derungen entspricht. Es braucht einen barrierefreien öffentlichen Personennahverkehr, und es braucht die Versorgung und den Schutz von Menschen, die an den Rand gedrängt werden. Inklusionspolitik ist immer auch Gleichstellungs- und Antidiskriminierungspolitik. Und das ist „no charity, it’s a human right“.
2013 wurde Berlin von der Europäischen Kommission mit der Auszeichnung „Barrierefreie Stadt“ gewürdigt. Umso unverständlicher ist es, dass es in Zukunft schwieriger werden wird, einen gleichberechtigten Zugang zum Bus für alle ÖPNV-Nutzerinnen und -nutzer an jeder Bushaltestelle sicherzustellen. Wir fordern, dass bei zukünftigen Neuerwerbungen und Veränderungen, die Menschen mit Behinderungen betreffen, vor Fällen der Entscheidung mit den Betroffenen ein intensiver Dialog geführt wird. Das Ziel muss dabei ein gemeinsamer Beschluss sein, der von den behindertenpolitischen Gremien und Vertreterorganisationen mitgetragen wird.
Die Piratenfraktion beobachtet seit geraumer Zeit ein behindertenpolitisches Rollback. Das Vorgehen des Senats erinnert an die Zeiten Ende der Achtzigerjahre, Anfang der Neunzigerjahre. Warum müssen wir im Jahr 2014, fünf Jahre, nachdem die UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland in Kraft ist, noch über barrierefreie Busse diskutieren? Warum wird trotz vergleichsweise hoher Arbeitslosenzahlen schwerbehinderter Menschen weiterhin mit den Eingliederungshilfezuschüssen gegeizt? Warum haben Menschen mit Behinderungen enorme Schwierigkeiten, sich am Widerstand des Integrationsamts und der Bundesagentur für Arbeit vorbei auf dem ersten Arbeitsmarkt zu etablieren? Warum wird die Kritik der Betroffenen am Sonderfahrdienst nicht endlich ernst genommen?
Der Senat spottet seines Aktionsplans und der Leitlinien zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention Hohn, wenn er nicht schnell und nachhaltig umsteuert.
Gerade die Probleme im Bereich der schulischen Inklusion müssen endlich nachhaltig angegangen werden. Es kann nicht sein, dass alle paar Jahre wieder Schulhelferstunden und Förderstunden gekürzt werden. Es ist richtig, dass es für die Schulhelfer endlich, nach 13 Jahren, zu einer Tarifanpassung gekommen ist, doch darf das nicht dazu führen, dass die gedeckelten Mittel für die Bereitstellung von Schulhelfern nicht mehr ausreichen.
Wir haben eine schriftliche Anfrage gestellt, und der Senat hat geantwortet. Der Senat behauptet, ein Rückgang der betreuten Schülerinnen und Schüler sei nicht erkennbar, im Gegenteil, es seien über 200 Schülerinnen
und Schüler mehr anspruchsberechtigt als im Vorjahr. Der Senat schreibt weiter, es gebe auch keinen Rückgang von Schulhelferstunden. Weiterhin würden 9 600 Schulhelferstunden zur Verfügung stehen – was so nicht stimmt, und betrachtet man beide Aussagen zusammen, so ergibt sich die Logik, dass 200 Anspruchsberechtigte mehr auch zu mehr Schulhelferstunden hätten führen müssen. Das ist nicht der Fall. Von Bedarfsgerechtigkeit kann also keine Rede sein.
Im Übrigen gab es vier Briefe an Erziehungsberechtigte mit der Aufforderung, ihre Kinder nicht in die Schule zu schicken, weil keine ausreichenden Schulhelfer zur Verfügung stünden. Der Senat meinte, dies sei ein unzulässiges Vorgehen. Schön, dass er das inzwischen eingesehen hat und das Recht auf Bildung gemäß § 2 Schulgesetz wahren möchte! Aber die angekündigten 750 000 Euro mehr für Schulhelferstunden sind aus unserer Sicht rechnerisch nicht korrekt hergeleitet. Ob das ausreicht und sie bedarfsrecht sind, darf bezweifelt werden. Zudem sollen diese Mittel – wenn der Hauptausschuss sie mal bewilligt – aus den Töpfen für Inklusion herausgenommen werden, das heißt, aus den Töpfen für den barrierefreien Ausbau von Schulen, für den Bau von Rampen und Fahrstühlen. Inzwischen haben wir festgestellt, dass der Sanierungsbedarf an Schulen auf 1,92 Milliarden Euro angestiegen ist, auch weil die Bezirke nun sogenannte Standardanpassungen als Sanierungsbedarf betrachten. Dazu gehört der Bau von Rampen und Fahrstühlen etc. Dieses Geld fehlt, weil in das Schul- und Sportanlagensanierungsprogramm lediglich 64 Millionen Euro eingestellt wurden – viel zu wenig. So bleibt die Barrierefreiheit auf der Strecke.
