Protokoll der Sitzung vom 11.12.2014

dass alles schlecht ist und es allen schlecht geht, ist absoluter Schmarrn und unangemessen!

[Vereinzelter Beifall bei der CDU – Andreas Baum (PIRATEN): Flaschensammlern geht es gut!]

Kommen wir zu der Frage der Lösung. Es ist doch klar, dass man, wenn man so einen Antrag schreibt, auch damit leben muss, dass Leute sagen, dass er schlecht ist. Und ich sage Ihnen, er ist schlecht. Aber er hat eine gute Intention, und deswegen bin ich an der Stelle sehr motoviert, mit Ihnen in den Ausschüssen fachlich darüber zu streiten. Es gibt eine Kampagne „Pfand gehört daneben“. Die hat sich möglicherweise nicht bewährt, weil sie zusätzlichen Aufwand für die BSR bedeutet, weil sie auch ein Problem darstellt, denn die Flaschensammler fassen trotzdem in die Behälter hinein. Wir haben die Pfandkisten, die selber mit Pfand versehen sind. Die werden geklaut. Wir haben Pfandringe, die schnell mal verdreckt sind. Da muss man gucken, wie man dezentrale Lösungen finden kann, also an Orten, wo es Sinn macht. Wir haben das Frankfurter Modell. Da gibt es einen Automaten, wo die Leute ihre Flaschen reingeben können und das dann einem sozialen Projekt zugute geschrieben wird. So etwas kann ich mir in Berlin auch vorstellen. Leute, die vielleicht nicht wertschätzen, was 25 Cent sind, sind aber vielleicht bereit, ein soziales Projekt zu unterstützen. An diesen Ideen müssen wir gemeinsam arbeiten, und dazu fühle ich mich auch bereit.

Mein persönliches Fazit zu dem Thema: Ich glaube, dass eine Gleichmacherei, wie Sie sie hier mit Ihrem Antrag versuchen, nicht möglich ist. Ich glaube, dass individualisierte Ansätze für einzelne Regionen richtiger wären, richtig sind. Und der Tourismus, der mit einbezogen werden muss, die Touristen, die möglicherweise mit diesem Pfandkreislauf nicht per se in Einklang stehen, gar nicht wissen, dass es Pfand darauf gibt, die muss man stärker sensibilisieren. Deswegen sage ich: In Spandau oder in Mitte sind unterschiedlich Lösungen notwendig. Ich freue mich auf die Fachdebatten. Ich glaube, das ist ein spannendes Thema, und werde mich dementsprechend aktiv einbringen. – Vielen Dank!

[Beifall bei der CDU]

Vielen Dank! – Für eine Zwischenbemerkung hat der Kollege Magalski das Wort. – Bitte schön!

Schade, Herr Freymark! Ich finde es persönlich unverantwortlich, wie Sie hier Armut in Berlin relativieren!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN und den GRÜNEN]

Das geht so nicht, dass Sie es als Hobby schönreden, dass Leute aus der Not heraus Dinge tun müssen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, nur weil die Sozialsysteme versagen. Das kann ich so nicht stehenlassen. Außerdem haben Sie davon gesprochen, dass es keine Evaluation gibt. Es gibt ja Evaluationen, zum Beispiel in Hamburg, und deshalb können wir auch darauf vertrauen, dass das eben nicht in Berlin flächendeckend evaluiert werden muss. Ich finde es sehr gut – im Gegensatz zu dem, was Sie gesagt haben –, dass es in den Bezirken schon gemacht wird, aber wir müssen nicht darauf warten, dass es auch noch in anderen Bezirken weitere Testphasen gibt. Nein, wir wollen die flächendeckende Einführung der Pfandkörbe, und zwar jetzt und hier und gerne auch 2015. Wir wissen, wie lange solche Anträge im Prozess hängenbleiben, und deswegen haben wir das auch vorausschauend jetzt schon beantragt. – Vielen Dank!

[Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Danke schön! – Herr Freymark! Wollen Sie darauf eingehen? – Nicht! Dann hat für die Fraktion Die Linke jetzt Frau Platta das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei diesem Antrag gehen die Wogen hoch und runter. Das haben wir gerade eben auch gemerkt. Einige meinen, es ist völliger Quatsch, bis zu denjenigen, die sagen, dass es schon lange notwendig ist, auch in dieser Stadt. Verwunderlich ist diese Meinungsvielfalt dazu nicht. Hinterfragen wir die Ursachen und schauen in unsere Stadt, dann finden wir auch hier die letzte Erhebung des Abstandes zwischen Arm und Reich seit Mitte der Achtzigerjahre bis jetzt bestätigt. Nach OECD-Angaben sieht es in der BRD so aus: Die reichsten 10 Prozent der Bevölkerung verdienen inzwischen siebenmal so viel wie die ärmsten 10 Prozent.

