemacht, und wenn Sie das ernst nehmen, was hier in diesem Haus auch schon mal in der letzten Legislaturperiode behandelt wurde – dass nämlich der Senat gesagt hat: Wir wollen die Optionspflicht abschaffen –, dann müssen Sie sich klar gegen die Optionspflicht wenden. Sie müssen im Bundesrat die Initiative unterstützen und der Initiative zustimmen. Das ist der Grund, warum wir heute über diesen Antrag reden.
Es freut mich auch, dass es die Bundesmigrationsbeauftragte gibt – ebenfalls SPD-Mitglied –, die gesagt hat, dass diese Regelung, wie sie die CDU und der Bundesinnenminister derzeit wollen, wonach Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind, durch Zeugnisse und irgendwelche anderen Papiere nachweisen müssen, dass sie zwölf Jahre in Deutschland gelebt haben, nicht richtig sein kann und dass das auch nicht im Koalitionsvertrag vereinbart war.
Dieses Thema Optionspflicht beschäftigt uns mittlerweile auf eine Art und Weise, dass wir uns wirklich fragen müssen, warum wir noch darüber reden. Es ist ein Bürokratiemonster, es ist ein totaler Unfug, es gehört komplett abgeschafft.
Bei dieser Variante, wie sie der Bundesinnenminister jetzt will und die vorsieht, wieder bürokratische Hürden aufzubauen, stellt sich die Frage: Wofür eigentlich? Wofür ist das Ganze? – Zur Befriedung des Koalitionspartners, der CDU, weil sie ansonsten Gefahr läuft, ihr Profil zu verlieren – als eine harte Partei und als eine Partei, die auch Menschen nicht akzeptiert, die in Deutschland geboren sind, 18 Jahre hier leben, eigentlich selbstverständlich alle Rechte haben sollten, aber immer noch eine Sonderbehandlung erfahren, und zwar institutionell durch die Behörden, durch den Staat. Morgen ist der internationale
Tag gegen Rassismus. Das ist eine gute Gelegenheit, so einen Quatsch abzuschaffen. Deswegen hoffen wir auf die Unterstützung für unseren Antrag. – Danke schön!
Danke, Frau Kollegin Bayram! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt das Wort der Kollege Dr. Juhnke. – Bitte sehr, Herr Kollege!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor zwei Wochen haben wir über dieses Thema anlässlich eines Antrags der Piratenfraktion gesprochen. Heute liegt uns dazu ein Antrag der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, die sich natürlich auch mit einer Initiative zu diesem Thema melden müssen. Frau Bayram hat versucht, das noch mal etwas anders zu verbrämen, aber ich glaube, das ist im Wesentlichen auch der Grund, worum es dann geht – dass man darüber noch mal spricht. Im Übrigen muss man dann zur Ehrenrettung auch sagen: Die Ersten waren ja die Grünen, die vor einem Jahr das Thema hier aufgebracht haben mit dem Titel „Einbürgerung erleichtern – Optionszwang abschaffen – zwei Pässe ermöglichen!“
Deshalb geht der Blumentopf an die Fraktion der Grünen. Sie waren die ersten. Das sage ich, bevor sich der Wettstreit noch weiter entspannt. Vielleicht kann man es auch einmal entscheiden, und wir können uns die Themen hier ersparen, die wir doppelt und dreifach besprechen.
Der Antrag wird nicht mit wahnsinnig vielen Neuigkeiten zur Diskussion beitragen. Die Koalition auf Bundesebene hat sich dort in der Vereinbarung geeinigt. Es ist mit den Worten „in Zukunft“ und „in Deutschland geboren und aufgewachsen“ dort aufgeführt. Genau das sind die Dinge, die es auch umzusetzen gilt. Deshalb ist auch die Bundesratsinitiative 9014 kein zukunftsweisender Weg. Ich weise immer wieder darauf hin, dass der Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft nicht droht, nicht dann, wenn man sich dafür entscheidet, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen. Genau das war die Logik der bisherigen Optionsregelung. Genau das können alle, die Frau Bayram beschrieben hat, die in Deutschland geboren wurden, hier zur Schule gegangen sind und bis zum 18. Lebensjahr hier gelebt haben. Deshalb ist das, was Sie erzählt haben, einfach völliger Unfug.
