Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

Rheinland-Pfalz, Thüringen und auch Schleswig-Holstein entgegengestellt. Auch in Baden-Württemberg ist im Gemeinderat einer Gemeinde entschieden worden, dass man den Winterabschiebestopp will. Es gibt viele Grüne, die den wollen. Und es ist die SPD, die das verhindert. Aber daran arbeiten wir.

[Beifall bei den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Ha, ha! von der CDU – Torsten Schneider (SPD): Da sind wir zuversichtlich!]

Bitte schön, Herr Kollege Dregger, dann haben Sie die Möglichkeit, noch einmal darauf einzugehen.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Kollegin Bayram! Sie haben von der Verantwortung für das Bundesrecht gesprochen. Und Sie fordern mich damit heraus, die Verantwortung der Grünen für das Bundesrecht in Erinnerung zu rufen. Sie wissen genau, dass die Entscheidung darüber, dass die Westbalkanstaaten, die nicht Mitglied der EU sind, nun zu den sicheren Herkunftsstaaten gehören, eine Entscheidung ist, die ohne die Grünen keine Mehrheit im Bundesrat gefunden hätte. Deswegen finde ich es einigermaßen erstaunlich, wie Sie sich hier als politischer Gutmensch hinstellen und so tun können, als hätten die Grünen damit nichts zu tun.

[Beifall bei der CDU – Beifall von Liane Ollech (SPD) – Zuruf von Oliver Höfinghoff (PIRATEN)]

Zweitens: Sie haben vom Gebot der Menschlichkeit gesprochen, und ich nehme das sehr ernst. Aber ich möchte Ihnen einmal sagen, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland, die auf einer kulturgeschichtlichen Entwicklung beruhen, aber auch auf einem demokratischen Selbstverständnis, die Gebote der Menschlichkeit berücksichtigen.

Damit komme ich zur Beantwortung Ihrer dritten Frage, wie es denn sein kann, dass nicht alle, die ausreisepflichtig sind, abgeschoben werden. Das ist gerade das Beispiel dafür, dass die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland den Schutz Betroffener so ausgedehnt haben, dass in einem großen Teil der Fälle eine Abschiebung unmöglich wird. Sie können hier sagen, was Sie wollen, Sie werden es nicht schaffen, uns und unserem Land einzureden, dass die Gesetze dieses Landes inhuman sind. Genau das Gegenteil ist der Fall. Wir sind aber der Auffassung, dass diese humanen Gesetze auch der Durchsetzung bedürfen, insbesondere wenn es um Länder geht, in denen es keine politische Verfolgung und keinen Bürgerkrieg gibt. Dann muss dorthin auch die Botschaft ausgesendet werden, du kriegst hier keine Möglichkeiten eines Abschiebeverbots, das heißt, eines Rechtszustandes über einen gewissen Zeitraum, sondern wir müssen schon deutlich machen, dass wir diejenigen schützen, die schutzbedürftig sind, und die anderen nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU – Beifall von Thorsten Karge (SPD)]

Danke schön! – Für die Piratenfraktion jetzt Herr Kollege Reinhardt – bitte schön!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche, die Debatte zusammenzufassen. Wir haben jetzt einige Beiträge gehabt, dazu noch zwei Kurzinterventionen. Letztendlich wurde es schon gesagt: Wir haben einen Antrag, den wir jetzt zum dritten Mal eingebracht haben, aber auch in einer veränderten Situation. Das Thema Flucht und Asyl ist in Deutschland einfach viel stärker an der Tagesordnung als noch vor einem Jahr und wesentlich stärker als vor zwei Jahren. Das heißt, es gibt auch genug Gründe für uns zu versuchen, das hier in aller Dringlichkeit noch einmal darzustellen.

Wir haben zuerst den Kollegen Taş gehabt, der versucht hat, Ihnen darzustellen, was die Situation von Menschen ist, denen die Abschiebung droht. Er hat Ihnen versucht darzustellen, was die Optionen des Innensenators sind, was seine Möglichkeiten und Handlungsoptionen sind. Er ist noch auf das Thema Ebola eingegangen, was eben noch besonderer Dringlichkeit unterliegt.

Dann hatten wir die Kollegin Radziwill hier. Sie hatte vor allem eine Kernbotschaft, nämlich dass Berlin sehr sensibel ist und in der Sache schon genug tut und es letztendlich keinen Handlungsdruck und keinen Verbesserungsbedarf gibt.