Diese sozialen Unterschiede werden in der Stadt immer sichtbarer, die Armut nimmt zu. Unbestritten: Hilfemaßnahmen für Obdachlose, Zeitungsverkäufer verschiedener Projekte, Straßenmusikanten und für andere finanzielle Benachteiligte aller Altersgruppen werden immer notwendiger. Während sich die Linksfraktion zum Beispiel für öffentliche Beschäftigung einsetzt und hier schon mehrere Vorschläge eingebracht hat, setzt die Piratenpartei heute auf die Einrichtung von Pfandringen, denn Pfandbüchsen- und Pfandflaschensammler als Dienstleister der Wegwerfgesellschaft sind nicht nur in der Berliner Innenstadt unterwegs.

Im März 2012 gab es für den Studenten Paul Ketz in Köln den Innovationspreis für Nachhaltigkeit mit dem schönen Namen „Froschkönig“. Der Kölner Abfall- und Wirtschaftsbetrieb hatte seine Idee für preiswürdig er

(Danny Freymark)

achtet, und selbst der Bundesnachwuchspreis Ecodesign wurde 2012 für den Pfandring vergeben. Der Pfandring soll Ordnung schaffen und gleichzeitig bedürftigen Flaschensammlern den Weg zum begehrten Pfand für ein menschenwürdiges Leben erleichtern – so stand es zumindest damals schon drin.

Seit dieser Zeit wird vielerorts darum gestritten, ob der Pfandring neben anderen Initiativen, wie Pfandkisten und „Pfand gehört daneben“, eine gute Lösung darstellt, gerne auch gemessen an den Nachhaltigkeitskriterien ökologisch, sozial und wirtschaftlich. Dass es ökologisch sein kann, wird am ehesten bejaht, da Wertstoffe wie Glas, Kunststoffe und Leichtmetalle in einer stofflichen Verwertungskette gehalten werden, etwas, was bei Mehrwegflaschen, dem sogenannten Wegbier, als besonders ökologisch angesehen wird.

Bei der Betrachtung der sozialen Aspekte scheiden sich schon die Geister. Kann es sozial sein, dass es Menschen gibt, denen das Pfand ihres Einkaufsgutes so egal ist, dass sie sich dessen wie aus Bequemlichkeit wie bei einem Apfelgriebs schnell entledigen, und gleichzeitig Menschen unterwegs sind, um aus Abfallbehältern, eben auch aus Grünanlagen, von Haltestellen, von Bahnsteigen, aus Abteilen der S- und U-Bahn, der Straßenbahn natürlich auch und bei Großveranstaltungen, da lohnt es sich besonders, Getränkedosen und Flaschen zu sammeln, für eine kleine Aufbesserung ihres Lebensunterhaltes? Ich denke, nicht. Pfandringe lösen die sozialen Verwerfungen dieser Gesellschaft nicht, und auch als Maßnahme für den Ressourcenschutz ist der Pfandring nur ein winziges Mosaiksteinchen.

Die Diskussion zur Umweltschädlichkeit von Einweggetränkeverpackungen will ich aus Zeitgründen hier gar nicht erst anschneiden, aber auch für Einweg gab es einen Ehrenpreis – den Dinosaurier des Jahres 2013 vom Naturschutzbund Deutschland an die Lobbyisten der Einwegplastik und Dosen, die sich sinnigerweise auch als „Bund der Getränkeverpackung der Zukunft“ bezeichnen.

Gehen wir auch noch auf die Wirtschaftsaspekte der Pfandringe ein, wird deutlich, warum auch die Linksfraktion in Lichtenberg im August mit dem Antrag „Mehr Würde durch Pfandringe“ die dortige BVV überzeugen konnte. Jede bezahlte Einwegpfandflasche oder Dose, deren Pfand nicht eingelöst wird, verbleibt dem am Pfandsystem teilnehmenden Hersteller als Reingewinn. Dieser Anteil liegt nach Angaben des Naturschutzbundes bei 2 bis 5 Prozent aller Einweggetränkegefäße jährlich. Die Piraten sagen, der Anteil ist sogar noch viel höher, bis 20 Prozent. Auch aber die zurückgebrachten und gepressten Einwegpfandflaschen bringen dem Einzelhandelsunternehmen pro Tonne 250 bis 400 Euro, wenn sie dem Recycling zugeführt werden. Dass sind allein schon 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr, eine Summe, die natürlich auch den Ärmeren zustehen würde.