Ebenso ist es Unfug, dazu aufzufordern, was einzelne Bundesländer vorhaben – Herr Zimmermann hat das unterstrichen –, gegen geltende Gesetze zu handeln. Das können wir nicht. Der Senat hat inzwischen mehrfach in Stellungnahmen deutlich gemacht, dass er dazu nicht
bereit ist. Das finde ich ausdrücklich unterstützenswert. Wir haben eine Einigung auf der Koalitionsebene durch den Koalitionsvertrag. Diese muss jetzt umgesetzt werden, und ich bitte, dies abzuwarten. Dort ist es auch in guten Händen und in den einzig zuständigen Händen. Dort sollten wir es auch belassen. – Vielen Dank!
Danke, Herr Dr. Juhnke! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Kollege Reinhardt. – Bitte schön!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich sehe schon, dass es die Koalition ein wenig kürzer macht, weil das Thema in den letzten Wochen schon ein wenig ausgereizt wurde. Was mich verwundert, ist die Tatsache, dass Sie bei gefühlten 80 Prozent aller Anträge auf die Besprechung im Ausschuss verweisen: „Das hört sich ganz interessant an.“ Hier heißt es aber: „Wir wissen schon genau, dass das nicht geht, völlig unmöglich ist und absolut kein Thema ist.“ Wir haben bei unserem Antrag noch die Ausschussberatung. Wir würden ihn vielleicht noch hinzuziehen, wenn er hier nicht abgestimmt wird. Insofern können wir uns damit noch einmal in Ruhe auseinandersetzen. Wenn Sie aber alles schon genau wissen, dann haben Sie uns etwas voraus, Herr Juhnke.
Den Antrag selbst finden wir natürlich gut. Er ist im Grunde genommen identisch mit dem Antrag, den wir schon eingebracht haben. Die Optionspflicht gehört abgeschafft. Sie war schon zur Einführung kaputt. Im Grunde genommen war es schon damals ein Art Generalmisstrauen, das Menschen ausgesprochen wurde, die nicht ganz klar sagen, dass sie nur die deutsche Staatsbürgerschaft haben wollen.
Rot-Grün hat sich damals wirklich Mühe gegeben, etwas einzuführen, und hat den schlechten Kompromiss ausgehandelt. Es ist ein wirklich sehr sonderbarer Kompromiss, weil es etwa 50 Staaten auf dieser Welt gibt, bei deren Staatsbürgern es überhaupt kein Problem ist, dass sie eine doppelte Staatsangehörigkeit zusammen mit einer deutschen Staatsangehörigkeit haben. Genau aber bei einigen wenigen in Deutschland stark vertretenen Nationalitäten wie beispielsweise der türkischen ist es ein riesiges Problem, und wir müssen uns 20 Jahre mit diesem Thema beschäftigen, anstatt einfach zu sagen: Vergesst doch diesen Käse, und lasst die Leute die Staatsangehörigkeit haben, die sie wollen. Es muss uns doch überhaupt nicht interessieren.
