Protokoll der Sitzung vom 16.10.2014

Herr Stroedter! Vielleicht können Sie uns kurz erklären, ob Sie merken, dass Ihre Rekommunalisierungsgedanken, -ideen, -träume von dem eigenen Koalitionspartner nicht unterstützt werden und dass sich das im Senat für jeden offensichtlich nachschauen lässt.

[Zuruf von der CDU: Stimmt doch gar nicht! – Torsten Schneider (SPD): Sie haben doch bei Wasser mit Nein gestimmt!]

Das kann ich im Augenblick nicht feststellen. Herr Kollege Schneider hat schon reingerufen: Bei Wasser haben wir das gemeinsam gemacht, Sie haben mit Nein gestimmt, obwohl die verehrte Kollegin Kosche das ja maßgeblich mit angeschoben hat. Das war sehr unglaubwürdig!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wie sieht es bei Gas aus? Wie sieht es bei Strom aus? – Da hat die Koalition doch eindeutige Beschlüsse gefasst. Wir haben doch gemeinsam Berlin-Energie gegründet, wir haben den Haushalt gemeinsam aufgestellt, wir haben Bürgschaften gemeinsam eingestellt.

[Michael Schäfer (GRÜNE): Herr Melzer! Jetzt zuhören!]

Was wäre denn gewesen, wenn diese Bewerbung nicht stattgefunden hätte? – Dann hätten wir heute nur die GASAG gehabt und keinen weiteren Bewerber. Die GASAG hätte uns die Bedingungen diktieren können. Wäre das gut? Wäre das richtig?

Herr Schäfer wird uns ja in wenigen Monaten, wenn wir über Strom debattieren, erzählen, warum es bei Strom richtig ist, dass Berlin-Energie sich bewirbt und wir Vattenfall nicht weiterhin den Zuschlag geben. Da fehlt Ihnen in Ihrer Argumentation so ein bisschen die Glaubwürdigkeit. Ihre einzige Argumentation gegen Gas ist die, dass es Gas nicht mehr so lange geben wird: Das brauchen wir nicht mehr, da lohnt es sich nicht, Verbindlichkeiten einzugehen. – Deshalb buhlen zurzeit alle um die Gaslieferungen aus Russland, das ist doch die Realität!

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schäfer?

Ja, gerne!

Herr Kollege Stroedter! Stimmen Sie mir zu, dass das Stromnetz ein Monopolnetz auf dem Markt hat, dass das Gasnetz nur einen Teil des Wärmemarktes versorgt und dass das ein Unterschied ist, den man berücksichtigen sollte?

Der Unterschied besteht für mich darin, dass die Grünen einmal Nein und einmal Ja sagen.

[Michael Schäfer (GRÜNE): Es gibt noch mehr Unterschiede! – Zuruf von Antje Kapek (GRÜNE)]

Ich sehe es als richtig an, dass wir Wasser, Gas und Strom zurückholen, dass Berlin-Energie sich bei beiden Fällen bewirbt. Wir als SPD-Fraktion unterstützen das und wir glauben, dass es der falsche Weg ist, beim Gas so zu tun, als sei es besser, dass die GASAG drinbleibt.

Wer ist denn die GASAG? – Die GASAG ist ein Unternehmen, das über lange Jahrzehnte im Landesbesitz war. Wir haben es privatisiert. Und wer ist jetzt GASAG?

[Zuruf von der LINKEN: Wer hat das getan? – Zuruf von Heidi Kosche (GRÜNE)]

Ja, wir! War ein Fehler! Dazu stehe ich ganz offen, das habe ich hier auch gesagt! Wir lernen ja auch aus Fehlern. Mancher lernt nicht einmal aus seiner eigenen Regierungszeit, habe ich den Eindruck. – Wer sind die Eigentümer bei der GASAG? – Die Eigentümer sind E.ON, Vattenfall und Gaz de France. Sind das diejenigen, von denen wir sicher sind, dass die auf Dauer die Interessen dieser Stadt vertreten?

[Zuruf von Dr. Klaus Lederer (LINKE)]

Deshalb ist es sinnvoll, dass Berlin-Energie sich beworben hat.

Die Aufgabe der Finanzverwaltung ist es – das ist das Unfaire an der Diskussion, und ich bin dem Senator dankbar, dass er das noch einmal dargestellt hat –, das Verfahren nach den zur Verfügung stehenden Kriterien diskriminierungsfrei durch die entsprechenden Mitarbeiter durchzuführen. Das ist ein ganz schwerer Prozess. Ich weise noch einmal auf diesen Kongress hin. Sie sind da gewesen, sind jetzt aber nicht darauf eingegangen. Da haben doch alle gesagt,

[Michael Schäfer (GRÜNE): Das war doch alles bekannt!]

egal aus welcher Kommune, egal aus welchem Bereich: Wir haben Rechtsunsicherheit, es muss nachgebessert werden, es ist dringend erforderlich, etwas zu tun.

