Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Ich habe den Ansatz, die Lehrkräfte und die Eltern mit auf diesen Weg zu nehmen. Es wird keinen Urknall geben, sondern alles wird Schritt für Schritt gehen. Hier geht es um einen Paradigmenwechsel. Es geht darum, dass sich auch in den Köpfen der Menschen etwas verändert, dass sie einerseits die Notwendigkeit der Inklusion sehen, aber auf der anderen Seite auch die Chancen für ihre Kinder, für die nichtbehinderten Kinder, aber auch für die Kinder mit Handicaps.

Sie haben es angesprochen: In der letzten Legislaturperiode habe ich als jugend- und familienpolitische Sprecherin das Thema im Bildungsausschuss ganz stark mit begleitet. Und wir haben festgestellt, dass man dicke Bretter bohren muss. Wir haben das Inklusionskonzept des Senats intensiv diskutiert.

[Martin Delius (PIRATEN): Das war doch kein Konzept!]

Ich kann mich noch sehr gut an die Anhörung im Ausschuss erinnern. Das war alles andere als harmonisch, bzw. auch die Akteure in der Anhörung hatten unterschiedliche Meinungen. Es war richtig, dass wir als Parlament damals gesagt haben: Schaut euch das Inklusionskonzept noch einmal an! Und die Kritik der Abgeordneten, die gesagt haben, das Konzept ist nicht partizipativ entstanden, es stand auf kostenneutralen Beinen, war auch richtig. Ich bin dann Senatorin geworden. Es ist ja klar, wenn ich als Abgeordnete solche Dinge im Parlament mitdiskutiere, dass ich dann als Senatorin die Dinge anders angehe.

Das mache ich im Rahmen eines partizipativen Weges. Wir haben den Beirat unter der Leitung von Frau Volkholz eingerichtet. Mein Auftrag war auf Grundlage des Inklusionskonzepts, dass der Beirat mit vielen Fachleuten Empfehlungen erarbeitet. Der Beirat hat 20 qualifizierte Empfehlungen für die nächsten Jahre erarbeitet, die ich ernst nehme.

Sehr geehrte Frau Kittler! Wir arbeiten an elf Empfehlungen ganz konkret, und zwar – –

[Ajibola Olalowo (GRÜNE): Hören Sie auf zu arbeiten, und fangen Sie an zu handeln!]

Wir handeln, indem wir an den Empfehlungen arbeiten. Ich weiß nicht, wie Sie handeln, ob Sie Empfehlungen

ignorieren, sie einfach liegenlassen und etwas anderes machen.

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei der CDU – Martin Delius (PIRATEN): Ja, ja!]

Ich nehme das ernst, wenn die Fachakteure mir Empfehlungen aussprechen. Damit setze ich mich intensiv auseinander.

Es geht darum, Frau Kittler, sich ganz genau zu überlegen, wie wir mit den LES-Kindern, die wir in den Schulen haben, umgehen, weil die Lehrkräfte immer wieder sagen: Die Kinder sind in den Klassen, sie sind überfordert.

[Regina Kittler (LINKE): Und warum werden die Bedingungen schlechter?]

Wir diskutieren über das Thema Barrierefreiheit in den Schwerpunktschulen. Wir überarbeiten gerade die Rahmenlehrpläne.

[Torsten Schneider (SPD): Frau Kittler! Hören Sie mal zu!]

Sie werden, wenn wir sie diskutieren, merken, dass sich die Inklusion wie ein roter Faden durch die Rahmenlehrpläne ziehen wird. Es geht nicht nur um Ressourcen, sondern auch darum, die Dinge der Inklusion inhaltlich anzupassen. Das ist handeln, Frau Kittler, das ist handeln!

[Martin Delius (PIRATEN): Seit Jahren!]

Des Weiteren diskutieren wir die Definition von Schwerpunktschulen. Und dies – ich komme gleich zu Weiterem – ist alles andere als Stillstand. Ich finde es sehr ignorant, dass Sie überhaupt nicht wahrnehmen, was in dieser Stadt diskutiert wird und wie die Fachleute und die Schulen sich auf den Weg machen.

[Beifall bei der SPD – Beifall von Roman Simon (CDU) – Regina Kittler (LINKE): Sagen Sie doch mal was zu den Rahmenbedingungen!]

An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal recht herzlich bei Frau Volkholz bedanken, die den Beirat leitet und sehr engagiert in diesem partizipativen Prozess unterwegs ist. Ich habe es angesprochen, die Meinungen zu diesem Themenfeld gehen sehr weit auseinander. Ihr gelingt es, die unterschiedlichen Positionen zusammenzuführen und die Empfehlungen konzeptionell mit uns gemeinsam weiterzuentwickeln. – Herzlichen Dank, Frau Volkholz!

