Protokoll der Sitzung vom 20.03.2014

Sehr verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Berlin ist Weltstadt und auch Kleingartenmetropole, und das lassen wir uns auch hier nicht kleinreden, von welcher Artikulation auch immer, sondern wir stehen dazu, und genau deshalb haben wir auch

(Daniel Buchholz)

diesen Antrag eingebracht und werden ihn heute auch beschließen.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU und der SPD]

Wir haben – und das muss man deutlich sagen – schon in der Koalitionsvereinbarung gesehen, auf welche Situation wir uns hinaus bewegen. Die Abwägung von Wohnen, Kleingärten, Erholung ist für uns ein sehr wichtiges Thema, und wir stellen uns dieser Diskussion ganz deutlich an verschiedenen Stellen und werden dies auch ganz aktiv hier begleiten und die Interessen abwägen. Insofern wurde der Kleingartenentwicklungsplan fortgeschrieben, und wir haben wieder weitere sechs Flächen, die dauerhaft gesichert bzw. hoch gesichert sind.

Jetzt muss man sich, glaube ich, und das gehört zu jeder Debatte auch dazu, noch mal kurz ehrlich machen: Wir haben über 2 000 Hektar Kleingartenfläche, die entweder dauerhaft gesichert oder hoch gesichert ist. Wir werden heute noch über eine andere große Fläche in der Stadt sprechen. Sie können das mal nebeneinander legen, und dann wissen Sie ganz genau, wie viel Fläche wir dauerhaft dem Grün, dem Kleingartenwesen in dieser Stadt sichern. Das ist gut, und das ist auch eine angemessene Anzahl.

Ich möchte hier noch einmal deutlich machen, dass es der Bereich ist, den wir im Rahmen des Kleingartenentwicklungsplanes, über B-Pläne und auch über den FNP gesichert haben und wo wir sagen können: Das hat eine entsprechende Bestandskräftigkeit und geht auch weit über die Jahre hinaus, die Sie hier in Rede stellen.

Ich will natürlich nicht verheimlichen, dass wir den Abgleich und die Abwägung zu der Frage vornehmen müssen: Was tun wir mit der wachsenden Stadt? – Wir hatten vor wenigen Tagen auch die Diskussion zum Stadtentwicklungsplan Wohnen, in dem einige Gebiete ausgewiesen sind. Es sind sechs Bereiche, die eventuell davon betroffen sind, was noch lange nicht heißt, dass sie jetzt sofort bebaut werden, aber sie könnten eventuell davon betroffen sein. Dieser StEP Wohnen wurde auch in einem breiten Diskurs mit der Fachöffentlichkeit erarbeitet. Hier passiert nichts hinter vorgehaltener Hand. Wir stellen uns der Diskussion und der Abwägung, wir kommen zu Lösungen und handeln danach auch verantwortlich mit Anträgen wie diesem.

Auch das muss man vielleicht in die Diskussion miteinbeziehen – ich war vorhin schon mal bei den Zahlen und bin ja immer ein Freund von Zahlen an der Stelle –: Wir haben 73 000 Kleingärten in der Stadt. Wenn man jetzt mal auf das bundesdeutsche Ranking guckt,

[Benedikt Lux (GRÜNE): Wie viele haben Sie schon verkauft und plattgemacht?]

stellt man fest, dass Hamburg danach kommt – mit 33 000 Kleingärten. München hat 9 000 Kleingärten. Ich glaube, wir brauchen uns hierbei nicht zu verstecken. Wir

haben mehr als 83 Prozent dieser Flächen dauerhaft gesichert. Das ist eine sehr gute Zahl angesichts der Situation, dass wir die Themen der wachsenden Stadt für die nächsten Jahre in Berlin gestalten müssen.

[Beifall bei der CDU und der SPD – Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Ich habe mir auch den internationalen Vergleich vorgenommen und das mal nachgeschaut. Das Kleingartenwesen scheint sogar seinen Weg in die europäischen Institutionen gefunden zu haben. Es gibt einen Verband mit über 3 Millionen Kleingärtnern, der europaweit tätig ist. Selbst da, wenn wir unsere Bevölkerungszahl und die Zahl der Kleingärten nehmen, ist Berlin weit überproportional vertreten. Ich glaube, angesichts dieser Zahlen und der Instrumente, die wir haben, passt der Antrag zu unserem politischen Handeln. Wir gestalten den Prozess, vor dem Sie sich drücken. Wir wägen ab – Wohnungsbau, Kleingartenschutz, Naherholung und Grünentwicklung – und haben mehr als 2 000 Hektar – das ist fast das Zehnfache des Tempelhofer Feldes – in Berlin entsprechend gesichert.

