Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

geräumt werden. In der Realität ist aber oft nur der vordere Bereich geräumt. Auch damit ist dann der Zugang zum Bus für Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen gesperrt, sofern sie nur den mittleren Eingang nutzen können. Und wie wollen Sie garantieren, dass Rollstuhlfahrer und –fahrerinnen bei sehr hohem Fahrgastaufkommen in den Bus kommen? Planen Sie eine Mitnahmegarantie? Davon war bisher noch nicht die Rede. Weder Senat noch die BVG geben Antworten auf diese Probleme im Alltag, aber genau darüber müssen wir im Ausschuss reden. Mit den neuen Bussen erleben wir eine Rolle rückwärts, die Mobilität der Rollstuhlfahrer und -fahrerinnen wird eingeschränkt. Inklusion geht anders. Und deshalb muss hier nachgesteuert werden unter Einbeziehung der Betroffen, denn sie sind die Experten und Expertinnen in eigener Sache.

Der erste Teil des Piratenantrags, neu bestellte Busse wieder mit einer zweiten Rampe – und das ist das Entscheidende – nachträglich auszustatten, scheint schon etwas verwunderlich, denn die Piraten müssten eigentlich wissen, dass das konstruktiv bei Bussen gar nicht mehr nachträglich geht, auch vor allem deswegen nicht, weil sie fertig konstruiert sind. Man kann das Vorhaben, wieder eine zweite Rampe einzuführen bei Bussen, gut oder schlecht finden. Wichtig ist doch in erster Linie, dass es der Koalition gelungen ist, dafür zu sorgen, dass alle Busse der BVG bisher und auch künftig an Haltestellen abknicken. Es war der Koalition sehr wichtig, dass dieser Service des besseren Einstiegs bei den Bussen für alle Zeiten gesichert ist. Korrekterweise muss auch hier erwähnt werden, dass sich die Oppositionsparteien diesem Vorhaben der SPD-CDU-Koalition dann angeschlossen haben.

Wir haben in den letzten Tagen gehört und vor allem hier vor dem Abgeordnetenhaus gesehen, dass die neuen BVG-Busse mit breiter zweiter Tür einen sehr viel größeren Raum im Ausstiegsbereich haben werden. Dieser zentrale Bereich macht es sowohl mobilitätseingeschränkten Menschen als auch Fahrgästen mit Kinderwagen deutlich besser möglich, sich nun auf vergrößerter, zentraler Fläche dort im Fahrzeug aufzuhalten. So wird es beispielsweise erstmals möglich sein, dass dieser Personenkreis über zehn direkt erreichbare Sitzplätze verfügen wird. Das ist der Trend im internationalen öffentlichen Transport bei Bussen, nämlich in der Mitte einzusteigen, wo auch zentral mehr Platz zur Verfügung steht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass mit dieser verlässlichen Aufteilung im Fahrzeug eine Vielzahl von Menschen sehr zufrieden ist. In der Ausschussberatung werden wir sehen, ob die Piraten das auch so sehen können oder neue Argumente liefern können oder wollen.

Es wird die Überweisung des Antrags federführend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und mitberatend an den Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr empfohlen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann verfahren wir so.

Der Tagesordnungspunkt 15 b wurde bereits als Priorität der Piratenfraktion unter dem Tagesordnungspunkt 3.3 behandelt. Die Tagesordnungspunkte 16 bis 18 stehen auf der Konsensliste.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 19:

Berlin zur Forschungshauptstadt für Alternativmethoden zu Tierversuchen machen

Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU Drucksache 17/1875

hierzu:

Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/1875-1

In der Beratung beginnt die Fraktion der SPD. – Herr Kollege Buchholz, bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen! Meine Herren! Die Fraktionen von SPD und CDU legen heute einen Antrag vor, den die meisten Abgeordneten hier im Haus schon kennen, aber der dieses Mal tatsächlich als eigener Antrag von den Koalitionsfraktionen eingebracht wird. Vor zwei Wochen gab es nämlich zu dem Inhalt schon einmal eine Diskussion, was uns alle nicht daran hindern wird, heute noch einmal dazu zu sprechen. Ich will mich aber kurz fassen. Er lautet: Berlin zur Forschungshauptstadt für Alternativmethoden bei Tierversuchen machen.

Wir wollen damit als Koalitionsfraktionen aufzeigen, dass uns zwei Dinge parallel wichtig sind. Das Land Berlin ist ein Wissenschafts- und Forschungsstandort erster Güte. Und es ist gut, dass wir das sind, wir wollen diesen Status behalten. Genauso wollen wir aber daran arbeiten, dass das, was im letzten Jahr schon mit einem leichten Rückgang möglich geworden ist, dass die Zahl der Tierversuche reduziert wird, wo immer dieses möglich ist.

