durchaus plausibel, sowohl die Wissenschaft als auch die Praxis zeigt das, dass Kinder einen Entwicklungsstand oder ein reales Entwicklungsalter zwischen vier und acht Jahren aufweisen. Woher soll eine pauschale Regelung in einem Gesetz wissen, welches reale Entwicklungsalter gerade vorliegt? Ein Stichtag kann dem überhaupt nicht gerecht werden. Das wurde schon am Anfang gesagt.
Aber auch dieses Mal besteht Kritik an diesem Antrag der Grünen, auch an dem Vorhaben der CDU. Es wird Sie in dem Zusammenhang nicht überraschen, dass die Piraten die derzeitige Regelung zumindest im Vergleich zu den Änderungsanträgen, die hier vorliegen, oder dem eigenen Antrag der Grünen, befürworten.
Wir haben dazu auch einen eigenen Antrag vorgebracht, der diese flexible Einschulungsphase – so haben wir es genannt – noch ausweitet, auch dafür sorgt, dass Eltern und Kinder im entsprechenden Alter es einfacher haben, sich selbst einzuordnen in den Zeitpunkt und das Jahr festzulegen, in dem sie in die Schule eintreten wollen. Das ist bisher noch nicht in beide Richtungen – auch mit der Vereinfachung im letzten Jahr – gleichberechtigt möglich. Das hätten wir gerne. Wie gesagt, ein Stichtag führt uns da nicht weiter.
Zu den 16 Prozent Rückstellungen: Wissen Sie, Frau Remlinger und auch Frau Bentele, die 16 Prozent Rückstellungen sagen einfach nur, dass die vereinfachte Regelung, die im letzten Jahr beschlossen wurde, funktioniert. Das ist der Grund für die 16 Prozent Rückstellungen. Die Leute haben es jetzt einfacher, selbst zu entscheiden, dass sie von der frühen Einschulung nicht Gebrauch machen möchten, mit Unterstützung. Das funktioniert. Mich schocken und schockieren die 16 Prozent, ehrlich gesagt, überhaupt nicht. Ich würde mir wünschen, dass es, wie gesagt, in beide Richtungen einfacher funktionieren würde, dann können wir den Standard gerne auch auf sechs Jahre legen. So haben wir es auch formuliert. Das wäre zukunftsfähig, würde sowohl den Praktikern als auch den Wissenschaftlern entsprechen.
Eine Sache noch: In Ihrem Antrag, liebe Grüne, führen Sie aus, es gebe eigentlich ein gutes Kriterium dafür, wenn man in einer solchen öffentlich finanzierten Tagespflegestelle oder in einer Kita war, die für frühzeitige Einschulung bzw. für die Einschulung ist, außer wenn man das nicht war, dann muss die Schulfähigkeit festgestellt werden. Da habe ich mich doch sehr gewundert, Frau Remlinger! Wir kämpfen hier, auch zusammen mit den Linken, fast jeden Tag in der Bildungspolitik für mehr Inklusion und ein besseres Inklusionsverständnis in der Berliner Bildungspolitik. Wenn Sie da jetzt „Schulfähigkeit“ reinschreiben und das nicht definieren, Sie kennen die Literatur genauso wie ich, es gibt eine Million verschiedene Definitionen von „Schulfähigkeit“ sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft, dann widersprechen Sie damit der Idee von Inklusion.
Dann normieren Sie einen Entwicklungsstand, und das ist für mich nicht akzeptabel. Entschuldigen Sie bitte! Damit konterkarieren Sie auch Ihre eigene Argumentation, die ich völlig richtig finde und unterstütze im Bereich Inklusion in der Bildungspolitik. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Delius! – Das Wort zu einer Kurzintervention hat der Herr Abgeordnete Oberg. – Bitte!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich, dass es uns gelingt, dieses Thema – anders als in der Vergangenheit, als auch noch andere Leute hier diskutiert haben – sachlich und nicht so sehr emotional oder vielleicht auch ein bisschen populistisch zu diskutieren.
