Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Politisch gesehen ist der Vorgang, der heute hier zur Besprechung kommt, einigermaßen interessant und neu in Berlin. Man kann daran erkennen, wie einig sich doch CDU und Grüne in bestimmten, vornehmlich Wirtschaftsfragen sind. Unterschiede gibt es nur noch in Nuancen und natürlich in der argumentativen Begleitmusik. Interessant ist auch das Bäumchen-wechsle-dich-Spiel der SPD, die den Ansatz der Grünen strikt als Zwangsbeglückung zurückweist, sich aber denselben Ansatz der CDU mangels eigener Ideen stolz an die Brust heftet.
Interessant ist auch, dass sowohl SPD und Grüne, die ansonsten PPP, öffentlich-private Partnerschaft genannte Konzepte zur Privatisierung öffentlicher Aufgaben strikt ablehnen, zumindest in Berlin, es aber, wenn das Kind statt PPP BID oder Standortgemeinschaft heißt, keine Rolle mehr spielt.
Worum geht es tatsächlich? – Es geht um Geschäftsstraßen – das ist gesagt worden –, um Standortgemeinschaften. Davon gibt es in Berlin etwa 70. Zwei davon sind die Klassenbesten und bekanntesten, die AG City im Westen und die IG Friedrichstraße im Osten, da wo sich auch das Geld sammelt. Es geht um Aufwertungsprozesse und den Erhalt der wohnortnahen Nahversorgung. Bisherige Versuche, über freiwillige Zusammenschlüsse gemeinsam etwas gegen den Niedergang und für die Erhaltung des Boulevardcharakters Berliner Geschäftsstraßen zu tun, brachten nicht immer die erhofften Ergebnisse. Mal fehlten die nötigen Enthusiasten, mal fehlte die Unterstützung durch die Verwaltung, immer aber fehlte Geld. Dem soll nun nach dem amerikanischen Modell durch ein Gesetz abgeholfen werden, genauer gesagt durch ein Abgabengesetz; denn darum handelt es sich.
Wenn sich 15 Prozent der Akteure am Standort zusammenfinden, sollen 100 Prozent der Grundstückseigentümer und Gewerbetreibende dafür zahlen, dass der Senat per Rechtsverordnung eine Gebietskulisse festsetzt, einen
Aufgabenträger bestimmt und mit diesem dann einen öffentlich-rechtlichen Vertrag darüber abschließt, welche Maßnahmen finanziert und umgesetzt werden. Das ist der Kern des Gesetzes. Viele werden zur Zahlung verpflichtet, wenige bestimmen über die Ausgaben.
Schauen wir uns die Rollenverteilung noch einmal genauer an: Die öffentliche Hand vernachlässigt seit Jahren wegen leerer Kassen ihre Aufgaben zur Pflege und Instandhaltung des öffentlichen Raumes. Das ist schade. Förderprogramme wie beispielsweise Mittendrin, Aktive Zentren, Quartiersmanagement laufen mit hohem Aufwand und bringen punktuelle Verbesserungen, zweifellos, sich selbst tragende und dauerhafte Entwicklungen sind jedoch eher selten.
Schon die Ansiedlung eines weiteren großen Einkaufstempels kann alles zunichtemachen. Die kleinen Läden gleich nebenan bleiben auf der Strecke. Die bezirklichen Wirtschaftsförderinstrumente bemühen sich redlich, diese Prozesse zu beeinflussen. Ihnen fehlen oft die personelle Stärke und eben auch das Geld.
Nun wird aber der öffentlichen Verwaltung eine weitere Rolle zugewiesen, nämlich die des Geldeintreibers. Die Bezirksämter sollen demnächst die Grundstückseigentümer ausfindig machen und deren Zwangsabgabe eintreiben. Ein Aufgabenträger soll bestimmt werden, der die Gelder in die Hand bekommt und schöne Dinge damit macht. Wenn man dann fragt, um welche Maßnahmen es geht, werden Standortmarketing und Weihnachtsbeleuchtung – das kann man alles mal vertragen –, Tiefbaumaßnahmen, Gehwege oder gleich ganze Straßenprofilgestaltung genannt. Auch solche Ideen gibt es.
