Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Damit bin ich beim dritten und letzten Hinweis für heute. Eine Beschlussfassung im Sinne einer Einführung sprechender Busse und Straßenbahnen bedarf einer Verankerung im nächsten Haushaltsplan. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und den PIRATEN – Beifall von Tim-Christopher Zeelen (CDU)]

Vielen Dank! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt das Wort der Kollege Gelbhaar. – Bitte sehr!

Vielen Dank! – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bündnis 90/Die Grünen stehen für das Ziel eines barrierefreien öffentlichen Personennahverkehrs, denn es geht um nichts weniger als die persönliche Freiheit, die persönliche Bewegungsfreiheit vieler Tausend Berlinerinnen und Berliner. So haben wir hier im Haus hart über das automatische Absenken der Busse, das sogenannte Kneeling, mit dem guten Ende, dass dieser Standard in Berlin erhalten bleibt und auch damit weiterhin ein leichter Einstieg in die Busse der BVG

möglich ist. Diese Diskussion hat sich im Ergebnis gelohnt.

Eins fiel mir bei dieser Debatte auf – es war bei der Debatte um das Kneeling schon zu beobachten –, dass es der Senat seit Längerem versäumt hatte, das Thema konstruktiv und mit Elan anzugehen. Anders gesagt: Der Senat lässt die BVG mit dem Thema allein. Ich stimme vielem zu, was die Kollegin Monteiro gerade gesagt hat, aber gerade das war in der Rede auch zu hören: Man will die BVG in die Pflicht nehmen, und nur die BVG. Die BVG ist aber nicht allein dafür zuständig, allen Fahrgästen ein gutes, barrierefreies Angebot vorzulegen. Das ist eine politische Aufgabe, aus der wir den Senat hier nicht entlassen werden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Herberg? – Das sieht so aus. – Bitte schön!

Stimmen Sie mir zu, dass Frau Monteiro gerade gesagt hat, dass wir in den nächsten Haushaltsberatungen genau dieses Thema aufrufen und damit unserer Pflicht als Haus nachkommen müssen?

[Elke Breitenbach (LINKE): Und sogar Geld einstellen müssen – hat sie gesagt!]

Danke, Herr Herberg, für diesen Hinweis. Vielleicht darf ich einfach fortfahren. Deswegen ist es nämlich richtig – das haben wir auch geschrieben –, dass wir hier im Parlament das Thema immer wieder aufrufen.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Vielen Dank für den Hinweis, Herr Kollege Oberg! Es war bestimmt sehr wichtig, dass dieser Einwurf gemacht wurde. – Wir müssen hier im Parlament das Thema immer wieder in seinen verschiedenen Facetten aufgreifen. Das tut der vorliegende Antrag auch, indem er das Anliegen der blinden und sehbehinderten Menschen zum Thema macht.

Ziel des Antrags ist es, die notwendigen Informationen über Linie und Fahrziel vor dem Einstieg zu kennen. Die Kenntnis über Linie und Ziel – das wird hier im Haus und im Senat kaum noch einer bestreiten – ist wesentlich, um den ÖPNV sinnvoll nutzen zu können. Deswegen ist dieses Anliegen ganz klar berechtigt.

[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Die Frage ist, inwieweit der mit dem Antrag dargelegte Vorschlag hilft, oder welche Alternative unter Umständen

(Birgit Monteiro)

gegeben sind. Ich komme auf den Senat zurück. Das Anliegen ist seit Langem bekannt und unumstritten, aber eine Initiative des Senats, das jetzt in Angriff zu nehmen ist verborgen geblieben. Da fordern wir den Senat ganz klar auf, das zu ändern und sich aktiv einzubringen. Ich denke, mit einem Pilotprojekt auf einer Linie, das könnte ein guter Weg sei, das Vorhaben auszuprobieren. Wir sollten mit solch einem Pilotprojekt testen, ob der Vorschlag von Außenlautsprechern geeignet ist, um blinden und sehbehinderten Menschen hier ausreichende Informationen zur Verfügung zu stellen. Ich sehe jenseits des finanziellen Aspekts durchaus einige zu prüfende, durchaus kritische Punkte. Ich gebe dazu einmal ein Beispiel: Gerade da, wo man umsteigen muss, ist ein verlärmtes Umfeld gegeben. Gerade an Umsteigeknoten gibt es sehr viel Verkehr. Deswegen stellt sich die Frage, ob man mit dem Mehr-Lärm in der Umgebung von Umsteigeknoten eine Hörbarkeit der Ansagen erreicht. Dies ein Punkt, der überprüft werden muss. Wir brauchen alltagstaugliche Lösungen. Nicht alles, was gut klingt, ist auch gut.

