Protokoll der Sitzung vom 03.07.2014

Er würde vom Bund und den anderen Ländern als unsolide Haushaltspolitik wahrgenommen, würde das Vertrauen der Marktteilnehmer beeinträchtigen und damit wachstumsmindernd wirken.

Berlin, das jährlich 2 bis 3 Milliarden Euro aus dem Länderfinanzausgleich bekommt, ist doch nicht in den letzten Jahren durch solide Haushaltspolitik aufgefallen. Es ist schon ein starkes Stück, dass Sie sagen, wenn wir jetzt 940 Millionen Euro im Jahr in die Hand nehmen würden und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordentlich bezahlen würden, dann würde das Vertrauen in Berlin als solide Haushälter geschwächt werden. Das ist ein starkes Stück!

[Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Die 3 Prozent sind gut, aber visionär ist das alles nicht. Es wäre schön, wenn Sie irgendwann einmal eine Vision entwickeln würden. – Vielen lieben Dank!

[Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Lauer! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zunächst lasse ich über den Änderungsantrag der Fraktion Die Linke Drucksache 17/1677-1 abstimmen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind die Fraktion Die Linke, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und einzelne Mitglieder der Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der SPD und der CDU. Enthaltungen? – Ich sehe keine.

[Zuruf von den GRÜNEN: Ich habe es aber anders gesehen!]

Die Fraktion Bündnis 90 erklärt, dass sie sich vorhin geirrt hat beim Handaufheben und dass sie sich enthält. – Ich verstehe. Damit ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Zu der Vorlage Drucksache 17/1677 empfiehlt der Innenausschuss einstimmig bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen die Annahme und der Hauptausschuss einstimmig bei Enthaltung Linke und Piraten die Annahme mit Änderungen. Wer der Vorlage mit den Änderungen des Hauptausschusses gemäß der Beschlussempfehlung Drucksache 17/1755 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der SPD und der CDU. Gegenstimmen? – Ich sehe keine Gegenstimmen. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion, die Piratenfraktion. Damit ist dieses Gesetz so beschlossen.

(Christopher Lauer)

Dr. Turgut Altug (GRÜNE), Sabine Bangert (GRÜNE), Canan Bayram (GRÜNE), Martin Beck (GRÜNE), Dirk Behrendt (GRÜNE), Thomas Birk (GRÜNE), Marianne Burkert-Eulitz (GRÜNE), Joachim Esser (GRÜNE), Silke Gebel (GRÜNE), Stefan Gelbhaar (GRÜNE), Claudia Hämmerling (GRÜNE), Clara Herrmann (GRÜNE), Dr. Susanna Kahlefeld (GRÜNE), Antje Kapek (GRÜNE), Anja Kofbinger (GRÜNE), Heidi Kosche (GRÜNE), Nicole Ludwig (GRÜNE), Benedikt Lux (GRÜNE), Harald Moritz (GRÜNE), Ajibola Olalowo (GRÜNE), Andreas Otto (GRÜNE), Ramona Pop (GRÜNE), Stefanie Remlinger (GRÜNE), Michael Schäfer (GRÜNE), Anja Schillhaneck (GRÜNE), Oliver Schruoffeneger (GRÜNE), Heiko Thomas (GRÜNE), Jasenka Villbrandt (GRÜNE) [Erklärung zur Abstimmung gem. § 72 GO Abghs]:

Dem Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung für das Land Berlin 2014/2015 und zur Änderung weiterer besoldungsrechtlicher Vorschriften Drucksache 17/1677 gemäß der Beschlussempfehlung Drucksache 17/1755 wollte ich zustimmen.

Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1739 wird die Überweisung an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 3.4:

Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Tagesordnungspunkt 35

Zustimmung zum Abschluss innerstädtischer Festlegungen zur Gaskonzessionierung

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1735

Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von grundsätzlich fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schäfer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Beschlussvorschlag, den wir jetzt beraten, besteht aus einem Satz: Der Senat beantragt – ich zitiere –

Den von der Senatsverwaltung für Finanzen mit Senatsvorlage Nr. S /2014 vorgelegten innerstädtischen Festlegungen zur Gaskonzessionierung wird zugestimmt.

Die Senatsvorlage S /2014 kennen wir nicht, und ich vermute, es gibt sie nicht, oder der Senat hat ein sehr

komisches Nummerierungssystem für seine Senatsvorlagen. Auch die innerstädtischen Festlegungen zur Gasnetzkonzessionierung, die später als Konzessionsvertrag fortgelten sollen, liegen uns nicht vollständig vor – noch nicht einmal im Datenraum. Der Senat wollte das Abgeordnetenhaus über einen unvollständigen Vertrag abstimmen lassen. Damit wäre der Konzessionsvertrag wohlmöglich unwirksam gewesen. Zwei Fehler in nur einem Satz – Herr Finanzsenator! Da haben Sie aber geschlampt!

Diese schlampige Vorlage ist ein Symbol dafür, wie der Senat mit der Frage des Gasnetzes umgeht. Senator Nußbaum stellt öffentlich die Unbefangenheit von Senator Heilmann in Frage. Senator Heilmann schaltet einen Anwalt gegen Senator Nußbaum ein. Senator Henkel dementiert, dass Senator Heilmann ihn vor Einschaltung eines Anwaltes informiert hat. Und in der zentralen Frage sind Sie im Senat uneinig. Sie haben bis heute keine Linie zur Frage: Gasnetzrekommunalisierung – ja oder nein? Intrigen um die Wowereit-Nachfolge, Ränkespiele von Millionären und dazu noch ein dubioser Einbruch in ein Senatorenbüro. Das ist großes Kino, aber eine miserable Politik!