Als Allererstes würde ich gerne noch mal auf die von Ihnen eben erwähnte Studie eingehen. Sie haben gesagt, die Studie würde nichts darüber aussagen, ob durch die Früheinschulung etwas schlechter oder etwas besser geworden sei. Darum ging es in der Studie überhaupt nicht.
In der Studie ging es schlicht darum festzustellen, ob diejenigen, die lebensjünger sind, die also bei der Einschulung unter sechs Jahre alt waren, Nachteile im Prozess der weiteren Bildungsbiografie haben oder nicht. Die Studie ist zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass Lebensjüngere, die also bei der Einschulung noch nicht sechs, sondern fünf Jahre alt waren, keine Nachteile in der Berliner Schule hinsichtlich des Erfolgs in der gesamten Bildungsbiografie haben. Aus dieser Studie kann man dann dazu keinen Handlungsbedarf ableiten.
Die Frage, wie die Rückstellung zu interpretieren ist, ist aus meiner Sicht diejenige, die im Mittelpunkt zu stehen hat. Ist eine Rückstellung etwas, was der Ausdruck des Misstrauens gegen eine Regelung ist? Oder aber ist es nicht so, dass Eltern ganz selbstverständlich ein ihnen von uns bewusst eingeräumtes Wahlrecht ausüben oder nicht? Ich wäre ja zunächst immer geneigt, das Ausnutzen eines Wahlrechts nicht als Problem anzuerkennen, sondern als Ausdruck von Selbstbewusstsein und eines richtigen Verstehens der vorgeschlagenen Regelung.
Eine Sache, die Sie, Herr Delius, genannt haben: Diejenigen, die zurückstellen, sagen, sie wollten, dass ihr Kind eben noch nicht mit fünf Jahren eingeschult wird –, ist auch nicht ganz richtig. Wir wissen gar nicht, wie alt
diejenigen sind, die zurückgestellt werden. Unter den 15, 16 Prozent, die zurückgestellt werden, sind auch viele Kinder, die zum Zeitpunkt der eigentlich vorgesehenen Einschulung schon sechs Jahre alt gewesen wären.
Der Blick in andere Bundesländer zeigt, dass auch die Verschiebung des Stichtages kein Garant dafür ist, dass wir keine Rückstellungen haben werden, denn auch dort, wo Kinder erst mit sechs Jahren eingeschult werden, gibt es Rückstellungsquoten im zweistelligen Bereich. Das war übrigens auch in Berlin so, bevor wir die Früheinschulung eingeführt haben.
Insgesamt bleibt die Frage: Betrachten wir die Rückstellung als Problem, als Misstrauensbekundung der Berliner Eltern gegen das Berliner Schulsystem? – Dann hätten wir ein Problem. Oder betrachten wir es als selbstverständliche Ausübung eines selbstverständlich gewährten Rechtes? – Dann hätten wir kein Problem, und dann gibt es auch keinen Änderungsbedarf. Die Diskussion sollte sich auf diese eine zentrale Frage konzentrieren, dann werden wir auch zu einem vernünftigen Ergebnis kommen. – Vielen Dank!
Das ist so eine schöne Choreografie, da mache ich doch gerne mit! – Herr Oberg! Ich muss Ihnen widersprechen. – Jetzt hört er mir nicht zu.
Er hört nie zu, das ist furchtbar! – Ich muss Ihnen widersprechen. So ganz ohne Polemik hat die Rederunde doch nicht funktioniert. Als Sie das mit den 16 Prozent beschrieben haben, ist mir das noch mal aufgefallen. Frau Remlinger hat behauptet, das wäre die höchste Rückstellungsquote seit der Wiedervereinigung.
Die gegenwärtige Regelung besteht ja noch gar nicht so lange, insofern ist es schwierig, das zu vergleichen. Das wollte ich nur zur Polemik sagen.
