Ein wichtiger Schritt – da sind wir uns einig –, was den § 177 angeht: Auch da sehe ich gesetzlichen Handlungsbedarf, denn nach bestehender Rechtslage wird eine sexuelle Nötigung, Vergewaltigung nach § 177 Strafgesetzbuch nur dann bestraft, wenn der Täter Nötigungsmittel, also z. B. Gewalt oder Androhung von Gefahr für Leib und Leben, einsetzt, um den Widerstand des Opfers zu brechen. Das heißt, Widerstand des Opfers ist hier maßgeblich. In Fällen, in denen das Opfer z. B. Nein sagt, es aber aus Angst nicht wagt, sich körperlich zu wehren, kommt in den meisten Fällen keine Bestrafung oder allenfalls eine solche als Vergehen in Betracht. Das wird der Schwere der Rechtsgutverletzung aus meiner Sicht nicht gerecht. Deswegen muss Nein auch Nein bedeuten. Berlin ist hier aktiv geworden. Es wurde schon häufig auf den Beschluss der Justizministerkonferenz verwiesen. Ich will Sie hier informieren, dass mein Haus hier im Rahmen der Gleichstellungsministerkonferenz aktiv geworden ist. Wir haben – auch als Signal an die Justizministerinnen und Justizminister – im Umlaufverfahren einen
Beschluss gefasst. Das war genau richtig. In diesem Umlaufbeschluss haben wir klar gefordert, dass eine rasche Ratifizierung der sogenannten Istanbul-Konvention und in diesem Zusammenhang die Schließung bestehender Strafrechtslücken umgesetzt wird.
Gewalt an Frauen ist keine Privatsache und geht uns alle an. Ich habe hier dargestellt, was der Senat macht, was Politik macht und was der Gesetzgeber machen kann. Aber ganz wichtig ist, dass alle wachsam sind. Bei unserer BIG-Hotline haben festgestellt, dass 16 Prozent der Anrufer aus dem sozialen Umfeld kommen. Das scheint mir wirklich sehr zentral zu sein. Das soziale Umfeld von Frauen, die in Gewaltsituationen sind, ist hellwach und schaut genau hin. Die Frauen müssen ermutigt werden, einen schwierigen Weg zu gehen, sich aus der Gewaltspirale zu lösen, um ein gewaltfreies Leben führen zu können. Keine Frau muss Gewalt ertragen, und keine Frau wird in Berlin alleingelassen. – Danke schön!
Vielen Dank, Frau Senatorin! – In der zweiten Rederunde hat Frau Kofbinger jetzt noch einmal das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin! Sie haben noch eine Minute und 29 Sekunden.
Danke schön! – Danke, Frau Senatorin Kolat! Sie sind ja die Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen.
Deshalb möchte ich Sie dringend bitten, etwas nicht noch einmal zu tun: Sie haben bei der Verhandlung mit den Flüchtlingen, für die Sie ja zuständig sind, diese Menschen ganz nett hinters Licht geführt. Machen Sie das bitte mit den Frauen in Berlin nicht!
Wir wissen sehr genau, wo es hakt, woran es krankt, und wir bitten Sie hier: Lassen Sie Ihren Worten endlich Taten folgen!
Es kann doch wohl nicht wahr sein, dass Sie sich hier hinstellen und sagen: Es ist wunderbar. Wir haben zwar kein Modellprojekt, aber wir haben viele wunderbare Projekte, und alle beneiden uns darum. – Und es fällt kein einziges Wort darüber, was Gewalt gegen Frauen für ein unglaublicher Schaden für diese Gesellschaft und für
Frau Dr. Czyborra hat es in ihrer Rede ganz richtig angebracht: Wir sparen Geld, wenn wir das aktiver bekämpfen, aber dafür brauchen wir erst einmal Geld. Wir brauchen Investitionen, z. B. für die Renovierung der Frauenhäuser. Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal im Frauenhaus waren. Ich mache da regelmäßig meine Runde. Der bauliche Zustand ist teilweise – nicht überall – wirklich unterirdisch. Wir haben Sie schon in der letzten Haushaltsberatung aufgefordert, einen Investitionstopf einzurichten, um nur ein Beispiel zu nennen, und dann steht da bei unserem Antrag eine Zahl, die am Ende herauskommt. Das ist eine dicke schwarze Null. Vielen herzlichen Dank! Da muss auch mal investiert werden.
Ich weiß, ich muss zum Schluss kommen, aber es regt mich wirklich auf. – Es muss doch wohl möglich sein, dass hier nicht nur Geld am BER in HundertMillionenhöhe verpulvert wird – –
Doch, Herr Schneider, das hören Sie sich jetzt auch mal an! – Und Sie haben keine 20 000, 30 000 oder 40 000 Euro, um ein Frauenhaus neu anzustreichen? Sie spinnen doch. Entschuldigen Sie bitte! Das lassen wir mit uns nicht machen. Wenn Sie eine solche Aktuelle Stunde anmelden, dann wollen wir hier auch etwas hören. Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen! – Danke schön!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Schneider! Jetzt mal Tacheles! Ich fange direkt einmal launig da an, wo Frau Kofbinger aufgehört hat. Wenn hier jemand die Berliner Frauen hinters Licht führt, dann sind Sie das mit Ihrem Antrag zur anonymen Spurensicherung, Frau Kofbinger.