Deswegen möchte ich BVG und Senat aufrufen, alle möglichen Optionen gemeinsam mit Verbänden und Behindertenbeauftragten zu prüfen. Es geht am Ende um eine ganz konkrete Lösung. Wie die aussieht, gilt es, gemeinsam zu erarbeiten. Allein eine App – darauf hat Frau Monteiro hingewiesen, Herr Spies hat es auch gesagt – auf einem Handy wird es eher nicht sein. Individuelle technische Lösungen soll man sich durchaus anschauen. Die Lösung muss für alle sein, also auch für techniknichtaffine Menschen oder ältere Menschen.

[Martin Delius (PIRATEN): Es gibt aber auch alte Menschen, die technikaffin sind!]

Deshalb ist die App auf dem Handy nicht per se die geeignete Lösung. Erst wenn wir die Lösung haben, können wir ehrlich von einem barrierefreien ÖPNV sprechen. Deswegen sehe ich den Senat in der Pflicht, sich ernsthaft des Themas anzunehmen. Wir Abgeordnete, das ist zumindest in einigen Fällen schon nachgewiesen, werden uns alle mit unseren Erfahrungen und Vorschlägen konstruktiv einbringen, denn ein barrierefreier ÖPNV für die Berlinerinnen und Berliner geht uns alle an. – Vielen Dank!

[Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat jetzt der Kollege Friederici das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Anliegen der Piraten, sogenannte sprechende Busse und Straßenbahnen für Fahrgäste, die beispielsweise nicht so gut sehen können oder blind sind, einzuführen, ist

nicht ganz neu. Die Fahrzeuge des Münchner Nahverkehrsunternehmens MVV sind bereits vor gut 20 Jahren mit teils guten und teils nicht so guten Erfahrungen derart ausgestattet gewesen. Bei der Straßenbahn in Berlin – das haben wir eben auch schon gehört – ist es in der Theorie auch schon möglich, dass die Ansagen gemacht werden, jedenfalls nach Bedarf. Hier, finde ich, sollte es relativ einfach möglich sein, vielleicht – das wäre schon ein erster Schritt – im Rahmen des Modellprojektes, das man dort anstreben sollte, das dauerhaft zu machen.

Wir, und das sage ich als Vertreter der Berliner CDUFraktion, wollen uns zunächst einmal erkundigen, ob eine technische Machbarkeit bei allen Fahrzeugen der BVG gegeben ist. Hier muss ich dem Redner der Piraten widersprechen, es ist eben nicht so der Fall, weil in den letzten Jahren sehr viele Fahrzeuge aus verschiedenen Baureihen gekauft worden sind. Da ist dies eben nicht möglich. Wir wollen beispielsweise auch in der Beratung im Fachausschuss von der BVG wissen, was das alles kostet – für die verschiedenen Bustypen und ob das überhaupt technisch möglich ist. Da muss ich Ihnen, Herr Gelbhaar, widersprechen. Natürlich ist das immer auch eine Verantwortung des Senats, aber in erster Linie ist es die BVG das Verkehrsunternehmen, das den öffentlichen Nahverkehr bei Bus und Straßenbahn organisiert. Da ist es wichtig, dass wir uns den Sachverstand dieses Unternehmens anhören.

Das, was die Piraten mit ihrem plakativen Vorhaben fordern, betrifft nur das sachpolitische Thema. Es gibt keine Aussagen in ihrem Antrag zu finanzpolitischen oder technischen Umsetzungsfragen. Hier bleiben die Piraten leider wieder einmal die seriöse Aussage schuldig, wie sie die Umrüstung der BVG-Fahrzeuge bezahlen wollen.

[Martin Delius (PIRATEN): Textbaustein!]

Möchten die Piraten das gar über erhöhte Fahrpreise, Leistungseinschränkungen, vielleicht einen längeren Zeittakt bei einzelnen Buslinien oder durch höhere Investitionen der BVG selbst finanzieren? Meine Kollegin von der SPD, Frau Monteiro, hat eben bereits gesagt, wie wir uns das vorstellen. Sie schreiben das jedoch alles nicht in Ihren Antrag hinein. Ich finde, zu seriöser Verkehrspolitik gehört, wenn man etwas plakativ fordert, dass man auch die finanzielle Umsetzung darlegt. Das aber fehlt leider in Ihrem Antrag.

[Beifall von Dr. Niels Korte (CDU)]

Wir wollen von Ihnen wissen, verehrte Piraten, wie Sie sich das vorstellen. Deshalb finde ich es auch richtig, dass wir uns nicht nur in einem, sondern in mehreren Fachausschüssen mit diesem Thema befassen. Die Piraten sollten die Chance bekommen zu erläutern, wie Sie sich das vorstellen.

