Protokoll der Sitzung vom 19.06.2014

verständlich auch Berlin und das Berliner Parlament. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Juhnke! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Kollege Höfinghoff. – Bitte sehr!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag hatte eine schwierige Geburt, wie immer, wenn ein Minimalkonsens herausgearbeitet werden soll. Er tut genau das – er zeigt einen Minimalkonsens auf. Die Maßnahmen, auf die wir uns einigen konnten, sind sinnvoll und richtig, aber bei Weitem nicht ausreichend. Skandale haben deutsche Ermittlungsbehörden und Geheimdienste wirklich genug produziert. Der NSU-Skandal war nur einer von vielen. Peter Urbach, Ulrich Schmücker, Celler Loch und ein gescheitertes NPD-Verbot sind Schlagworte, die mit Skandalen des Inlandsgeheimdienstes verbunden sind.

Befriedigende Aufklärung gab es in den seltensten Fällen. Stattdessen war eher eine Ausweitung der Befugnisse der Dienste oder ihre Konzentration in der Folge zu beobachten. Diese Entwicklung zeichnet sich auch mit dem gemeinsamen Abwehrzentrum Rechtsextremismus und der diskutierten Zentralisierung der geheimdienstlichen Arbeit beim Bundesamt als Konsequenz des NSU-Skandals ab.

Gerade an die Behörden mehr Kompetenz zu übergeben, die maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass die drei Nazis Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe frei durch Deutschland ziehen und Menschen ermorden konnten, ist eine groteske Vorstellung. Hinzu kommen die öffentlich bekannt gewordenen Verstrickungen zwischen deutschen Sicherheitsbehörden und der rechten Szene wie beispielsweise in den Fällen Greger und Richter, Neonazis, die Vertrauenspersonen des Landeskriminalamtes waren.

Vertrauen in die Behörden stärkt das nicht. Ganz im Gegenteil! Ebenso wenig stärkt die Tatsache, dass die Behörden bei den Morden an neun Menschen jahrelang einen rassistischen Hintergrund ausschlossen. Polizei und Verfassungsschutz zeigen das gerade jetzt wieder an ihrem Gezerre um das Racial Profiling. Damit sind wir auch wieder beim NSU. Während täglich Polizeibeamtinnen Menschen aufgrund der Tatsache kontrollieren, dass sie nicht weiß sind, laufen sie gleichzeitig Gefahr, Verdachtsmomente, die einen rassistischen Hintergrund haben könnten, zu ignorieren.

Auch deshalb fordern wir Piraten die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für die Berliner Polizei.

Sie soll konsequente Ermittlungsstelle sein, wenn Polizeibeamtinnen strafrechtlich relevante Delikte begehen, aber auch Anlaufstelle für Polizistinnen sein, wenn sie selbst Opfer von Mobbing und Diskriminierung in ihren Dienststellen geworden sein sollten.

Eine unabhängige Beschwerdestelle zu schaffen, ist kein Generalverdacht gegenüber der Polizei. Sie dient vor allem dazu, eine wirksame Aufklärung zu leisten in Fällen, in denen vom Staat Fehler gemacht werden. Sie kann das Vertrauen in die staatlichen Institutionen, die von Gesetzes wegen unmittelbaren Zwang ausüben dürfen, weiter erhöhen.

Wo stehen wir heute? Wie sieht es aktuell hier in Berlin aus? – In Hellersdorf zum Beispiel gelang es Neonazis immer wieder, direkt vor der Unterkunft Propaganda zu betreiben. Es gab Böller und Steinwürfe sowie unzählige Schmierereien am Wohnheim. In letzter Zeit lässt die Versammlungsbehörde auch noch Demonstrationen von genau diesen Leuten, die nachts Anschläge durchführen, tagsüber direkt vor und neben Flüchtlingsunterkünften zu. Nachts zündeln und tagsüber öffentlich damit protzen. Hier, aber nicht nur hier, sollte die Innenbehörde tätig werden, um rechtsradikale Gewalt für die Zukunft zu verunmöglichen.

Dennoch setzt die Polizei ihre Prioritäten schwerpunktmäßig auf die linke Szene, auch im Zusammenhang mit dem NSU. Unter großem Aufwand wurde am 3. Juni das von dem Kollegen Taş schon angesprochene Transparent mit dem Passus: „NSU-Terror – Nazis & Staat Hand in Hand“ durch die Feuerwehr im Auftrag der Polizei abgenommen. Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole war die Bezeichnung.

