Protokoll der Sitzung vom 03.07.2014

[Burgunde Grosse (SPD): Zehn Jahre!]

Völlig Wurscht! Am Ende sind es trotzdem mindestens 25 Jahre, in denen die Beamtinnen und Beamten dieser Stadt vom Bundesdurchschnitt abgekoppelt waren. Ein Großteil der jetzt Beschäftigten kommt erst im Rentenalter möglicherweise in den Genuss der Anpassung.

Auch die lange geforderten Konzepte für Personalentwicklung und Personalbedarf – ist heute oft gefallen – kommen frühestens zum 31. August dieses Jahres. Man habe noch Abstimmungsbedarf, wird uns lapidar in einer Mitteilung – zur Kenntnisnahme – geschrieben, scheint ja jetzt Methode zu sein, Olympia war auch nur eine MzK. Also, so eilig scheint das mit dem Personalbedarf und mit den Zielzahlen doch nicht zu sein.

Dabei erreichen uns ja jede Woche offene Briefe, Brandmeldungen aus beinahe allen Bereichen dieser Berliner Verwaltung und informieren uns über die prekäre Personalsituation. In all diesen Bereichen ist die wachsende Stadt längst angekommen. Eine wachsende Zahl von Einwohnerinnen und Einwohnern, neue EU-Verordnungen, wachsende internationale Bedeutung Berlins – all das ist mit weiterem Personalabbau eben nicht mehr zu bewältigen.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE)]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Frau Flesch?

Ja, bitte!

Bitte!

Vielen Dank! – Frau Dr. Schmidt! Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass in den Bereichen, die auch der Kollege Lux vorher genannt hat, Bauingenieure, Ärzte, seit Jahren eingestellt werden kann, dass die vom Einstellungsverbot immer ausgenommen waren, dass es da ein Problem des Fachkräftemangels und nicht ein Problem der nicht vorhandenen Stellen ist?

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Klar ist ihr das aufgefallen!]

Natürlich ist mir das aufgefallen, sehr geehrte Frau Flesch,

[Beifall von Christopher Lauer (PIRATEN)]

nur das eine ist das Fachkräfteproblem, das andere ist, dass befristet eingestellt wird. Damit können Sie Fachkräfte für den öffentlichen Dienst nicht wirklich interessieren.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE) – Zuruf von Christopher Lauer (PIRATEN)]

Und außerdem braucht es eben nicht nur ein Moratorium oder eine Anpassung der Zielzahl, auch die Besoldungsanpassung mit 0,5 Prozent ist doch deutlich zu wenig. Zum einen wird gebrochen, was wir, was Sie den Beschäftigten dieses Landes während des harten Konsolidierungsprozesses in Berlin versprochen haben. Wertschätzung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sieht nun mal anders aus. Und zum anderen verschärft es das Fachkräfteproblem doch noch deutlich, wenn entweder nur befristet eingestellt wird oder wenn man meint, der Anreiz allein, dass sie ja dann Beschäftigte in der Hauptstadt des Landes sind, reiche aus. Das ist eben deutlich zu wenig.

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE) und Heiko Herberg (PIRATEN)]

Wir haben Ihnen ja unseren Antrag – jährliche Erhöhung der Besoldungsanpassung um 1 Prozent – vorgelegt, weil das tatsächlich ein mittelfristiger Weg zur Angleichung ist. Und sagen Sie nicht gleich wieder: Das ist alles nicht bezahlbar. – Das ist doch Blödsinn. Wir haben Ihnen in den Haushaltsberatungen deutlich gezeigt, dass es finanzierbar ist, und zwar immer in der Balance zwischen Investieren und Sparen. Bei uns war es Blödsinn, bei Ihnen ist es jetzt der große Wurf, na vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Beifall von Anja Kofbinger (GRÜNE) und Benedikt Lux (GRÜNE)]

Auch für die Bezirke gibt es aus unserer Sicht nur einen einzigen Weg, und das ist die Auflösung der Zielvereinbarung. Sie haben es doch erlebt, die Bezirke sind diszipliniert genug und wissen ganz allein, welches Personal sie sich leisten können. Und das zeigen auch die Zahlen, schon jetzt liegen die Zahlen der Beschäftigten deutlich unter der Zielzahl, die sie erst Ende 2016 erreicht haben sollen. Das ist eben nicht nur dem Fachkräftemangel geschuldet.

[Beifall bei der LINKEN]

Was wir letztendlich fordern, ist doch hier ein Personalentwicklungskonzept, ein Personalbedarfskonzept, das strategisch ausgerichtet ist und tatsächlich definiert, welches Personal diese Stadt braucht, mit welchem Personal wir auf die Anforderungen dieser Stadt reagieren wollen. Liebe Leute! Wertschätzung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollte uns allemal mehr wert sein als die Bewerbung um Olympia.

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Vielen Dank, Frau Dr. Schmidt! – Für die Piratenfraktion hat jetzt das Wort der Herr Abgeordnete Lauer. – Bitte sehr!

Meine sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben hier im Rekordtempo ein Gesetz zur Tariferhöhung im öffentlichen Dienst durchs Parlament gebracht. Am Ende ist für die Beschäftigten sogar noch mehr rausgekommen, als ursprünglich geplant war. Das ist erst mal gut.