Das, was der Senat jetzt macht – die Vorlage wird ja noch entsprechend eingereicht, die Vorverhandlungen haben dazu schon stattgefunden –, hat Senator Nußbaum eben noch einmal erläutert. Bei aller Liebe! Das muss unter Juristen eine tolle Debatte sein. Ich bin Volkswirt, kein Jurist, und ich kann Ihnen offen sagen: Ich halte die ganze Debatte für überzogen. Die Stadt, die Berlinerinnen und Berliner interessiert, ob die GASAG oder BerlinEnergie den Zuschlag hat, ob das Land Berlin das Netz wieder betreibt oder nicht und wie auf Dauer die Preise aussehen. Die SPD-Fraktion will, dass nach Wasser auch Gas und Strom in die öffentliche Hand kommen. Wir wollen günstige Bedingungen für die Berlinerinnen und Berliner haben, und wir wollen natürlich auch etwas für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tun. Deshalb werden wir uns zu gegebener Zeit mit der, wie Sie es nennen, Rest-GASAG – ich finde den Begriff etwas merkwürdig – entsprechend unterhalten. Im Augenblick geht es aber um die Netze, und dazu wollen wir gerne Unterstützung von Ihnen haben, denn die Stadt will das. Wenn Sie den nächsten Volksentscheid unterstützen, dann sollten Sie anschließend im Parlament auch dazu stehen. Das haben Sie beim Wasser falsch gemacht, das sollten Sie bei Gas und Strom nicht wieder falsch machen!

[Beifall bei der SPD – Heidi Kosche (GRÜNE): Haben wir beim Wasser nicht falsch gemacht! Ihr habt es beim Wasser falsch gemacht!]

Vielen Dank, Herr Stroedter! – Für die Linksfraktion hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Dr. Lederer. – Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Während Herr Stroedter sich die Frage stellt, warum mal der eine, mal die andere aus der Grünenfraktion redet, stelle ich mir die Frage, warum bei diesem Thema eigentlich immer der Senator in die Bütt muss, warum Sie nicht mal selbst in der Lage sind zu erklären, wofür Sie politisch stehen und was Sie hier politisch vertreten.

[Beifall bei der LINKEN, den GRÜNEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Und was den Kollegen Nußbaum angeht, da habe ich bis zum Schluss nicht so ganz verstanden – –

[Zurufe von der SPD]

Ja, wir können auch nachher rausgehen, dann können Sie mir das alles noch mal erzählen. Hören Sie mir erst mal zu!

[Zurufe von der SPD]

Entspannen Sie sich, und hören Sie mir zu! – Beim Kollegen Nußbaum habe ich nicht so ganz verstanden, mit wem er sich hier die ganze Zeit auseinandersetzt, also ob er sich jetzt mit Herrn Melzer auseinandersetzt oder ob er sich mit seiner eigenen Fraktion auseinandersetzt oder ob er sich mit Herrn Heilmann auseinandersetzt oder ob er sich wirklich mit unseren Einwürfen auseinandersetzt, denn meine Einwürfe waren überhaupt nicht, dass das ganze Verfahren rechtswidrig ist. Das habe ich nie gesagt. Ich habe mich hier zum Thema Kartellamt auch kein einziges Mal geäußert.

Das Einzige, was ich gesagt habe, ist: Die Nichtberücksichtigung der BGH-Entscheidung von Dezember birgt höhere Anfechtungsrisiken bei der Vergabe, und der Senat hätte gut daran getan, als er von der Opposition seinerzeit im Hauptausschuss darauf hingewiesen worden ist, den Vergabebrief schon damals zu korrigieren, anstatt ihn munter in die Welt rauszublasen, sechs Monate zu warten und jetzt festzustellen, dass er ein Problem hat. Mehr habe ich nicht gesagt.

