Protokoll der Sitzung vom 27.11.2014

lfd. Nr. 2:

Fragestunde

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen in zwei Runden nach der Stärke der Fraktionen mit je einer Fragestellung an den Senat. Das Verfahren ist Ihnen bekannt. Die erste Frage steht der Fraktion der SPD zu. – Frau WildenheinLauterbach, bitte schön, Sie haben das Wort!

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich frage den Senat: Wie bewertet der Senat die Düsseldorfer Einigung der rot-grün-geführten Länder, dass der Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost nach 2019 nicht ersatzlos wegfallen, sondern in die Gemeinschaftssteuern integriert werden soll?

[Heiko Herberg (PIRATEN): Hatten wir im Hauptausschuss gestern schon!]

Das richtet sich an den Finanzsenator, wenn ich das richtig sehe. – Einen kleinen Moment!

[Zurufe von der CDU, den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN]

Das kriegen wir noch hin. – Herr Staatssekretär? – Ist schon geregelt. – Herr Senator! – Ist die Frage angekommen? Dann dürfen Sie antworten, Herr Senator!

[Heiterkeit bei den GRÜNEN]

Mir ist gesagt worden, es geht um eine Frage zum Solidaritätszuschlag. – Vielen Dank für die Frage! Entschuldigung, dass ich mal gerade auf der Toilette war! Muss ja auch möglich sein in diesem Hohen Haus.

Das Thema Solidaritätszuschlag – wie gehen wir damit um? – wird zurzeit in den Länderfinanzbeziehungen intensiv diskutiert. Um vielleicht eines mal kurz vorwegzusagen: Der Solidaritätszuschlag ist ja mal geschaffen worden, um den Aufbau Ost zu finanzieren, das heißt, die Ostländer profitieren davon. Berlin hat zunächst 2 Milliarden aus dem Soli-Aufkommen bekommen, mit abnehmender Tendenz. Wir werden 2020 nichts mehr daraus bekommen ebenso wie die anderen Ostländer. Diese Masse steht jetzt möglicherweise zur Verfügung. Darum

(Christopher Lauer)

wird gestritten. Die einen sagen, wir müssen den Solidaritätszuschlag vom Volumen her erhalten, aber wir müssen ihm eine andere Grundlage geben. Verfassungsrechtlich ist das Instrument einer Ergänzungsabgabe nur unter bestimmten engen Voraussetzungen möglich. Die bisherige Begründung, nämlich der Aufbau Ost; die fällt 2020 weg.

Jetzt stellt sich die Frage: Einerseits kann man sagen, wir lassen den Soli insgesamt wegfallen. Dann wäre das eine drastische Steuererleichterung. Wir haben jetzt ungefähr 14 Milliarden Aufkommen. Das ist prognostiziert bis 2020 19 bis 20 Milliarden Aufkommen. Es besteht aber Konsens auf allen staatlichen Ebenen, Kommunen, Ländern und Bund, auch zwischen A und B, dass die öffentliche Hand dieses Aufkommen letztlich nicht weggeben kann, weil es zur Staatsfinanzierung, insbesondere mit Blick auf die Schuldenbremse und die europäischen Verpflichtungen im Stabilitätspakt, gebraucht wird.

Jetzt ist die Frage: Wie geht man damit um? – Es gibt mehrere Modelle, das in die Einkommensteuer oder die Kapitalertragsteuer oder die Körperschaftsteuer zu integrieren. Das ist das, was wir bislang favorisiert haben. Das bedeutet aber in der Tat, dass man dann die Steuern formal erhöhen muss, weil die nominalen Steuersätze dieser drei genannten Ertragsteuern dann eben erhöht werden.

Es gibt einen grundsätzlichen Streit zwischen den Ländern und dem Bund darüber, wem das Aufkommen zusteht. Der Bund vertritt die Auffassung, das Aufkommen, wenn man es ab 2020 fortsetzt, steht ihm zu, denn schließlich habe er den Aufbau Ost darüber finanziert und in den Neunzigerjahren Umsatzsteuerpunkte im Rahmen des Länderfinanzausgleichs abgegeben. Die Haltung der Länder ist naturgemäß anders.