[Christopher Lauer (PIRATEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lauer?

Nein! – Mit der Bilanz können wir sehr gut leben, und deshalb werden wir diesen Antrag heute auch mit voller Überzeugung beschließen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Ich danke auch, Kollege Brauner! – Für die Fraktion Die Linke: Kollegin Platta, Sie haben jetzt das Wort. – Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir entscheiden heute über zwei Beschlüsse aus den Ausschüssen zu Anträgen über den Umgang mit Kleingärten in der Stadt. Erwartet wird eine Annahme des Koalitionsantrages – das haben wir ja jetzt schon gehört – und eine Ablehnung des Oppositionsantrages. Das ist parlamentarische Normalität. Dass es einen zweiten Antrag gibt – dafür hat der Hauptausschuss gestern gestimmt, und ich denke, dass Sie das auch noch berücksichtigen sollten.

Der vorliegende Koalitionsantrag „Dauerhafter Schutz für Kleingärten in Berlin“ mit seinen vagen Formulierungen „so weit wie möglich“ und „gegebenenfalls“ und ohne

(Matthias Brauner)

klare Aussagen, wie sich die Koalition aus SPD und CDU die Möglichkeit und die Gegebenheit zum dauerhaften Schutz für Kleingärten vorstellt, ist eine Absage an alle, die eine deutliche und verständliche Beschlusslage für einen qualifizierten Kleingartenentwicklungsplan nach den vollmundigen Ankündigungen seitens der Koalition – auch heute wieder – erwartet haben.

[Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Inhaltlich haben wir uns mit diesem Antrag vor genau einem Monat an dieser Stelle bereits hinreichend ausgetauscht, und auch die Beratung im Fachausschuss hat zu keiner Veränderung in Ihrem Antrag, Herr Buchholz, geführt. Er ist dadurch auch nicht praxistauglicher geworden. Und das, obwohl wir als Linke mit unserem Antrag „Kleingärten langfristig sichern statt gefährden – Kleingartenentwicklungsplan neu aufstellen und inhaltlich neu ausrichten“ mit der Drucksachennummer 17/0911 ein klares Angebot unterbreitet haben! Uns geht es dabei insbesondere um die dauerhafte Sicherung ohne Schutzfristen, um festzusetzendes Planungsrecht, um Ersatzflächen bei Verlust von Kleingartenland bei nachgewiesenem Bedarf für entsprechende Infrastruktur und um die Entwicklung von Kleingartenanlagen im Grünflächenverbund hin zu Kleingartenparks, sodass auch moderne Formen des urbanen Gärtnerns aufgewertet werden.

Wir wollen für die Erarbeitung eines echten Kleingartenentwicklungsplans die Mitwirkung von Fachverbänden mit breiter Öffentlichkeit und natürlich der Bezirke. Unseren Antrag haben wir im Fachausschuss durch Vorschläge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen um solche Aspekte wie die notwendige finanzielle und fachliche Unterstützung der Bezirke in besonderen Problemlagen, die uns ja bekannt sind – insbesondere mit der Kleingartenanlage Oeynhausen –, und die weitere Öffnung in die Stadtteile ergänzen können. Trotz alledem liegt heute die ablehnende Beschlussempfehlung für diesen Antrag vor.

Die überwiegend zustimmende Beschlussempfehlung zum Koalitionsantrag bedeutet im höchsten Fall Stillstand, eher aber ein „Weiter so wie bisher!“, wobei auch über einhundertjährigen Kleingartenanlagen nur der Status einer Zwischennutzung vor scheinbar hochwertigen anderen Nutzungen zugebilligt wird. Aus einer deutlichen Erhöhung der Planungssicherheit für Kleingärtnerinnen und Kleingärtner wird nichts. Der Versorgungsgrad der Berlinerinnen und Berliner mit Kleingartenflächen wird nicht aufrechterhalten. Dieser wird in der Zukunft eher sinken – mit jedem Zuzug nach Berlin und jeder verlorenen Parzelle doppelt so schnell.