Also wenn man Risiken minimieren will, dann hätte man seinerzeit, statt einfach, wie Sie es ja hier auch wieder tun, rumzulärmen, weil die Opposition was sagt, mal zuhören sollen, was möglicherweise an den Argumenten, die da von der Opposition kommen, dran ist. Das und nichts anderes hatte ich hier vorhin vorgebracht.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Nun sagt ja Herr Melzer immer, man hätte sich total intensiv mit diesem und jenem hier im Parlament befasst. Na ja, um es mal ganz klar zu sagen: Als die Vergabebriefe im Hauptausschuss diskutiert worden sind, haben Sie sich mit überhaupt nichts befasst. Die einzigen Fragen und die einzigen Einwürfe und Kritiken kamen von der Opposition. Sie haben dagesessen wie die ägyptische Sphinx, haben gar nichts gemacht und alles durchgewinkt, was der Senat auf den Tisch gelegt hat.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Also es wäre ja schön gewesen, Sie hätten sich damit intensiv befasst, denn dann hätten Sie möglicherweise die Senatsfinanzverwaltung davor bewahrt, diese 200 000 zu verbrennen und wieder ein halbes Jahr zusätzlicher Zeit zu verschwenden. Das ist aber sozusagen Ihre Verantwortung. Da will ich mich jetzt gar nicht intensiver reinhängen.

Herr Nußbaum! Also es stimmt ja, man muss keine Unterkriterien angeben, aber was der BGH sagt – – Und da lesen Sie bitte jetzt noch mal nach! Und es wäre ja auch

absurd, Sie können ja nicht wirklich erklären, warum Sie das jetzt alles noch mal neu machen, wenn sich das aus dem Urteil nicht ergeben würde, dass Sie es noch mal neu machen müssen. Dann wäre überhaupt nicht zu erklären, warum Sie nicht einfach so weitermachen, wie Sie es im März schon getan haben. Also da beißt sich sozusagen Ihre Argu auch in den Schwanz. Das stimmt vorne und hinten nicht.

Der BGH hat gesagt: Wenn Sie Unterkriterien angeben, dann müssen Sie aus Transparenzgründen die Gewichtung dieser Unterkriterien offenlegen, und das hat Ihr 2. Vergabebrief seinerzeit nicht getan. Da hat Frau Sudhof gesagt, wir antizipieren, wir antizipieren, Sie haben aber nicht antizipiert. Sie hätten warten und lesen sollen. Dann wäre Ihnen der Fehler nicht passiert.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Heiko Herberg (PIRATEN)]

Das BGH-Urteil ist vom 17. Dezember. Am 12. März kam die Urteilsbegründung. Am 19. März hat im Hauptausschuss die Opposition gefordert: Bitte denken Sie noch mal nach! Bitte korrigieren Sie das noch mal! – Da haben Sie gesagt: Haben wir schon alles. Was die Opposition da sagt, ist Zeug. – Die Koalitionsfraktionen haben dagesessen und brav alles abgenickt.

Und für Gas gilt das eben ganz genauso. Am 14. Januar haben Sie den 3. Vergabebrief Gas in die Welt geblasen. Und da haben Sie jetzt dasselbe Problem, denn da war das BGH-Urteil auch schon da. Da hätten Sie auch schon sagen können, wir berücksichtigen das BGH-Urteil. Es sind in der Tat Zwillingsverfahren. Wenn das eine ein rechtsfehlerhaftes Verfahren war, dann ist es schwer vorstellbar, dass das andere aber total in Ordnung gegangen sei. Das können Sie alles nicht wirklich erklären.

Fakt bleibt, weder die Befangenheit irgendeines Senatsmitarbeiters oder irgendeines Senators oder eines Wachschutzes vor der Finanzverwaltung ist schuld daran, dass das Verfahren verschoben werden muss, noch sind die Bitten der Bieter dafür verantwortlich, dass Sie den Brief jetzt noch mal neu auflegen. Sondern verantwortlich dafür sind die Vorgaben des Bundesgerichtshofs, die Sie im März schon hätten kennen können, die Sie auch im März hätten kennen müssen, mit denen Sie sich damals nicht auseinandergesetzt haben, weil es von der Opposition kam, und Ihre traumwandlerischen Koalitionsfraktionäre haben den ganzen Kram abgenickt, und jetzt haben wir den Salat. Das ist Fakt, und darüber reden wir heute.

[Beifall bei der LINKEN und den GRÜNEN – Beifall von Martin Delius (PIRATEN)]

Vielen Dank, Herr Dr. Lederer! – Nun hat für die CDUFraktion das Wort der Herr Abgeordnete Melzer. – Bitte sehr!

(Dr. Klaus Lederer)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir diese Diskussionen nicht immer vor laufender Kamera im Plenum führen,

[Zurufe von der LINKEN und den GRÜNEN]

sondern, vielleicht auch weniger lautstark, Herr Lederer, vielleicht auch weniger lautstark, die Kollegen von den Grünen, in den zuständigen Ausschüssen.