Deswegen ist es wie immer im Leben: Wenn man verschiedene Modelle macht, gibt es Vor- und Nachteile. Integration in die Ertragsteuern bedeutet, dass wir einen Verteilungsschlüssel zwischen Bund, Ländern und Kommunen haben, in der Regel 42,5 zugunsten des Bundes, 42,5 zugunsten der Länder und 15 Prozent zugunsten der Kommunen. Das ist zum Teil unterschiedlich zwischen den einzelnen Ertragsteuern, aber grosso modo findet eine Verteilung zwischen den Kommunen, dem Bund und den Ländern bei den Gemeinschaftssteuern statt. Damit ist der Verteilungsschlüssel vorgegeben. Der Bund muss uns de facto knapp die Hälfte des Aufkommens abgeben. Das würde für Berlin – auf 2020 prognostiziert – zwischen 400 und 500 Millionen – wie gesagt, unter allen Vorbehalten – bedeuten, also eine nennenswerte Summe.

Nachteil dieses Modells ist es, dass das größte Aufkommen dahin fließt, wo die meisten Ertragsteuern gezahlt werden, und das ist bekanntlich in den reichen Ländern. Also da, wo heute schon die Geberländer aufmuskeln –

Baden-Württemberg, Hessen und Bayern –, würde durch solch einen Verteilungsschlüssel noch mehr Geld ankommen als in den strukturschwachen Ländern. Das kann man dann auch nicht über diese Systematik der Integration in die Ertragsteuern verändern. Dann müsste man an den horizontalen Länderfinanzausgleich herangehen. Das kann man technisch, es wird aber inhaltlich sehr schwierig.

Deswegen gibt es auch gute Argumente dafür, dass man das Soli-Aufkommen in einen Fonds packt und das, was heute Aufbau Ost ist, mit einer neuen Grundlage verfassungsrechtlich versieht und den Solidaritätszuschlag in diesem Fonds fortführt. In diesem Fonds hätte man andere Verteilungskriterien als die eben vor mir geschilderte 42,5-Regelung. Andererseits sind es dann keine originären Einkommen der Länder, auch nicht von Berlin, und man ist immer darauf angewiesen, sich bei der Fondsführung – in Anführungsstrichen – durchzusetzen, was dann für die einzelnen Länder aus dem Fonds ausgeglichen wird.

Das sind die zwei Grundmodelle, die jeweils Vor- und Nachteile haben. Wir haben mit der Mehrheit der Länder eindeutig, bis es jetzt zu einem Streit zwischen A und B gekommen ist, für die Integration in die Ertragsteuern votiert. Ich halte das für ein vernünftiges System. Man kann dann das Thema strukturschwache Gebiete, das heute nicht mehr nur eine Frage des Ostens, sondern auch anderer Gebiete ist – wenn Sie nach Nordrhein-Westfalen oder anderswo hinschauen, sehen Sie, dass es dort genauso schwierige Bereiche gibt –, über andere Instrumente ausgleichen. Das ist der Stand der Verhandlungen. – Vielen Dank!

Wünschen Sie, eine Nachfrage zu stellen? – Bitte schön, Frau Wildenhein-Lauterbach, dann haben Sie das Wort!

Danke schön! – Herr Finanzsenator! Sie haben durchblicken lassen, welches Modell Sie favorisieren würden. Kommt Berlin mit diesen Vorstellungen am 11. Dezember auch der Lösung etwas näher, und was bedeutet das dann eigentlich für den Berliner Landeshaushalt und letztendlich für die Bürgerinnen und Bürger?

Herr Senator Dr. Nußbaum – bitte schön!

