Protokoll der Sitzung vom 03.07.2014

[Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU – Martin Delius (PIRATEN): Das ist eine Frechheit, was Sie machen!]

Das ist eine Frechheit, was Sie hier machen! Das ist eine Frechheit, was Sie hier machen als Fraktionsvorsitzender!

[Martin Delius (PIRATEN): Das ist zynisch, unwürdig und Ihrer selbst nicht würdig!]

Darf ich fortfahren, Herr Kollege Delius?

[Nein! von den PIRATEN – Martin Delius (PIRATEN): Nein! Lassen Sie es!]

Danke schön! Genau! So ist das Niveau bei Ihnen! Herzlichen Dank! – 153 Kinder wurden deutschlandweit getötet. In 72 Fällen blieb es ein Tötungsversuch. 4 051 Fälle von misshandelten Kindern sind für 2013 in Deutschland verzeichnet. Die Dunkelziffer liegt sicherlich viel höher. Ich möchte zu Beginn meiner Rede Jörg Ziercke zitieren. Er sagte:

… müssen (wir) alles daran setzen, dass Fälle von Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch noch frühzeitiger erkannt und verhindert werden. Das Zusammenwirken von Sicherheitsbehörden, Politik, Justiz, kommunalen Behörden und auch privaten Akteuren ist dabei entscheidend.

Auf der Bundespressekonferenz ging es um Kinder, und ich bin dankbar, dass mit dem Modellprojekt der Gewaltschutzambulanz an der Charité ein Projekt in Berlin erprobt wird, das Kindern, Jugendlichen, aber auch Erwachsenen helfen kann. Dem ist, liebe Kolleginnen und Kollegen nichts hinzuzufügen.

[Martin Delius (PIRATEN): Wow!]

Laut Frau Etzold von der Gewaltschutzambulanz finden sich dort grundsätzlich drei Patientengruppen: Opfer von häuslicher Gewalt, Kinder, die misshandelt wurden – gut ein Drittel der Patienten –, und Menschen, die zum Opfer von Gewalt durch Dritte geworden sind. Zentral in dieser Debatte ist: Es muss ein funktionierendes System geschaffen werden, damit Opfer von Gewalt effektiv betreut werden können. Gerade bei diesen komplexen Fällen ist eine Beweisaufnahme und Beweissicherung von zentraler Bedeutung, um handlungsfähig zu bleiben, um die Täter zu überführen und die Opfer zu schützen. Und es ist von zentraler Bedeutung, dass eine medizinische Versorgung garantiert ist, aber auch eine Dokumentation der Verletzungen in Form von Fotos und einer schriftlichen Darstellung. Die Betroffenen müssen etwas in der Hand haben, wenn sie später vor ein Familien- oder Strafgericht gehen. Neben der finanziellen Absicherung des Projektes brauchen wir eine Verfahrensweise, welche effizient und strukturiert ist, um letztlich einen wirkungsvollen Opferschutz in Berlin etablieren zu können. Das leistet der hier vorgelegte Änderungsantrag. Ich bedanke mich daher bei allen Beteiligten und Initiatoren für das Engagement für die Gewaltschutzambulanz. Der einstimmige Antrag

zeigt, dass wir hier an einem Strang ziehen. – Herzlichen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Herr Kollege Kohlmeier! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich jetzt das Wort der Kollegin Kofbinger. – Bitte sehr, Frau Kollegin, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein wichtiges Thema, für das ich nur eine sehr kurze Redezeit habe. Ich würde mich gerne auf die antragstellende Fraktion berufen. Das ist jetzt ein bisschen schwierig, denn dazu sprach ja unsere allseits beliebte piratische Schwafellette.

[Beifall und Heiterkeit bei den GRÜNEN und der SPD]

Ich möchte das mal auf den Punkt bringen, was uns wirklich wichtig ist und weshalb wir auch enttäuscht sind und uns bei Ihrem Antrag enthalten werden. Herr Kohlmeier hat ihn ja bereits als verbesserte Version vorgestellt. Nein, das ist er nicht. Eine Gewaltschutzambulanz ist dringend nötig – wir haben das schon bei der Einbringung des Antrags gesagt –, vielleicht nicht unbedingt in dieser Form. Wie alle wissen sollten, sind alle Krankenhäuser Berlins 24 Stunden, rund um die Uhr geöffnet und selbstverständlich auch an jedem Tag des Jahres. Das heißt, da haben wir schon eine Infrastruktur, die wir nutzen können. Das ist genau unsere Stoßrichtung, dass wir sagen: Eigentlich kann man das sukzessive und allmählich in jedes Berliner Krankenhaus bringen. Die Dezentralität ist uns dabei wichtig. Der Kollege Albers hat das bei der Einbringung des Antrags damals auch gesagt. Wie wir ja von unserem Finanzsenator gehört haben, das Geld ist ja da. Es ist noch nicht hier, dafür haben wir zu sorgen. Deshalb meine Ansprache speziell an die haushaltspolitischen Sprecherinnen und Sprecher aller Fraktionen, doch bitte dafür zu sorgen.

