Protokoll der Sitzung vom 20.03.2014

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Was kann eigentlich aktueller sein als die Deadline für einen Beschluss des Parlaments zu einem anstehenden Volksentscheid? Ich finde es sehr bedauerlich, dass hier die Chance auf einen echten Kompromiss vertan worden ist. Und ja, wir haben es deutlich gesagt, wir wollten eine Alternative zu dem Masterplan von Senator Müller, denn schließlich ist auch die breite Kritik an genau diesem Masterplan die Ursache für den Volksentscheid am 25. Mai. Davor kann man nicht die Augen verschließen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Wenn man am 25. Mai keine Bauchlandung erfahren will – Herr Saleh, Herr Schneider –, muss man für die Bürgerinnen und Bürger glaubwürdig und nachvollziehbar die vielbeschworene behutsame und soziale Entwicklung gesetzlich verankern. Dafür haben wir geworben – bei Ihnen leider vergeblich.

[Daniel Buchholz (SPD): Ein Unsinn ist das! – Weitere Zurufe von der SPD und der CDU]

Am 25. Mai wird abgerechnet.

Wenn Sie hier über Landesbeteiligungen reden wollen, dann bitte aber auch ehrlich.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Eine Landesbeteiligung haben Sie bislang verschwiegen, obwohl es eine der wichtigsten für das Land Berlin und gleichzeitig das größte finanzielle und politische Risiko, das wir alle tragen müssen, ist, nämlich der Flughafen.

(Dr. Michael Garmer)

Der BER ist das größte Haushaltsrisiko, das Sie haben. Wenn im Laufe dieses Jahres wieder eine saftige Rechnung für mehdornsche Sonderschnapsideen oder für die Versäumnisse der letzten Jahre kommt, wird das Ihren geplanten Haushaltsüberschuss gnadenlos auffressen. Es wird vermutlich eine dreistellige Millionensumme sein, die uns auf den Tisch flattert. Geld, mit dem man sinnvolle Investitionen an anderer Stelle tätigen könnte, bei den Bäder-Betrieben, bei den Fahrradwegen, bei den Brücken oder Kitas und Schulen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Es ist schlichtweg unfassbar, dass bis heute kein verlässlicher Zeit- und Kostenplan vorliegt. Ich will es Ihnen nicht vorrechnen, aber mit den 4 Prozent – wo wir heute bei der Fertigstellung sind – ankommen, wenn man es zu Ende rechnet.

Über eine Sache sollten Sie sich auch Gedanken machen, die mir große Sorge macht: Es stellt sich inzwischen die Frage, ob der BER selber überhaupt schwarze Zahlen schreiben wird, wenn er denn jemals überhaupt in Betrieb gehen sollte.

[Oliver Höfinghoff (PIRATEN): Oh!]

Allein der Schuldendienst, der finanziert werden muss, die weiteren Investitionen, die anstehen, und die laufenden Verluste im Betrieb könnten den BER dauerhaft zum Millionengrab für die öffentliche Hand und den Berliner Haushalt machen.

[Oliver Friederici (CDU): Sie sind eine Miesmacherin!]

Was die anderen Landesbeteiligungen angeht, müssen wir feststellen, dass wir eine neue Verständigung über ihre Rolle, ihre Aufgaben und über das Controlling brauchen, Herr Garmer! Da ist es zu schlicht, sich hinzustellen und sich abzufeiern, meine – ich glaube inzwischen nur noch – Herren von der Koalition.

Unsere Landesunternehmen sind heute gut aufgestellt, genießen einen guten Ruf und erfüllen zentrale Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge,

[Beifall von Nikolaus Karsten (SPD)]

von der Abfallentsorgung bis zum öffentlichen Nahverkehr. Dafür sind wir alle den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und auch den Führungen der Unternehmen zu großem Dank verpflichtet.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der SPD, der CDU, der LINKEN und den PIRATEN]

Eines möchte man allerdings nicht noch einmal erleben, dass nämlich diese Unternehmen, wie in den Neunzigerjahren, von der damaligen großen Koalition fast in den Ruin getrieben worden sind.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Dann kamen nämlich die harten Sanierungsjahre, in denen die ehemaligen Eigenbetriebe in die Selbstständigkeit entlassen wurden und harte Konsolidierungslinien gefahren sind. … Wir erinnern uns an die sogenannten Effi-Programme bei der BSR – Effi für Effizienz –, die Auslagerung von Personal bei der BVG mit der BT-Tochter. Wir erinnern uns aber auch an die misslungenen Privatisierungen, die die SPD-CDU-Koalition in den Neunzigerjahren unternommen hat, als Ihnen damals das Geld im Haushalt und der Wille zur Sanierung gefehlt haben. Denn der Rückkauf der Wasserbetriebe, für den sich Herr Stroedter gleich selbst bestimmt wieder total loben wird, ist doch nur der Versuch, eine Lösung für ein Problem herbeizuführen, das es ohne Ihre Politik gar nicht gegeben hätte, meine Damen und Herren von der SPD und der CDU!