Wir wollen dafür an drei Stellen ansetzen und fordern den Senat auf, dort verstärkt aktiv zu werden. Zunächst einmal sind gegenüber bisherigen Ansätzen die Belastungen und damit die Leiden für die einzelnen Versuchstiere, wo immer möglich, deutlich zu reduzieren. Zweitens: Wir wollen den Einsatz von Versuchstieren insgesamt, also

(Elke Breitenbach)

die Anzahl, reduzieren. Und wir wollen drittens, wo immer es möglich ist, ohne Tierversuche auskommen, also echte Ersatz- und Ergänzungsmethoden voranbringen.

Da fragen Sie sich vielleicht: Wie kann man das erreichen? – Wir haben dazu schon viele Gespräche geführt, der Kollege Herrmann und ich, nicht nur auf Fachveranstaltungen, sondern auch mit dem Senator und mit der Staatssekretärin Frau Toepfer-Kataw. Wir sind uns absolut darüber einig: Wir können noch etwas nachlegen, aber wir bauen auf einer sehr großen Grundlage auf; denn wir haben in Berlin mit der Freien Universität und mit anderen Universitäten einen Forschungsverbund, der sich mit Alternativen zu Tierversuchen beschäftigt, und dieser ist verbunden mit einem integrierten Graduiertenkolleg. Wir haben gleichzeitig einen Expertenpool, wie haben gleichzeitig Professoren und Juniorprofessoren, die wir unterstützen, die wir nicht nur noch verstärken wollen – das Land Berlin unterstützt jetzt eine eigene Professur des letztjährigen Empfängers des alternativen Tierversuchspreises –, sondern wir wollen auch den Studierenden im Studium frühzeitiger und intensiver als bisher aufzeigen, dass es darum geht, dass man nicht alles mit Tierversuchen machen muss.

Wir wissen, wir können heute nicht vollständig darauf verzichten. Wer das verspricht – das haben auch Anhörungen hier im Parlament gezeigt –, verspricht zu viel. Aber es gibt Alternativen, die wir voranbringen wollen. Das können und wollen wir mit diesem Antrag.

Nachdem der ausgelobte Landespreis für alternative Forschungsmethoden lange nur durch den Tierschutzverein und die Pharmaindustrie unterstützt wurde, ist uns in dem Antrag auch noch wichtig – das ist der zweite Punkt von SPD und CDU –, dass er nun endlich auch vom Land Berlin zu unterstützen ist. Wir halten es für überfällig, dass wir als Land Berlin zeigen: Uns sind die Alternativen zu den bisherigen Tierversuchen mindestens genauso wichtig wie die Ergebnisse von wissenschafts- und forschungspolitischen Erkenntnissen und Kolloquien.

Ich darf noch ganz kurz auf den Änderungsantrag der Grünen-Fraktion eingehen – Kollegin Hämmerling sitzt schon bereit. Ihre Forderung dort ist, glaube ich, nur eine sehr leichte Abwandlung von dem, was Sie schon einmal im Parlament beantragt haben. Damals sagten Sie, Sie wollen gerne 5 Euro pro verbrauchtem – ich benutze mal diese Formulierung – Versuchstier. Da haben wir, glaube ich, gemeinsam feststellen müssen, dass das rechtlich schlichtweg nicht möglich ist. Jetzt haben Sie einen Antrag, der lautet, für diese Alternativen sollen künftig 5 Prozent der für die Tierversuchsforschung bewilligten Mittel bereitgestellt werden. Wenn das vom Land bewilligte Mittel wären, könnte man vielleicht noch darüber reden, aber man bewilligt auch Forschungs- und Untersuchungsvorhaben bei privaten Institutionen, bei Forschungseinrichtungen, bei Pharmainstitutionen. Sie kön

nen ihnen ihre Forschungen nicht verbieten – das können und wollen wir nicht; das geht als Landesgesetzgeber nicht –, aber da ist auch die Frage, wie Sie dort 5 Prozent der Mittel abziehen wollen. Das wäre juristisch eine äußerst schwierige Debatte, und da glauben wir, dass wir dem heute nicht zustimmen können.