Diese Maßnahmen bedürfen natürlich auch der Genehmigung und der Betreuung durch die bezirklichen Zuständigkeiten. Die Aufträge für beispielsweise Baumaßnahmen müssen ausgelöst werden, Sicherheit muss gewährleistet sein. Eventuell muss der Verkehr umgeleitet werden. Das klappt, wie wir wissen, in Berlin suboptimal. Spannend wird es im Konfliktfall, wenn die Bezirksverordnetenversammlungen anderes beschließen als Standortgemeinschaften wollen. Auch ist die Versuchung groß, dass die öffentliche Hand eigene Finanzierungen in öffentlichen Räumen weiter vernachlässigt, weil es doch jetzt zwangsweise Anliegerfinanzierungen gibt. Beim Straßenausbaubeitragsgesetz, Herr Evers, war das immerhin noch das Argument der CDU gegen finanzielle Beteiligung der Grundstückseigentümer.
Bei den Ausgaben haben wir drei Blöcke zu bedenken. Das sind die Verwaltungsausgaben – ich sprach davon schon. Es wird erheblich sein, was auf die Bezirke zukommt. Sie sollen teilweise durch diese Beiträge aus dem Standortgemeinschaftengesetz gedeckt werden. Nach Hamburger Beispiel wissen wir, dass das nicht so gut aufgeht.
Zweiter großer Block sind die Kosten für die Aufgabenträger, die beauftragt werden sollen, das Management dieser Gemeinschaften zu gestalten. Das wird der professionelle Schub werden. Das machen die nicht für lau. Die müssen auch bezahlt werden. Dann bleibt noch Geld für die eigentlichen Maßnahmen, Aufstellung von Papierkörben zur Verbesserung der Sauberkeit. Das kann man sich alles noch einmal überlegen. Die gesamte Umgestaltung eines Platzes oder gar die Anlage von Parkbuchten oder andere Maßnahmen, die plötzlich auch noch während der Maßnahmenausführung teurer werden, wird noch eine spannende Diskussion mit sich bringen und muss eventuell auch noch nachfinanziert werden.
Doch selbst wenn es gelänge, per Zwang die Weihnachtsbeleuchtung und die Springbrunnen jedes Jahr einzuschalten – das ist auch in der Anhörung im Wirtschaftsausschuss gesagt worden – ändert es nichts an dem Fakt, dass dem Einzelhandel in Berlin der Wind aus einer ganz anderen Richtung um die Ohren weht, nämlich aus dem Internet, dem Versandhandel und aus der fehlenden Kaufkraft in Berlin.
Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kollegen! Werte Gäste! Wir sind auch grundsätzlich für dieses Gesetz. Nach dem, was ich jetzt gehört habe, sollten wir jetzt weder einen Popanz aufbauen, dass alles ganz besonders schlimm wird, noch werden wir mit diesem Gesetz alle Probleme lösen, die der Handel in Berlin vielleicht haben wird. Das merkt man allein schon, wenn man sich die Größenordnungen ansieht, von welchen Projekten überhaupt gesprochen wird. Von welchen Projektgrößen und finanziellen Mittel sprechen wir überhaupt? – Man kann aus Hamburg und aus anderen Bundesländern sagen, dass es sich üblicherweise in einer Größenordnung von einigen Hunderttausend Euro bewegt. Deshalb halte ich auch nichts davon, bei diesen doch eher kleineren Summen ein riesiges Bürokratiedrumherum aufzubauen. Wie viele Leute sollen über dieses Geld abstimmen? Es bliebe dann wirklich nicht mehr viel davon übrig. Deshalb hielte er es für umso besser, je schlanker der Gesetzentwurf sei.