Das muss ich hier mal in aller Deutlichkeit sagen. Mir ist das Messer in der Hose aufgegangen. Frau Kofbinger! Sie wussten im September 2013, als die Piratenfraktion hier den Antrag „Berlin braucht endlich eine Gewaltschutzambulanz und Rechtsmedizinische Untersuchungsstelle zur Versorgung von kindlichen und erwachsenen Gewaltopfern – Voraussetzungen für eine anonyme Spurensicherung nach Sexualstraftaten schaffen“ gestellt hat, noch nicht einmal, wie man anonyme Spurensicherung schreibt.
Dieses Haus hat nach einer langwierigen Debatte, wo ich auch innerhalb der Koalition von Pontius zu Pilatus gelaufen bin, einen Ersetzungsantrag gemacht, wo man sich im Juli 2014 – das war vor ein paar Monaten, vielleicht waren Sie da noch nicht da – zu dem Absatz hinreißen ließ:
Dafür ist ein Konzept zu entwickeln, das eine Verknüpfung von psychosozialen Betreuungs- und Beratungsangeboten vorsieht sowie – insbesondere den Betroffenen von sexueller Gewalt – eine anonyme Spurensicherung nach der Tat ermöglicht.
Das ist Beschlusslage dieses Parlaments seit Juli dieses Jahres. Sie kommen jetzt hierhin, als hätten Sie den Parmesan erfunden, pünktlich zum Tag gegen Gewalt an Frauen, und sagen: Berlin, tu doch mal was gegen Gewalt an Frauen! Führt doch mal eine anonyme Spurensicherung ein!
Und Sie sind natürlich nicht blöd. Sie können natürlich dann nachher Ihrem Parteitag – Sie haben ja jetzt hier einen auf dicke Hose gemacht – erzählen: Guckt mal, wir haben so tolle Oppositionsarbeit gemacht!
Der Tag, an dem wir hier beantragt haben, nämlich der 30. Juni 2015, dass diesem Parlament zu berichten ist, das ist natürlich auch genau der Tag, an dem der Senat diesem Parlament zu berichten hat nach der Entschließung, die schon im Juni 2014 hier beschlossen worden ist. – Ich finde es ziemlich unterirdisch, wie Sie hier ein Thema, das dieses Parlament schon mal beschlossen hat, fachunkundig, wie ich finde, in drei hingeschlunzten Absätzen einfach so übernehmen,
nachdem dieses Haus hier schon mal weiter war, und sich dann hier hinstellen und Frau Kolat irgendwie vorwerfen, Sie hätte keine Ahnung. Wenn hier, Frau Kofbinger, jemand keine Ahnung hat, dann sind Sie das.
Aber ich habe es zur Kenntnis genommen, dass Sie hier mit lustigen Akronymen wie ASS, die anonymisierte Spurensicherung, Kenntnis vortäuschen wollen. Darin sind Sie ganz gut, auch im Vortäuschen eines Gesprächs mit Ihrem parlamentarischen Geschäftsführer und dem Zurschaustellen von Desinteresse.
Das nehme ich auch zur Kenntnis. Das zeigt ja dann auch, wie sehr Sie dieses Thema eigentlich interessiert,
Ich komme zum Schluss: Ihr Antrag ist fachlich vollkommen falsch und daneben. Ich habe darüber auch länger geschrieben. Er adressiert auch die falsche Senatsverwaltung. Dankenswerterweise haben sich die Linken ja dazu bereit erklärt, noch eine Ersetzung zu machen, die, sage ich mal, das Gröbste ausbügelt. Dazu waren Sie ja anscheinend nicht in der Lage. Ich weise Sie aber auch gerne noch mal darauf hin, dass man da mittlerweile schon weiter ist und es vertrauliche Spurensicherung heißt.
Jetzt ist die Frage gewesen: Ersetzt man das? Und da freue ich mich sehr über das, was Frau Czyborra gesagt hat, was die Koalition hier in diese Entschließung reingeschrieben hat, dass man eben zu einer vertraulichen Spurensicherung steht. Da nehme ich Sie dann bei den nächsten Haushaltsberatungen wirklich beim Wort, und da wäre mir dann aber auch tatsächlich wichtig, wenn wir bei dem Thema, das so sensibel ist, tatsächlich mal fraktionsübergreifend eine Arbeit hinbekämen, dass wir in den nächsten Haushalt Mittel für eine Gewaltschutzambulanz einbauen, um wirklich eine vertrauliche Spurensicherung sicherzustellen, denn es ist zynischerweise tatsächlich so – letzter Satz –: Wenn Sie eine vertrauliche Spurensicherung wollen, müssten Sie sich in den Zug nach Hamburg setzen, und das können wir alle nicht wollen. – Vielen lieben Dank!
Es wird die Überweisung beider Anträge an den Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung – federführend – und mitberatend an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung vorgeschlagen, des Weiteren die Überweisung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke mitberatend an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und des Antrags der
Koalitionsfraktionen mitberatend an den Ausschuss für Arbeit, Integration, Berufliche Bildung und Frauen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.