[Starker Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Die Wasserpreissenkung, die Sie laut Bundeskartellamt machen müssen, wird aus dem Landeshaushalt finanziert. Mit dem Rückkauf der Wasserbetriebe hat diese Operation gar nichts zu tun. Welche Belastungen Sie den Wasserbetrieben mit dem Rückkauf auferlegt haben, darüber schweigen Sie sich lieber aus. Die Beschäftigten der Wasserbetriebe haben zu Recht Sorge, dass der Rückkauf in der Zukunft auf Ihre Kosten finanziert wird. Hier sollten Sie sich gefälligst ehrlich machen. Die 1,4 Milliarden Euro für den Rückkauf der Wasserbetriebe wurden komplett den Wasserbetrieben aufgebürdet. Damit wächst deren Schuldenberg auf über 4 Milliarden Euro.

Dahingegen geht der Finanzsenator in der Öffentlichkeit damit hausieren, dass Berlin keine neuen Schulden mehr macht. Diese gute Nachricht allerdings ist mehr als trügerisch. Diese Koalition, diese Regierung sind gerade munter dabei, das Schuldenmachen vom Girokonto Berlins – dem Landeshaushalt – auf das Vermögenskonto des Landes – den Landesunternehmen – zu verlagern. Diese Schattenverschuldung werden wir nicht mitmachen, da können Sie sich sicher sein!

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Oh! bei der SPD]

Schulden machen, das konnten die großen Koalitionen immer am besten. Der Schuldenberg des Landeshaushalts summiert sich inzwischen auf über 62 Milliarden Euro, und der Schuldenberg der Landesunternehmen, der seit Jahren stetig wächst, betrug Ende 2012 nach Auskunft des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg bereits 47 Milliarden Euro – Tendenz steigend, dank Ihrer Haushaltsgesetzgebung.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Die Wohnungsbaugesellschaften sollen 700 Millionen Euro Kredite für den Wohnungsneubau aufnehmen. Man will in der Koalition noch höher und noch weiter in der Kreditaufnahme. Da frage ich schon: Wo bleiben die bezahlbaren Wohnungen und Mieten bei unseren Wohnungsbaugesellschaften, wenn diese angehalten werden, ihre Kreditbelastungen immer weiter nach oben zu schrauben?

Ähnlich geht es der BVG, deren Schuldenlast immer weiter steigt. Sie haben keine Idee, wie man da Abhilfe schafft, –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Oberg?

Ich komme gerade nicht dazu, später vielleicht – außer dass Sie die steigenden Kosten auf die Fahrgäste umwälzen wollen mit Ihrem Modell der automatisch steigenden Fahrpreise. Echte Antworten sind bei Ihnen Mangelware – für den Investitionsstau bei den U-Bahntunneln, und inzwischen droht uns ein ähnliches Problem wie bei der S-Bahnflotte auch bei der U-Bahnflotte. Der ständige Griff in die Tasche der Fahrgäste ist an dieser Stelle kein Konzept und erst recht nicht redlich.

Man kann weiter machen: Der Investitionsstau in Höhe von 1 Milliarde Euro bei Vivantes, die deutlich zu niedrig angesetzten Sanierungskosten bei der Charité, die will ich gar nicht mehr erwähnen. Sie schieben massive Risiken in die Zukunft, einen Investitionsstau in Milliardenhöhe, der allen kommenden Regierungen auf die Füße fällt, und eine wachsende Schattenverschuldung bei den Landesunternehmen.