Dass die BSR mit den weggeworfenen Plastikpfandflaschen mit oder ohne Pfand den Brennwert aus dem Müll gepresster Pellets erhöht, ist nur ein weiterer Punkt des Interessenkonfliktes bei der Einführung von Pfandringen. In dieser Hinsicht wird die schon angekündigte Auswertung der ersten Pfandringprojekte in Berlin durch die BSR im ersten Quartal nächsten Jahres besonders interessant.

Wir als Linke stellen bei Betrachtung aller Kriterien die Würde der Pfandsammlerinnen und Pfandsammler in den Vordergrund und wissen, mit dem bedingungslosen Grundeinkommen, wie die Piraten schon angeschnitten haben, angemessenen Renten und Mindestlöhnen über 8,50 Euro, Würde bewahrender Gesetzgebung statt Hartz IV wird diesen einkommensschwachen Menschen wirklich geholfen.

Unsere Fraktion unterstützt die Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt und natürlich in den Hauptausschuss, aber es soll am Ende trotzdem nicht bloß ein Konzept aus Abfallgesichtspunkten werden, denn das reicht nicht. – Vielen Dank!

[Beifall bei der LINKEN – Vereinzelter Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN]

Vielen Dank, Frau Kollegin Platta! – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Es wird die Überweisung des Antrags Drucksache 17/1974 an den Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt

[Dr. Manuel Heide (CDU): Nein! ]

doch, Kollege Dr. Heide! Besonders gerne wird er dahin überwiesen. – sowie an den Hauptausschuss empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich rufe auf:

lfd. Nr. 5:

Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (Patientenmobilitätsrichtlinienumsetzungsgesetz – PatMobRLUG)

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales vom 1. Dezember 2014 Drucksache 17/2006

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1788

Zweite Lesung

(Marion Platta)

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der sechs Paragrafen miteinander zu verbinden – und höre hierzu keinen Widerspruch. Ich rufe also auf die Überschrift und die Einleitung sowie die §§ 1 bis 6 – Drucksache 17/1788. Eine Beratung ist heute nicht mehr vorgesehen.

Zur Vorlage Drucksache 17/1788 empfiehlt der Ausschuss für Gesundheit und Soziales einstimmig – bei Enthaltung Grüne – die Annahme. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind Linke, die Koalitionsfraktionen und auch die Piraten komplett. Wer enthält sich? – Das ist die Fraktion der Grünen. Gegenstimmen sehe ich nicht. Damit ist das Gesetz so beschlossen.

Ich rufe auf:

lfd. Nr. 5 A:

Gesetz zur Änderung des Kirchensteuergesetzes und des Kirchenaustrittsgesetzes

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Kulturelle Angelegenheiten vom 1. Dezember 2014 und dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses vom 10. Dezember 2014 Drucksache 17/2013

zur Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1960

Zweite Lesung

Ich eröffne die zweite Lesung und schlage vor, die Einzelberatung der vier Artikel miteinander zu verbinden – und höre auch hier keinen Widerspruch. Eine Beratung ist heute auch nicht mehr vorgesehen.

Zur Vorlage Drucksache 17/1960 empfehlen die Ausschüsse mehrheitlich – gegen Linke, bei Enthaltung Grüne – die Annahme. Wer der Gesetzesvorlage zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Koalitionsfraktionen und die Piraten. Wer ist dagegen? – Das ist die Linksfraktion. Wer enthält sich? – Die Grünen enthalten sich. Dann ist dieses Gesetz so beschlossen.

Ich rufe auf:

lfd. Nr. 6:

Gesetz zur Umsetzung der Länderöffnungsklausel gemäß § 73a Abs. 9 des Sozialgerichtsgesetzes und § 166 Abs. 7 der Verwaltungsgerichtsordnung

Vorlage – zur Beschlussfassung – Drucksache 17/1979

Erste Lesung

Ich eröffne die erste Lesung. Eine Beratung ist auch hier nicht vorgesehen und es wird die Überweisung der Vorlage an den Rechtsausschuss – kurz gesprochen – empfohlen. – Widerspruch höre ich nicht. Dann verfahren wir so.

Ich komme zur