[Ülker Radziwill (SPD): Das hat sie nicht gesagt!]

(Canan Bayram)

Sie hat allerdings das Thema Ebola von sich aus angesprochen und gesagt, dass sie der Meinung ist, dass man dort Vorsorge treffen sollte und nicht in Ebola-Staaten abschieben sollte. Auf die Frage von mir, ob sie dort aktiv werden will, weil der Senat schon gesagt hat, dass er keinen Handlungsbedarf sieht und auch weiterhin in die von Ebola betroffenen Staaten abschieben will, hat sie nicht geantwortet, obwohl sie hier am Mikrofon stand und auf meine Kurzintervention geantwortet hat.

Dann hatten wir die Kollegin Bayram hier, die noch einmal sehr eindrücklich die Situation von Menschen im Asylverfahren in Berlin geschildet hat – aus persönlichen Erfahrungen und aus Informationen aus dem Abschiebeknast hier in Berlin.

Dann war der Kollege Dregger am Mikrofon und hat uns eigentlich zum Thema nicht wirklich etwas gesagt. Herr Dregger! Sie haben hier Zahlen genannt, und zwar die Anerkennungsquoten von Menschen im Asylverfahren.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Dabei haben Sie jedoch zwei Begriffe quasi durcheinandergebracht: Sie haben von Schutzquoten gesprochen, das sind die Anerkennungsquoten. Aber bei uns geht es nicht um Schutzquoten, sondern es geht um schutzbedürftige Personen, unter anderem um schutzbedürftige Personen gemäß Artikel 17 der EU-Aufnahmerichtlinie. Das sind zwei Themen, die miteinander nichts zu tun haben. Das eine – das wurde auch schon gesagt, u. a. vom Kollegen Zillich – ist die Frage, wie viele Menschen werden in Deutschland im Asylverfahren anerkannt. Das sind, je nach Land, entsprechend unglaublich wenige. Das sagt aber nichts über die aktuelle Fragestellung aus, sondern das wirft die Frage auf, ob das deutsche Asylverfahren angemessen ist, ob es menschenwürdig ist, ob es ausreichend berücksichtigt, dass auch in Ländern, in denen vielleicht kein klar diktatorisches Regime herrscht, trotzdem eine Form von Verfolgung, Not und Elend ausreichend groß sein kann, um hier in Deutschland eine Asylberechtigung zu haben.

Außerdem fällt mir tatsächlich auf, Herr Dregger: Sie gehen fast nie auf die Situation hier in Berlin ein, das sparen Sie sich. Sie sind ja schon hier über ein Dutzend Mal am Mikrofon gewesen und haben zum Thema Flucht und Asyl gesprochen. Aber Sie haben fast noch nie etwas Konkretes über Berlin gesagt. Immer geht es nur um die Bundesebene, dass wir vernünftige Bundesgesetze in Deutschland haben, um die Anerkennungsquote, und so gut wie nie äußern Sie sich dazu, ob irgendetwas in Berlin angemessen umgesetzt ist oder nicht. Das fällt einfach dabei sehr auf.

Ich kann jetzt noch mal festhalten: Wir haben leider ja die beiden Senatsressorts, die für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig sind und auch für die Anerkennung bzw. Abschiebung von Flüchtlingen, beide in CDUHand. Herr Czaja versagt leider offensichtlich momentan

komplett bei der Unterbringung von Flüchtlingen. Er hat selber mehrere Monate Werbung dafür gemacht, dass Menschen hier aus Deutschland schneller abgeschoben werden, hat Werbung für den sogenannten Asylkompromiss gemacht, anscheinend um mehr Plätze in Unterkünften zu bekommen. Da hat er sich allerdings geschnitten. Herr Czaja! Das ist keine Variante! Und auch dieser sogenannte Asylkompromiss geht nicht nur in die falsche Richtung, sondern ist auch nicht geeignet, um dieses Ziel zu erfüllen.