Herr Garmer! Das war ein hübscher Vortrag, den Sie hier gehalten haben, aber schauen Sie sich gelegentlich auch einmal die Haushaltsgesetze an, die Sie hier beschließen? Wenn man nämlich in das letzte Jahr schaut, stellt man fest: 400 Millionen Euro geplanter Schuldentilgung stehen 1,4 Milliarden Euro neue Schulden außerhalb des Haushalts für den Rückkauf der Wasserbetriebe gegenüber. Unter dem Strich sind das 1 Milliarde Euro Neuverschuldung im nußbaumschen „Konzern Berlin“. So kann es nicht weitergehen. Aber wenn man weiter schaut, stellt man fest: Sie bürgen dafür, dass Kredite von mehr als 6 Milliarden Euro außerhalb des Haushalts getätigt werden können. Es ist ganz offensichtlich: Weil die Schuldenbremse das Schuldenmachen im Kernhaushalt des Lanes verbietet, macht man bei SPD und CDU munter weiter mit der Schattenverschuldung bei den Landesunternehmen. Von den mehr als 6 Milliarden Euro Ermächtigung haben Sie bereits 1,4 Milliarden Euro für den Rückkauf der Wasserbetriebe ausgegeben. Da wird höchstwahrscheinlich eine weitere Milliarde für den sinnlosen Rückkauf des Gasnetzes fällig und weitere

3,6 Milliarden für den Rückkauf der GASAG, den Rückkauf von Vattenfall, und manch einer bei der SPD träumt auch noch von der S-Bahn – eine große Shoppingtour und die versteckte Verschuldung dieser Koalition.

Was dabei am bedenklichsten stimmt: Sie gehen wie gewissenlose Finanzmarkttrickser her und nehmen Kredite auf, die mit keinem einzigen Cent Eigenkapital unterlegt sind. Sie nehmen Kredite auf, die alleine darauf fußen, dass der Landeshaushalt und der Berliner Steuerzahler dafür geradestehen werden. Der Berliner Bankenskandal lässt grüßen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Wir schlagen vor, um Schlimmeres zu verhindern, dass für den Erwerb von Beteiligungen zumindest 25 Prozent Eigenmittel aus dem Landeshaushalt zur Verfügung gestellt werden. Das wäre eine solide Finanzierung und nicht ein Benehmen wie der wildeste Finanzmarktspekulant.

Ja, es ist einiges aus dem Lot geraten. Wir finden, dass wir es unseren Landesunternehmen, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schuldig sind, aber auch den Berlinerinnen und Berlinern, dass sich die Neunziger Jahre nicht wiederholen, in denen die Landesunternehmen mit Aufgaben überfrachtet und schlussendlich zum Milliardengrab für das Land Berlin geworden sind. Wir stehen vor einer riesigen Aufgabe. Ich habe es zu Beginn meiner Rede bereits angedeutet: Wir brauchen eine Verständigung über die Aufgaben und die Rolle unserer Landesunternehmen. Wenn diese Unternehmen andere und neue Aufgaben übernehmen sollen – vom Wohnungsneubau bis zum Stadtwerk –, brauchen sie auch mehr Eigenmittel. Wir wiederum brauchen ein anderes Controlling im Senat und dem Abgeordnetenhaus, denn wir sprechen hier über die größten Unternehmen ihrer Art europaweit, wie es bei der BVG beispielsweise der Fall ist. Den alten Eigenbetrieb will niemand zurück, aber eine Verständigung über die Ziele, eine gute Steuerung und ein anständiges Controlling, das sollten wir miteinander hinbekommen. Dazu sind wir auch verpflichtet, weil es schlussendlich um gute, bezahlbare und ökologische Leistungen für die Berlinerinnen und Berliner geht. – Danke!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Vielen Dank! – Ich habe einen Hinweis zu geben: Kurzfristig vor der Sitzung hat uns die Nachricht erreicht, dass wegen eines Krankheitsfalls Herr Senator Czaja heute entschuldigt ist.

Im Rahmen der Partnerschaft der Parlamente darf ich mit großer Freude und Ehre heute eine Delegation der brasi

(Ramona Pop)

lianischen Vereinigung der Länderparlamentarier unter der Leitung von deren Präsidenten, Herrn Sergio de Melo, begrüßen!

[Anhaltender allgemeiner Beifall]

Herzlich willkommen im Abgeordnetenhaus von Berlin!

Bitte schön, Herr Kollege Stroedter, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Pop! Was soll ich zu Ihrer Rede sagen? Erst einmal: Heute wollen Sie über Tempelhof reden. Ich erinnere mich daran, dass Sie zuletzt nie über Tempelhof reden wollten. Warum wollen Sie heute reden? Weil Sie wieder gesprungen sind und sich anschließend nicht getraut haben. So, wie es bei den Grünen immer ist.