Was nach dieser Plenarsitzung bleibt, ist der Kampf um den Erhalt jeder Anlage und jeder Parzelle in den Bezirken. Zum Erhalt der Kleingartenanlage Oeynhausen werden die Bürgerinnen und Bürger in CharlottenburgWilmersdorf im Mai parallel zur Europawahl ihr Votum abgeben. Zwei Kleingartenanlagen am Tempelhofer Feld setzen auch auf die berlinweite Abstimmung im Mai,

wenn es um das Gesetz zum Tempelhofer Feld – also 100 Prozent Tempelhof – geht. Wir als Linksfraktion werden eine zielorientierte Debatte und Weiterentwicklung des urbanen Gärtnerns, zu dem wir auch die Kleingartenanlagen in ihrer jetzigen Form zählen, auch nach der heutigen Abstimmung fortsetzen – zumindest bis zur Überwindung der sinnentleerten Schutzfristen und der Festsetzung von geeigneten Maßnahmen für Gärten im Rahmen der Berliner Strategie zur biologischen Vielfalt und den Klimafolgen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Gerwald Claus-Brunner (PIRATEN)]

Danke schön, Frau Kollegin! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Kollege Magalski. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Zur Bedeutung der Kleingärten für unsere Stadt habe ich vor einem Monat schon die wichtigen Aspekte genannt. Uns liegen zwei Anträge vor, die der Sicherung der Kleingärten in Berlin dienen sollen. Der Hauptunterschied vorweg: Der Antrag von CDU und SPD ist gut gemeint, der Antrag der Linken ist gut gemacht.

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Das ist nur ein kleiner sprachlicher, aber ein großer inhaltlicher Unterschied. Ich muss mich schon fragen, warum SPD und CDU diesen Antrag heute zur Priorität machen.

[Daniel Buchholz (SPD): Weil er uns wichtig ist, Herr Kollege! – Matthias Brauner (CDU): Genau!]

Wir hatten in der ersten Lesung ausführlichst dazu gesprochen und anschließend auch ordentlich im Ausschuss darüber debattiert. Ich möchte das Thema nicht unter den Tisch fallen lassen – mitnichten, Herr Buchholz! –, aber wenn ich bedenke, wie hier teilweise mit anderen wichtigen Themen umgesprungen wird, die einfach durchgereicht werden, nicht debattiert werden – weder hier noch im Ausschuss – oder bis zum St. Nimmerleinstag vertagt werden, dann kann ich mir das Verfahren hier an dieser Stelle nicht erklären, zumal ich dabei das dumpfe Gefühl nicht loswerde, dass sich die Koalition mit einem mäßigen Antrag schmücken will, der weder die Quantität noch die Qualität des Antrags der Linken erreicht.

Gehen wir also noch einmal in den Vergleich der Anträge, die sich, wie eingangs bereits erwähnt, durch ihre relative Unverbindlichkeit auf der einen Seite und ihre konsequentere Ausführung auf der anderen Seite un

(Marion Platta)

terscheiden. Konkret heißt das, dass mit der Aufforderung an den Senat, entsprechend dem Koalitionsantrag Maßnahmen einhergehen zu lassen, die zu einer Sicherung von vielen Kleingärten führen können, jedenfalls nicht zu rechnen ist.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, was es formaljuristisch bedeutet, Herr Buchholz, Kleingärten so weit wie möglich dauerhaft zu sichern, wissen wir auch, dass dies genauso gut auch heißen kann, dass hier aus unterschiedlichen Gründen keine Sicherung von Kleingärten möglich ist. C'est la vie et adieu, jardinet.

[Oh-Rufe – Beifall bei den PIRATEN – Benedikt Lux (GRÜNE): Das heißt es doch immer bei denen!]

Das hat jetzt ohnehin nur die Hälfte verstanden. – Ich kann Ihnen versichern, Herr Präsident, es waren keine Kraftausdrücke darunter.

Das Präsidium hat Sie schon verstanden, also so ist es nicht. On parle français ici.

Merci, mon président.

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Benedikt Lux (GRÜNE): Ist das zulässig? – Martin Delius (PIRATEN): Amtssprache ist Deutsch!]

Zurück zur Amtssprache! – Über 3 000 Kleingärten werden mit diesem Koalitionsantrag weiterhin gefährdet bleiben. Dennoch ist mir aber die grundsätzlich positive Intention des Antrags,

[Daniel Buchholz (SPD): Danke schön!]

die ich Ihnen nicht in Gänze absprechen möchte, durchaus, wenn auch nur bis zu einem gewissen Grad, einsichtig.

[Heiko Melzer (CDU): Das ist ein Grundsatzproblem!]

Der Antrag kann meiner Meinung nach nicht verschleiern, dass Bürgerbeteiligung wie auch jetzt gleich im behandelten THF-100-Prozent-Alternativantrag überhaupt nicht mehr vorkommt. Ich wage auch die Behauptung, dass die Beschreibung zur Öffnung der Kleingärten in der Stadtgesellschaft dies auch überhaupt nicht ausgleichen kann.

[Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]