Natürlich sind wir nicht glücklich darüber, dass Sie sich erst zum 31. Dezember Bericht erstatten lassen möchten. Ich glaube, wir alle haben mittlerweile durch die langen, langen Beratungen in den Ausschüssen – es war fast in jedem Ausschuss davon die Rede – gemerkt, dass wir die anonyme Spurensicherung auf jeden Fall brauchen. Herr Heilmann hatte auf meine Mündliche Frage vor einiger Zeit geantwortet, er sei noch in der Abstimmung mit Senator Czaja. Ich bin sicher, dass das auf einem guten Weg ist, denn bis jetzt habe ich nicht gehört, dass Sie sich gegenseitig verklagt haben. Wir rechnen fest damit, dass Sie das jetzt klären werden, vielleicht schon in der Sommerpause, sodass wir zum Jahresende eine Mitteilung – zur Kenntnisnahme – oder eine Vorlage – zur Kennt

(Sven Kohlmeier)

nisnahme – bekommen, der wir dann alle zustimmen können, damit wenigstens dieser kleine Teil, die anonyme Spurensicherung, jetzt hier in Berlin endlich auf den Weg gebracht wird, wie der Kollege von den Piraten es gesagt hat, und wie es in vielen Bundesländern der Fall ist.

Was besonders beschämend für uns alle sein sollte, weil wir hier nicht aus dem Knick kommen, ist die gestrige Sitzung der BVV Spandau, auf der beraten und einstimmig der Antrag unter den Augen von Herrn Melzer und Frau Grosse angenommen wurde:

[Beifall von Daniel Buchholz (SPD) und Burgunde Grosse (SPD)]

Das Bezirksamt wird aufgefordert, die Reinickendorfer Initiative

das ist der Antrag, der davor beschlossen wurde –

zu unterstützen und sich bei den zuständigen Stellen dafür einzusetzen, dass auch in Berlin flächendeckend Standorte – zum Beispiel Arztpraxen, Opferschutzambulanzen, Kliniken etc. – für die anonyme bzw. anzeigenunabhängige Spurensicherung für Opfer sexueller Gewalt eingerichtet werden.

Meine Damen und Herren! Was soll ich Ihnen sagen? Wenn das schon in Spandau angekommen ist,

[Oh! und Unruhe bei der CDU]

auf Antrag von Reinickendorf, dann sollten wir zusehen, dass wir das Hinterteil bewegen und schnellstens hinterherkommen. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Danke, Frau Kollegin Kofbinger! – Kollege Simon hat jetzt das Wort für die CDU-Fraktion. – Bitte sehr!

Ich bitte, den Geräuschpegel wieder ein wenig zu senken. Es ist bald geschafft!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst ist es zwar so, dass der Kollege Lauer uns mit einer wunderbar schnell vorgetragenen Rede erfreut hat, das führt allerdings nicht dazu, dass der Gedankengang besonders schnell ins Berliner Parlament eingebracht worden ist. Er ist nämlich im letzten September eingebracht worden, und er ist haushaltswirksam. Vielleicht hätte es die Piratenfraktion ein paar Monate vorher machen sollen, statt hier besonders schnell zu sprechen. Da war das nämlich mit dem Haushalt so gut wie durch. Die Koalition hat allerdings auch ohne den Antrag der Piratenfraktion im Haushalt gehandelt und

Mittel für das Pilotprojekt Opferschutzambulanz eingestellt.

Ach so, eine Sache noch zu Frau Kofbinger: Wir reden übrigens nicht über das Berichtsdatum 31. Dezember, Lesen hilft hier weiter, wir reden über das Berichtsdatum 30. Juni.

Jetzt noch einmal zu dem, was auch gesagt werden muss. Gesagt werden muss, dass ohne die Änderungen, über die wir heute beraten, ohne diese Version, der Antrag für die CDU-Fraktion nicht zustimmungsfähig gewesen wäre. Wer zum Thema Schutz vor Gewalt spricht, spricht zum Thema Schutz der Opfer. Dieses Thema Opferschutz hat für die Koalition hohe Relevanz. So hat die Koalition im Jahr 2012 einen Opferschutzbeauftragten ernannt. Der Opferbeauftragte ist Teil des Bestrebens dieser großen Koalition, den Opferschutz in Berlin nachhaltig zu stärken. Opfer von Straftaten, insbesondere von Gewalttaten, sollen noch besser unterstützt werden. Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Hilfsorganisationen soll koordiniert und verbessert und den Belangen der Opfer soll auch politisch mehr Gewicht verliehen werden.