Dass wir hier als Parlament gemeinsam die Umsetzung der Empfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses fordern, ist in Ordnung. Das ist aber nicht genug. Dieser Antrag darf nicht zum Feigenblatt für all die Versäumnisse, die Blindheiten und Einseitigkeiten in der täglichen Praxis von Polizei und Verfassungsschutz benutzt werden. – Vielen Dank!

[Beifall bei den PIRATEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Kollege Höfinghoff! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zu dem Antrag Drucksache 17/1565 empfiehlt der Innenausschuss einstimmig mit allen Fraktionen die Annahme. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Hier stelle ich Einstimmigkeit fest. Ich frage aber vorsichtshalber noch, ob es Gegenstimmen oder Enthaltungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Das ist sehr erfreulich. Damit ist der Antrag angenommen.

(Dr. Robbin Juhnke)

[Allgemeiner Beifall]

Das ist einen Applaus wert.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 10:

Berlin zur Forschungshauptstadt für Alternativmethoden zu Tierversuchen machen

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 28. Mai 2014 Drucksache 17/1697

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/0441

Dieser Antrag soll heute vertagt werden. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 10 A:

Erweiterung des Untersuchungsauftrags des 1. Untersuchungsausschusses der 17. Wahlperiode zur Aufklärung der Ursachen, Konsequenzen und Verantwortung für die Kosten- und Terminüberschreitungen des im Bau befindlichen Flughafens Berlin-Brandenburg Willy Brandt (BER) – eingesetzt per Einsetzungsbeschluss am 27. September 2012 (DS 17/0544) – nach § 2 Abs. 3 UntAG.

Dringliche Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung vom 19. Juni 2014 Drucksache 17/1717

zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion Drucksache 17/1449

Wird der Dringlichkeit widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Es beginnt in der Beratung die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile dem Kollegen Otto das Wort. – Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist gut, dass wir heute hier mit einer Frühsitzung des Rechtsausschusses eine Einigung darüber gefunden haben, wie die Untersuchung des BER-Desasters, dieses schlimmen Fortgangs des Projekts für einen neuen Flughafen, weiter vorangetrieben werden kann. Dafür möchte ich erst einmal allen Fraktionen danken.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Katrin Lompscher (LINKE)]

Man kann darüber klagen, ob die Schleife über den Wissenschaftlichen Parlamentsdienst notwendig war, der die Frage beantworten sollte, ob man einen Untersuchungsauftrag überhaupt erweitern kann. Aber das will ich hier nicht beklagen. Jeder konnte dem Gutachten entnehmen, warum so etwas selbstverständlich möglich ist.

Ich und möglicherweise auch der größere Teil von Ihnen wären sehr froh, wenn wir diesen Untersuchungsausschuss gar nicht brauchten, wenn wir den Flughafen 2012 oder Anfang 2013 eröffnet hätten und wenn alles gut liefe, wenn dieses wichtige Projekt fertig geworden wäre und nicht dazu geführt hätte, dass der Ruf Berlins, Deutschlands und nicht zuletzt der deutschen Wirtschaft

[Sven Kohlmeier (SPD): Und der Welt!]

schweren Schaden genommen hat. – Und der Welt auch, Herr Kohlmeier!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Das ist die Schwierigkeit. Wir haben uns in über 20 Sitzungen des Untersuchungsausschusses bisher ganz verschiedenen Fragestellungen gewidmet. Wir haben uns mit der Standortentscheidung befasst. Wir haben uns damit befasst, wie die Gremien zusammengearbeitet haben. Es war eine interessante Veranstaltung mit dem Zeugen Herrn Straßmeir, der heute Staatssekretär ist. Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten. Er hat damals, 1995 oder 1996, so etwas gesagt wie: Kann eigentlich die öffentliche Hand ein solches Projekt stemmen? – Er hatte damals große Zweifel.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Da gibt es eine schöne Abflughalle. Die steht schon!]

Wir sind jetzt 20 Jahre später und müssen sagen, dass diese Frage bis heute mit Nein beantwortet werden muss, auch wenn das sehr bedauerlich ist.