Verhandlungen sind immer schwer einzuschätzen, und die Finanzsenatoren, und Finanzministerinnen und Fi

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

nanzminister machen nur vorbereitende Arbeiten. Entscheiden müssen das letztlich die Ministerpräsidenten. Ob es im Dezember dazu kommt – meine persönliche Einschätzung –, wage ich zu bezweifeln. Ich bin der festen Auffassung, das wird sicher noch in das Jahr 2015 hineingehen. Es ist auch nicht schlimm, wenn das der Fall ist, denn wir haben Zeit.

Das Thema ist zu komplex, und man muss auch wissen, dass mit der Neuordnung der Länderfinanzbeziehungen, aber auch mit den vertikalen Finanzbeziehungen ab 2020, die Grundlagen für die Finanzierung von Kommunen und Ländern gelegt werden und dies unter dem Aspekt der Schuldenbremse. Ich kann nur jedem raten, sich die Zeit zu nehmen, die Modelle auch durchzurechnen.

Eines ist für mich wichtig, deutlich zu machen, und das muss man auch in den Verhandlungen immer wieder sagen: Das ist kein Almosen, das Berlin oder auch die Ostländer bekommen, sondern der Solidaritätszuschlag ist mit einer klaren Zielsetzung geschaffen worden. Verlierer und Abgebende sind die Ostländer, auch Berlin. Wie gesagt verlieren wir Ende 2020 2 Milliarden Euro. Gewinner sind in jedem Fall die Westländer, denn sie bekommen dann, wenn wir den Soli fortsetzen, etwas, was sie bislang überhaupt noch nicht hatten, nämlich aus einem Topf von möglicherweise 20 Milliarden Euro einen Anteil. Deswegen muss man sich auch nicht verstecken, und deswegen muss man auch immer wieder deutlich machen, dass auch Berlin diese Verteilungsmasse mitfinanziert und dass wir jetzt auch schon die Ausfälle haben.

Zweitens muss man auch in den LFA-Verhandlungen immer wieder deutlich machen, dass es keine Almosen sind, sondern es ist der Ausgleich von unterschiedlicher Finanz- und Wirtschaftskraft. Berlin hat in den letzten Jahren respektive im letzten Jahrzehnt eine hervorragende Entwicklung genommen. Nichtsdestotrotz ist die Wirtschafts- und Finanzkraft bei ungefähr 90 Prozent deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Deswegen ist es auch nach wie vor richtig, dass hier ein Ausgleich stattfindet.

Ich erinnere nur noch einmal daran, dass wir durch den Zensuseffekt in diesem LFA-System eine halbe Milliarde Euro dauerhaft verloren haben. Das haben die meisten schon wieder verdrängt – auch die Geberländer. Das heißt, Berlin hat durch eine Zensusnummer jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro an dauernden Einnahmen abgegeben. Auch das ist letztlich ein großer Beitrag, und deswegen muss man deutlich machen, dass Berlin nicht irgendein Nehmerland ist, das seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, sondern mit großem Selbstbewusstsein an den Verhandlungen teilnehmen wird.

Was man dem Bund auch noch einmal deutlich machen muss und was er, glaube ich, begreifen wird, wenn man vernünftig verhandelt, ist, dass 2020 die Länder und die

darunter liegenden Kommunen so ausgestattet sein müssen, dass in Zeiten der Schuldenbremse, wo man Finanzierungsdefizite nicht wieder über Kredite ausgleichen kann, das föderale System letztlich funktioniert und es zu keiner territorialen Neugliederung zwangsweise kommen muss. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Danke schön! – Die zweite Nachfrage geht dann an Herrn Kollegen Zillich. – Bitte schön!

Vielen Dank! – Sie haben dargestellt, dass das Modell der Eingliederung des Solis in die Ertragsteuern auch Ungerechtigkeiten in sich birgt, nämlich, dass die finanzstarken Länder besonders davon profitieren. Inwieweit fühlen Sie sich, wenn Sie sich mit den A-Ländern auf dieses Modell verständigt haben, denn auch im Geleit dieser ALänder, oder haben Sie dort Solidarität, um für die Korrekturen, die notwendig sind und die Sie angedeutet haben, Unterstützung zu erfahren?