Aber ich habe das schon in der Besprechung dieses Gesetzentwurfs im Innenausschuss gesagt: Der Euro hat seit dem Jahr 2011 5,58 Prozent an Kaufkraft verloren, heißt, wenn Sie 2011 100 Euro hatten, dann haben die heute eine Kaufkraft von 94,42 Euro.

Da anschließend die Frage, die mir auch im Ausschuss von der Koalition leider nicht beantwortet worden ist: Wer denkt denn, dass eine Lohnerhöhung, die gerade mal die Inflation, die stattfindet, ausgleicht, irgendjemanden im öffentlichen Dienst angesichts der Probleme, die hier auch schon von der Kollegin von der Linksfraktion beschrieben worden sind, in irgendeiner Art und Weise motiviert? – Das ändert nichts an der Situation im öffentlichen Dienst. Solange Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, sich keine ordentlichen Gedanken darüber machen, wer in der Berliner Verwal

tung was wann wie und warum machen soll, wird sich auch an der bisherigen Situation nichts verändern.

Sie haben hier mehrfach darauf hingewiesen, Frau Flesch – und ich finde das sehr mutig von Ihrer Fraktion, dass sie Sie hier sprechen lässt –, dass Sie ja jetzt vom Senat diverse Konzepte ausarbeiten lassen wollen. Aber noch mal – das habe ich schon bei der ersten Lesung dieses Gesetzes gesagt –: Sie müssen sich doch mal selber als Koalition Gedanken darüber machen, was im öffentlichen Dienst passieren soll.

Was unwürdig war, aber das nur als Randnote, war ja dann die Beratung im Innenausschuss, wo die Koalition noch so einen Änderungsantrag zu diesem Antrag an der roten Ampel eingereicht hat, wo gesagt worden ist, der Hauptausschuss möge doch mal bitte eine Gesetzesänderung schreiben, die wir auch schreiben könnten. Und auf den Hinweis, dass doch mal bitte der Ausschuss, wenn er eine Gesetzesänderung haben will, dann bitte selber eine einreichen soll, weil es ein bisschen unwürdig ist, wenn Parlamentarier in einem Ausschuss Parlamentariern eines anderen Ausschusses darauf hinweisen, nehmt doch mal bitte eure parlamentarischen Rechte wahr, wird mir dann noch gesagt, ja, es ist ja so schwierig, einen Mittelwert zu bilden. Liebe SPD-Fraktion! Ich habe den Kollegen Zimmermann schon darauf hingewiesen, es gibt da Seiten im Internet, da steht genau, wie die Tarifabschlüsse in öffentlichen Diensten sind, auch im Jahr 2013. Das hätten die Koalition auch machen können.

[Zuruf von der SPD]

Ja, ich weiß, ich kann Sie trotzdem nicht hören, und das ist auch besser so!

Darf ich Sie kurz unterbrechen, Herr Abgeordneter?

Ja, sehr gerne! Wird meine Zeit dann gestoppt?

Meine Damen und Herren! Dürfte ich Sie um etwas mehr Ruhe bitten?

Oder die Technik macht das Mikro ein bisschen lauter oder ich trete hier ein bisschen näher ran.

[Zuruf von der LINKEN]

Können wir auch so machen. Lauter ist besser. Wer bremst, verliert.

In der ersten Lesung haben wir gefordert: Warum nicht mal 15 Prozent? Warum nicht mal was Außergewöhn

(Dr. Manuela Schmidt)

liches? Und dann habe ich den Senat gefragt: Was würde das kosten? Und ich zitiere hier aus der Drucksache 17/13966 – Frage:

Welche jährlichen Ausgaben in welcher Höhe entstehen dem Land Berlin, wenn die Bezüge der Beschäftigten im öffentlichen Dienst zum 1. Januar 2015 um 15 Prozent erhöht werden?

Antwort:

Es wird darauf hingewiesen, dass der in der Fragestellung genannte Gehaltssprung absolut unrealistisch ist.

Das ist schon einmal eine super Einstellung. Bevor die Zahl genannt wird, wird schon mal gesagt, dass es absolut unrealistisch ist.

Rein rechnerisch würden sich Mehrkosten von insgesamt 940 Millionen Euro im Jahr ergeben, wenn sämtliche Statusgruppen in die Betrachtung einbezogen werden.

Der Senat findet es also total unrealistisch, knapp eine Milliarde Euro für etwas auszugeben. Wo machen wir das gerade? – Wir bekommen die Nachricht, am BER muss eine Milliarde Euro ausgegeben werden, also diese Baustelle, die sich noch immer anschickt zu behaupten, irgendwann einmal ein Flughafen werden zu wollen. Dafür ist eine Milliarde da. Aber wenn man sagt, man gleicht hier die Lohnentwicklung an. Man schmeißt einfach mal 15 Prozent rauf, dann sagen Sie, bevor Sie überhaupt bereit sind, es auszurechnen: Das ist total unrealistisch. So geht es nicht!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Dann wird diese Antwort in der Kleinen Anfrage noch besser, denn der Senat sagt:

Darüber hinaus dürfte ein derartiger singulärer Lohnanstieg in Berlin negative politische und damit mittelbar auch wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen.

Festhalten!

Er würde vom Bund und den anderen Ländern als unsolide Haushaltspolitik wahrgenommen, würde das Vertrauen der Marktteilnehmer beeinträchtigen und damit wachstumsmindernd wirken.