Ungleichbehandlung, Misstrauensantrag, Bürokratiemonster, das sind Worte, die wir schon gehört haben. Wir
hatten den Wahlkampf letztes Jahr zur Bundestagswahl. Die SPD machte ein großes Wahlkampfthema daraus. Die Grünen machten ein großes Wahlkampfthema aus der doppelten Staatsangehörigkeit. Frau Kofbinger war es – so glaube ich –, die mit ihrem Gesicht in ganz Neukölln hing und für den Doppelpass Werbung gemacht hat. Das ist alles super. Die Piraten hatten das auch als Thema. Wir haben uns gleich für mehr als zwei Staatsangehörigkeiten ausgesprochen. Jeder soll so entscheiden, wie er lustig ist. Wahlkampf ist das eine, Rot-Grün kam dieses Mal nicht. Da hätte es vielleicht noch geklappt. Nun müssen wir mal schauen. Jetzt gab es Rot-Schwarz. Unter Rot-Schwarz war dann auch bei einem kleinen SPDKoalitionspartner klar – es war offensichtlich nicht alles herauszuholen –, dass die doppelte Staatsangehörigkeit ganz schnell in der So-wichtig-war-es-uns-dann-auchnicht-der-Wahlkampf-ist-vorbei-Schublade verschwunden ist. Dann kam der Punkt, an dem Sie sagten, sie wollen auch weiterhin sagen können, die Abschaffung der Optionspflicht erreicht zu haben.
Danach folgte wieder ein Kompromiss und eine Formulierung, die letztlich darauf hinaus gelaufen ist, dass die CDU sagte, es gelte nicht für alle, sondern nur für diejenigen, die hier schon seit Ewigkeiten wohnen, einen Schulabschluss nachweisen können und anderes. Da lauert schon wieder das nächste Bürokratiemonster. Es ist unglaublich, wie schlecht man sich einigen kann.
Das Interessante ist aber, dass die CDU zumindest aus meiner Sicht gar kein genuines Interesse daran haben kann, es zu blockieren. Insofern stellt sich schon die Frage, was eigentlich dahinter steckt. Jetzt kommt gerade in den letzten Tagen die Wahrheit möglicherweise ein wenig auf den Tisch: Plötzlich hieß es, dass mehr sichere Drittstaaten benötigt werden, damit mehr Menschen aus Deutschland abgeschoben werden können. So läuft also der Hase. Der Deal lautet möglicherweise, dass noch einmal Einschränkungen im Asylrecht beschlossen werden, dafür bekommen die anderen dann diese Wischiwaschi-Abschaffung der Optionspflicht, die ohnehin schon nicht das ist, was im Wahlkampf gefordert worden ist.
Ja, genau, aber der kommt ja nicht einmal. Herr Juhnke, Sie sind clever genug um zu wissen, was juristisch sauber formuliert und was wischiwaschi ist. Das, was im Koalitionsvertrag steht, ist, dass es jede Seite so interpretieren kann, wie sie an dem Tag gerade lustig ist und es machen möchte. Das Problem ist, dass irgendwann eine Lösung gefunden werden muss, die mit einigermaßen wenig Bürokratie auskommt. Dafür lässt sich die CDU aber schon teuer etwas auf den Tisch legen. Eine Einschränkung des Asylrechts scheint eine Möglichkeit zu sein, gerade sich noch einmal schön etwas herauszuhandeln. Da wird ganz klar Politik auf dem Rücken von Menschen gemacht, die gerade Gefahr laufen, ihre deutsche Staatsangehörigkeit zu verlieren, oder sie schon längst verloren
haben. Insofern kann ich es nicht nachvollziehen. Andere Bundesländer machen es klar vor, dass wir hier als Bundesland zumindest diesem Kuhhandel auf Bundesebene etwas entgegensetzen könnten, indem wir sagen: Zumindest auf Landesebene setzen wir das schon einmal aus. – Der Innensenator, Herr Henkel, antwortete auf meine Frage, dass er es nicht für sinnvoll oder möglich halte, noch einmal die Ausländerbehörde anzuweisen, ein bisschen wohlwollender mögliche Ausnahmen zu prüfen. Das finde ich schade, dass auch Sie sich so sicher sind. Auch das könnte man zumindest im Ausschuss noch einmal diskutieren. Meiner Ansicht nach kann man hier mehr Entgegenkommen zeigen und das ernsthaft prüfen. Ich würde dem Antrag zustimmen.