Gleichzeitig kann er sich aber auf seinen Kollegen Henkel verlassen, der hier in Berlin weiter abschieben will, auch im Winter. Wir haben die Zahlen abgefragt. Im ersten Halbjahr 2014 hat der Berliner Senat 308 Personen abgeschoben. Wir haben auch noch viele andere Aspekte abgefragt, z. B. – das sollte jemanden aus der christlichen Partei auch interessieren, Herr Senator –, wie viele von diesen Menschen minderjährig waren. Das konnte uns der Senat nicht beantworten. Es wird nicht erfasst, wie viele Minderjährige aus Berlin ins Ungewisse abgeschoben werden. Die Zahl ist nicht zu erhalten. Es wird auch nicht erfasst, welche Abschiebungen durch das Land Berlin, durch den Bund oder in Amtshilfe für andere Bundesländer vorgenommen werden. Es wird auch nicht erfasst, ob über den Luft- oder Landweg die Abschiebung durchgeführt wird. Ich kann es hier nur noch mal zahlentechnisch zusammenfassen. Die Abschiebepraxis des Landes Berlin ist ein hochsensibler Bereich, in dem über das Schicksal und über das Leben von Menschen entschieden wird. Aber die Dokumentation und die Statistik, welche Menschen mit welcher Altersklasse in welche Länder über welchen Weg abgeschoben werden, sind hochgradig schlampig oder absichtlich unvollständig. Das heißt, wir können hier noch nicht mal vernünftige Zahlen haben, über die wir uns unterhalten können.

Wir haben die Situationsveränderung unter anderem durch die sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Ich finde es noch mal wichtig, dass man an dieser Stelle betont: Der Begriff „sicherer Herkunftsstaat“ ist ein politischer, euphemistischer Begriff. Es hat nichts mit „sicher“ zu tun. Wenn es wirklich sicher wäre, dann wären da ja vielleicht 120 oder 150 Länder auf dieser Liste. Es sind aber außer den drei Ländern, die gerade als sichere Herkunftsstaaten deklariert wurden, nur zwei weitere. Das sind Ghana und Senegal. Es sind also insgesamt fünf Länder auf dieser Liste. Das zeigt, dass es ein politisches Instrumentarium ist, mit dem die Anzahl der Abschiebungen aus Deutschland erhöht werden soll. Das ist abzulehnen. Insofern ist es auch nicht nachvollziehbar, dass dieses Gesetz beschlossen wurde.

Ich kann nur noch mal sagen, wir werden den Antrag auch nächstes Jahr wieder einreichen, wenn Sie ihn dieses Mal wieder ablehnen. Wir hoffen, dass wir Ihnen irgendwann klargemacht haben, was unser Antrieb dabei ist. Ein Winterabschiebestopp würde nicht nur viele

Menschen vor einem harten Winter bewahren, sondern böte ihnen zumindest eine gewisse Sicherheit für ein paar Monate. Ich finde, ein Abschiebestopp, wie er letzte Woche in Thüringen beschlossen wurde, wäre ein angemessener und würdiger Einstieg des neuen Regierenden Bürgermeisters Michael Müller. Ich hätte mir gewünscht, dass man sich heute mehr in diese Richtung gemeinsam bewegt, und würde mir wünschen, dass wir irgendwann auch in Berlin zu der Einsicht kommen, dass das eine notwendige und wichtige Maßnahme ist. – Danke schön!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es wurde die sofortige Abstimmung beantragt. Wer dem Antrag auf Drucksache 17/2010 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Die Linke, die Grünen und die Piratenfraktion. Gegenstimmen? – Das sind die Koalitionsfraktionen und der fraktionslose Kollege. Damit ist der Antrag abgelehnt.

[Udo Wolf (LINKE): Diese Christen verbreiten Weihnachtsstimmung!]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 4.5:

Priorität der Piratenfraktion

Tagesordnungspunkt 20

Lücken im Pfandkreislauf schließen – Pfandkörbe für die ganze Stadt!

Antrag der Piratenfraktion Drucksache 17/1974

In der Aussprache beginnt die Piratenfraktion. – Herr Kollege Magalski, bitte schön, Sie haben das Wort!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Lücken im Pfandkreislauf schließen – Pfandkörbe für die ganze Stadt.

Kleinen Moment, Herr Kollege! – Ich bitte, doch die Gespräche auch in Gruppen, wenn überhaupt, dann draußen fortzusetzen, ansonsten die Plätze einzunehmen und den Ausführungen zu folgen. Herzlichen Dank! – Bitte schön!

Pünktlich zur europäischen Woche der Abfallvermeidung brachte die Piratenfraktion einen Antrag ein, der die Optimierung des Pfandkreislaufs für Glasflaschen und Dosen auf den Weg bringen möchte. Dieses Thema, aus

Zeitgründen im letzten Plenum vertagt, ist uns sehr wichtig. Denn Berlin kann hier Vorreiter und Vorbild sein, auch in den kleinen Dingen des Alltags, um unsere Stadtgesellschaft lebenswerter und freundlicher zu gestalten – und das für alle.