Wir setzen darauf, dass die Reduzierung von Tierversuchen – diese drei R: replace, reduce, refine –, wo immer möglich, angegangen wird. Das sind dann Dinge wie künstliche Haut. Das sind auch Dinge wie Chips, wo man heute versucht, menschliche Prozesse nachzubilden. Das funktioniert, und das funktioniert immer besser. Wir wollen das verstärken, und wir bitten dafür um Ihre Unterstützung und gleich bei der Abstimmung um Ihre Stimme. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Frau Kollegin Hämmerling – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Koalition! Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem ersten Antrag zu Tierversuchen, zum Tierschutz überhaupt in dieser Legislaturperiode. Das haben Sie fein gemacht, und ich bin glücklich darüber, dass wir als Initiatoren mit unserem Antrag dazu beitragen konnten.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Nicht nur ich, sondern auch die Techniker sind skeptisch, was Ihr Antrag eigentlich zu bedeuten hat, denn auf der digitalen Anzeigetafel steht:

Berlin zur Forschungshauptstadt für alternative Tierversuche machen

Sie wollen also alternative Tierversuche. Es soll bei den Tierversuchen bleiben.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]

Schauen Sie sich an, was da steht! – Und genau dabei wird es bleiben, wenn Ihr Antrag so, wie er formuliert ist, heute hier durchkommt. Denn das ist nichts, was neu ist. Das Drei-R-Prinzip ist Rechtslage. Wenn es zugelassene Ersatzmethoden sind, Herr Buchholz, das wissen Sie sicherlich, ist es verboten – es ist verboten! –, dann auf Tierversuche zurückzugreifen. Deswegen brauchen Sie so etwas nicht in den Antrag zu schreiben.

Und leider muss ich erneut Frau Bentele zitieren: Ihr Antrag ist genauso dünn wie das letzte Mal, quasi ein Vakuum.

[Heiterkeit und Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

(Daniel Buchholz)

Wir meinen, Sie sollten endlich substantiierte Politik betreiben, anstatt sich ständig in Oppositionsbashing zu ergehen.

Frau Kollegin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Buchholz?

Ja klar, gerne!

Vielen Dank, Kollegin! Ich darf Sie vielleicht darauf hinweisen, wenn auch in der Frageform: Ist Ihnen bekannt, dass unser Antrag eine andere Überschrift hat? Er lautet:

Berlin zur Forschungshauptstadt für Alternativmethoden zu Tierversuchen machen

Leider wird das von der technischen Regie verkürzt dargestellt. Das ist nicht Überschrift oder Inhalt unseres Antrags. Wissen Sie das, Frau Hämmerling?

Ja, natürlich weiß ich, was Sie aufgeschrieben haben. Ich habe es ja genau so erklärt. Sie haben etwas anderes aufgeschrieben, als in dem Antrag steht und von den Technikern wahrgenommen werden konnte. Weder die Techniker noch die Öffentlichkeit kann aus dem, was in dem Antrag steht, das schließen, was in der Überschrift als große Vorausschau angeboten wird.

[Beifall bei den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

In Ihrem Antrag steht: Wir wollen 15 000 Euro für einen Forschungspreis, nämlich für den Preis, den der Senat Jahr für Jahr vergibt. – Was ist das für ein Antrag? – Das ist das größte politische Leichtgewicht, das wir hier jemals diskutiert haben.

[Martin Delius (PIRATEN): Das stimmt!]

Wir meinen, eine parlamentarische Initiative für 15 000 Euro ist einfach nur peinlich.

[Martin Delius (PIRATEN): Das ist billig!]

Wie Sie wissen, unterstützen wir jede Initiative zum Tierschutz, also auch Ihren Antrag. Deswegen haben wir gesagt, wir wollen ihn aufwerten und einen Änderungsantrag stellen. Wir schlagen vor, dass 5 Prozent der Tierversuchsfördersummen, die, egal aus welchem Topf, hier in Berlin ankommen, für Ersatzmethoden bereitgehalten werden. Und da geht es nicht um das Geld, das Berlin bezahlt, oder um Geld, das sonst jemand bezahlt, sondern es geht darum, dass die Deutsche Forschungsgesellschaft einen riesengroßen Topf von 2,5 Milliarden Euro hat, und aus diesen 2,5 Milliarden Euro werden völlig problemlos

alle Tierversuchsvorhaben finanziert. Und es gibt so gut wie nichts für Ersatzmethodenforschung. Wir haben das recherchiert. Aus den 2,5 Milliarden Euro fließt ein Löwenanteil, eine Summe, die an die Milliarde grenzt, in die Tierversuche, und in die Ersatzmethoden fließen – bundesweit – 10 Millionen Euro. In Berlin kommt so gut wie gar nichts an. Und Sie wollen mit Ihrem Preis dieses Ungleichgewicht totschlagen.

Nein, vor dem Ersatzmethodenforschungspreis kommt die Ersatzmethodenforschung, und wir wollen, dass für die Ersatzmethodenforschung Geld bereitgestellt wird. Dann muss man irgendwann einmal ein Bekenntnis dazu abgeben. Aber mit Ihrem Antrag und mit der gewollten Überschrift werden Sie Berlin nicht zur Hauptstadt für Ersatzmethoden machen, sondern wir bleiben weiter Bummelletzter, denn den Forschungspreis haben alle Bundesländer, bloß wir nicht. Nur: Wir finanzieren ihn nicht.

[Zuruf von Daniel Buchholz (SPD)]