Ansonsten ist mir noch etwas anderes aufgefallen, weil Sie über die Rückstellung geredet haben. Ich kritisiere, dass man immer über die Rückstellung redet, weil ich der Meinung bin, dass es genauso auch möglich sein müsste, in die andere Richtung flexibler zu entscheiden. Das ist im Moment noch sehr schwer, auch mit gutem Grund – wegen des zusätzlichen Förderbedarfs usw. Aber auch darüber müssen wir uns unterhalten, dazu liegt ja noch ein Antrag von uns vor.
Im Antrag der Grünen ist mir aufgefallen, dass Sie dadurch, dass Sie die gegenwärtige Rückstellungsregelung mit der Sprachförderung aus dem Gesetz herausstreichen, quasi eine Zwangsbürokratisierung in beide Richtungen bewirken. Jeder einzelne Prozess, egal in welche Richtung es geht, wird weniger zu tun haben mit der freien Entscheidung der Eltern oder Erziehungsberechtigten über das Kindeswohl und darüber, zu welchem Zeitpunkt die Einschulung stattfinden soll, sondern mehr mit der Frage: Sind sie an einer öffentlichen Einrichtung gefördert worden? Das muss geprüft, bestätigt oder nicht bestätigt werden, und das wäre an der Stelle noch ein zusätzlicher Kritikpunkt, den Sie in Ihrer Kurzintervention vergessen haben, Herr Oberg.
Vielen Dank, Herr Delius! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wird die Überweisung des Gesetzesantrags an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie und an den Hauptausschuss empfohlen. Gibt es hierzu Widerspruch? – Den gibt es nicht, dann verfahren wir so.
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 24. September 2014 Drucksache 17/1866
Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Zu dem Antrag Drucksache 17/0171 empfiehlt der Ausschuss für Bauen, Wohnen und Verkehr mehrheitlich – gegen Grüne, Linke und Piraten – die Ablehnung auch mit Änderungen. Wer dem Antrag dennoch zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Bündnis 90/Die Grünen, die Linksfraktion und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Fraktionen der SPD und der CDU sowie der fraktionslose Abgeordnete. Enthaltungen? – Ich sehe keine Enthaltungen. Dann ist der Antrag abgelehnt.
Kein TTIP mit uns! – Berlin verlangt den Abbruch der Verhandlungen zum geplanten Freihandelsabkommen
Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien vom 15. Oktober 2014 Drucksache 17/1911
Änderungsantrag der Fraktion Die Linke, der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Piratenfraktion Drucksache 17/1520-2
In der Beratung beginnt die Piratenfraktion. Das Wort hat der Abgeordnete Herr Dr. Weiß. – Bitte sehr!
Vielen Dank! – Sehr geehrte Damen und Herren! Im Frühjahr haben wir den Antrag eingebracht, dessen Beschlussempfehlung jetzt vorliegt, und den Senat aufgefordert, sich für einen Abbruch der Verhandlungen einzusetzen, die zurzeit zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten über ein Freihandelsabkommen unter dem Namen TTIP geführt werden. Diese Forderung hat seitdem weder an Aktualität noch an Berechtigung verloren.
Zentrale Kritikpunkte bleiben, wenn man sich auf die inhaltliche Ebene bezieht, obwohl es auch beim Verfahren einiges zu kritisieren gäbe, das, was unter dem Begriff Investorenschutz zusammenzufassen ist, insbesondere die Schiedsverfahren. Da geht es um die Einrichtung von Schiedsgerichten, bei denen Konzerne gegen Staaten klagen können. Das ist die Einführung einer parallelen Gerichtsbarkeit, die problematisch ist, da sie ohne demokratische Kontrolle politische Entscheidungen beeinflusst bzw. einschränkt. Allgemein geht es aber auch um die Stoßrichtung des gesamten Vorhabens, das sich vor allem auf die Absenkung sogenannter nichttarifärer Handelshindernisse bezieht, also auf regulatorische Fragen. Da geht es um eine regulatorische Anpassung auf ein gemeinsames Niveau nach unten, egal in welchem Bereich bzw. in einer ganzen Reihe von Politikbereichen. Das betrifft auch das Land Berlin. Das hat das Potenzial, auch das Land Berlin in seiner Politik und seinen politischen Entscheidungen nachhaltig zu beeinflussen.