Auch im Haushalt 2014/2015 hat die Koalition den Opferschutz ausgebaut und das Pilotprojekt der Opferschutzambulanz – oder hier auch Gewaltschutzambulanz genannt – auf den Weg gebracht. Die Senatsverwaltung für Justiz hat schnell umgesetzt, was wir als Haushaltsgesetzgeber beschlossen haben. Am 17. Februar 2014 wurde die Gewaltschutzambulanz eröffnet. Sie ist räumlich am Institut für Rechtsmedizin der Charité angegliedert. Sie ist eine zentrale Anlaufstelle für von Gewalt Betroffene aller Altersstufen, ohne die Notwendigkeit der sofortigen Einschaltung der Polizei, speziell nach häuslicher Gewalt in Paarbeziehungen.

Die Opferschutzambulanz bietet zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine rechtsmedizinische Untersuchung und gerichtsfeste Dokumentation von Verletzungen durch eine Fachärztin für Rechtsmedizin. Diese Art der gerichtsfesten Dokumentation und Sicherung von Verletzungen und Spuren kann als Grundlage für straf- oder familienrechtliche Entscheidungen herangezogen werden. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen e.V. und durch die Kooperation mit den Berliner Netzwerken gegen Gewalt können Betroffenen und ihren Familien konkrete Hilfsangebote an die Seite gestellt werden. Nach den Berechnungen der Charité können durch dieses Pilotprojekt bis zu 1 050 Geschädigte pro Jahr versorgt werden. Die Arbeit der Gewaltschutzambulanz wird nach angemessener Zeit im Hinblick auf die dort gewonnenen Erfahrungen, Akzeptanz der Betroffenen und Verbesserungsmöglichkeiten ausgewertet werden – auch im Hinblick auf die Frage der Erforderlichkeit einer ärztlichen 24-Stunden-Bereitschaft. Eine solche Ausweitung des Angebots der Opferschutzambulanz bedingt indes eine deutlich höhere Finan

(Anja Kofbinger)

zierung. Erst danach können aus unserer Sicht die Prüfung erfolgen, ob und inwieweit eine Ausweitung des Angebots in Bezug auf die sogenannte anonyme Spurensicherung möglich und nötig ist, sowie ggf. die notwendigen Rahmenbedingungen und Mindeststandards für ein solche Konzept geklärt werden.

Deshalb haben wir die seinerzeitige Antragsfassung geändert. In der Fassung des Antrags, die heute zumindest mit der Koalitionsmehrheit beschlossen werden wird, gibt das Abgeordnetenhaus dem Senat einen Prüfauftrag und den Auftrag, ein Konzept zu entwickeln. Das halten wir gerade vor dem Hintergrund des laufenden Pilotprojekts für sachgerechter als jetzt an dieser Stelle schon zu entscheiden.

Wir nehmen einen zusätzlichen Punkt in den Antrag auf, den wir für wichtig halten, denn es gibt eine Arbeitsgruppe von zwei Senatsverwaltungen zur Erarbeitung eines Konzepts zur Etablierung von Kinderschutzambulanzen in Berlin. Die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe sollen in das Konzept für die Gewaltschutzambulanz eingearbeitet werden. Opfer werden auch dann besser geschützt, wenn weniger weniger oft zu Tätern werden. Bestrafung der Täter kann spezial- und generalpräventiv wirken. Deshalb möchte ich mit meinem Beitrag zum Thema Gewaltschutzambulanz auch betonen, dass es aus Sicht der CDU-Fraktion wichtig ist und bleibt, schnell eine Anzeige zu erstatten, damit die Täter bestraft werden können. Wir werben dafür.

Daneben werbe ich ausdrücklich für Ihre Zustimmung zum Antrag in der Fassung der Koalitionsfraktionen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU und der SPD]

Vielen Dank, Kollege Simon! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Zum Antrag auf Drucksache 17/1161 empfiehlt der Rechtsausschuss einstimmig – bei Enthaltung der Oppositionsfraktionen – die Annahme in neuer Fassung. Wer dem Antrag in neuer Fassung und Wortlaut der Beschlussempfehlung auf Drucksache 17/1715 zustimmen möchte, bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Koalition. Wer ist dagegen? – Keine Nein-Stimmen. Wer enthält sich? – Das sind Grüne, Linke und Piraten komplett. Damit ist der Antrag angenommen.

Die Tagesordnungspunkte 13 und 14 stehen auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 15:

Freier Zugang zu öffentlich-rechtlichen Inhalten

Beschlussempfehlung Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien vom 18. Juni 2014 Drucksache 17/1727

zum Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/0338

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