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Faktisch geht es hier um die Übernahme eines Unternehmens im Wert von 1 Milliarde Euro. Bevor man darüber entscheidet, braucht man mindestens Dreierlei: einen Finanzierungsplan, eine Zielformulierung und eine Risikoanalyse.

[Oliver Friederici (CDU): Die ewige Oppositionspartei!]

Nichts davon hat der Senat uns vorgelegt. Das ist grob fahrlässig, so mit einer solchen Entscheidung umzugehen!

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die SPD behauptet in puncto Finanzierung, die Gewinne sollen nicht mehr nach Stockholm und Paris fließen, sondern in Berlin bleiben. Allerdings ist das ein 100 Prozent kreditfinanziertes Geschäft. Das Geld werden Sie sich wohl bei den Großbanken in London und New York leihen, und vermutlich fließen auch die Gewinne dorthin und bleiben nicht in Berlin. Wenn Sie wirklich lokale Wertschöpfung wollen, dann nutzen Sie die Milliarde doch bitte, um energetische Sanierung in öffentlichen Gebäuden voranzubringen. Das schafft Arbeitsplätze hier in Berlin.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Marion Platta (LINKE) und Philipp Magalski (PIRATEN)]

Die SPD behauptet, dass brächte zusätzliche Einnahmen für den Landeshaushalt. Belegen können Sie das nicht. Beim Wasser haben Sie das auch nicht geschafft. Belegen Sie bitte endlich Ihre Behauptungen! Legen Sie diesem

Abgeordnetenhaus einen soliden Finanzierungsplan für dieses Geschäft vor! Das ist das Mindeste, was wir von Ihnen erwarten können.

[Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN]

Die Zielformulierung: Bis heute haben Sie nicht sagen können, was Sie klimapolitisch mit dem Gasnetz anstellen wollen – kein Wort dazu. Sie können noch nicht einmal entkräften, dass es klimapolitisch kontraproduktiv ist, das Gasnetz in Landeshand zu haben.

Risikoanalyse: Fehlanzeige. Dabei hat es wirtschaftliche Risiken – natürlich –, denn die Fachwelt – oder zumindest Teile davon – geht davon aus, dass das Gasnetz – nicht das Gas, sondern das Gasnetz – an Bedeutung verlieren wird. Das könnte dazu führen, dass auch der Verkaufspreis deutlich unter dem liegt, was man heute dafür zahlen muss.

Ein wirtschaftspolitisches Risiko besteht darin, dass die Rest-GASAG, die übrig bleibt, ohne Gasnetz kaum überlebensfähig wäre. Da geht es um 1 800 Mitarbeiter, und da sagt der Staatssekretär Gaebler im Hauptausschuss gestern: Naja, das ist ja ein Privatunternehmen; interessiert uns doch nicht, was mit diesen Mitarbeitern passiert!

[Staatssekretär Christian Gaebler: Das habe ich ausdrücklich nicht gesagt!]

Doch natürlich! Im Kern haben Sie das gesagt.

[Staatssekretär Christian Gaebler: Unglaublich!]

Die CDU hat vorgestern in den Medien mit großem Tamtam ein Gutachten zu den Parlamentsrechten platziert, was die Konzession des Gasnetzes angeht. Gestern im Hauptausschuss hat die Opposition geschlossen diese Rechte eingefordert. Und was macht die CDU? – Kein Wort! – Sie blasen sich auf wie ein Ochsenfrosch, und wenn es darauf ankommt, quaken Sie nicht, sondern Sie tauchen ab.

[Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von Oliver Friederici (CDU)]

Sie haben doch so viel Angst, die Macht, die Gestaltungsmacht zu verlieren, dass Sie das Gestalten schon längst aufgegeben haben.

[Christopher Lauer (PIRATEN): Sie sind von Angst zerfressen!]

Wir wollen in den Ausschüssen diese Senatsvorlage qualifiziert beraten. Und wir erwarten deshalb von dem Senat: Stellen Sie dem Abgeordnetenhaus über die Sommerpause folgende Unterlagen zur Verfügung: einen Finanzierungsplan, der konkret durchgerechnet ist, eine klare Zielformulierung, die belegt, wie man Klimaziele mit dem Gasnetz erreichen kann, und eine Risikoanalyse, die von unabhängigen Gutachtern gemacht wird! Das ist das, was man bei einem Milliardengeschäft erwarten kann, dass man das sorgfältig prüft. Das wollen wir hier im Abgeordnetenhaus sorgfältig prüfen, und diese Unter

lagen müssen Sie uns zur Verfügung stellen. Das können nur Sie, und das sollen Sie jetzt auch endlich machen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Herr Schäfer! – Für die SPD-Fraktion hat nun das Wort der Herr Abgeordnete Scheider. – Bitte sehr!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie zu erwarten war, wird diese Debatte keine energiepolitische Debatte, und dass ich hier rede, trägt dem Rechnung.