Wie das Magnus-Hirschfeld-Institut wieder eingerichtet wird, soll unter der Annahme geprüft werden, ob die geplanten Vorhaben mit einer gebündelten zentralen Archiveinrichtung genau dort auch richtig angesiedelt sowie berechtigt sind im Hinblick auf die aktuelle Situation bestehender Vielfalt-Netzwerke.
Hierzu haben wir einen Anfang gemacht und erstmalig Mittel im laufenden Doppelhaushalt eingestellt, Herr Lederer. Weiter ist es Aufgabe der neuen Liegenschaftspolitik, eine angemessene Immobilie zu finden.
Wir wollen, dass der Senat die Arbeit verstetigt, die er bereits 2012 mit der Einberufung eines Koordinationsgremiums zur LSBTI-Geschichte eingeleitet hatte, um die juristische Verfolgung Homosexueller und die Diskriminierung nicht heterosexueller Lebensweisen im Nachkriegsdeutschland historisch aufzuarbeiten und zu dokumentieren.
Die Forschenden sollen dabei all die Unterstützung bekommen, die sie brauchen, um ihrem Forschungsauftrag gerecht zu werden, etwa bei der Akteneinsicht für Quellenstudien. Die Ergebnisse sollten zu gegebener Zeit im Berliner Stadtbild sichtbar gemacht werden, zum Beispiel in Ausstellungen und mit Gedenktafeln.
Weiter fordern wir, dass auch lesbische Lebensweisen stärker in der Forschung und Wissenschaft berücksichtigt werden. Über den oben genannten Koordinierungstisch beim Senat sollen die Lebensverhältnisse und die Diskriminierung lesbischer und bisexueller Frauen historisch aufgearbeitet werden. Die kommen nämlich bislang viel zu kurz.
Als ein Vorbild für hervorragende Arbeit auf diesem Gebiet möchte ich den Verein „Spinnboden“ nennen. Dort befindet sich die größte Sammlung von Zeugnissen und Spuren lesbischer Existenzen europaweit, ein Archiv mit Präsenzbibliothek und einer Dokumentationsstelle. Seit über 40 Jahren werden dort Daten gesammelt, verarbeitet und so viele Lebensgeschichten bewahrt. Dank „Spinnboden“ wissen wir mehr über Frauen wie Hilde Radusch oder über soziales Leben und Leiden frauenliebender Frauen in der Weimarer und Nazi-Zeit.
Berlin engagiert sich bereits auf Bundesebene für die nach 1945 verurteilten homosexuellen Männer. Wir wollen, dass der Senat weiter proaktiv bleibt und Gespräche mit dem Justizministerium und auf der Bund-LänderEbene führt.
Abzuwarten bleibt die verfassungsrechtliche Prüfung. Werden die Urteile aufgehoben? Wie ist mit der Rechtsfolge umzugehen, etwa im Hinblick auf Schuldbekenntnis des Staates und der damit verbundenen finanziellen und gesellschaftlichen Entschädigung für die Strafverfolgung?
Anonyme Schmierereien gegen Denkmäler und Stelen, Hassgewalt und Homophobie von „Andersdenkenden“ stehen in einer Großstadt wie Berlin leider immer wieder auf der Tagesordnung. Die Kosten für die Reparatur sind hoch und nicht planbar. Hier ist zum einen couragiertes Engagement der Stadtgesellschaft gefragt, zum anderen
sollen Wege gefunden werden, wie gesellschaftliche Akteure und Unternehmen für eine Gedenkkultur von LSBTI-Persönlichkeiten stärker gewonnen werden können. Ich möchte anregen, über die fünf bekannten Orte hinaus weitere Gedenkorte, etwa in Verantwortung des Landes oder der Bezirke, zu schaffen.
Wir fordern nachdrücklich, dass der Senat eine aussagekräftige Studie in Auftrag gibt, damit die Forschungs- und Datenlage von LSBTI-Jugendlichen mit validem Material verbessert wird.
Studien sind in Land und Bund mehr als dünn gesät und lassen sich an einer Hand abzählen. Nennen möchte ich erstens ein in Berlin bis Oktober laufendes Projekt der Katholischen Hochschule für Sozialwesen zu trans- und intergeschlechtlichen sowie genderqueeren Jugendlichen zur Verbesserung ihrer Lebenswelten sowie zweitens die Ende 2013 begonnene bundesweite Studie des Deutschen Jugendinstituts zur Coming-out-Verläufen und Diskriminierungserfahrungen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Zielgruppe, über die wir hier reden. Diese Studie wird erst Ende 2015 abgeschlossen sein.
Allein unseren Kindern sind wir das schuldig. Wir brauchen mehr Wissen, wie Diskriminierungen aussehen und wie viele es davon gibt, um passende Präventionsmaßnahmen zu entwickeln und Benachteiligungen weiter zu bekämpfen.