Die Piratenfraktion hat letztes Jahr zu den Haushaltsberatungen für den Einsatz von Schulhelfern an Schulen wesentlich mehr gefordert. Die Beträge basierten auf der bereits 2001 von der Senatsverwaltung ermittelten jährlichen Bedarfssteigerung von 8 Prozent. Auch wenn diese Bedarfssteigerung von 8 Prozent nicht mehr jedes Jahr aktuell ist, so ist klar, dass in einer wachsenden Stadt mit dem Zuzug von Familien der Bedarf an sonderpädagogischer Förderung steigt. Der Senat muss dringend mehr Mittel einstellen. Zuvor ist er aber verpflichtet, die konkreten Bedarfe und Bedarfssteigerungen zu prüfen – die er offenbar gar nicht kennt.
Es kann nicht sein, dass die Koalition andere Dinge wichtiger findet, als ein verbrieftes Menschenrecht angemessen umzusetzen. Hier scheint das Vorgehen des Senats eindeutig: Kann die Sonderbeschulung nicht mit der Qualität legitimiert werden – zahlreiche Studien belegen die schädlichen Nebenwirkungen von Förderschulen –, so werden selektive Strukturen mit dem Kostenargument aufrecht erhalten. Kinder mit Behinderungen haben aber das Recht, zusammen mit nichtbehinderten Altersge
Menschen mit Behinderung müssen gleichberechtigt und selbstbestimmt leben können. Wenn sie Hilfe brauchen, müssen sie Hilfe bekommen, ob in der Schule, bei der Arbeitsplatzsuche oder im Alltag. Zu dieser Hilfe sind wir menschenrechtlich verpflichtet. Der Senat muss die identifizierten Barrieren endlich abbauen, anstatt Inklusion zu blockieren.
Noch viel zu oft werden behinderte Menschen eingeschränkt und ihre gleichberechtigte Teilhabe verhindert. Auch die Partizipation von Betroffenen selbst bei behindertenpolitischen Fragestellungen darf nicht ignoriert werden. Der Senat muss echte Beteiligung ermöglichen, anstatt die Betroffenen vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Dagegen müssen wir vorgehen, denn Inklusionspolitik ist keine Wohltat, sondern ein Menschenrecht. It’s no charity, it’s a human right! – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es sehr gut, dass wir heute so intensiv über die Inklusion in Berlin diskutieren, aber ich habe solche Ausdrücke wie Blockade und Stillstand einfach satt.
Ich weiß nicht, wo Sie, liebe Opposition, leben. In dem Berlin, das ich kenne, sind im Moment über 200 Fachleute aktiv, um Inklusion voranzubringen.
Dass Sie dieses ignorieren, ist absolut unmöglich. Der Prozess der Inklusion findet statt, und Sie ignorieren, dass
sich viele Fachleute hier in Berlin in einem partizipativen Prozess auf den Weg machen. Das finde ich unmöglich!
Für mich ist Inklusion mehr als eine Modewelle, für mich ist Inklusion auch mehr als ein notwendiges Übel. Es geht hier um ein Fundament einer solidarischen Gesellschaft, und an diesem Fundament bauen wir gemeinsam.
Die notwendigen Veränderungen, wenn man ein inklusives Schulsystem in Berlin haben möchte, sind sehr weitreichend. Es geht nicht einfach nur darum, mal so locker die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Das funktioniert nicht so einfach.
Nein, auch nicht in fünf Jahren! Das ist ein sehr, sehr langer Prozess, und das wissen Sie auch, dass man Inklusion nicht über das Knie brechen kann.
Vielmehr müssen wir die Pädagoginnen und Pädagogen und Lehrkräfte in unseren Schulen mitnehmen. Es geht darum, dass wir sie dazu befähigen, mit einer wachsenden heterogenen Schülerschaft in der Schule umgehen zu können. Wir brauchen für solche Veränderungsprozesse Transparenz; die Lehrer müssen ganz genau wissen, was auf sie zukommt. Wir brauchen Vertrauen, und wir brauchen auch eine breite Beteiligung. Meine Erfahrungen sagen, dass wir einen langen Atem, Geduld und auch viele Argumente benötigen, um diese Dinge zu verankern. Seien Sie doch mal ehrlich! Nicht alle schreien hurra, wenn man das Thema Inklusion in den Mund nimmt. Es gibt viele Lehrkräfte und auch Eltern, die verunsichert sind und Ängste haben,
Schauen Sie doch mal nach NRW, was meine Kollegin Frau Löhrmann – die ich sehr schätze – da gemacht hat! Ein Riesenkonzept, kostenneutral! In den Kommunen
steppte der Bär. Frau Löhrmann hat dann nachgesteuert, weil sie gemerkt hat, dass es nicht funktioniert, von oben nach unten ein Konzept runterzudrücken, das kostenneutral ist.
Das zum Thema „Man drückt von oben nach unten Konzepte runter“! Da bin ich Ihrer Meinung. Das mache ich nicht.
Ich habe den Ansatz, die Lehrkräfte und die Eltern mit auf diesen Weg zu nehmen. Es wird keinen Urknall geben, sondern alles wird Schritt für Schritt gehen. Hier geht es um einen Paradigmenwechsel. Es geht darum, dass sich auch in den Köpfen der Menschen etwas verändert, dass sie einerseits die Notwendigkeit der Inklusion sehen, aber auf der anderen Seite auch die Chancen für ihre Kinder, für die nichtbehinderten Kinder, aber auch für die Kinder mit Handicaps.