Die Funktionsfähigkeit einer Konstruktion aus drei Gesellschaftern, von denen einer der Bund, einer das Land Brandenburg und einer das Land Berlin ist, ist bisher nicht bewiesen. Im Gegenteil! Wir haben eine Struktur, in der keiner Mehrheitsgesellschafter ist, in der keiner allein bestimmt und in der permanent gekämpft wird, nicht zuletzt, weil alle drei immer einmal eine Wahl haben und besondere Ideen transportieren. Aktuell ist das Brandenburg. Sie erinnern sich, dass der Ministerpräsident Woidke nicht in den Aufsichtsrat gehen wollte und dafür gesorgt hat, dass Herr Wowereit wieder Vorsitzender wurde, gleichzeitig Herr Woidke aber eine Debatte über das Nachtflugverbot anzettelt, Berlin unter Druck setzen will. All das zeugt davon, dass gekämpft wird und Nebenschauplätze eröffnet werden, die alle nicht der Fertigstellung dieses wichtigen Infrastrukturprojektes dienen. Das ist nicht in Ordnung.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Wir haben uns mit der Frage der Planfeststellung befasst. Wir haben von einem Zeugen erfahren, dass er unter

(Vizepräsident Andreas Gram)

Druck gesetzt wurde, um bestimmte Diskussionen in eine Richtung zu lenken. Das war der Zeuge Leyerle. Wir haben uns mit der Frage der mangelnden Qualifikation von Aufsichtsräten befasst, mit dem Herrn Wowereit. Sie erinnern sich an das Bild: Der Lehrling war es. Wie wir überhaupt insgesamt bei allen Zeuginnen und Zeugen – das muss man sagen – immer erfahren haben, dass nie irgendjemand etwas falsch gemacht hat. Dafür gibt es kein Bewusstsein. Subjektiv betrachtet haben alle alles richtig gemacht und sind verwundert, dass dieser Flughafen bis heute nicht eröffnet ist. Das ist ein Ergebnis dieser Zeugenbefragung, das man heute schon konstatieren muss. Es ist aber vielleicht auch menschlich, dass jeder die Fehler bei den anderen sieht.

Unsere Aufgabe als Untersuchungsausschuss ist es, am Schluss – das muss man eventuell auch schon einmal zwischendurch machen – eine Bewertung darüber abzugeben, wer wann was falsch gemacht hat, welche Entscheidungen fehlerhaft waren

[Christopher Lauer (PIRATEN): Was ein Flughafen ist!]

und wie es eigentlich dazu gekommen ist, dass so viel Geld in den Sand gesetzt worden ist. Das ist unsere Aufgabe, und die wird jetzt noch größer.

Wir wollen diesen Untersuchungsauftrag erweitern. Wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, was eigentlich mit diesem Krisenmanagement ist. Man könnte sagen, 2012, da waren wir alle hier schockiert, auch der Aufsichtsrat, auch der Senat, selbst Herr Lauer. Und wir haben uns gefragt: Was macht man jetzt? Eigentlich brauchte es jemanden, der die Sache in die Hand nimmt, so jemanden wie Herrn Wowereit vielleicht, der sagt: Ich mache jetzt Krisenmanagement, ich suche jetzt Leute, die Ahnung haben, und dann bauen wir das Ding fertig. – Wir haben zu Anfang beobachtet, dass es ein paar Termininitiativen gab, den August, den Oktober 2012, den März, den Oktober 2013, aber es ist zu einer Eröffnung nicht gekommen. Und heute sind wir in einer Situation, wo es – nach einem Eröffnungstermin frage ich Sie gar nicht, Herr Wowereit – nicht mal mehr einen Zeitplan gibt, wo Sie uns sagen können, was 2014 passieren soll, was 2015 passieren soll, wo es nicht mal mehr einen Kostenplan gibt. All das liegt nicht auf dem Tisch, und man fragt sich: Wäre es nicht besser, Sie machten erst mal eine Pause, und wir machten an der Stelle mit dem nächsten Regierenden Bürgermeister weiter? Das ist, glaube ich, eine Idee, über die man an dieser Stelle noch mal nachdenken muss.

[Torsten Schneider (SPD): In zehn Jahren oder wann?]

Wir wollen untersuchen: Was ist strukturell passiert? Welche Kosten sind dadurch entstanden? Welche Baumaßnahmen sind eigentlich umgesetzt worden? Herr Mehdorn sagt immer, der Flughafen sei viel größer geworden, und jetzt haben wir uns gefragt: Ist er denn nach 2012 noch mal größer geworden, oder erzählt er der Pres