Allgemein kann man sagen, dass an dem Gesetz positiv ist, dass es ein kleines Stück Gerechtigkeit herstellt, indem Trittbrettfahrertum eingedämmt wird. Das wurde mehrfach gesagt. Es wirkt auch ein bisschen der sogenannten Tragik des Privateigentums entgegen, die entsteht, wenn durch Zersplitterung von Rechten, Projekte
Rechtspolitisch vielleicht ganz interessant ist, dass es sich hier um eine Privatisierung von Abgabenerhebung handelt. Es wurde auch gesagt. Es steht aber andererseits durchaus im Einklang mit der immer wieder viel besprochenen Smart-City-Philosophie, wo Entscheidungsstrukturen möglichst nah an dem Betroffenen angesiedelt werden sollen. Insofern appelliere ich noch einmal, den ganzen Prozess nicht so gewaltig und kompliziert zu machen, sondern die nötige Flexibilität zu erhalten, um kleinere und große Projekte abwickeln zu können.
Jetzt komme ich konkret noch einmal zu einigen Kritikpunkten oder Dingen, die an dem Gesetz verbessert werden können. Das eine ist das Thema, wie man mit Grundstücken mit hohem Wohneigentum umgeht. Das ist nicht ganz unkritisch sowohl bei vermietetem als auch selbstbewohntem Wohneigentum. Bei vermietetem besteht die Gefahr, dass die Mieten nach oben getrieben werden. Bei selbstbewohntem Eigentum wird man auch nicht auf viel Begeisterung stoßen, sodass ein Vorschlag von uns ist, bei dem Thema Wohneigentum doch einen reduzierten Satz zu ermöglichen, wie es ohnehin in dieser GroßGrundstücksgebührenstaffelung vorgesehen ist. Da könnte man vielleicht Wohnungen auch mit einbeziehen.
Bedauerlich finde ich den Punkt, dass die Liegenschaften des Landes Berlin und des Bundes nicht mit einbezogen werden, denn das beschwört eine Gefahr herauf. Die allgemeine Gefahr von BID-Gesetzen ist nämlich, dass die öffentliche Hand plötzlich als Trittbrettfahrer auftritt.
Deshalb würde ich es begrüßen, wenn auch die öffentliche Hand ein Interesse daran hätte – was sie auch haben müsste –, dass sich öffentliche Gebäude in einem angenehmen Umfeld befinden und man nicht sagt, egal, die Leute müssen ohnehin kommen, was geht uns das Umfeld an.
Technisch zum Schluss noch zwei Dinge. Einerseits fände ich es besser, wenn wir einfach ein Ablaufdatum von zehn Jahren mit in das Gesetz nehmen würden und stattdessen die Evaluation streichen. Wer evaluiert schon gern, und was passiert dann? Das ist der eine Punkt.
Danke, Herr Präsident! – Jetzt sind Sie schon ein Stück über den Punkt, zu dem ich fragen will, hinaus. Sie sagten gerade, dass die öffentliche Hand am Ende als Trittbrettfahrer auftreten könnte. Ich möchte Sie fragen, ob Ihnen aufgefallen ist, dass es in unserem Gesetz § 2 Absatz 4 gibt, wo genau dieser Fall geregelt wird, dass nämlich durch ein BID nicht Dinge erledigt werden sollen, die originäre Aufgabe der öffentlichen Hand sind.
Ja, das steht da so drin. Mein Aspekt, auf den ich aufmerksam machen wollte, ist der, dass die öffentliche Hand allein schon als Trittbrettfahrer fungiert, wenn sie ein Gebäude hat, selbst profitiert, aber nichts mit in den Säckel tut. Das allein ist schon ein Problem.