Bitte schön, Herr Senator!

Es geht in den Verhandlungen um die sogenannten vertikalen Finanzbeziehungen – das ist das Verhältnis zwischen Ländern und Bund – und die horizontalen Finanzbeziehungen – das ist eigentlich der engere LFA. Wir haben eine gemeinsame Verhandlungsposition der Länder, dass nicht die vertikalen zu Ende geführt werden, bevor nicht auch über die horizontalen gesprochen worden ist. Wir haben uns in einem Forum „Finanzausgleich“ mit der Mehrheit der Länder in die Hand versprochen, dass keiner schlechter gestellt werden soll. Das heißt, es wird um ein Paket gehen, und es werden nicht die vertikalen von den horizontalen Finanzbeziehungen abgespaltet werden.

Der Ansprech- und Verhandlungspartner ist der Bund. Denn der Bund hat den Schlüssel in der Hand, den wir brauchen, um den Solidaritätszuschlag in eine fortdauernde Finanzierung der staatlichen Ebenen umzuwandeln. Der Bund ist bislang, glaube ich, bislang noch nicht bereit zu akzeptieren, dass er die Länder auch dazu braucht, denn ohne die Länder wird er, aus meiner Sicht, keine verfassungsrechtliche Grundlage dafür finden, sich den Soli sozusagen in die Tasche zu stecken. Das wird nicht klappen. Deswegen wird man begreifen müssen – bei manchen dauert es länger, aber der Kollege wird noch im

(Senator Dr. Ulrich Nußbaum)

nächsten Jahr dazu kommen –, dass wir das gemeinsam machen müssen.

Wenn das Volumen erst einmal klar ist, das auf die Länder entfällt, kann man vernünftig innerhalb der 16 Länder – dann braucht man den Bund nicht mehr so stark – besprechen, wie im LFA Ausgleiche für diese Verzerrungen gefunden werden, die dadurch entstehen, dass die jetzigen Geberländer durch ihre starke Wirtschafts- und Kapitalkraft eben mehr von dem Soli haben. Das wird dann die zweite Stufe sein, und alles zusammen wird ein Paket werden. Deswegen glaube ich auch nicht, dass im Dezember von irgendjemand eine abschließende Entscheidung getroffen werden kann.

Vielen Dank!

Die zweite gesetzte Frage geht an die CDU-Fraktion. – Herr Juhnke! Bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: Welche sicherheitspolitischen Ergebnisse hat die Übermittlung von Videosequenzen durch die BVG im Jahr 2014 im Vergleich zum Jahr 2013 bereits schon zum heutigen Tage gefördert?

Herr Senator Henkel – bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Juhnke! Ein Teilaspekt dieser Frage war Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage. Wir hatten am Montag die Chance, auf Antrag der Piraten über diesen Bericht zu sprechen. Das holen wir nach.

Es ist so, dass die Berliner Polizei im Rahmen der Strafverfolgung regelmäßig Videodaten zur Beweisführung bei der BVG abfordert. Die Zahlen im Jahr 2013 belaufen sich auf etwa 3 000 Fälle, die als Videomaterial bei der BVG abgefordert wurden. Für 2014 – das ist der Vergleichszeitraum, den Sie wissen wollen – kann ich das noch nicht vollumfänglich sagen, weil das Jahr 2014 noch ein bisschen läuft. Aber wenn ich mir das erste Halbjahr anschaue, dann liegen wir bei den ermittelten Tatverdächtigten und dem Erfolg, der damit verbunden war, etwa bei 300 Fällen.

Wenn Sie mich fragen, welche Ergebnisse dies mit sich gebracht hat, dann sind es diese beiden Zahlen – noch einmal: Gegenstand auch einer parlamentarischen Anfrage, die bereits lief. Insofern zeigt die Entwicklung auch,

dass Videoaufnahmen immer öfter als entscheidendes Beweismittel gebraucht werden.