Eine weitere Möglichkeit wäre, auch neue technische Errungenschaften in der sogenannten Verkehrsmöb

(Stefan Gelbhaar)

lierung im öffentlichen Straßenraum zu nutzen. Das wurde hier bereits angesprochen. Dabei handelt es sich zum einen um Wartehallen zum anderen aber vor allen Dingen um Haltestellenanzeiger. All das wollen wir allerdings auch noch einmal in einer gesamthaften Betrachtung in den Ausschüssen beraten. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns hierüber unterhalten. Man kann sicher auch beim bestehenden System, da gebe ich Ihnen recht, Herr Spies, bei den Wartehallen oder den Fahrtanzeigern noch einiges optimieren. Aber genau deswegen ist die Fachberatung notwendig. Deswegen müssen wir uns auch überlegen, dass Veränderung leider auch immer bedeutet, dass es etwas Geld kostet. Wir müssen uns darüber gründlich austauschen. Seriöse Verkehrspolitik zeigt sich vor allem anhand der Rahmenbedingungen der finanziellen Umsetzung.

Dazu darf ich Ihnen kurz in Erinnerung rufen, dass es diese Koalition aus SPD und CDU war, die mit vereinten Kräften in den Fachberatungen der Ausschüsse – die gleichen, die auch hier angesprochen sind –, darauf gedrungen hat, das Kneeling, also das Absenken der Busse an Haltestellen, grundsätzlich zu gewährleisten

[Elke Breitenbach (LINKE): Bitte? Wer war das?]

und im Prozess mit der BVG ein gemeinsames Modell anzustreben. Und dieses wurde auch erfolgreich umgesetzt. Ich darf auch korrekterweise sagen, dass sich die Opposition dem angeschlossen hat.

[Stefan Gelbhaar (GRÜNE) und Elke Breitenbach (LINKE): Nee!]

Sie haben sich nun einmal dem Antrag der Koalition angeschlossen, das ist Fakt. Damit ist das der grundsätzliche Antrag gewesen. Damit können wir auch für uns vereinnahmen, dass wir uns diesem Thema federführend gewidmet und es auch gelöst haben. Genau das ist das Vorgehen, was man sich viel häufiger wünscht. Die Opposition hat oft gute Ideen, sie weiß aber nicht, wie sie sie umsetzen soll, und sie gibt vor allen Dingen nie finanzielle Rahmenbedingungen vor.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gelbhaar?

Sie erklären nie, wie Sie das bezahlen wollen. Deswegen ist es immer gut, sich an die Grundlinien der Koalition zu halten. In diesem Sinne freue ich mich auf die weiteren Auskünfte der Piratenfraktion in den entsprechenden Fachausschüssen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Danke schön! – Schon hat sich Kollege Gelbhaar zu einer Kurzintervention gemeldet – ich gehe davon aus über seinen Geschäftsführer. Ich erteile Ihnen sofort das Wort – bitte!

Herr Friederici! Ich will nur einen Punkt klarstellen, damit es im Protokoll richtig nachzulesen ist. Es gab zum Thema Kneeling, also das automatische Absenken der Busse, zwei Anträge für dessen Erhalt. Das war ein Antrag von den Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion und einer von den Grünen. Es gab keinen Antrag der Koalition. Wir haben das dann im Verkehrsausschuss glatt gezogen und uns alle auf den Antrag der Grünen geeinigt. Das nur der Form halber gesagt, weil Sie hier ein völlig falsches Bild vermittelt und Quatsch erzählt haben. Ich wollte das hier geradestellen.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN) – Anja Kofbinger (GRÜNE): Bravo!]

Danke schön! – Kollege Friederici! Wollen Sie erwidern? – Danke schön! – Für die Linksfraktion erteile ich jetzt der Kollegin Breitenbach das Wort – bitte!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Friederici, was Sie gerade zum Antrag der Piraten gesagt haben, hat mich überrascht, nicht nur das, was Sie zum Kneeling erzählt haben, sondern auch das, was Sie zum Antrag der Piraten gesagt haben. Ich weiß nicht, aber ich glaube, Sie haben den Antrag nicht gelesen.

[Martin Delius (PIRATEN): Das sind so Textbausteine!]

Es geht eigentlich nur darum, dass es ein Pilotprojekt geben soll, auf einer Teststrecke, die gemeinsam mit BVG, dem Landesbeauftragen für Menschen mit Behinderungen, den entsprechenden Arbeitsgruppen, in denen die Vertreterinnen und Vertreter der Betroffenen sitzen, entwickelt wird, dass diese beobachtet, der Versuch gemeinsam ausgewertet wird und wir dann am Ende alle tatsächlich schlauer werden. Dann können wir alle überprüfen, ob es stimmt, dass das Lieblingsargument aus den letzten Jahren – oh, dann ist es so laut mit den sprechenden Bussen und Straßenbahnen und dann werden die Menschen so gestört – zutrifft. In anderen Städten wird diese Erfahrung so nicht gemacht.

Die Frage, ob es technisch machbar ist oder nicht, lässt sich relativ einfach beantworten: Es ist technisch machbar, denn ansonsten könnte es in anderen Städten nicht durchgeführt werden.

(Oliver Friederici)