[Beifall bei der SPD – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir haben Empfehlungen, die nicht einfach nur so in der Schublade liegen. Wir haben auch Arbeitsstrukturen geschaffen. Ich habe in meiner Verwaltung eine Projektgruppe eingerichtet, die sich seit Mai 2013 ganz konkret mit den Empfehlungen auseinandersetzt und entsp

(Senatorin Sandra Scheeres)

rechende Konzepte entwickelt. Das macht sie nicht allein, sondern wir haben dazu Facharbeitsgruppen. In diesen Facharbeitsgruppen sitzen Betroffenenorganisationen, Fachakteure, Institutionen, die der Senatsverwaltung zuarbeiten. Genau das war der Wunsch der Institutionen, der Praktiker vor Ort, die gesagt haben, wir wollen in die Konzeptentwicklung eingebunden sein. Das setzen wir so um.

Wir hatten jetzt das dritte Fachforum. Über 200 Personen haben daran teilgenommen. Es ging darum, die Konzepte fachöffentlich zu diskutieren und nicht einfach nur auf den Tisch zu legen und zu sagen: Setzt das mal in den Schulen um! Über 200 Menschen haben daran teilgenommen. In den Workshops sind weitere Empfehlungen und Anregungen im Zusammenhang mit den Beratungs- und Unterstützungszentren zum Thema Qualifizierung oder zu den Schwerpunktschulen angesprochen worden. Diese Dinge werden in das Konzept weiter mit einfließen, da Inklusion ein Entwicklungskonzept ist. Ein Inklusionskonzept wird auch nie fertig sein.

[Regina Kittler (LINKE): Aber wann kriegen wir das denn mal?]

Man wird immer nachsteuern müssen, man wird auch immer inhaltlich nachsteuern müssen. Ich bin der Auffassung, dass es richtig ist, diesen Prozess so zu öffnen, dass wir unsere Inhalte und Konzepte mit Berlinerinnen und Berlinern diskutieren.

Wir haben in den letzten Monaten wichtige Voraussetzungen geschaffen, aber ich werde nicht müde zu sagen, dass es nichts bringt, Reformen einfach über die Schulen zu stülpen, sondern wir müssen die Lehrkräfte mitnehmen. Eine Forderung, die immer wieder in den Anhörungen – oder wenn Sie in den Schulen sind oder ich auf Schultour bin – gekommen ist, und das wissen Sie auch, ist die nach Qualifizierungen. Da investieren wir. Wir haben eine Qualifizierungsoffensive gestartet, die angenommen wird, weil die Lehrkräfte sagen, sie haben die integrative, inklusive Beschulung in ihrer Ausbildung nicht gelernt. Und das muss man ernst nehmen und darf man nicht ignorieren.

Frau Senatorin! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lux?

Nein. – Ein Schritt auf dem Weg zur inklusiven Schule ist die Abschaffung der Statusdiagnostik im Feld des sonderpädagogischen Förderschwerpunkts Lernen, emotionale, soziale und sprachliche Entwicklung. Hier hat der Beirat die Empfehlung ausgesprochen, die Diagnostik abzuschaffen, eine lernbegleitende Diagnostik einzuführen, aber nur unter der Voraussetzung, dass die Schulen

Ressourcen für eine Grundausstattung und eine Nachsteuerungsreserve bekommen. Diese notwendige Ressource ist noch nicht da. Ich habe immer gesagt, dass ich erst umsteuern werde, wenn es mir gelingt, diese Ressource zu erhalten. Es wird sicherlich auch Thema der nächsten Haushaltsberatungen sein. Ich bin mir auch sicher, dass sich alle Abgeordneten in ihren Verantwortungsbereichen ebenfalls für dieses Thema einsetzen werden.

[Martin Delius (PIRATEN): Wie beim letzten Mal!]

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, Frau Kittler! Wir sind immer noch an der Spitze mit 56 Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Regelschule.

[Regina Kittler (LINKE): Aber unter welchen Bedingungen!]

Das lasse ich mir auch nicht wegreden. Das ist so.

[Beifall bei der SPD]

Wenn Sie sich die anderen Bundesländer anschauen, sind wir da immer noch an der Spitze.

[Martin Delius (PIRATEN): Immer noch!]

Natürlich ist es so: Wenn man diesen Weg geht, dass solch ein Tatbestand auch Probleme aufwirft.

[Zuruf von Carsten Schatz (LINKE)]

Diese Probleme schiebe ich nicht einfach zur Seite, ich möchte die Debatte um die Schulhelfer auch hier aufgreifen. Ich sage hier einmal ganz deutlich: Wir haben nicht gekürzt.

[Carsten Schatz (LINKE): Was denn sonst? – Martin Delius (PIRATEN): Noch nie was von Reallöhnen gehört?]

Die Situation ist, wir haben die Stunden nicht gekürzt.

[Zuruf von Regina Kittler (LINKE)]

Die Situation ist die, dass wir mehr Kinder mit Schwerstbehinderungen in den Schulen haben. Darauf habe ich reagiert,

[Dr. Klaus Lederer (LINKE): Korrekt!]

indem wir das Kontingent pro Woche um 1 900 Stunden erhöht haben. Das bedeutet, dass wir pro Woche 11 200 Schulhelferstunden zur Verfügung haben.

[Regina Kittler (LINKE): Die reichen eben nicht!]

Doch, die reichen, das ist bedarfsgedeckt!

[Martin Delius (PIRATEN): Der Bedarf ist gedeckelt!]

Das sind genau die Kinder mit zusätzlichem Bedarf, das sind die benötigten Ressourcen.