Zwei Bezirke versuchen es bereits. So haben in Charlottenburg-Wilmersdorf und in Spandau schon Modellversuche mit Pfandkörben begonnen. Ich freue mich an dieser Stelle ausdrücklich über das Engagement der zuständigen Bezirksstadträte Marc Schulte, – kürzlich erst im Umweltausschuss zu Gast – und Stephan Machulik, engagierte Kollegen in den Bezirken. VorzeigePilotversuche in den Bezirken reichen aber aus Sicht der Piratenfraktion nicht aus, um dem Problem der erhöhten Glasscherbendichte berlinweit zu begegnen. Auch dürfen wir die Verantwortung für umweltpolitische Zielsetzungen in Berlin nicht den Bezirken überlassen. Weil von Landesebene die entsprechenden Impulse fehlen, dürfen wir das nicht. Und schon gar nicht dürfen wir die Bezirke damit allein lassen.

Dieser Antrag möchte die landesweite Einführung von Pfandkörben an Müllbehältern in Berlin beflügeln. Gerade im Innenstadtbereich, auf den Partymeilen und in den Szenebezirken gibt es ein hohes Aufkommen an gefährlichen Glasscherben. Diese erzeugen nicht nur Verletzungsgefahren für Menschen und besonders für Tiere, sondern erschweren die Reinigungsarbeiten der BSR erheblich. Zudem ist die Quote von bis zu 20 Prozent der Pfandflaschen, die den Weg nicht zurück in den Handel finden, verbesserungswürdig und soll mit dem angedachten Pfandkorbsystem organisiert und optimiert werden. Hiermit wird aktiver Umweltschutz offensiv gefördert. Die Kosten für die Nachrüstung sollten durch die entstandenen Vorteile wie Verringerung der Müllberge und den reduzierten Aufwand für die Reinigung mehr als wieder hereingeholt werden. Ja, eine positive volkswirtschaftliche Gesamtbilanz lässt sich daraus ableiten.

Es ist schon beschämend, dass es Menschen in einem so reichen Land wie dem unsrigen nötig haben, Flaschen zu sammeln, und zu viele von diesen durch das instabile soziale Netz fallen, weil keine bedingungslose Grundsicherung existiert.

[Beifall bei den PIRATEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN]

Wir Piraten fordern diese bedingungslose Grundsicherung übrigens als ein Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe. Nicht zuletzt erleichtert unser Ansinnen aber den Menschen, die darauf angewiesen sind, ihr Einkommen durch diese Tätigkeit aufzubessern, weil das Sozialsystem versagt, dieses einfacher und sicherer zu gestalten und Verletzungsgefahren zu minimieren. Natürlich darf dies nicht Verbesserungen im Sozialsystem überdecken oder kann diese gar ausmerzen. Nein! Es gilt, hier die umweltpolitischen Aspekte und eben

(Fabio Reinhardt)

auch die Verbesserungen bei den Tätigkeiten hochzuhalten.

An welchen Stellen, wo, in welcher Dichte und ob es am Ende eigene Pfandkörbe oder doch besser Pfandringe, die am Müllbehälter angeschlossen sind, werden, das muss noch diskutiert werden, auch im Ausschuss und mit den entsprechenden Akteuren, der BSR und besonders den evaluierenden Bezirken, deren Evaluation dann ggf. vorliegt. Diese Testphasen sind allerdings laut einer Pressemitteilung der BSR momentan in der Winterpause. Ich wünsche Ihnen nun eine ebensolche schöne Winterpause und hoffe auf interessante und konstruktive Aussprachen zu diesem innovativen Thema im Ausschuss. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei den PIRATEN, den GRÜNEN und der LINKEN]

Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion jetzt der Kollege Buchholz!

Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich freue mich, dass kurz vor Weihnachten doch die heimelige Stimmung so ein bisschen durchs Plenum wabert. Ich habe mir auch vorgenommen, Kollege Magalski, da wir kurz vor Weihnachten stehen, Ihren Antrag positiv zu sehen. Deswegen sage ich als ersten Satz was ganz Positives – Kollege Zimmermann hat mich eben zu Recht daran erinnert, ich soll nett sein –: Sie sind Ihrer Zeit wahnsinnig voraus.