Zum Schluss noch die Frage: Vermutlich werden wir es größenordnungsmäßig mit vielleicht drei, fünf oder wenn es hoch kommt zehn solcher Standortgemeinschaften in einem Jahr – aber eher fünf – zu tun haben. Ich frage mich, wie in der Praxis die Aufteilung auf zwölf Bezirke funktionieren soll und denke, dass man in der Praxis nicht drum herumkommen wird, auch Zentralstellen zu schaffen, wo das Know-how gebündelt wird und die den Bezirken bei der Abwicklung zur Hand gehen. – Vielen Dank!
Danke schön, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Den Überweisungen haben Sie bereits eingangs zugestimmt.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Forschung und Technologie vom 3. März 2014 Drucksache 17/1515
In der Beratung beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Olalowo, bitte schön, Sie haben das Wort!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Gäste! Wir fordern den Senat mit unserem Antrag auf, endlich die notwendigen Schritte in die Wege zu leiten, damit ein Technologie- und Gründungszentrum im Berliner Südwesten errichtet werden kann.
Wie sieht die aktuelle Situation aus? – Die Freie Universität im Berliner Südwesten, aber auch die Forschungseinrichtungen, die dort liegen, weisen ein erhebliches Gründungspotenzial auf, das dringend auf dieses TGZ angewiesen ist, um realisiert werden zu können. In Deutschland ist eigentlich die FU der Prototyp und Vorreiter der Entrepreneurial University, also einer in hohem Maße gründungsaktiven Hochschule, und das bereits seit den Neunzigerjahren. Wichtige Namen, die mit diesen Themen verbunden sind, sind die Professoren Faltin, Winterhager und viele andere. Sie kennen das sicher alle, wir haben auch alle schon einmal einen Tee von der Teekampagne getrunken. Das ist nämlich das bekannteste Projekt, das seinerzeit gegründet wurde. Oder vielleicht, um ein aktuelles Projekt zu nehmen, das auch zur Smart City passt: Ein Start-up entwickelt zusammen mit einem Professor der FU eine intelligente Diagnose-Hardware, die auf Autos aller Marken eingesetzt werden kann und die Diagnose nicht mittels eines teuren Instruments möglich macht, sondern ganz normal mit dem Smartphone. Oder besser gesagt, nicht normal, sondern künftig normal.
Auch das Bundeswirtschaftsministerium sieht in seiner Förderstatistik, dass die FU eine erfolgreiche Gründungsuniversität ist und führt die FU deswegen unter den zehn bedeutendsten Hochschulen in der Gründungsförderung, deutlich vor mancher Technischen Universität. So fördert der Bund auch an der FU die Entrepreneurial Network University mit 2,8 Millionen Euro über vier Jahre.
Aber die Freie Universität hat keinen Inkubator, die FU hat kein eigenes Gründungszentrum, was eigentlich heute Standard einer jeden Gründungsuniversität ist. Denn viele Gründungen aus der Hochschule brauchen weiterhin die räumliche Nähe zum Institut, aus dem heraus sie gegründet worden sind, sei es, weil die Professorin sich noch weiter persönlich einbringen soll, sei es, weil noch weiter auf Instrumente im Institut zugegriffen werden muss, oder weil auch nur ein Teil des Gründungsteams noch Vorlesungen besuchen muss. Sei es auch, weil es einfach hilft, wenn der erste Niederlassungsstandort in Berlin ist und nicht irgendwo, damit diese Gründungen hier zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen können.
Die Koalition hat das auch grundsätzlich erkannt. Deshalb ist die Einrichtung eines TGZ Südwest auch Bestandteil der Richtlinien der Regierungspolitik, wie der Regierende Bürgermeister – jetzt gerade nicht da –
ach, da, okay! – sie hier vorgestellt hat. Sie es haben damals, ich hoffe, so formuliert: Berlin braucht eine starke Wirtschaft. Wir wollen Berlin mit hoher Priorität zu einem Standort für Zukunftsindustrien und Technologien entwickeln. – Haut das so hin? – Aber das TGZ Südwest, dass das mit umsetzen soll, ist bislang nicht in Sicht.