Ich lade an dieser Stelle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein, Forschungsaktivitäten auf diesem weitgehend unbekannten Gebiet zu prüfen. By the way – der Aspekt Mehrfachdiskriminierung wurde bislang noch gar nicht untersucht.
Und Sie reden sich zu Tode, Herr Lederer! – Die rotschwarze Koalition bringt die Gleichstellung von LSBTIMenschen in Berlin voran und bekämpft alle Formen von Homophobie und Transhomophobie. Dazu haben wir im laufenden Doppelhaushalt wichtige Strukturen abgesichert und setzen uns mit diesem Antrag in einem weiteren Schritt engagiert für das Vorankommen der Initiative sexuelle Vielfalt ein.
Für heute beantragen wir die Überweisung in den federführenden Ausschuss für Arbeit, Integration und Frauen und freuen uns dort auf die gemeinsame Diskussion. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Frau Kollegin Becker! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort die Kollegin Kofbinger. – Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir mussten in der ersten Reihe ein bisschen schmunzeln, Herr Lederer hat sich sehr geärgert, aber eigentlich ist es nur noch lächerlich.
Ihm, als Mitbegründer dieser Idee ISV – Initiative sexuelle Vielfalt – geht es natürlich viel näher, nach fünf Jahren mit diesem zweiten Antrag. Der erste Antrag zur Pflege war schon nicht so doll, denn da hat man festgestellt, dass es das alles schon gibt,
und es war eine Zustandsbeschreibung dessen, was es gibt bzw. was schon auf dem Weg ist, was sich entwickelt, und Prüfaufträge. Da sind wir schon weiter, das muss man sagen, aber einen Aspekt möchte ich dabei betonen.
Dankenswerterweise hat Ihnen die Verwaltung im Dezember 2012, also vor anderthalb Jahren, eine sehr schöne Aufstellung vorgelegt. Die hat elf Seiten. „Mehr Diversity wagen“ heißt die, und da steht – ich habe es ein bisschen markiert – alles drin, was auch in Ihrem Antrag steht. Dass Sie dafür anderthalb Jahre gebraucht haben
und Ihnen in der Mitte der Legislaturperiode einfällt, dass Sie keinen Handschlag an dieser ISV gearbeitet haben, ist der eigentliche Skandal hier.
Der manifestiert sich jetzt in diesem Antrag. Das ist lächerlich. Das können Sie uns hier wirklich nicht bieten. Ich glaube, deshalb war der Kollege Lederer auch so erregt. Wie gesagt, wir haben mehr darüber gelacht.
Ja, es ist natürlich richtig, eine Geschichtsdokumentation und Forschung zu machen. Nicht dass das Ihre Idee gewesen wäre, das stand auch alles schon in den anderen Anträgen drin. Schön, dass Sie das jetzt auf den Weg bringen, aber wir haben dazu noch einige Fragen.
Wenn ich mir die Punkte e, f und g angucke, dann ist es ziemlich klar, dass das Geld kostet, und Sie müssten uns vielleicht mal erklären – Frau Becker, Sie haben Ihre
Redezeit schon aufgebraucht, aber Herr Evers ist ja nach mir dran –, wo genau Sie das eigentlich finanziell verankern wollen, wie viele Vollzeitäquivalente Sie in der Verwaltung eingeplant haben, um diese wunderbaren Sachen durchzusetzen. Das sind alles Fragen, die uns sehr interessieren.
Eine Sache ist uns auch noch aufgefallen. Es ist ja immer so: Wenn man mal was aufschreibt, weil die Community nervt und man jetzt endlich mal etwas vorlegen muss, dann schreibt man das eben auf, aber damit es nicht wieder vorgelegt wird, vergisst man mal das Berichtsdatum. – Das ist hier auch passiert.
Ein ganz komischer Fehler. Das ist ein Standard, den jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter automatisch, im Schlaf daruntersetzt. Das haben Sie aber hier nicht hingekriegt. Das ist ganz bemerkenswert.
Bemerkenswert war auch unser Treffen in den letzten Tagen mit Leuten vom „Spinnboden“-Archiv oder auch vom Schwulen Museum. Man trifft sich ja in diesen Tagen sehr häufig. Die wussten nicht, dass es diesen Antrag gibt. Damit haben Sie sich wirklich keinen Gefallen getan. Sie müssen doch mit den Leuten, mit denen Sie sich im letzten Jahr getroffen haben und die Ihnen gesagt haben, was Sie da reinschreiben sollen, kommunizieren.
Die waren blank entsetzt, dass ich Ihnen diesen Antrag zugeschickt habe. Das wäre Ihre Aufgabe gewesen. Aber nur das dazu. Lassen Sie uns zu dem Antrag kommen!